L 9 SO 161/13 KL

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 161/13 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Entscheidung über einen an das Landessozialgericht gerichteten Rechtsbehelf:
„Eilantrag: Klage gegen das F Sozialamt“.
Der als "Eilantrag: Klage gegen das F Sozialamt" bezeichnete Rechtsbehelf vom 02.04.2013 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit einem am 02.04.2013 beim Landessozialgericht (LSG) eingegangenen Schreiben hat der Kläger unter der Überschrift "Eilantrag:" "Klage gegen das F Sozialamt wegen mehrfacher Ablehnung einer Waschmaschine als Darlehen" erhoben und wörtlich ausgeführt:

"Ab sofort gehen alle Schreiben ob von BSG Kassel oder von Sozialgericht Duisburg umgehend zurück zum LSG Essen."

Vergleichbare Eingaben hat der Kläger auch schon zuvor an das LSG gerichtet. Insoweit wird auf die bereits rechtkräftig abgeschlossenen Verfahren L 9 SO 364/12 KL, L 9 SO 373/12 KL und L 9 SO 173/13 ER Bezug genommen.

Nachdem ihn der Vorsitzende mit Richterbrief vom 11.04.2013 darauf hingewiesen hat, dass eine Verweisung an das Sozialgericht Duisburg beabsichtigt ist, hat der Kläger mit Schreiben vom 18.04.2013 u.a. wörtlich ausgeführt:

"Wenn ich meine das ich Sie Anschreibe, dann schreibe ich Sie an. Das ist ihr Problem!"

Mit Richterbrief vom 28.05.2013, dem Kläger zugestellt am 31.05.2013, sind die Beteiligten unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 22.05.2013 im Verfahren L 9 SO 173/13 ER darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, den Rechtsbehelf des Klägers durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen.

Der Kläger hat daraufhin den Berichterstatter, Richter am Landessozialgericht Dr. B, "wegen ständiger Diskriminierung" abgelehnt.

II.

1. Der Senat darf unter Mitwirkung des Berichterstatters Dr. B entscheiden, obwohl der Kläger den Berichterstatter sinngemäß wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, denn das Ablehnungsgesuch des Klägers ist offensichtlich unzulässig. Der Kläger hat keinerlei substantiierte Tatsachen vorgetragen, die die Besorgnis der Befangenheit des Richters Dr. B unter irgendeinem denkbaren Gesichtspunkt begründen könnten (vgl. insoweit Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 60 Rn. 10b 4. Spiegelstrich). Der sinngemäße Vortrag des Klägers, er werde ständig von Dr. B diskriminiert, geht über pauschale Unmutsäußerungen nicht hinaus und lässt einen Bezug zum konkreten Streitgegenstand nicht erkennen. Ein derartiges offensichtlich unzulässiges und ungeeignetes Ablehnungsgesuch kann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters ohne gesonderte Entscheidung verworfen werden, weil jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens selbst entbehrlich ist (vgl. BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11.03.2013 - 1 BvR 2853/11 -, juris Rn. 30; Keller, a.a.O., Rn. 10d f.).

2. Der mit "Klage gegen das F Sozialamt" überschriebene Rechtsbehelf des Klägers vom 02.04.2013 ist unzulässig, weil er im Sozialgerichtsgesetz nicht vorgesehen und damit unstatthaft ist.

a) Das Begehren des Klägers im Sinne von § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist als an das LSG gerichteter Rechtsbehelf und nicht als echte Klage im Sinne der §§ 54 ff. SGG auszulegen.

Der Kläger hat seine Eingabe zwar ausdrücklich als "Klage" bezeichnet. Eine Klage im Sinne der §§ 54 ff. SGG entspricht aber nicht dem Ziel, was der Kläger nach seinem Vortrag mit seiner Eingabe beim LSG verfolgt. Für eine echte Klage wäre das LSG weder nach Maßgabe von § 29 Abs. 2 bis 4 SGG sachlich noch als Gericht des zweiten Rechtszuges im Sinne von § 29 Abs. 1 SGG instanziell zuständig, mit der Folge, dass der Rechtsstreit nach § 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) bzw. in entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften für den Fall der fehlenden instanziellen Zuständigkeit (vgl. hierzu BSG, Beschl. v. 03.07.1996 - 4 S (A) 7/96 -, juris Rn. 4, das allerdings sachliche und instanzielle Zuständigkeit vermischt; LSG NRW, Beschl. v. 30.01.2009 - L 16 AR 4/08 -, juris Rn. 1; Beschl. v. 16.03.2010 - L 7 AS 191/10 KL -, juris Rn. 1; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 98 Rn. 2 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 17.04.2002 - 3 B 137/01 -, juris Rn. 14 zur parallelen Vorschrift des § 83 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO); a.A. Zeihe, SGG, Stand: Nov. 2010, § 98 Rn. 1f; offen gelassen, BSG, Beschl. v. 25.02.1999 - B 1 SF 9/98 S -, juris Rn. 6) an das zuständige SG Duisburg zu verweisen wäre. Abgesehen davon, dass der Kläger keinen konkreten Bescheid genannt hat, der nach § 54 Abs. 1 SGG Gegenstand einer Klage sein könnte, hat er, wie schon in den Verfahren L 9 SO 364/12 KL, L 9 SO 373/12 KL und L 9 SO 173/13 ER, mit Schreiben vom 18.04.2013 nach dem Hinweis des Senatsvorsitzenden vom 11.04.2013 deutlich gemacht, dass eine Verweisung nicht seinem Begehren entspricht und er sie strikt ablehnt. Vielmehr erhofft er sich in erster Linie vom LSG ein Einschreiten gegen das SG Duisburg, weil dieses angeblich seine Klagen nicht bzw. nicht in seinem Sinne bearbeite.

Der Kläger hat damit deutlich zu erkennen gegeben, dass es ihm durchaus bewusst ist, dass für erstinstanzliche Klagen das SG Duisburg zuständig ist. Er ist jedoch der Auffassung, dass das LSG als Rechtsmittelgericht berechtigt und auf seinen Antrag hin verpflichtet ist, das SG Duisburg zur Bearbeitung seiner Klage anzuweisen und im Falle der angeblichen weiteren Bearbeitungsverweigerung quasi im Wege eines Selbsteintritts selbst über die Klage zu entscheiden. Es geht dem Kläger also primär darum, dass das LSG Maßnahmen ergreift, um das SG Duisburg zur Bearbeitung seiner dort anhängig gemachten Klagen zu bewegen oder zu zwingen. Erst für den Fall, dass entsprechende Maßnahmen nicht fruchten, soll das LSG nach dem Begehren des Klägers selbst über die Klage entscheiden. Der Kläger wendet sich dementsprechend an das LSG als zweitinstanzliches Gericht und legt in der Sache einen - am ehesten mit fachaufsichtsrechtlichen Verwaltungsmaßnahmen vergleichbaren - Rechtsbehelf gegen die angebliche Untätigkeit des SG Duisburg ein ... b) Der vom Kläger eingelegte Rechtsbehelf ist unstatthaft, weil er im SGG nicht vorgesehen ist. Für das vom Kläger gewünschte quasi fachaufsichtsrechtliche Einschreiten des LSG einschließlich eines Selbsteintrittsrechts gibt es keine rechtliche Grundlage. Das SGG kennt grundsätzlich nur Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen, namentlich die Berufung und die Revision gegen Urteile gemäß § 143 SGG und § 160 SGG und die Beschwerde gegen andere Entscheidungen gemäß § 172 SGG und § 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG. Ein gerichtliches Unterlassen ist nur anfechtbar, soweit es um die Nichtzulassung von Berufung oder Revision geht (vgl. §§ 145, 160a SGG). Im Falle unangemessener Verzögerung eines Rechtsstreits stünde dem Kläger das Verfahren nach § 202 SGG i.V.m. § 198 GVG offen. Eine Entschädigungsklage wegen unangemessener Verfahrensdauer, deren Voraussetzungen auch offensichtlich nicht erfüllt sind, hat der Kläger hier eindeutig nicht erhoben.

3. Der Senat darf über den vom Antragsteller eingelegten Rechtsbehelf durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und deshalb auch gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter entscheiden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschriften der §§ 124, 153, 158, 172 und 176 SGG ergibt sich, dass das LSG nur über echte (erstinstanzliche) Klagen (vgl. § 29 Abs. 2 SGG) und zulässige Berufungen gegen Urteile des Sozialgerichts durch Urteil und in der Regel nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden hat. Gerade aus §§ 158, 172 Abs. 1, 176, 202 SGG i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) folgt, dass das LSG unstatthafte und damit unzulässige Rechtsbehelfe, wie den vorliegenden, durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung verwerfen kann (vgl. insoweit auch BSG, Beschl. v. 10.07.2012 - B 13 R 53/12 B -, juris Rn. 14 ff.). Wenn über eine Beschwerde, die gemäß § 172 Abs. 1 SGG der statthafte Rechtsbehelf gegen alle Entscheidung des Sozialgerichts, die nicht Urteile sind, ist, gemäß § 176 SGG durch Beschluss zu entscheiden ist, muss dies erst recht gelten, wenn, wie hier, ein - vom Antragsteller erfundener - Rechtsbehelf eigener Art erhoben wird und es an einer erstinstanzlichen Entscheidung gänzlich fehlt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved