L 9 U 301/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3209/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 301/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Oktober 2010 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2009 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die inkomplette Läsion der Supraspinatussehne links Folge des Arbeitsunfalls vom 18. Februar 2009 ist.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob eine inkomplette Läsion der Supraspinatussehne links Folge des Arbeitsunfalls der Klägerin vom 18.02.2009 ist.

Die 1938 geborene Klägerin, eine Rentnerin, trug einmal pro Woche das katholische Sonntagsblatt aus. Beim Austragen der Zeitung mit dem Fahrrad stürzte sie am 18.02.2009 gegen 14:30 Uhr auf einer leichten Gefällstrecke auf einer vereisten Stelle der Straße (Unfallanzeige der Schwabenverlag AG vom 23.03.2009).

Vom 01.03. bis 07.03.2009 wurde die Klägerin in der Chirurgischen Klinik R. stationär behandelt. Im Arztbrief vom 10.03.2009 führt der Chefarzt Dr. B. aus, nach einem Fahrradsturz auf die linke Schulter habe die Klägerin den linken Arm nicht mehr abduzieren können. Es sei ein deutlich schmerzhafter Bogen mit schmerzhaft reduzierter aktiver Abduktion und Anteversion sowie ein reduzierter Schürzen- und Nackengriff festgestellt und eine inkomplette bursaseitige Rotatorenmanschettenläsion links diagnostiziert worden. Es sei am 02.03.2009 eine arthroskopische Refixation der Supraspinatussehne mittels Bio-Corkscrew, Acromioplastik nach Neer und eine Bizepssehnentenotomie durchgeführt worden. Im Durchgangsarztbericht vom 23.03.2009, der erst nachträglich erstellt wurde, da die Klägerin erst bei Entlassung angegeben hatte, dass der Fahrradsturz beim Austragen der Zeitung stattgefunden hatte, ist folgender Befund wiedergegeben: "Deutlicher Druckschmerz über der ventralen Gelenkkapsel. Aufgehobene Abduktion und Anteversion. Jergason-Test negativ. Röntgen linke Schulter 4 Ebenen: Ausschluss frischer knöcherner Verletzung. Keine über das Altersmaß hinausgehende AC- oder Omarthrose. Sonographie linke und rechte Schulter: linke Seite Massenruptur mit deutlichem Hämatom und Bursitis subacromialis.

Die Beklagte zog Leistungsauszüge der AOK - Die Gesundheitskasse R. (vom 23.05.1994 bis 01.03.2009 keine Behandlung wegen Schulter- oder Armbeschwerden) sowie den Operationsbericht (OP-Bericht) bei und holte Auskünfte bei der Klägerin und Stellungnahmen bei Dr. B. ein.

Dr. B. führte in den Stellungnahmen vom 11.05. und 28.05.2009 aus, wie aus dem OP-Bericht zu entnehmen sei, handle es sich bei der Klägerin um eine serosaseitige, also inkomplette Läsion der Supraspinatussehne. Diesen Befund sehe man häufig als Ausdruck von degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei diese Läsion weder auf ein direktes noch auf ein indirektes Trauma der Schulter zurückzuführen. Auf nochmalige Nachfrage habe die Klägerin angegeben, dass sie nicht auf die linke Schulter, sondern den ausgestreckten Arm bzw. die linke Hand gestürzt sei. Das Unfallereignis habe bei der Klägerin mit einiger Wahrscheinlichkeit lediglich eine Schulterkontusion verursacht. Die rein unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit dürfte sich auf ca. drei Wochen belaufen.

Mit Bescheid vom 09.06.2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, bei dem Arbeitsunfall vom 18.02.2009 sei es lediglich zu einer Schulterkontusion links gekommen. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe längstens bis 04.03.2009 bestanden. Die darüber hinausgehenden Beschwerden seien nicht mehr auf das Unfallereignis, sondern vielmehr auf anlagebedingte Aufbruch- und Verschleißerscheinungen im Bereich der linken Schulter zurückzuführen. Die inkomplette Läsion der Supraspinatussehne links sei Folge dieser degenerativen Veränderung.

Hiergegen legte die Klägerin am 30.06.2009 Widerspruch ein und trug vor, vor dem Unfall habe sie keinerlei Beschwerden im Bereich der linken Schulter gehabt und sei deswegen auch nie ärztlich behandelt worden. Die Läsion sei ursächlich auf den Unfall vom 18.02.2009 zurückzuführen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Einschätzung von Dr. B. decke sich auch mit dem Verhalten der Klägerin nach dem Unfall. Sie habe nicht sofort einen Arzt aufgesucht und auch nicht sofort die Arbeit eingestellt. Bei einer traumatisch geschädigten Supraspinatussehne wäre sofort eine Beschwerdesymptomatik ausgelöst worden, die sofort Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit zur Folge gehabt hätte.

