L 5 AS 141/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 2 AS 425/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 141/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Leistungsgewährung und die Geltendmachung einer Erstattungsforderung durch den Beklagten.

Der am ... 1944 geborene Kläger bezog bis Ende 2004 Arbeitslosenhilfe. Am 2. September 2004 beantragte er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er gab an, die Leistungen sollten auf "sein" Konto bei der damaligen Kreissparkasse K. mit der Nr ... gezahlt werden.

Mit Bescheid vom 9. November 2004 bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. April 2005 iHv 518,13 EUR monatlich. Neben der Regelleistung iHv 331 EUR gewährte er einen Zuschlag nach § 24 SGB II iHv 19 EUR sowie 168,13 EUR für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU). Diese setzten sich aus der Grundmiete iHv 98 EUR, Betriebskosten iHv 11,44 EUR und Heizkosten iHv 58,69 EUR zusammen.

Am 15. Dezember 2004 beantragte der Kläger beim zuständigen Rentenversicherungsträger die Gewährung einer Altersrente. Diese wurde mit Bescheid vom 31. März 2005 wegen Arbeitslosigkeit, beginnend mit dem 1. Oktober 2004, gewährt. Die laufenden Zahlungen iHv 601,59 EUR wurden im Monat April 2005 aufgenommen. Ein Nachzahlungsbetrag iHv 3.609,54 EUR wurde vorläufig – zur Begleichung von Erstattungsforderungen – einbehalten.

Mit Veränderungsmitteilung vom 7. April 2005 zeigte der Kläger die Rentenbewilligung der Agentur für Arbeit (BA) an. Mit weiterem Schreiben vom 25. April 2005 teilte er sie auch dem Beklagten mit. Fortzahlungsanträge stellte der Kläger nicht.

Gleichwohl zahlte der Beklagte ihm weiterhin Leistungen durch Überweisung auf das angegebene Konto iHv 518,13 EUR im Mai 2005, iHv 516,33 EUR im Juni 2005 und iHv 509,13 EUR im Juli 2005 aus. Einen Bewilligungsbescheid für den Zeitraum ab Mai 2005 erteilte der Beklagte nicht.

Nach mehrfacher Aufforderung bezifferte der Beklagte unter dem 28. Juli 2005 gegenüber dem Rentenversicherungsträger seinen Erstattungsanspruch für den Zeitraum von Januar bis März 2005 auf 518,13 EUR monatlich (insgesamt: 1.554,39 EUR).

Mit Schreiben vom 28. Juli 2005 hörte er den Kläger zur beabsichtigten Rückforderung im Zeitraum von April bis Juli 2005 iHv insgesamt 2.061,72 EUR an. Aufgrund des Bezugs von Altersrente seit Oktober 2004 ergebe sich kein Leistungsanspruch mehr. Der Kläger habe die Überzahlung verursacht, da er eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung seiner Verhältnisse nicht angezeigt habe.

Dagegen wandte der Kläger unter dem 2. August 2005 ein, gleichzeitig mit der ersten Rentenzahlung habe er im April 2005 vom Beklagten Formulare des Weiterbewilligungsantrags erhalten. Diese habe er nicht ausgefüllt, sondern mit dem Vermerk, er beziehe bereits Rente, an den Beklagten zurückgeschickt. Im Juli 2005 habe er erneut Antragsformulare erhalten und diese wieder mit dem Vermerk "Rentner" zurückgeschickt. Zudem habe er zweimal mit dem Arbeitsamt bzw. dem Beklagten telefoniert und um Aufklärung gebeten. Bei seinem letzten Anruf habe er die Auskunft erhalten, wenn zuviel gezahlt worden sei, werde das zurückgeholt. Für ihn sei der Fall erledigt. Er habe seine Pflichten erfüllt und dieses Durcheinander nicht verursacht.

