L 3 U 62/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 156/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 62/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Anerkennung des Er-eignisses vom 19. August 2010 als Arbeitsunfall der verunfallten und inzwischen verstor-benen E.S. hat.

Die Klägerin ist die Nichte der am xxxxx 2010 verstorbenen E.S ... Sie ist in einem handschriftlichen Testament als Erbin aufgeführt. Ein entsprechender Erb¬schein wurde – aus Kostengründen – nicht beantragt. Frau S., bei der schon vor dem Krankenhausaufenthalt Pflegestufe 1 festgestellt worden war, befand sich zur Behandlung einer Schenkelhernie in vollstationärer Behandlung. Dort stürzte sie am 19. August 2010 morgens um 2.10 Uhr auf dem Weg zur Toilette, weil sich ihr Rollator in einem Türrahmen verhakte (Bericht der Durchgangsärztin Dr. J. vom 20. August 2010). Sie zog sich einen Bruch des rechten Oberarmknochens sowie des 5. Mittelhandknochens rechts zu. Nach dem Unfall war während der weiteren Krankenhausbehandlung eine Mobilisierung aus dem Bett nicht mehr möglich (Kranken-hausbericht vom 15. September 2010). Mit dem Durchgangsarztbericht wurde der Beklagten der Unfall bekannt. Sie erhielt dann die Rechnungen eines Krankentransportdienstes. Diesem, dem Krankenhaus, der Durch-gangsärztin sowie der Krankenkasse teilte sie daraufhin mit Schreiben vom 27. Oktober 2010 mit, dass kein Arbeitsunfall vor¬liege und ihre Zuständigkeit nicht gegeben sei. Mit am 23. Dezember 2010 eingegangenen Schreiben meldete sich u.a. die Klägerin als Erbin bei der Beklagten und forderte diese auf, durch den Unfall zusätzlich entstandene Pflegekosten in Höhe von 1551,16 und 781,81, also 2332,97 Euro, für Kurzzeit- und Ver-hinderungspflege in der P. Residenz zu übernehmen und außerdem Schmer¬zensgeld in Höhe von 3750 Euro zu zahlen. Mit Bescheid vom 25. Januar 2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Wider¬spruchsbescheid vom 26. Mai 2011 zurück.

Die auf Feststellung des Ereignisses vom 19. August 2010 als Arbeitsunfall gerichtete Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 27. Oktober 2011 abgewiesen. Zwar sei die Klägerin Sonder¬rechtsnachfolgerin und daher die von ihr erhobene Klage zulässig, jedoch seien die ange¬griffenen Bescheide rechtmäßig. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung handele es sich bei einem Toilettengang um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, bei der ein Versicherungsschutz nicht gegeben sei. Er habe weder der Heilbehandlung gedient, noch sei eine besondere Krankenhausgefahr unfallursächlich geworden.

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung hat u.a. die Klägerin Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, es liege ein Arbeitsunfall vor. Als Sonderrechtsnachfolgerin sei sie auch aktivlegitimiert, weil sie die Verstorbene betreut und gepflegt habe.

Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. Oktober 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2011 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 19. August 2010 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die erstinstanzliche Entscheidung gehe zutreffend davon aus, dass kein Arbeitsunfall vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 26. April 2013 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Bera-tung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist nicht begründet.

Dabei kann unentschieden bleiben, ob die Klägerin überhaupt – wie von ihr behauptet – Sonderrechtsnachfolgerin ist. Gemäß § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch, Allge-meiner Teil (SGB I) ist hierfür neben der Funktion als Haushaltsführer auch erforderlich, dass derjenige zur Zeit des Todes in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Berechtigten lebte oder von diesem wesentlich unterhalten wurde. Außerdem beinhaltet die Definition eines Haushaltsführers nach Abs. 4 der Regelung, dass Haushaltsführer der Verwandte oder Verschwägerte ist, der statt eines (verhinderten) Ehegatten oder Lebenspartners den Haushalt des Berechtigten mindestens ein Jahr lang vor dessen Tode geführt hat und von diesem überwiegend unterhalten worden ist. Weder zu einem gemeinsamen Haushalt der Verstorbenen mit der Klägerin noch zu einem überwiegenden Unterhalt der Klägerin durch die Verstorbene ist vorgetragen worden oder gibt es nach Aktenlage einen Anhalt. Vielmehr werden stets unterschiedliche Wohnadressen der Verunfallten und der Klägerin angegeben. Zur finanziellen Situation der Klägerin sowie der Verstorbenen ist nichts be-kannt. Der Senat brauchte diese Frage nicht zu klären, denn selbst wenn die Klägerin keine Sonderrechtsnachfolgerin wäre, könnte sie Ansprüche auf Geldleistungen auch auf ihre Stellung als Erbin stützen (vgl. § 58 Satz 1 SGB I i.V.m. § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch).

Für ihre Anfechtungs- und Feststellungsklage hat sie auch das erforderliche Feststellungsinteresse. Denn mit Blick auf die infolge des Unfalls erhöhte Pflegebedürftigkeit der Verstorbenen könnte ein Anspruch auf Geldleistungen nach § 44 SGB VII in Gestalt von Pflegegeld in Betracht kommen (zum Feststellungsinteresse des Rechtsnachfolgers vgl. Bundessozialgericht, Urt. vom 12.01.2010 – B 2 U 21/08 R).

Allerdings erlöschen Ansprüche auf Geldleistungen nach § 59 Satz 1 SGB I, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtig¬ten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Eine Feststellung von Ansprüchen fand zu keinem Zeitpunkt statt. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens war im Zeitpunkt des Todes der Verunfallten ein Verwaltungsverfahren bei der Beklagten nicht (mehr) anhängig. Zum einen gab es zu Lebzeiten der Verunfallten keine irgendwie geartete Willensäußerung zur Herbeiführung einer Entscheidung über Leistungsansprüche. Auch hatte die Be¬klagte ihre (interne) Prüfung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, zwar noch vor dem Tod der Verunfallten mit Blick auf die durch andere Leistungsträger geltend gemachten Ansprüche aufgenommen, diese aber ebenfalls noch vor dem Tod der Verunfallten abgeschlossen. Dies dokumentiert der aus der Verwaltungsakte ersichtliche Abbruch berufsgenossenschaftlicher Heilbehandlung am 27. Oktober 2010, von welchem alle Leistungserbringer und auch die Krankenkasse der Verstorbenen Kenntnis erhielten. Letztlich kann offen bleiben, ob die Klägerin mit Blick auf eine fehlende Bekanntgabe auch gegenüber der Verstorbenen aus ihrer Erbenstellung heraus am 23. Dezember 2010 gegenüber der Beklagten noch Leistungen beanspruchen konnte. Denn die Berufung hat auch aus den vom Sozialgericht angeführten Gründen keinen Erfolg.

Es fehlt schon deswegen am Vorliegen eines Arbeitsunfalls, weil der Unfall nicht während einer versicherten Tätigkeit eintrat. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht unter Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der Se-nat ebenfalls anschließt, im Toilettengang eine eigenwirtschaftliche Handlung gesehen und deswegen Versicherungsschutz verneint. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht insoweit Bezug auf die Begründung des sozialgerichtlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG). Wenn die Berufung hiergegen vorbringt, der selbständige Toilettengang des Nachts habe der Behandlung gedient und es habe sich deshalb hierdurch eine krankenhaustypische Gefahr realisiert, dann vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn wie dem Pflegebericht vom 5. August 2010 zu entnehmen ist, bedurfte die Verstorbene der Begleitung beim Aufstehen und war auf den Toilettenstuhl angewiesen. Wenn aber die Verstorbene entgegen ärztlicher Weisung selbständig das Bett verlässt und stürzt, dann ist sie hierdurch keiner anderen Gefahr begegnet, als dies in ihrer häuslichen Umgebung der Fall gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache. Das Gerichtsverfahren ist für die Klägerin kostenfrei. Zwar ge-nießen Kostenfreiheit gemäß § 183 SGG grundsätzlich nur Versicherte (für alle Instanzen) und sonstige (also nicht Sonder-) Rechtsnachfolger eine solche nur für die Instanz, in der sie ins Verfahren eintreten. Jedoch ist vorliegend gerade der (erstinstanzlich als gegeben angenommene) Sonderrechtsnachfolgestatus im Streit (§ 183 Satz 3 SGG).

Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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