Gegen den am 26.08.2009 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 07.09.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm erhoben und die Feststellung begehrt, dass die inkomplette Läsion der Supraspinatussehne links Folge des Arbeitsunfalls vom 18.02.2009 sei.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört, Leistungsauszüge der AOK - Die Gesundheitskasse R. beigezogen und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein unfallchirurgisches Gutachten eingeholt.

Dr. B. hat am 26.10.2009 mitgeteilt, das Verletzungsmuster, das bei der Operation am 02.03.2009 vorgelegen habe, finde man häufig auch bei Patienten, die keinen Unfall erlitten hätten und bei denen irgendwann einmal spontan Schulterschmerzen auftreten. Diese Veränderungen seien dann als degenerativ anzusehen. Andererseits könne ein Sturz oder ein Bagatelltrauma, das auf eine ungeschädigte Schulter treffe, erstmalig Anlass für Beschwerden sein, ohne dass das Unfallereignis für die morphologischen Veränderungen ursächlich sei. Das Unfallereignis vom 18.02.2009 habe mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht zu den morphologischen Veränderungen (inkomplette bursaseitige Rotatorenmanschettenläsion) geführt; es sei lediglich geeignet gewesen, eine Schulterprellung herbeizuführen.

Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. hat am 01.11.2009 den Arztbrief von Dr. H., Oberarzt der Chirurgischen Klinik R., vom 26.02.2009 (Die siebzigjährige Patientin hat sich eine Rotatorenmanschettenmassenruptur linksseitig durch den Fahrradsturz letzte Woche zugezogen; seither könne sie keine aktive Abduktions- oder Anteversionsbewegung im Bereich der linken Schulter mehr ausführen) vorgelegt und unter Hinweis darauf die Ansicht vertreten, die Beschwerden im Bereich der linken Schulter seien auf den am 18.02.2009 erlittenen Unfall zurückzuführen.

Prof. Dr. B., Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie der Universität Ulm, hat im Gutachten vom 09.02.2010 ausgeführt, die traumatische Supraspinatussehnenruptur links sei mit größter Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 18.02.2009 zurückzuführen. Es überwögen die Kriterien, die für einen Kausalzusammenhang sprächen (Vorerkrankungsverzeichnis negativ, geeigneter Unfallmechanismus, Arztbesuch innerhalb von drei Tagen, Klinik - Hämatom/Schwellung, Pseudoparalyse, Kraftverlust ARO/IRO Stress-Röntgen-Glenohumeralgelenk zentriert, keine Überlastungszeichen, keine ACG-Arthrose -, keine Progredienz der Sekundärverletzungen, Röntgen und Sonographie der Gegenseite: ohne Befund); Kontra-Kriterien lägen nicht vor. Unter Berücksichtigung des Unfalls mit Sturz vom Fahrrad auf die linke Seite könne von einer reflexartigen Abstützreaktion des Armes mit Ausstrecken ausgegangen werden. Somit liege eine passiv erzwungene Rotationsbewegung mit abgespreiztem Arm vor, welches dem zuvor beschriebenen Verletzungsmuster gleiche. Auch wenn der Arm nicht abgespreizt worden sei (Patientin hält sich am Lenker fest), komme es zu einer passiv erzwungenen Rotation durch den Sturz, sodass auch bei dieser Sturzvariante der Unfallmechanismus geeignet gewesen sei. Derzeit bestehe eine aktive Armanhebung unter 100°, so dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 20 v. H. eingeschätzt werde.

Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. S. vom 18.03.2010 vorgelegt, der darin ausführt, die Annahme einer reflexartigen Abstützreaktion des Armes mit Ausstrecken sei völlig spekulativ, da die Klägerin im April 2009 bereits nicht mehr habe angeben können, ob sie auf die Hand oder den angewinkelten Arm gefallen sei. Zusammenfassend liege kein geeigneter Unfallmechanismus vor. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits 72 Jahre alt sei und somit degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette in hohem Maße vorlägen. Damit würden alle weiteren Pro- und Kontra-Kriterien erheblich relativiert. Schließlich habe der Operateur darauf hingewiesen, dass der intraoperative Befund Ausdruck von degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette sei und nicht auf ein direktes oder indirektes Trauma zurückzuführen sei.

Mit Urteil vom 19.10.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei nicht begründet. Gegen die Annahme einer unfallbedingten Läsion der Supraspinatussehne spreche bereits das Verhalten der Klägerin nach dem Unfall. So habe sie das Vorliegen eines Arbeitsunfalls erst nach der Entlassung aus der vom 01.03. bis 07.03.2009 stattgefundenen stationären Behandlung gemeldet. Insbesondere spreche die Tatsache, dass die Klägerin nach dem Unfall weiter gearbeitet habe, gegen eine traumatische Rotatorenmanschettenläsion. Auch das von der Klägerin gegenüber Dr. B. geschilderte Unfallereignis, wonach sie auf den ausgestreckten Arm bzw. die linke Hand gestürzt sei, stelle einen ungeeigneten Hergang dar. Zu Recht weise Dr. B. darauf hin, dass das Unfallereignis lediglich geeignet gewesen sei, eine Schulterprellung hervorzurufen. Demgegenüber überzeugten die Ausführungen von Prof. Dr. B. nicht. Er gehe schon unzutreffenderweise von einem geeigneten Unfallmechanismus aus. Insbesondere fehle in dem Gutachten von Dr. B. eine Auseinandersetzung mit dem Verhalten der Klägerin nach dem Unfall, das gegen eine unfallbedingte Läsion der Supraspinatussehne spreche. Zu Unrecht gehe Prof. Dr. B. davon aus, dass die Klägerin binnen drei Tagen nach dem Unfall einen Arzt aufgesucht habe. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 23.12.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.01.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, sie sei weiterhin der Auffassung, dass die inkomplette Läsion ihrer Supraspinatussehne links Folge ihres Arbeitsunfalls sei. Zu diesem Ergebnis seien Prof. Dr. B., ihr Hausarzt Dr. Z. und Dr. H. gekommen. Sie beanstande, dass Prof. Dr. B. nicht einmal die Gelegenheit gegeben worden sei, sich mit der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S. auseinanderzusetzen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Oktober 2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2009 abzuändern und festzustellen, dass die inkomplette Läsion der Supraspinatussehne links Folge des Arbeitsunfalls vom 18. Februar 2009 ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, die Berufungsbegründung bringe keine Tatsachen vor, die das Urteil des SG in Frage stellen würden.

Der Senat hat MRT- und Röntgenaufnahmen der linken Schulter der Klägerin beigezogen und bei Prof. Dr. B. eine ergänzende Stellungnahme eingeholt sowie Dr. Z. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört.

Prof. Dr. B. hat unter dem 17.08.2011 ausgeführt, er bleibe bei seiner Einschätzung, dass die Pro-Kriterien gegenüber den Kontra-Kriterien deutlich überwögen. Der Unfall vom 18.02.2009 sei höchstwahrscheinlich Ursache der Supraspinatussehnenruptur. So finde sich im OP-Bericht kein Hinweis darauf, dass es sich bei der Verletzung der Rotatorenmanschette um eine Degeneration oder ein nicht adäquates Unfallereignis gehandelt habe. Es würde auch keinen Sinn machen, bei einer degenerativen Supraspinatussehnenruptur diese zu nähen. Dies stelle kein adäquates Therapieverfahren dar.

Dr. Z. hat unter dem 19.05.2013 mitgeteilt, die Klägerin habe ihn am 24.02.2009 aufgesucht und angegeben, sie sei am 18.02.2009 vom Fahrrad gefallen. Er habe ihr Schmerztabletten (Novaminsulfon 500 Nr. 50) verschrieben und eine Überweisung zum Chirurgen (Fraktur?, Bereich linker Oberarm/Schulter) ausgestellt. Von Freitag, den 20.02.2009 bis 23.02.2009 (Rosenmontag) und am 25.2.2009 (Aschermittwoch) sei seine Praxis geschlossen gewesen.

Die Klägerin hat ergänzend mitgeteilt, sie könne sich angesichts des Zeitablaufs zwar nicht mehr konkret daran erinnern, aber aus einem Schreiben der Beklagten vom 31.03.2009 sei zu entnehmen, dass sie sich am 18.02.2009 bei Dr. B., Kreiskliniken R., vorgestellt habe.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist auch begründet, da sie Anspruch auf die Feststellung hat, dass die inkomplette Läsion der Supraspinatussehne links Folge des Arbeitsunfalls vom 18.02.2009 ist.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (BSG, Urteil vom 02.04.2009 – B 2 U 29/07 R – in Juris m.w.N.).

Vorliegend ist unstreitig, dass die Klägerin am 18.02.2009 einen Arbeitsunfall erlitten hat, als sie beim Austragen des katholischen Sonntagsblatts mit dem Fahrrad auf die linke Schulter gestürzt und es zu Beschwerden am linken Arm gekommen ist. Dies hat die Beklagte mit Bescheid vom 09.06.2009 auch anerkannt. Streitig ist dagegen, ob der Arbeitsunfall lediglich zu einer Schulterkontusion geführt hat oder ob auch die inkomplette Supraspinatussehnenläsion links Folge dieses Arbeitsunfalls ist.

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich- philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17= BSGE 96, 196-209).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - aaO).

An diesem Prüfungsmaßstab orientiert stellt der Senat zunächst fest, dass die Klägerin bis zu dem Sturz vom Fahrrad am 18.02.2009 keine Schulterbeschwerden hatte und wegen Schulterbeschwerden auch zuvor nicht behandelt worden ist, wie sich aus den Leistungsauszügen der AOK, die die Behandlungen der Klägerin vom 23.05.1994 bis 01.03.2009 dokumentieren, ergibt.

Des Weiteren stellt der Senat fest, dass die Klägerin am 24.02.2009 ihren Hausarzt Dr. Z., dessen Praxis vom 20.02.2009 bis 23.02.2009 geschlossen war, aufgesucht hat. Dieser hat am 24.02.2009 der Klägerin Schmerztabletten verschrieben und sie an das Krankenhaus Riedlingen überwiesen.

Aufgrund der Röntgenaufnahmen des Krankenhauses Riedlingen vom 24.02.2009 und 25.02.2009 ist für den Senat nachgewiesen, dass keine gravierenden degenerativen Veränderungen am linken Oberarm und linken Schultergelenk der Klägerin bestanden. So zeigen diese einen regelrechten Kalksalzgehalt und einen normalen Humerus-Acromion-Abstand. Es finden sich keine Hinweise für eine Mehrsklerosierung am "Footprint" und für eine AC-Gelenksarthrose.

Auf den Röntgenaufnahmen der Schultergelenke vom 27.01.2010, ca. ein Jahr nach dem Arbeitsunfall, zeigt sich keine Omarthrose; die Konturen der Gelenksflächen sind glatt. Es findet sich lediglich eine angedeutete AC- Gelenksarthrose.

Ferner ist für den Senat aufgrund des Arztbriefes von Dr. H. vom 26.02.2009 nachgewiesen, dass bei der Klägerin am 25.02.2009 ein deutlicher Druckschmerz über der ventralen Gelenkkapsel bestand und die Abduktion und Anteversion der linken Schulter aufgehoben war. Die Sonographie der linken Schulter zeigte eine Massenruptur mit deutlichem Hämatom und eine Bursitis subacromialis, während auf der rechten Seite die Rotatorenmanschette intakt war und relevante Veränderungen nicht vorlagen.

Weiter ist für den Senat aufgrund des Operationsberichts vom 02.03.2009 nachgewiesen, dass der Knorpel am Glenoid und Humeruskopf weitgehend unauffällig war ebenso wie auch die ventrale Kapsel und die Subscapularissehne.

Ausgehend von diesen Feststellungen und den Darlegungen von Professor Dr. B. im Gutachten vom 09.02.2010 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 17.08.2011 sowie unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 409 ff.) ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass die inkomplette Läsion der Supraspinatussehne links Folge des Arbeitsunfalls vom 18.02.2009 ist.

Nach den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. B. nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme sowie unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 412 ff.) sprechen folgende Umstände für einen Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 18.02.2009 und der inkompletten Läsion der Supraspinatussehne links: • Keine Vorerkrankung bezüglich des linken Schultergelenks • Glenohumeralgelenk zentriert • Keine Progredienz der Sekundärveränderungen • Röntgen der Gegenseite ohne Befund • Sonographie der Gegenseite ohne Befund • MRT: Keine fettige Degeneration • OP-Bericht: Keine Hinweise auf degenerative Veränderungen • Nähen der Supraspinatussehnenruptur.

Soweit Dr. B. und Dr. S. einen Kausalzusammenhang verneinen, vermögen ihre Darlegungen den Senat nicht zu überzeugen. Der Umstand, dass eine inkomplette Läsion einer Supraspinatussehne häufig auch bei degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette gefunden wird, ersetzt eine Prüfung des Kausalzusammenhangs im Einzelfall nicht. Vorliegend hat Prof. Dr. B. im Einzelnen die Pro- und Kontra-Kriterien aufgeführt, gegeneinander abgewogen und für den Senat nachvollziehbar in Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Literatur dargelegt, dass die für den Kausalzusammenhang sprechenden Kriterien überwiegen. Der Umstand, dass die Klägerin den genauen Ablauf des Unfalls nicht im Einzelnen wiedergeben kann, belegt noch nicht, dass kein geeigneter Unfallmechanismus vorgelegen hat. Im Übrigen ist die Frage, ob ein geeigneter Unfallmechanismus zu bejahen ist, nur ein Kriterium unter anderen. Soweit Dr. S. auf das Alter der Klägerin hinweist, berücksichtigt er schon nicht, dass bei der Klägerin weder röntgenologisch noch sonographisch und auch nicht intraoperativ gravierende degenerative Veränderungen festgestellt wurden und die Rotatorenmanschette rechts ohne Befund war.

Nach alledem waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten abzuändern und das Urteil aufzuheben sowie festzustellen, dass die inkomplette Läsion der Supraspinatussehne links Folge des Arbeitsunfalls vom 18.02.2009 ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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