Der Rentnerversicherungsträger erstattete dem Beklagten im August 2005 einen Gesamtbetrag von 1.879,80 EUR. Den die Forderung übersteigenden Betrag iHv 325,41 EUR überwies der Beklagte im Februar 2006 mit einem Begleitschreiben an den Kläger.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2005 hob der Beklagte "die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 01.04.05" auf und forderte die Erstattung eines Gesamtbetrags von 2.061,72 EUR gemäß § 50 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Zur Begründung führte er aus, der Kläger erhalte Altersrente und habe keinen SGB II-Leistungsanspruch mehr.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 2. November 2005, das am 4. November 2005 bei der Regionaldirektion der BA einging und vom Beklagten erst am 6. Februar 2006 registriert wurde, Widerspruch ein. Er führte aus, er habe die Überzahlung bereits getilgt, denn die Rentenstelle habe ihm mitgeteilt, dass Beträge erstattet worden seien. Zudem verstehe er nicht, weshalb der Beklagte bei einer Überzahlung erst jetzt Beträge zurückfordere.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Leistungsbewilligung sei gemäß § 48 SGB X aufzuheben, weil Einkommen erzielt worden sei, welches zum Wegfall des Anspruches geführt habe. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen und habe alle erforderlichen Unterlagen ordnungsgemäß eingereicht. Diese seien jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt berücksichtigt worden, was nicht auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen sei. Dieser habe wiederholt in der Angelegenheit vorgesprochen, was belege, dass ihm die Überzahlung auch bewusst gewesen sei. Er könne daher nicht auf dem Bestand des Verwaltungsakts vertrauen. Der Bewilligungsbescheid sei nach § 45 SGB X aufzuheben gewesen. Es sei die bereits bewilligte Leistung für April 2005 sowie die weiteren Zahlungen bis einschließlich Juli 2005 aufzuheben gewesen. Es ergebe sich eine Rückforderung iHv 518,13 EUR für April und Mai 2005, iHv 516,33 EUR für Juni 2005 und iHv 509,13 EUR für Juli 2005.

Am 19. April 2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Er habe wegen der Überzahlung versucht, beim Beklagten eine Klärung zu erreichen. Nachdem er auf die Rückzahlung durch den Rentenversicherungsträger hingewiesen habe, habe er sogar noch einen Restbetrag vom Beklagten ausgezahlt bekommen. Er sei der Auffassung, dass ihm das Geld (nunmehr) zustehe.

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte die Erstattungsforderung für April 2005 von 518,13 EUR auf 456,84 EUR reduziert und ein entsprechendes Teilanerkenntnis abgegeben, das der Kläger angenommen hat.

Mit Urteil vom 28. Januar 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung für den Monat April 2005 beruhe auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Nach Erlass des Bewilligungsbescheids sei aufgrund der Gewährung der Altersrente mit Bescheid vom 31. März 2005 eine wesentliche Änderung eingetreten, die der Beklagte bei dessen Erlass noch nicht habe berücksichtigen können. Aufgrund des vorzeitigen Rentenbezugs sei ab April 2005 gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II ein Leistungsausschluss eingetreten. Dies sei dem Kläger mit dem Erhalt des Rentenbescheids bekannt gewesen, was er gegenüber dem Beklagten und in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe. Der Kläger habe mehrfach beim Beklagten vorgesprochen und um Klärung gebeten. Es sei unverständlich, weshalb er nunmehr den Schluss ziehe, er könne die Leistungen behalten. Der Umstand, dass die Leistungen auf das Konto einer Bekannten überwiesen worden seien, stehe der Geltendmachung der Erstattungsforderung nicht entgegen. Denn der Kläger habe die Kontoverbindung selbst angegeben und damit den Zahlungsweg bestimmt. Zudem habe er nach seinen Angaben auch Zugriff auf dieses Konto gehabt. Hinsichtlich der Erstattung für April 2005 sei § 40 Abs. 2 SGB II a.F. anzuwenden. Danach sei eine Rückforderung der KdU ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile iHv 56 % nicht zu verlangen. Nach der Berechnung des Beklagten entfielen auf die KdU ohne Heizung insgesamt 109,44 EUR. Daher sei ein Betrag iHv 61,29 EUR nicht zu erstatten. Für April 2005 belaufe sich die Erstattung auf 456,84 EUR. Die Rückforderung der Zahlungen für Mai, Juni und Juli 2005 iHv insgesamt 1.543,59 EUR beruhe auf § 50 Abs. 2 SGB X. Danach seien die §§ 48 und 45 SGB X entsprechend anzuwenden. Der Beklagte habe Leistungen ausbezahlt, ohne einen entsprechenden Bewilligungsbescheid erlassen zu haben. Auch insoweit hindere die Auszahlung auf ein fremdes Konto die Rückforderung nicht. Denn der Kläger nutze das Konto, welches seine Bekannte eingerichtet habe, allein und übe insoweit die Verfügungsmacht aus. Auch hinsichtlich des zweiten Zeitraums sei die Rückforderung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X gerechtfertigt, da dem Kläger die Rechtswidrigkeit der Zahlungen bekannt gewesen sei. Er sei wegen der Erstattung der ohne Rechtsgrund gezahlten Leistungen nicht besonders schutzwürdig. Eine Reduzierung des Erstattungsbetrags nach § 40 Abs. 2 SGB II erfolge bei der Rückforderung nach § 50 Abs. 2 SGB X nicht.

Gegen das ihm am 12. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. April 2010 Berufung eingelegt und sein bisheriges Vorbringen vertieft. Er habe nach dem Erhalt der Doppelzahlung (Rente und SGB II-Leistung) zweimal telefonisch nachgefragt und um Klärung gebeten. Beim dritten Mal sei er mit dem Geld zum Beklagten gefahren. Dort habe man sich geweigert, den Betrag anzunehmen. Er habe dann mitgeteilt, dass er noch drei Wochen auf eine Entscheidung warten und danach das Geld ausgeben werde. Es sei jedoch nichts passiert, und er habe das Geld ausgegeben. Den Betrag solle derjenige erstatten, der die Sache verschlampt habe. Im Erörterungstermin mit der Berichterstatterin am 17. September 2012 hat er ergänzt, er werde den geforderten Betrag nicht zurückzahlen. Er sehe nicht ein, dass er für einen Fehler des Beklagten, der fünf Monate lang nicht aktiv geworden sei, bestraft werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 28. Januar 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2006 sowie in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 28. Januar 2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Der Kläger habe im Berufungsverfahren keine neuen Aspekte vorgebracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft iSv § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach ist die Berufung ohne Weiteres zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR übersteigt. Streitgegenständlich ist hier u.a. ein Erstattungsbegehren von insgesamt 2.000,43 EUR.

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Aufhebungsbescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2006 und in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 28. Januar 2010.

Streitgegenständlich ist somit zunächst die Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Monat April 2005, die mit Bewilligungsbescheid vom 9. November 2004 erfolgt war, nebst der zugehörigen Erstattungsforderung gemäß § 50 Abs. 1 SGB X iHv 456,84 EUR (1.). Gegenstand des Berufungsverfahrens ist weiterhin das Erstattungsbegehren für die Monate Mai bis Juli 2005, in denen der Beklagte Leistungen iHv insgesamt 1.543,49 EUR ohne Bewilligungsbescheid an den Kläger ausgezahlt hatte (2.).

1. Die Aufhebung der Leistungsgewährung im April 2005 ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Danach soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung – soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt – mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung iVm § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) ist in den genannten Fällen der Verwaltungsakt auch für die Vergangenheit aufzuheben. Damit scheidet eine Ermessensausübung aus. Es handelt sich in jedem Fall um eine gebundene Entscheidung des Leistungsträgers. Auch bei Überzahlungen, die allein durch den Leistungsträger verschuldet sind, ist der Bewilligungsbescheid rückwirkend zum Zeitpunkt seines Erlasses aufzuheben und eine Erstattung zu verlangen (vgl. Conradis in LPK–SGB II, 4. Auflage 2011, § 40 RN 14).

Der Kläger ist vor Erlass des Bescheids vom 18. Oktober 2005 angehört worden. Das Anhörungsschreiben vom 23. Juli 2005 genügt noch den Erfordernissen des § 24 Abs. 1 SGB X, denn es wird der für die beabsichtigte Aufhebung der Leistungsbewilligung maßgebliche geänderte Umstand, der Bezug von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit seit dem 1. Oktober 2004, benannt. Insoweit hat der Beklagte die entscheidungserhebliche Tatsache dem Kläger in einer Weise unterbreitet, dass er sie als solche erkennen und sich dazu sachgerecht äußern konnte. Dies hat der Kläger mit seiner Stellungnahme vom 2. August 2005 auch getan.

Der Aufhebungsbescheid ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt. Nach § 33 SGB X muss der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei sein und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen können, sein Verhalten daran auszurichten. Der Kläger konnte den Regelungsgehalt des Bescheides erkennen. Aufgrund des Bezugs der Altersrente wurde die Leistungsbewilligung ab April 2005 aufgehoben und er zur Erstattung der im Zeitraum von April bis Juli gezahlten Leistungen iHv insgesamt 2.061,72 EUR aufgefordert. Rechtlich unerheblich ist, dass der Beklagte im Ausgangsbescheid vom 18. Oktober 2005 die Ermächtigungsgrundlage nicht bezeichnet hat.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X liegen vor. Aufgrund der Bewilligung der Altersrente mit Bescheid vom 31. März 2005 rückwirkend zum 1. Oktober 2004 hat sich eine wesentliche Veränderung der Sachlage im Vergleich zu derjenigen bei Erlass des Bewilligungsbescheids vom 9. November 2004 ergeben, die den Beklagten berechtigt (und verpflichtet) hat, den Bewilligungsbescheid für den Leistungsmonat April 2005 vollständig aufzuheben.

Denn ab diesem Zeitpunkt war der Kläger von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II ausgeschlossen. Danach erhält SGB II-Leistungen nicht, wer Rente wegen Alters bezieht. Mit dieser Regelung sollte klargestellt werden, dass Personen, die endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und Rente wegen Alters beziehen, nicht mehr in Arbeit eingegliedert werden (vgl. Spellbrink in: Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Auflage 2008, § 7 RN 70). Insoweit ist es nicht relevant, ob der Bezieher einer Altersrente noch erwerbsfähig iSv § 8 SGB II ist, oder ob er die Altersgrenze nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II erreicht hat, denn – wie hier bei Arbeitslosigkeit – kann nach § 38 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Rentenversicherung (SGB VI) in bestimmten Fällen eine Altersrente auch vorzeitig in Anspruch genommen werden.

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II greift im Falle des Klägers ein, weil er – jedenfalls ab April 2005 – tatsächlich die Altersrente bezogen hat. Denn in diesem Monat wurden die laufenden Rentenzahlungen aufgenommen.

Zudem wusste der Kläger zur Überzeugung des Senats, dass mit Beginn der Altersrentenzahlungen sein SGB II-Leistungsanspruch entfallen war. Dies hat er im Verlauf des Verfahrens nie in Abrede gestellt. Außerdem ergibt es sich aus seinen schriftlichen Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren sowie seinen Bekundungen im sozialgerichtlichen Verfahren sowie im Erörterungstermin vom 17. September 2012. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil des SG verwiesen und von einer erneuten Darstellung abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ohne die sichere Kenntnis der Rechtswidrigkeit der weiteren Zahlungen von SGB II-Leistungen hätte kein Grund für den Kläger bestanden, dem Beklagten den überzahlten Monatsbetrag nach Abheben von der Bank "zurückzubringen".

Soweit der Kläger gleichwohl nicht (mehr) bereit ist, dem Erstattungsbegehren des Beklagten nachzukommen, bedeutet dies nicht, dass er der Auffassung ist, er habe von Anfang an einen Anspruch auf die ausgezahlten Leistungen gehabt. Er meint vielmehr, der Beklagte habe sich zu spät um die Rückabwicklung bemüht. Nach dessen fünfmonatiger Untätigkeit – und nachdem eine von ihm gesetzte Drei-Wochen-Frist verstrichen sei – könne er den Betrag behalten. Dafür gibt es jedoch keine gesetzliche Grundlage.

Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 iVm § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X für den Erlass des Aufhebungsbescheids ist vorliegend eingehalten.

Die Erstattungsforderung hinsichtlich der für April 2005 gezahlten Leistungen beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB X. Danach sind erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, wobei die Behörde die zu erstattenden Leistungen durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen hat. Diesem Erfordernis ist genügt. Der schriftliche Verwaltungsakt liegt mit dem Bescheid vom 18. Oktober 2005 vor.

Gemäß § 40 Abs. 2 SGB II a.F. reduziert sich die Erstattungsforderung um 56 % der bei der Leistungsgewährung berücksichtigten Kosten der Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für die Heizungs- und Warmwasserversorgung. Durch diese Regelung soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass im Falle einer vollständigen Aufhebung der Leistungsbewilligung ein nachträglicher Bezug von Wohngeld nicht mehr möglich ist. Die Regelung greift nur dann, wenn der Bewilligungsbescheid nicht gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 oder gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X aufgehoben worden ist (§ 40 Abs. 2 Satz 2 SGB X).

Da die Aufhebung vorliegend auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X zu stützen ist, findet § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB X Anwendung mit der Folge, dass ein Teilbetrag iHv 61,29 EUR der gewährten Leistungen für die Unterkunft ohne Heizung (insgesamt 109,44 EUR) vom Kläger nicht zu erstatten ist, sodass sich ein Erstattungsbetrag iHv 456,84 EUR für den Monat April 2005 ergibt.

2. Die geltend gemachte Erstattung für die Monate Mai, Juni und Juli 2005 zu einer Gesamthöhe von 1.543,59 EUR beruht auf § 50 Abs. 2, 3 SGB X iVm § 45 Abs. 2 SGB X.

