L 5 R 1020/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 R 374/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1020/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.02.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der 1966 geborene Kläger hat eine Berufsausbildung als Maurer und Stahlbetonbauer durchlaufen. Zuletzt war er als Stuckateur von 1989 bis 31.01.2005 versicherungspflichtig beschäftigt. Im April 2005 wurde bei ihm ein malignes Melanom am Unterbauch rechts diagnostiziert und anschließend in der Universitätshautklinik T. operativ entfernt. Danach übte der Kläger eine selbständige Tätigkeit im Montagebau und im Trockenbau bis Januar 2009 aus. Ein Tumorrezidiv im rechten Brustbereich wurde im Januar 2009 entdeckt und sogleich entfernt. In der Folge war der Kläger arbeitsunfähig krank und erhielt von seiner privaten Krankenkasse Krankengeld.

Am 10.02.2009 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und gab als Gesundheitsstörung Hautkrebs an. Internist Dr. S. vom ärztlichen Dienst der Beklagten beschrieb in seinem Gutachten vom 02.04.2009 einen Zustand nach Exstirpation eines Melanoms rechts abdominal 4/2005 mit Lymphknotendissektion der rechten Axilla 7/2005 und anschließender adjuvanter Interferontherapie, Zustand nach Exstirpation einer Intrasit-Metastase rechts pektoral 1/2009 ohne Hinweis auf weitere Filialisierung und ohne Hinweis auf eine stoffwechselaktive Tumormanifestation. Er fand ferner eine Verstimmung im Rahmen einer Anpassungsstörung und erwähnte eine anamnestisch mitgeteilte Alkoholabhängigkeit, wobei der Kläger nach einer Entzugsbehandlung im März 2006 abstinent sei. Beim Kläger lägen derzeit keine nennenswerten Einschränkungen des Leistungsvermögens vor. Ihm seien mittelschwere bis zum Teil schwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig möglich, ebenso die derzeit ausgeübte Tätigkeit eines Trockenbauers bzw. Montagebauers.

Mit Bescheid vom 09.04.2009 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab. Der Kläger habe in den letzten fünf Jahren keine drei Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Im maßgeblichen Zeitraum vom 10.02.2004 bis 09.02.2009 sei nur ein Jahr mit entsprechenden Beiträgen belegt. Zu dem bestehe weder teilweise noch volle Erwerbsminderung.

Mit seinem Widerspruch vom 19.04.2009 machte der Kläger sinngemäß geltend, die Zeiten der Kindererziehung seiner Tochter K. von Januar 2004 bis Januar 2008 seien unberücksichtigt geblieben. Während dieser Zeit sei die Mutter von K. nur in Teilzeit beschäftigt gewesen. Seit dem Februar 2008 arbeite sie in Vollzeit. Im Rahmen des anschließenden Antragsverfahrens legte der Kläger eine Erklärung vor, die von ihm und seiner Ehefrau unter dem 13.09.2009 unterzeichnet war, wonach die Zeit vom 01.09.2000 bis 31.01.2008 der Mutter und die Zeit ab 01.02.2008 dem Kläger als Erziehungszeit zugerechnet werden soll. Mit Bescheid vom 24.03.2010 lehnte die Beklagte gleichwohl die Anerkennung der Zeit ab 01.02.2008 wegen der gleichzeitig ausgeübten selbständigen Tätigkeit des Klägers ab, erkannte aber im anschließenden Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 05.06.2010 die Zeit vom 01.02.2008 bis 31.07.2009 als Berücksichtigungszeit wegen Erziehung eines Kindes an und erteilte dem Kläger unter dem 24.06.2010 eine entsprechende Wartezeitauskunft.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Klägers stellen sich demnach wie folgt dar: 28.01.00 bis 31.01.05 durchgehende Belegung mit Pflichtbeitragszeiten 01.04.06 bis 30.06.06 geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung 01.07.06 bis 31.08.06 geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung 01.02.08 bis 31.07.09 Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien beim Kläger unverändert nicht erfüllt. Im hier maßgeblichen Zeitraum vom 10.02.2004 bis 09.02.2009 seien lediglich zwölf Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vorhanden. Ein Tatbestand im Sinne des § 241 Abs. 2 SGB VI sei ebenfalls nicht gegeben. Zudem sei er weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Der sozialmedizinische Dienst habe sämtliche Unterlagen überprüft und komme nach Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass bei ihm, auch unter Berücksichtigung der festgestellten Erkrankungen oder Behinderungen, mittelschwere und zum Teil schwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne weitere Funktionseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien.

Der Kläger erhob hiergegen am 18.01.2010 Klage bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG). Er machte zur Begründung geltend, er könne unmöglich mittelschwere und zum Teil schwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne weitere Funktionseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Die bei ihm diagnostizierte Hautkrebserkrankung sei durch die Einwirkung von UV-Strahlen (Sonnenlicht) hervorgerufen worden, welchen er bei Ausübung seines Berufes über Jahre hinweg ausgesetzt gewesen sei. Sowohl bei der Krebserkrankung selbst als auch bei der durch diese Erkrankung mittelbar hervorgerufenen psychologischen Problematik handle es sich um Berufskrankheiten. Damit sei eine vorzeitige Wartezeiterfüllung gemäß § 53 Abs. 1 SGB VI eingetreten, weshalb gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren nicht erforderlich sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, die sie schon deswegen für unbegründet gehalten hat, weil der Kläger in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere bis zum Teil schwere Arbeiten täglich mindestens sechs Stunden zu verrichten. Inwieweit es sich bei der Hauterkrankung um eine Berufskrankheit handle, sei deshalb rechtlich ohne Belang. Zudem müsste es sich bei der Hauterkrankung um eine von dem zuständigen Versicherungsträger anerkannte Berufskrankheit handeln. Ein solcher Anerkennungsbescheid liege nicht vor. Zudem müsste die Hautkrankheit für die Gewährung der Erwerbsminderungsrente ursächlich sein, was ebenfalls nicht zutreffe. Insgesamt seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur bei einem Leistungsfall bis 31.01.2007 erfüllt.

Der Kläger teilte noch mit, dass ihm das Landratsamt R. mit Bescheid vom 30.12.2010 einen GdB von 90 v. H. zuerkannt habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.02.2012 wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dies folge aus den Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr. S. vom 02.04.2009 sowie den dem Gericht vorliegenden Arztbriefen des Radiologen Dr. K. vom 01.08.2011 sowie den Arztbriefen des Dermatologen Prof. Dr. R. vom 05.03.2009 und 29.06.2009. Danach leide der Kläger im Wesentlichen an einem Zustand nach Exstirpation eines Melanoms abdominal rechts mit Lymphknotendissektion der rechten Achsel im Juli 2005 und anschließender Interferontherapie, einem Zustand nach Exstirpation einer Intrasit-Metastase rechts pektoral ohne Hinweise auf weitere Filialisierungen und ohne Hinweise auf eine stoffwechselaktive Tumormanifestation, ferner an einer depressiven Verstimmung im Rahmen einer Anpassungsstörung sowie einem Zustand nach Resektion eines großen Ganglions im Bereich des rechten Schultergelenks bei intakter Rotatorenmanschette. Zwar sei der Kläger nicht mehr in der Lage, schwere körperliche Arbeiten zu verrichten, jedoch vermöge er noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Umstand, dass beim Kläger ein GdB von 90 festgestellt worden sei, vermöge eine sozialmedizinisch quantitative Leistungsminderung nicht zu begründen, zumal sich der Kläger in Heilungsbewährung befinde und der GdB deshalb höher eingeschätzt werde, als es dem tatsächlichem Zustand entspreche (Hinweis auf Teil A, Ziffer 2 Buchstabe h in Verbindung mit Teil B Ziffer 17.13 der versorgungsmedizinischen Grundsätze). Rechtlich unerheblich sei, ob der Kläger seine zuletzt sozialversicherungspflichtig ausgeübte Beschäftigung als Stuckateur noch weiter ausüben könne, denn er genieße keinen Berufsschutz. Weil er erst nach dem 02.01.1961 geboren sei, erfülle er schon aus diesem Grund nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Unabhängig davon lägen auch bei ihm die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei Annahme eines Leistungsfalls zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung im März 2009 nicht vor. Die Vorschrift des § 241 Abs. 2 SGB VI greife schon deshalb nicht zu seinen Gunsten ein, weil er die allgemeine Wartezeit nicht vor dem 01.01.1984 erfüllt habe. Dass der klägerische Versicherungsverlauf fehlerhaft bzw. unvollständig sei, sei weder dargetan noch sonst ersichtlich. Soweit der Kläger meine, von der 3/5tel Belegung befreit zu sein, weil seine Erwerbsminderung auf einem Arbeitsunfall bzw. einer Berufskrankheit beruhe (§§ 43 Abs. 5, 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SBG VI), mangle es bereits an entsprechenden Nachweisen. Der Kläger habe weder einen Bescheid des Unfallversicherungsträgers vorgelegt noch sich substantiiert dazu geäußert, welche Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Verordnung bei ihm genau vorliegen respektive anerkannt sein solle. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits vor dem Februar 2007 erwerbsgemindert gewesen sei, lägen nicht vor. Dies sei auch nicht nachvollziehbar, denn der Kläger habe den Rentenantrag erst rund zwei Jahre später gestellt und sei nach eigenen Angaben noch bis Ende 2008 im Trocken- und Montagebau selbständig erwerbstätig gewesen.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 08.02.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8.03.2012 Berufung eingelegt. Er sei wegen der bei ihm vorliegenden schweren Erkrankungen auf nicht absehbare Zeit außer Stande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Neben einer schweren Hauterkrankung bzw. Hautkrebs leide er unter einer Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenkes sowie unter Depressionen und einem chronischen Schmerzsyndrom.

Er erfülle auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Erwerbsminderungsrente. Auch sei er von der 3/5tel Belegung befreit, weil seine Erwerbsminderung auf einer Berufskrankheit beruhe. Seine Hautkrankheit werde vom Tatbestand der in Anlage Nr. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung aufgeführten Liste der Berufskrankheiten unter Nr. 5101 bzw. 5102 erfasst. Ergänzend legte der Kläger die Gutachten von Prof. Dr. G., Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums U. vom 21.12.2011 und 20.06.2012 vor.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.02.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.02.2009 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend und hat zuletzt nochmals darauf hingewiesen, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Fall des Klägers letztmals bei Eintritt eines Leistungsfalls im Februar 2007 erfüllt seien.

Der Senat hat die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt.

Radiologe Dr. T. teilte dem Senat mit Auskunft vom 01.09.2012 mit, er habe den Kläger erstmalig am 12.07.2012 behandelt und bei ihm eine Kernspintomographie des rechten Schultergelenkes (kein Hinweis auf eine Ruptur der Rotatorenmanschette, kein Gelenkerguss, Zustand nach zweimaliger Ganglionresektion ohne Nachweis eines Rest- oder Rezidivtumors) durchgeführt. Internist Dr. G. hatte nach seiner schriftlichen Aussage vom 04.09.2009 den Kläger erstmalig am 11.02.2010 wegen eines Lipoms (Festgeschwulst) im Bereich des rechten Rückens operativ behandelt (Sensibilitätsstörung im Bereich der Wunde bei sonst unauffälligen Narbenverhältnissen und reizloser Wunde).

Der leitende Oberarzt der Sportklinik St. Dr. M. teilte unter dem 06.09.2012 mit, den Kläger erstmalig am 09.11.2010 behandelt zu haben. Am 10.12.2010 habe er ein Ganglion im Bereich des rechten Schultergelenkes entfernt, am 28.12.2011 ein Rezidivganglion. Postoperativ habe freie Schulterbeweglichkeit im Seitenvergleich bestanden bei regelrechten Haut- und Weichteilverhältnissen. Hautärztin Dr. S.-F. teilte mit Schreiben vom 03.09.2012 mit, sie habe am 01.04.2005 ein malignes Melanom an der rechten Brustseite diagnostiziert. Erst vier Jahre später am 27.02.2009 habe sie der Kläger erneut aufgesucht nachdem eine Metastase des Melanoms entdeckt und entfernt worden sei. Diplom-Psychologe Sch. (schriftliche Aussage vom 14.09.2012) gab an, den Kläger zwischen dem 23.09.2009 und dem 26.02.2010 psychotherapeutisch untersucht zu haben. Es habe sich um probatorische Sitzungen gehandelt, die der Indikationsstellung und der Beziehungsbildung dienen sollten. Er habe eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine längere depressive Reaktion im Rahmen einer Anpassungsstörung diagnostiziert. Zu einer psychotherapeutischen Behandlung bei ihm sei es letztlich nicht gekommen, da der Kläger hinsichtlich der Erfolgswahrscheinlichkeit der Psychotherapie skeptisch gewesen sei, was er auf das laufende Rentenverfahren zurückgeführt habe. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F. (Schreiben vom 09.09.2012) berichtete von Behandlungen zwischen dem 08.02.2010 und dem 01.06.2010 und einer gewissen Besserung der Beschwerden nach medikamentöser Behandlung. Chirurg Dr. K. (Auskunft vom 13.09.2012) berichtete von einer einmaligen Behandlung durch Entfernung eines verschieblichen Knotens am rechten dorsalen Beckenkamm am 25.08.2009. Orthopäde Dr. T. teilte mit Schreiben vom 23.10.2012 mit, er habe den Kläger seit 2007 laufend quartalsweise behandelt (Arthroskopie rechte Schulter, Ganglionentfernung). Der Senat hat weiterhin den Kläger betreffende Unterlagen des Universitätsklinikums T. (schriftliche Aussage Prof. Dr. med. R. vom 16.10.2012) beigezogen (Bl. 231-318 LSG-Akte). Der Kläger seinerseits hat die Berichte über vertrauensärztliche Untersuchungen zwischen dem 27.11.2009 und dem 13.05.2011 vorgelegt (Bl. 116-202 LSG-Akte).

Zu den im Berufungsverfahren neu hinzugezogenen ärztlichen Unterlagen vertrat Dr. Buchhöcker in der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.11.2012 für die Beklagte die Auffassung, nahezu alle befragten behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten hätten über eine Behandlung des Klägers nach dem Januar 2009 berichtet, mit Ausnahme der betreuenden Hautärztin. Eine Abweichung von der bisherigen Einschätzung ergebe sich aus diesen Berichten nicht, insbesondere lasse sich ein eventueller Leistungsfall vor Januar 2009 weiterhin nicht begründen. Die maßgeblichen Leiden lägen wohl auf nervenärztlichem Gebiet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Die Berufung ist auch sonst gemäß § 151 SGG zulässig.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 09.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1). Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach diesen Vorschriften steht dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu. Für einen zeitlich nach dem Januar 2007 liegenden Eintritt des Versicherungsfalls der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VI nicht erfüllt. Der Senat legt dabei den von der Beklagten zuletzt übersandten Versicherungsverlauf vom 06.12.2012 zugrunde, der mit der Wartezeitauskunft vom 24.06.2012 übereinstimmt. Soweit ersichtlich sind die dort getroffenen Feststellungen zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Erziehungszeiten für die Tochter Karen sind aufgrund der gemeinsamen Erklärung des Klägers und seiner Ehefrau vom 13.09.2009 dahin gehend geklärt, dass nur die Zeit ab 01.02.2008 dem Kläger als Erziehungszeit zugerechnet wird.

Da der Kläger bis 31.01.2005 eine durchgehende Zeit mit Pflichtbeiträgen von mehr als drei Jahren aufweist, muss der Versicherungsfall der Erwerbsminderung bis Ende Januar 2007 eingetreten sein. Nur wenn bis Ende Januar 2007 Berücksichtigungszeiten zur Anwendung kämen, wäre ein Streckungstatbestand gegeben, der bei Berechnung der speziellen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der 3/5tel Belegung zu einer Verlängerung des 5-Jahres Zeitraums führen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Zeiten der Erziehung eines Kindes sind gemäß § 56 Abs. 1 SGB VI Kindererziehungszeiten, wie sie beim Kläger für die Zeit ab 01.02.2008 festgestellt worden sind. Kindererziehungszeiten sind gemäß § 57 SGB VI Berücksichtigungszeiten. Das Zurücklegen von Berücksichtigungszeiten führt wiederum gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI dazu, dass der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung sich um die entsprechenden Zeiten verlängert, auch wenn diese Zeiten nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind (§ 43 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Die beim Kläger vorgemerkte Erziehungszeit ab dem 01.02.2008 ist nicht geeignet, zu einer Erfüllung der 3/5tel Belegung zu führen; sie hat nicht, was erforderlich wäre, im Januar 2007 oder zuvor begonnen. Denn eine Streckung des 5-Jahres-Rahmens setzt voraus, dass die Streckungstatbestände innerhalb des 5-Jahres-Rahmens beginnen. Der Kläger war zwischen dem 01.02.2005 und dem 01.02.2008 nicht sozialversicherungspflichtig erwerbstätig. Die Berücksichtigungszeiten ab 01.02.2008 ändern somit nichts daran, dass der Versicherungsfall der Erwerbsminderung beim Kläger spätestens bis Ende Januar 2007 eingetreten sein muss.

Erwerbsminderung nach den oben genannten Maßstäben ist beim Kläger aber vor Februar 2007 nicht eingetreten. Der Kläger war vor diesem Zeitpunkt ungeachtet eventueller gesundheitlicher Beschwerden noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter qualitativen Leistungseinschränkungen in einem Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Viel spricht sogar dafür, dass die im April 2009 getroffene Beurteilung des Internisten und Sozialmediziners Dr. S. zutrifft, wonach der Kläger damals (und seit 2005 unverändert) in der Lage war, mittelschwere und teilweise schwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Eine zeitliche Einschränkung seines Leistungsvermögens lässt sich zu einem Zeitpunkt vor dem April 2009 nicht und damit auch erst recht nicht vor dem Februar 2007 nachweisen. Ob beim Kläger im Laufe der Jahre 2009 und 2010 eine Erwerbsminderung begründende zeitliche Einschränkung seines Leistungsvermögens eingetreten ist, ist für den hier streitigen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente rechtlich unerheblich und kann daher offen bleiben.

Die umfangreichen Ermittlungen des Senates haben für die Zeit vor dem Januar 2009 nur sehr spärliche Informationen über Gesundheitsstörungen ergeben. Dr. S.-F. hat dem Senat eine Ablichtung des Berichts des Universitätsklinikums T. vom 07.06.2005 vorgelegt, ferner die Berichte über Kontrolluntersuchungen am 07.08.2005, 20.02.2006, 28.02.2006, 18.04.2007, 16.07.2007, 28.07.2008, 28.01.2008, 21.07.2008 und 19.01.2009. Hinweise auf Gesundheitsstörungen, die den Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit im Montagebau/Trockenbau hätten beeinträchtigen können, ergeben sich aus diesen Unterlagen nicht. Sie enthalten lediglich in großer Zahl Untersuchungsergebnisse, jedoch keine Diagnosestellungen oder Beschreibungen gesundheitlicher Einschränkungen; solche gehen auch nicht aus den eigenen Angaben des Klägers bei Anamneseerhebung hervor.

Soweit der Kläger im Jahre 2006 und (wohl) auch schon früher alkoholkrank war, handelte es sich damals um eine akute, aber vorübergehende Erkrankung. Er befand er sich nach eigenen Angaben deswegen vom 07.03. bis 17.03.2006 in stationärer Behandlung im P. W ... Seit dieser Zeit ist der Kläger trocken. Hinweise auf eine Einschränkung seiner beruflichen Tätigkeit sind vom Kläger selbst nicht angegeben worden. Er war vielmehr nach eigenen Angaben trotz seiner Alkoholkrankheit durchgehend in seiner selbständigen Tätigkeit im Trockenbau/Montagebau erwerbstätig.

Schließlich sind in den Berichten des Nervenarztes H. anamnestisch depressive Verstimmungen im Zeitraum 2008 bis 2009 angegeben. Eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung fand insoweit allerdings nicht statt. Die psychiatrische Behandlung bei Dr. F. fand erst später (Beginn: 08.02.2010) statt, ebenso wie die psychotherapeutische Behandlung bei Diplom-Psychologe Sch. zwischen dem 23.09. 2009 und dem 26.02.2010. In orthopädischer Hinsicht hat Dr. T. zwar unter dem 23.10.2012 mitgeteilt, den Kläger seit 2007 behandelt zu haben, pathologische Befunde hat er jedoch erstmals mit dem Ganglion beschrieben, das im Oktober 2010 entfernt worden ist. Insgesamt liegen für den Zeitraum 2005 bis 2009 trotz umfangreicher Ermittlungen des Senats somit keine ärztlichen Unterlagen vor, die geeignet wären, die Beurteilung von Dr. S. in Frage zu stellen. Ebenso wie die Beklagte und das SG kommt deshalb der Senat zu dem Ergebnis, dass der Eintritt eines Versicherungsfalls vor dem Februar 2007 nicht nachgewiesen ist.

Entgegen der Auffassung seines Bevollmächtigten kann auch nicht ausnahmsweise von der Erfüllung der Pflichtbeitragszeit von drei Jahren im Falle des Klägers abgesehen werden. Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestands eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Die allgemeine Wartezeit wird gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI (die andern Alternativen kommen hier ersichtlich nicht in Betracht) erfüllt, wenn der Versicherte wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit vermindert erwerbsfähig geworden oder gestorben ist. Der Kläger selbst macht geltend, er leide unter einem malignen Melanom als Hautkrebs, der Folge beruflich bedingter Sonnenexposition sei. Zunächst ist ihm entgegen zu halten, dass das maligne Melanom vom zuständigen Träger der Unfallversicherung nicht als Berufskrankheit anerkannt worden ist. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, einen entsprechenden Antrag gestellt zu haben. Aber auch wenn man die förmliche Anerkennung als Berufskrankheit durch den zuständigen Träger der Unfallversicherung nicht als Voraussetzung für die vorzeitige Wartezeiterfüllung fordern würde, lägen die Voraussetzungen der Berufskrankheiten-Verordnung nicht vor. Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. In Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung sind unter Nr. 5 Hautkrankheiten wie folgt erfasst: Nr. 5101 schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeit gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Nr. 5102 Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe.

Das maligne Melanom ist in der Berufskrankheiten-Verordnung nicht als Berufskrankheit bezeichnet. Es zählt auch nicht zu den in Nrn 5101 oder 5102 beschriebenen Erkrankungen.

Unter Ziffer 5102 fällt die Erkrankung des Klägers bereits deswegen nicht, weil sie nicht durch die dort genannten chemischen Stoffe verursacht worden ist.

Es kann offen bleiben, ob Ziffer 5102 für Krebserkrankungen im Bereich der Haut die speziellere Vorschrift ist, oder ob daneben auch Nr. 5101 zur Anwendung kommen kann. Im Fall des Klägers ist auch dies ausgeschlossen. Denn es genügt nicht, dass die Hauterkrankung schwer und wiederholt rückfällig ist, was beim Kläger aufgrund des Rezidivs des malignen Melanoms angenommen werden kann, jedoch hat seine Hauterkrankung nicht zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen, die für ihre Entstehung ursächlich waren oder hätten sein können. Gemeint sind unter Nr. 5101 Hauterkrankungen, die zu Allergien geführt haben und die sogleich auftreten, wenn der Betreffende wieder mit dem entsprechenden Allergen in Kontakt kommt. Davon kann beim Kläger keine Rede sein. Den Berichten der Universitätshautklinik T. lässt sich entnehmen, dass die dortigen Ärzte den Kläger nach erfolgter Operation wieder als gesund bezeichnet haben (Bericht vom 05.03.2009 - Bl. 105 LSG-Akte); an keiner Stelle geht daraus hervor, dass dem Kläger geraten wurde, zukünftig Sonnenlicht zu meiden. Dass die Erkrankung an dem malignen Melanom den Kläger nicht daran gehindert hat, weiterhin berufstätig zu sein, zeigt seine selbständige Tätigkeit in Anschluss an die Erkrankung vom April/Mai 2005.

Zusammenfassend liegen somit weder die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit vor, noch bestehen Anhaltspunkte, dass der Kläger wegen der als Berufskrankheit von ihm angesehenen malignen Melanomerkrankung vermindert erwerbsfähig geworden ist. Eine Kausalität zwischen Erwerbsminderung und dem Auftreten des malignen Melanoms besteht nicht.

Nach alle dem kann offen bleiben, ob und aus welchen Gründen der Kläger im Jahr 2009 ernsthaft psychisch erkrankt ist und ob er wegen der im Laufe des Jahrs 2009 und 2010 hinzugetretenen Erkrankungen im Bereich der rechten Schulter nicht nur vorübergehend arbeitsunfähig, sondern auch erwerbsgemindert geworden ist. Eine Auseinandersetzung mit den Gutachten von Prof. Dr. G. erübrigt sich, weil sämtliche Krankheitserscheinungen, die in dessen Gutachten beschrieben werden, erst im Laufe der Jahre 2009, 2010 und 2011 aufgetreten sind. Zu diesem Zeitpunkt lagen aber erst recht nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vor.

Nach alle dem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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