Nach § 50 Abs. 2 SGB X sind Leistungen auch zu erstatten, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind. Die §§ 45 und 48 SGB X gelten entsprechend.

Die Grundvoraussetzung des § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB X liegt vor, denn die Zahlungen des Beklagten für die Monate Mai, Juni und Juli 2005 durch Überweisung auf das vom Kläger benannte Konto erfolgten ohne Bewilligungsbescheid. Damit bestand kein Rechtsgrund, insbesondere nicht in Form eines Verwaltungsakts, für diese Zahlungen.

Der Umstand, dass die Zahlungen auf ein Konto überwiesen wurden, dessen Inhaber nicht der Kläger, sondern dessen Bekannte war, lässt in der vorliegenden Fallkonstellation das Tatbestandsmerkmal der Leistung an den Kläger nicht entfallen. Denn der Kläger selbst hat das Konto seiner Bekannten unter Angabe der Kontonummer als dasjenige bezeichnet, auf das die Leistungen gezahlt werden sollten. Er hat sich als Kontoinhaber ausgegeben. Zudem hat er im sozialgerichtlichen Verfahren ausgeführt, er besitze die EC-Karte und die PIN-Nummer für das Konto und könne allein darüber verfügen. Seine Bekannte habe ein weiteres Konto zur eigenen Verfügung. Sie habe ihm dieses Konto "überlassen", da er zwischenzeitlich kein eigenes Konto habe eröffnen können. Es handelte sich ersichtlich um eine zielgerichtete Leistung des Beklagten an den Kläger im Rahmen eines vermeintlichen Sozialleistungsverhältnisses und nicht um eine irrtümliche Vermögensverschiebung zugunsten eines Unbeteiligten. Im letzteren Fall wäre § 50 Abs. 2 SGB X nicht anwendbar (vgl. Schütze, a.a.O., § 50 RN 6 ff.).

Aus der in § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X angeordneten entsprechenden Anwendung der §§ 45 und 48 SGB X folgt, dass die an eine nachträgliche Aufhebung von Bewilligungsbescheiden zu stellenden Anforderungen auch dann gelten, wenn die Leistungserbringung ohne Bescheid erfolgt ist.

Vorliegend hatte der Beklagte im vermeintlichen SGB II-Leistungsverhältnis mit dem Kläger die Weiterzahlung der Leistungen zur Erfüllung einer von ihm irrtümlicherweise angenommenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung vorgenommen (vgl. zum Vorst.: BSG, Urteil vom 22. August 2012, Az.: B 14 AS 165/11 R, juris RN 21 ff.).

Für die hier streitige Erstattungsforderung für die Monate Mai bis Juli 2005 ist § 48 SGB X nicht einschlägig, weil in diesem Zeitraum keine (erneute) Änderung in den Verhältnissen eingetreten ist. Diese hatten sich bereits im April 2005 geändert. Die Zahlungen für den Monat Mai 2005 und die Folgemonate waren vielmehr von Anfang an rechtswidrig.

Aber auch § 45 SGB X steht dem Erstattungsanspruch des Beklagten nicht entgegen. Nach dessen Absatz 2 darf ein rechtwidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts – insoweit muss für die Würdigung des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 SGB X auf die faktische Leistungsgewährung (anstelle des bewilligenden Verwaltungsakts) abgestellt werden – vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an seiner Rücknahme schutzwürdig ist. Vorliegend hat der Kläger auf den Bestand der weiteren Zahlungen bei deren Erhalt gerade nicht vertraut – wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt. Er kannte die Rechtswidrigkeit der Zahlungen.

Der Beklagte hatte vor Erlass des Erstattungsbescheids insoweit kein Ermessen auszuüben. Aus der angeordneten entsprechenden Geltung des § 45 SGB X in § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X folgt zwar grundsätzlich die Notwendigkeit einer Ermessensausübung. Indes ist diese hier durch die in § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II angeordnete entsprechende Geltung des § 330 Abs. 2 SGB III – wie bereits ausgeführt - ausgeschlossen (vgl. auch BSG, a.a.O. RN 28).

Da für den Zeitraum der Leistungsgewährung ohne Bewilligungsbescheid nur § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X herangezogen werden kann, ist die Höhe des Erstattungsbetrags für diese Monate nicht nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F. zu verringern. Denn über § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X gilt § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X, der vorliegend gegeben ist. Daher findet die Modifizierungsnorm des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F. nach Satz 2 der Vorschrift keine Anwendung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved