Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 3160/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1737/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag des Antragstellers vom 29. Mai 2013 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
2. Die Beschwerde des Antragstellers vom 16. April 2013 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. April 2013 wird zurückgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast.) begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Verpflichtung des Antragsgegners (Ag.) zur vorläufigen Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Ast. hatte ab 2008 Alg II bezogen. Er hatte zeitweise allein in einer Dachgeschosswohnung im Haus seiner Eltern gewohnt, ab August 2010 mit seinen Kindern zusammen in der 230 qm großen früheren Ehewohnung, nachdem seine getrennt lebende Ehefrau diese verlassen und an den Ast. vermietet hatte. Mit seinen Kindern bildete er zeitweise eine Bedarfsgemeinschaft.
Im Oktober 2010 teilte die Ehefrau des Ast. dem Ag. u. a. mit, dass die drei Kinder des Ast. Kommanditisten eines Familienunternehmens (KG) seien, das seit September 2010 wieder Gewinne ausschütte. Der Ag. nahm Ermittlungen auf. Die KG teilte im Januar und Februar 2011 die Ausschüttungen von etwa EUR 9.000,- je Kind für das Geschäftsjahr 2009 mit. Der Ast. legte Kontoauszüge aller der Kinder vor, aus denen sich u. a. regelmäßige Eingänge (und Abgänge) im vierstelligen Bereich pro Monat ergaben. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) teilte im Juli 2011 dem Ag. im Einzelnen mit, dass der Ast. für alle diese Konten verfügungsberechtigt war bzw. weiterhin ist. Der Ast. legte ein Schreiben der Steuerberater der KG vom 20.10.2011 vor, wonach zwei der Kinder im Jahre 2009 aus der KG nunmehr nur noch negative Einkünfte erzielt hätten. Die KG teilte unter dem 27.10.2011 mit, die Kinder hätten 2010 jeweils etwas mehr als EUR 10.600,- an Einnahmen erzielt.
Der Ag. stellte daraufhin die Zahlung von Alg II zum 31.01.2011 ein. Er hob die Bewilligungsbescheide für die Zeit von August 2010 bis Januar 2011 auf und forderte insoweit EUR 9.949,63 vom Ast. zurück. Fortzahlungsanträge danach lehnte der Ag. ab. Zwischen den Beteiligen schweben bzw. schwebten vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) mehrere Rechtsstreitigkeiten wegen der Rückforderung und wegen der Ablehnung der Folgeanträge. Hinzu kamen zahlreiche Eilanträge, die für den Ast. jeweils erfolglos blieben. In dem Verfahren betreffend die möglichen Leistungsansprüche des Ast. für April bis Dezember 2011 hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 04.04.2013 (L 1 AS 2638/12) die Berufung des Ast. gegen das klagabweisende Urteil des SG vom 16.04.2012 zurückgewiesen.
Während dieses Zeitraums ergab im Dezember 2012 ein quartalsmäßiger automatisierter Datenabgleich des Ag. nach § 52 SGB II außerdem, dass einer der Söhne des Ast. über ein von seinem Großvater errichtetes Sparbuch mit einem Guthaben von mehr als EUR 20.000,00 verfügte, für das der Ast. verfügungsbefugt war. In einem der Eilverfahren hatte der Ast. im April 2012 ferner mitgeteilt, seine drei Kinder seien aus der KG ausgeschieden und durch Übertragung von 34 Wohnungen abgefunden worden. Der notarielle Vertrag könne nicht vorgelegt werden. Mieteinnahmen flössen, ob Gewinne erzielt würden, sei noch offen.
Wegen der Einzelheiten des Leistungsbezugs, der früheren Tätigkeiten des Ast. als Geschäftsführer der KG, der Ergebnisse des Datenabgleichs und der Ermittlungen des Ag. sowie wegen des Vortrags des Ast. zu Herkunft und Verwendung der Zuflüsse auf den Konten seiner Kinder und zu den streitigen Gewinnausschüttungen wird auf den Tatbestand jenes Urteils Bezug genommen (S. 9 ff. der Senatsakte dieses Beschwerdeverfahrens).
Mit formlosem Schreiben vom 02.10.2012 beantragte der Ast. - nur für sich - erneut Alg II. Unter dem 24.10.2012 forderte der Ag. den Ast. zur Vorlage zahlreicher ausgefüllter Vordrucke und Unterlagen auf. Dem kam der Ast. teilweise nach. In diesem Rahmen kamen auch aktuellere Kontoauszüge auch der Konten der Kinder zur Akte des Ag., auf denen nur noch geringfügige Guthaben und Bewegungen verzeichnet waren. Unter dem 16.11.2012 und erneut dem 05.12.2012 forderte der Ag. den Ast. zur Vorlage weiterer Unterlagen auf und lud ihn zu einem Gespräch zur Antragsaufnahme am 13.12.2012. Der Ast. reichte u. a. umfangreiche weitere Unterlagen zu mehreren Konten ein, die ebenfalls keine größeren Guthaben oder Bewegungen aufwiesen. Zur Akte gelangte ebenfalls der Grunderwerbsteuerbescheid des Finanzamts B. vom 22.08.2012, in welchem die den drei Kindern übertragenen Wohnungen mit einem geschätzten Grundbesitzwert (Bemessungsgrundlage) von EUR 1.000.000,- versehen waren.
Bereits am 10.10.2012 hatte der Ast. einstweiligen Rechtsschutz bei dem SG (S 4 AS 2805/13 ER) beantragt und eine Verpflichtung des Ag. zur Gewährung von Alg II in Höhe von EUR 1.561,44 rückwirkend ab April 2012 begehrt. Mit Beschluss vom 07.11.2012 lehnte das SG jenen Eilantrag ab. Es fehle der Anordnungsgrund. Der Ast. habe in einem früheren Verfahren sein Begehren auf die Zeit bis Ende 2011 beschränkt. Es fehle eine nachvollziehbare Begründung dafür, warum er wieder Leistungen benötige. Die bloße Mitteilung, über kein Einkommen zu verfügen, reiche in Anbetracht der Vorgeschichte nicht aus.
Am 16.11.2012 hat der Ast. bei dem SG den vorliegenden Eilantrag (S 4 AS 3160/12 ER) eingereicht, mit dem er denselben Antrag stellt wie in dem vorigen Eilverfahren (Verpflichtung des Ag. zur Gewährung von Alg II über EUR 1.561,44 rückwirkend ab April 2012). Er trägt vor, neben dem Regelbedarf von EUR 361,- ständen ihm EUR 1.050,- für die Mietzahlungen an seine Ehefrau sowie EUR 147,44 für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu. Seine Kinder seien minderjährig. Ihm sei es nicht möglich, auf deren Einkünfte oder Vermögen zuzugreifen. Seine Ehefrau habe das Mietverhältnis über die frühere Ehewohnung wegen Zahlungsrückständen gekündigt, insoweit sei bereits ein Räumungsprozess anhängig, dessen Aktenzeichen der Ast. auch angibt.
Mit Bescheid vom 22.01.2013 lehnte der Ag. den Antrag des Ast. "vom 30.11.2012" (gemeint wohl: 02.10.2012) ab. Er - der Ast. - verfüge über verwertbares Vermögen mit einem Wert von EUR 332.993,53, der seine Vermögensfreibeträge übersteige. Das Vermögen seines (jüngsten) Sohnes Ju. übersteige dessen Vermögensfreibetrag um die genannte Summe. Dieses Vermögen werde nach § 9 Abs. 5 SGB II bei dem Leistungsbezug des Ast. berücksichtigt.
Im Widerspruchsverfahren übermittelte das BZSt dem Ag. eine aktuelle Liste der Konten der Kinder des Ast., aus der sich ergab, dass der Ast. nach wie vor nahezu durchgängig als Verfügungsbefugter eingetragen war. Der Ast. teilte am 13.03.2013 mit, er habe eine Beschäftigung mit einem Lohn von EUR 400,- angetreten, die erste Lohnzahlung sei im April zu erwarten. Ferner zog der Ast. am 05.04.2013 in eine andere Mietwohnung um, und zwar in jene, in der zuvor seine Ehefrau gelebt hatte.
Der Ag. erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 12.04.2013. Er führte aus, entgegen dem Vortrag des Ast. gehöre sein minderjähriger Sohn Ju. nach wie vor zur Haushaltsgemeinschaft, wenn auch nicht zur Bedarfsgemeinschaft des Ast., da er seinen Lebensbedarf selbst decken könne. Ju. verfüge über ein Vermögen von mindestens EUR 333.333,-, nämlich ein Drittel des Eigentums an den 35 Wohnungen, deren Wert nach dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 22.08.2012 auf EUR 1.000.000,- zu schätzen sei. Die behaupteten privatrechtlichen und steuerrechtlichen Vereinbarungen in Bezug auf die Steuerlast dieser Wohnungen, seien für die Feststellung ihres Verkehrswerts unerheblich. Dieses Vermögen müsse sich der Ast. zurechnen lassen. Unabhängig davon verfüge Ju. über Einkünfte von mindestens EUR 3.666,67 im Monat. Dies ergebe sich aus Angaben, die der Ast. selbst in dem Berufungsverfahren vor dem LSG gemacht habe, wonach nämlich aus den 34 Wohnungen monatliche Mieteinnahmen von EUR 11.000,- folgten, von denen Ju. ein Drittel zustehe. Dass diese Gelder den Kindern zuflössen, ergebe sich auch daraus, dass diese nach der Aufstellung des BZSt wirtschaftlich Berechtigte des für die KG geführten Kontos seien. Nach § 9 Abs. 5 SGB II werde nunmehr vermutet, dass der Ast. mit diesen Einnahmen unterstützt werde. Nach Anwendung der Berechnungsvorschrift des § 1 Abs. 2 AlgIIV (Arbeitslosengeld-II-/Sozialgeld-Verordnung) verblieben von den genannten Einkünften des Ju. monatlich EUR 1.302,84, die den Bedarf des Ast. überstiegen. Dieser Bedarf umfasse den Regelbedarf und angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 651,00. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen (Bl. 1618 ff. Verwaltungsakte).
Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 11.04.2013 hat das SG auch den Eilantrag in dem Verfahren S 4 AS 3160/12 ER abgelehnt. Für die Zeit von April 2012 bis zur Stellung des Eilantrags fehle diesem der Anordnungsgrund, da in einem Eilverfahren Leistungen für die Vergangenheit nicht gefordert werden könnten. Auch sonst fehlten Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch. Nachdem der Ast. bei einer mündlichen Anhörung in dem Berufungsverfahren vor dem LSG am 23.01.2013 angegeben habe, er komme mit Lügen und Betrügen, Schnorren und der Hilfe seiner Mutter über die Runden, habe er weder einen Anspruch auf Leistungen noch eine Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Entsprechend habe sich auch das LSG in dem Urteil vom 04.04.2013 nicht von der Hilfebedürftigkeit des Ast. überzeugen können. Durchschlagende Zweifel an der Hilfebedürftigkeit ergäben sich auch daraus, dass die Angaben des Ast. im Verwaltungsverfahren nie vollständig gewesen seien und z. B. erst nach Ermittlungen des Ag. herausgekommen sei, dass der Ast. für zahlreiche Konten verfügungsbefugt sei.
Gegen diesen Beschluss, der ihm am 13.04.2013 zugestellt worden ist, hat der Ast. am 16.04.2013 bei dem SG Beschwerde zum LSG eingelegt. Unter dem 28.05.2013 hat er außerdem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt und um Beiordnung eines vom LSG zu benennenden Rechtsanwalts gebeten.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. April 2013 aufzuheben und den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihm für die Zeit ab April 2012 monatlich EUR 1.561,44 zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Berufungsverfahrens L 1 AS 2638/12 eingesehen. Auf Anfrage des Senats hat das Amtsgericht R. mitgeteilt, der dortige Räumungsprozess betreffend die frühere Ehewohnung sei zum Ruhen gebracht.
Der Berichterstatter des Senats hat den Ast. persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des geladenen Zeugen Ju. L. Der Ast. hat dort mitgeteilt, seit April in einer Vollzeittätigkeit erwerbstätig zu sein und dafür EUR 1.192,00 netto zu erhalten. Für seine neue Wohnung wende er seit April EUR 700,- monatlich warm auf. Wegen der weiteren Angaben des Ast. sowie des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 21.06.2013 (Bl. 49 ff. Senatsakte) verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde des Ast. gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes (§ 172 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag des Ast. abgelehnt.
a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG muss ein Antragsteller in dem Verfahren um eine einstweilige Anordnung in Form der Regelungs- bzw. Leistungsanordnung einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch vorweisen und diesen nach § 86b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. §§ 935, 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft machen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 12.05.2005 (1 BvR 569/05, Juris) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung eines Eilverfahrens, in dem um existenzsichernde Leistungen gestritten wird, aufgestellt. Das Gericht darf hiernach grundsätzlich nicht nur im Rahmen einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage entscheiden, sondern muss die relevanten Umstände vollständig aufklären oder aber, wenn dies in zumutbarer Zeit nicht möglich ist, an Hand einer Folgenabwägung entscheiden. Hiernach sind in einem solchen Eilverfahren - anders als in einem ggfs. anschließenden Hauptsacheverfahren - Beweislastentscheidungen zu Lasten des Antragstellers grundsätzlich ausgeschlossen.
b) Hieraus folgt für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 15.11.2012, dass der Antrag ohne Weiteres abzulehnen ist, weil offensichtlich ein Anordnungsgrund fehlt. Leistungen für Zeiträume, die bei Einreichung eines Eilantrags bei Gericht bereits vergangen sind, können in Eilverfahren nicht erstritten werden. Insoweit fehlt es an der Eilbedürftigkeit (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86b Rn. 35a). Den hier streitigen Eilantrag hat der Ast. am 16.11.2012 gestellt. Es kann daher offen bleiben, ob der Antrag des Klägers für die Zeit bis Mitte November sogar schon unzulässig war, weil das SG bereits in dem vorherigen Verfahren S 4 AS 2805/13 ER über diesen Zeitraum entschieden hat und daher einem erneuten Antrag möglicherweise die materielle Rechtskraft des Beschlusses vom 14.11.2012 entgegensteht.
b) Ebenso eindeutig fehlt dem Ast. für die Zeit ab April 2013 der geltend gemachte Anordnungsanspruch auf Alg II nach §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 1, 20 ff. SGB II. Ab diesem Monat ist der Kläger offensichtlich nicht mehr hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II. Seit April ist er in einer Vollzeittätigkeit mit einem Nettoeinkommen von EUR 1.192,- beschäftigt. Hiervon sind nach §§ 11, 11b SGB II EUR 892,80 anrechenbar (Grundfreibetrag EUR 100,-, erster Erwerbstätigenfreibetrag EUR 180,-, zweiter EFB EUR 19,20). Dem steht ein Gesamtbedarf von höchstens EUR 732,- gegenüber (Regelbedarf EUR 382,-, Hälfte der Wohnkosten von EUR 700,- [die andere Hälfte entfällt nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf den Sohn Ju., der mit in der Wohnung lebt]). Im April kam außerdem noch der Lohn von EUR 400,- für die geringfügige Tätigkeit im März hinzu.
c) Im Ergebnis lehnt der Senat den Antrag des Ast. auch für die danach noch offene Zeit vom 16.11.2012 bis zum 31.03.2013 ab.
aa) Über diese Zeit muss der Senat im Einklang mit den Anforderungen des BVerfG an Hand einer Folgenabwägung entscheiden. Eine vollständige und nicht nur summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage war dem Senat in diesem Eilverfahren nicht möglich.
Die Ermittlungen des Senats, insbesondere die Vernehmung des Zeugen Ju., haben zwar ergeben, dass der Zeuge während der streitigen Zeit in einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 9 Abs. 5 SGB II gewohnt hat, nämlich in der ehemaligen Ehewohnung, und zwar in einem Kinderzimmer in einem der oberen Stockwerke (wobei nach Ansicht des Senat sogar das Wohnen in der Einliegerwohnung im Keller nicht ohne Weiteres gegen eine Haushaltsgemeinschaft gesprochen hätte, da nicht davon auszugehen ist, dass der Zeuge dort einen eigenen Haushalt geführt hat).
Nicht bestätigt hat sich aber bislang die weitere Annahme des Ag., dass Ju. über laufende Einkünfte von mindesten EUR 3.666,67 im Monat verfüge. Der gerade volljährig gewordene Zeuge hat bekundet, er verdiene kein Geld, er bekommen kein Taschengeld, allenfalls von seiner Großmutter bei Bedarf EUR 5,- oder EUR 10,-. Er werde von seinem Vater mit Nahrungsmitteln und Kleidung versorgt. Auch auf Nachfrage hat der Zeuge ausgesagt, er benötige auch kein Geld, er gehe nicht aus, er benutze so gut wie nie ein Mobiltelefon, er habe auch noch nicht mit der Fahrschulausbildung begonnen. Zu den auf seinen Namen laufenden Konten hat der Zeuge angegeben, sie seien ihm im Prinzip bekannt, aber sein Vater kümmere sich um alles. Er selbst wisse daher nicht, ob dort Gelder flössen. Diese Angaben des Zeugen waren nicht per se unglaubhaft. Der Zeuge hat keinen unglaubwürdigen Eindruck gemacht. Es erscheint z. B. nicht ausgeschlossen, dass sich seine Freizeitgestaltung seinen Angaben zu Folge auf das gelegentliche Spielen von Computerspielen zu Hause beschränkt. Davon, dass der Zeuge selbst die Umsätze seiner Konten nicht kennt, ist der Senat überzeugt. Vor diesem Hintergrund muss davon ausgegangen werden, dass die vorliegenden Kontoauszüge, die allesamt keine größeren Bewegungen ausweisen, zutreffen. Auch erscheint der Vortrag des Ast., dass aus den Mieteinnahmen der 34 Wohnungen von EUR 11.000,- im Monat keine Gewinne entständen (nur sie könnten anrechenbares Einkommen darstellen), weil ihnen hohe Betriebsausgaben gegenüberständen, nicht abwegig. Es ist zumindest denkbar, dass die Wohnungen sanierungsbedürftig sind und insoweit höhere Kosten anfallen.
Die hiernach verbliebenen Unklarheiten bei der Einkommenssituation des Zeugen könnten nur durch weitere Ermittlungen beseitigt werden. In Betracht kommen Anfragen bei den Banken, insbesondere dem kontoführenden Institut der Verwaltungsgesellschaft der Wohnungen, ebenso bei den Steuerberatern dieser Verwaltungsgesellschaft hinsichtlich der Wohnungsvermietung, ggfs. auch beim zuständigen Finanzamt nach den Einkommensteuererklärungen der drei Söhne. Ggfs. müssten über die Verwaltung der Wohnungen Angaben und Belege über etwaige Betriebsausgaben beigezogen werden. Diese weiteren Ermittlungen würden das Eilverfahren erheblich verzögern. Sie können daher nur im Hauptsacheverfahren durchgeführt werden.
Näher liegt der Hinweis des Ag., der Zeuge Ju. verfüge mit seinem Miteigentumsanteil von einem Drittel an den Wohnungen über erhebliches Vermögen, das über § 9 Abs. 5 SGB II ggfs. auch dem Ast. zuzurechnen wäre. Zwar ist der Wert von EUR 1.000.000,-, den das Finanzamt B. der Grunderwerbsteuer zu Grunde gelegt hat, ersichtlich geschätzt. Aber völlig unrealistisch dürfte er nicht sein. Ob dieser Betrag dem Verkehrswert entspricht, kann nur durch ein Verkehrswertgutachten oder ähnliche Ermittlungen, z. B. eine Anfrage beim Gutachterausschuss, geklärt werden. Eine solche Anfrage hat die Verwaltungsgesellschaft der Wohnungen bereits gestellt (Bl. 1524 Verwaltungs¬akte). Auch diese Ermittlungen sind in einem Eilverfahren, das auf präsente Beweismittel beschränkt bleibt (§ 294 Abs. 2 ZPO), nicht zu leisten.
Letztlich ist für die Frage der Hilfebedürftigkeit auch noch relevant, auf welchem Rechtsgrund die vom Ast. selbst genannten Unterstützungszahlungen seiner Mutter beruhten. Wenn es sich um Schenkungen oder dgl. handelte, was nach § 685 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vermutet wird, waren auch diese Zahlungen laufendes Einkommen des Ast., die seine Hilfebedürftigkeit ausgeschlossen haben. Etwas anderes gölte nur, wenn sie auf einem wirksamen und marktüblichen Darlehensvertrag beruhten oder aber eine echte Nothilfe im Hinblick auf die ausbleibenden Leistungen des Ag. waren. Um diesen Punkt zu klären, müsste ggfs. die Mutter des Ast. als Zeugin vernommen werden.
bb) Diese Folgenabwägung geht zu Lasten des Ast. aus. Zwar hat das BVerfG in dem genannten Beschluss vom 12.05.2005 ausgeführt, in dieser Situation seien in der Folgenabwägung "in der Regel" Leistungen zuzusprechen, ggfs. mit einem Abschlag. Hintergrund hierfür ist, dass eine möglicherweise verfassungswidrige - längere - Bedarfsunterdeckung im Nachgang nach einem etwaigen Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr behoben werden kann, auch nicht durch Nachzahlung und Verzinsung. Aber diese Ausführungen des BVerfG bezogen sich auf die Zukunft, auf laufende Ansprüche für den Lebensunterhalt. Die Situation des Ast. jetzt, zur Zeit der Entscheidung des Senats, auf die es ankommt, ist eine andere. Sein Existenzminimum ist seit Aufnahme der Beschäftigung im März bzw. April gesichert. Die betreffende Zeit von Mitte November 2012 bis März 2013 hat er überbrückt. Allenfalls rühren aus dieser Zeit jetzt noch Schulden. Diese jetzt noch bestehenden negativen Folgen können ohne weitere wesentliche Nachteile auch noch in einem Hauptsacheverfahren behoben werden. Sie nötigen jedenfalls nicht dazu, für diesen Zeitraum im Rahmen einer Folgenabwägung Leistungen zuzusprechen, wenngleich der Anordnungsgrund insgesamt nicht verneint werden kann.
2. Der Senat lehnt nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO wegen Fehlens hinreichender Erfolgsaussichten auch den Antrag des Ast. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ab. Bei Erhebung der Beschwerde am 16.04.2013 war die mögliche akute Notlage des Ast. bereits vorbei. Bereits dort betraf auch dieses Eilverfahren nur noch Zeiträume, die zwar nach Antragstellung lagen, aber inzwischen vergangen waren. Insofern musste eine ggfs. notwendige Folgenabwägung von Anfang an zu Lasten des Ast. ausgehen.
3. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
4. Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
2. Die Beschwerde des Antragstellers vom 16. April 2013 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. April 2013 wird zurückgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast.) begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Verpflichtung des Antragsgegners (Ag.) zur vorläufigen Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Ast. hatte ab 2008 Alg II bezogen. Er hatte zeitweise allein in einer Dachgeschosswohnung im Haus seiner Eltern gewohnt, ab August 2010 mit seinen Kindern zusammen in der 230 qm großen früheren Ehewohnung, nachdem seine getrennt lebende Ehefrau diese verlassen und an den Ast. vermietet hatte. Mit seinen Kindern bildete er zeitweise eine Bedarfsgemeinschaft.
Im Oktober 2010 teilte die Ehefrau des Ast. dem Ag. u. a. mit, dass die drei Kinder des Ast. Kommanditisten eines Familienunternehmens (KG) seien, das seit September 2010 wieder Gewinne ausschütte. Der Ag. nahm Ermittlungen auf. Die KG teilte im Januar und Februar 2011 die Ausschüttungen von etwa EUR 9.000,- je Kind für das Geschäftsjahr 2009 mit. Der Ast. legte Kontoauszüge aller der Kinder vor, aus denen sich u. a. regelmäßige Eingänge (und Abgänge) im vierstelligen Bereich pro Monat ergaben. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) teilte im Juli 2011 dem Ag. im Einzelnen mit, dass der Ast. für alle diese Konten verfügungsberechtigt war bzw. weiterhin ist. Der Ast. legte ein Schreiben der Steuerberater der KG vom 20.10.2011 vor, wonach zwei der Kinder im Jahre 2009 aus der KG nunmehr nur noch negative Einkünfte erzielt hätten. Die KG teilte unter dem 27.10.2011 mit, die Kinder hätten 2010 jeweils etwas mehr als EUR 10.600,- an Einnahmen erzielt.
Der Ag. stellte daraufhin die Zahlung von Alg II zum 31.01.2011 ein. Er hob die Bewilligungsbescheide für die Zeit von August 2010 bis Januar 2011 auf und forderte insoweit EUR 9.949,63 vom Ast. zurück. Fortzahlungsanträge danach lehnte der Ag. ab. Zwischen den Beteiligen schweben bzw. schwebten vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) mehrere Rechtsstreitigkeiten wegen der Rückforderung und wegen der Ablehnung der Folgeanträge. Hinzu kamen zahlreiche Eilanträge, die für den Ast. jeweils erfolglos blieben. In dem Verfahren betreffend die möglichen Leistungsansprüche des Ast. für April bis Dezember 2011 hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 04.04.2013 (L 1 AS 2638/12) die Berufung des Ast. gegen das klagabweisende Urteil des SG vom 16.04.2012 zurückgewiesen.
Während dieses Zeitraums ergab im Dezember 2012 ein quartalsmäßiger automatisierter Datenabgleich des Ag. nach § 52 SGB II außerdem, dass einer der Söhne des Ast. über ein von seinem Großvater errichtetes Sparbuch mit einem Guthaben von mehr als EUR 20.000,00 verfügte, für das der Ast. verfügungsbefugt war. In einem der Eilverfahren hatte der Ast. im April 2012 ferner mitgeteilt, seine drei Kinder seien aus der KG ausgeschieden und durch Übertragung von 34 Wohnungen abgefunden worden. Der notarielle Vertrag könne nicht vorgelegt werden. Mieteinnahmen flössen, ob Gewinne erzielt würden, sei noch offen.
Wegen der Einzelheiten des Leistungsbezugs, der früheren Tätigkeiten des Ast. als Geschäftsführer der KG, der Ergebnisse des Datenabgleichs und der Ermittlungen des Ag. sowie wegen des Vortrags des Ast. zu Herkunft und Verwendung der Zuflüsse auf den Konten seiner Kinder und zu den streitigen Gewinnausschüttungen wird auf den Tatbestand jenes Urteils Bezug genommen (S. 9 ff. der Senatsakte dieses Beschwerdeverfahrens).
Mit formlosem Schreiben vom 02.10.2012 beantragte der Ast. - nur für sich - erneut Alg II. Unter dem 24.10.2012 forderte der Ag. den Ast. zur Vorlage zahlreicher ausgefüllter Vordrucke und Unterlagen auf. Dem kam der Ast. teilweise nach. In diesem Rahmen kamen auch aktuellere Kontoauszüge auch der Konten der Kinder zur Akte des Ag., auf denen nur noch geringfügige Guthaben und Bewegungen verzeichnet waren. Unter dem 16.11.2012 und erneut dem 05.12.2012 forderte der Ag. den Ast. zur Vorlage weiterer Unterlagen auf und lud ihn zu einem Gespräch zur Antragsaufnahme am 13.12.2012. Der Ast. reichte u. a. umfangreiche weitere Unterlagen zu mehreren Konten ein, die ebenfalls keine größeren Guthaben oder Bewegungen aufwiesen. Zur Akte gelangte ebenfalls der Grunderwerbsteuerbescheid des Finanzamts B. vom 22.08.2012, in welchem die den drei Kindern übertragenen Wohnungen mit einem geschätzten Grundbesitzwert (Bemessungsgrundlage) von EUR 1.000.000,- versehen waren.
Bereits am 10.10.2012 hatte der Ast. einstweiligen Rechtsschutz bei dem SG (S 4 AS 2805/13 ER) beantragt und eine Verpflichtung des Ag. zur Gewährung von Alg II in Höhe von EUR 1.561,44 rückwirkend ab April 2012 begehrt. Mit Beschluss vom 07.11.2012 lehnte das SG jenen Eilantrag ab. Es fehle der Anordnungsgrund. Der Ast. habe in einem früheren Verfahren sein Begehren auf die Zeit bis Ende 2011 beschränkt. Es fehle eine nachvollziehbare Begründung dafür, warum er wieder Leistungen benötige. Die bloße Mitteilung, über kein Einkommen zu verfügen, reiche in Anbetracht der Vorgeschichte nicht aus.
Am 16.11.2012 hat der Ast. bei dem SG den vorliegenden Eilantrag (S 4 AS 3160/12 ER) eingereicht, mit dem er denselben Antrag stellt wie in dem vorigen Eilverfahren (Verpflichtung des Ag. zur Gewährung von Alg II über EUR 1.561,44 rückwirkend ab April 2012). Er trägt vor, neben dem Regelbedarf von EUR 361,- ständen ihm EUR 1.050,- für die Mietzahlungen an seine Ehefrau sowie EUR 147,44 für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu. Seine Kinder seien minderjährig. Ihm sei es nicht möglich, auf deren Einkünfte oder Vermögen zuzugreifen. Seine Ehefrau habe das Mietverhältnis über die frühere Ehewohnung wegen Zahlungsrückständen gekündigt, insoweit sei bereits ein Räumungsprozess anhängig, dessen Aktenzeichen der Ast. auch angibt.
Mit Bescheid vom 22.01.2013 lehnte der Ag. den Antrag des Ast. "vom 30.11.2012" (gemeint wohl: 02.10.2012) ab. Er - der Ast. - verfüge über verwertbares Vermögen mit einem Wert von EUR 332.993,53, der seine Vermögensfreibeträge übersteige. Das Vermögen seines (jüngsten) Sohnes Ju. übersteige dessen Vermögensfreibetrag um die genannte Summe. Dieses Vermögen werde nach § 9 Abs. 5 SGB II bei dem Leistungsbezug des Ast. berücksichtigt.
Im Widerspruchsverfahren übermittelte das BZSt dem Ag. eine aktuelle Liste der Konten der Kinder des Ast., aus der sich ergab, dass der Ast. nach wie vor nahezu durchgängig als Verfügungsbefugter eingetragen war. Der Ast. teilte am 13.03.2013 mit, er habe eine Beschäftigung mit einem Lohn von EUR 400,- angetreten, die erste Lohnzahlung sei im April zu erwarten. Ferner zog der Ast. am 05.04.2013 in eine andere Mietwohnung um, und zwar in jene, in der zuvor seine Ehefrau gelebt hatte.
Der Ag. erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 12.04.2013. Er führte aus, entgegen dem Vortrag des Ast. gehöre sein minderjähriger Sohn Ju. nach wie vor zur Haushaltsgemeinschaft, wenn auch nicht zur Bedarfsgemeinschaft des Ast., da er seinen Lebensbedarf selbst decken könne. Ju. verfüge über ein Vermögen von mindestens EUR 333.333,-, nämlich ein Drittel des Eigentums an den 35 Wohnungen, deren Wert nach dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 22.08.2012 auf EUR 1.000.000,- zu schätzen sei. Die behaupteten privatrechtlichen und steuerrechtlichen Vereinbarungen in Bezug auf die Steuerlast dieser Wohnungen, seien für die Feststellung ihres Verkehrswerts unerheblich. Dieses Vermögen müsse sich der Ast. zurechnen lassen. Unabhängig davon verfüge Ju. über Einkünfte von mindestens EUR 3.666,67 im Monat. Dies ergebe sich aus Angaben, die der Ast. selbst in dem Berufungsverfahren vor dem LSG gemacht habe, wonach nämlich aus den 34 Wohnungen monatliche Mieteinnahmen von EUR 11.000,- folgten, von denen Ju. ein Drittel zustehe. Dass diese Gelder den Kindern zuflössen, ergebe sich auch daraus, dass diese nach der Aufstellung des BZSt wirtschaftlich Berechtigte des für die KG geführten Kontos seien. Nach § 9 Abs. 5 SGB II werde nunmehr vermutet, dass der Ast. mit diesen Einnahmen unterstützt werde. Nach Anwendung der Berechnungsvorschrift des § 1 Abs. 2 AlgIIV (Arbeitslosengeld-II-/Sozialgeld-Verordnung) verblieben von den genannten Einkünften des Ju. monatlich EUR 1.302,84, die den Bedarf des Ast. überstiegen. Dieser Bedarf umfasse den Regelbedarf und angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 651,00. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen (Bl. 1618 ff. Verwaltungsakte).
Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 11.04.2013 hat das SG auch den Eilantrag in dem Verfahren S 4 AS 3160/12 ER abgelehnt. Für die Zeit von April 2012 bis zur Stellung des Eilantrags fehle diesem der Anordnungsgrund, da in einem Eilverfahren Leistungen für die Vergangenheit nicht gefordert werden könnten. Auch sonst fehlten Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch. Nachdem der Ast. bei einer mündlichen Anhörung in dem Berufungsverfahren vor dem LSG am 23.01.2013 angegeben habe, er komme mit Lügen und Betrügen, Schnorren und der Hilfe seiner Mutter über die Runden, habe er weder einen Anspruch auf Leistungen noch eine Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Entsprechend habe sich auch das LSG in dem Urteil vom 04.04.2013 nicht von der Hilfebedürftigkeit des Ast. überzeugen können. Durchschlagende Zweifel an der Hilfebedürftigkeit ergäben sich auch daraus, dass die Angaben des Ast. im Verwaltungsverfahren nie vollständig gewesen seien und z. B. erst nach Ermittlungen des Ag. herausgekommen sei, dass der Ast. für zahlreiche Konten verfügungsbefugt sei.
Gegen diesen Beschluss, der ihm am 13.04.2013 zugestellt worden ist, hat der Ast. am 16.04.2013 bei dem SG Beschwerde zum LSG eingelegt. Unter dem 28.05.2013 hat er außerdem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt und um Beiordnung eines vom LSG zu benennenden Rechtsanwalts gebeten.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. April 2013 aufzuheben und den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihm für die Zeit ab April 2012 monatlich EUR 1.561,44 zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Berufungsverfahrens L 1 AS 2638/12 eingesehen. Auf Anfrage des Senats hat das Amtsgericht R. mitgeteilt, der dortige Räumungsprozess betreffend die frühere Ehewohnung sei zum Ruhen gebracht.
Der Berichterstatter des Senats hat den Ast. persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des geladenen Zeugen Ju. L. Der Ast. hat dort mitgeteilt, seit April in einer Vollzeittätigkeit erwerbstätig zu sein und dafür EUR 1.192,00 netto zu erhalten. Für seine neue Wohnung wende er seit April EUR 700,- monatlich warm auf. Wegen der weiteren Angaben des Ast. sowie des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 21.06.2013 (Bl. 49 ff. Senatsakte) verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde des Ast. gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes (§ 172 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag des Ast. abgelehnt.
a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG muss ein Antragsteller in dem Verfahren um eine einstweilige Anordnung in Form der Regelungs- bzw. Leistungsanordnung einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch vorweisen und diesen nach § 86b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. §§ 935, 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft machen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 12.05.2005 (1 BvR 569/05, Juris) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung eines Eilverfahrens, in dem um existenzsichernde Leistungen gestritten wird, aufgestellt. Das Gericht darf hiernach grundsätzlich nicht nur im Rahmen einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage entscheiden, sondern muss die relevanten Umstände vollständig aufklären oder aber, wenn dies in zumutbarer Zeit nicht möglich ist, an Hand einer Folgenabwägung entscheiden. Hiernach sind in einem solchen Eilverfahren - anders als in einem ggfs. anschließenden Hauptsacheverfahren - Beweislastentscheidungen zu Lasten des Antragstellers grundsätzlich ausgeschlossen.
b) Hieraus folgt für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 15.11.2012, dass der Antrag ohne Weiteres abzulehnen ist, weil offensichtlich ein Anordnungsgrund fehlt. Leistungen für Zeiträume, die bei Einreichung eines Eilantrags bei Gericht bereits vergangen sind, können in Eilverfahren nicht erstritten werden. Insoweit fehlt es an der Eilbedürftigkeit (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86b Rn. 35a). Den hier streitigen Eilantrag hat der Ast. am 16.11.2012 gestellt. Es kann daher offen bleiben, ob der Antrag des Klägers für die Zeit bis Mitte November sogar schon unzulässig war, weil das SG bereits in dem vorherigen Verfahren S 4 AS 2805/13 ER über diesen Zeitraum entschieden hat und daher einem erneuten Antrag möglicherweise die materielle Rechtskraft des Beschlusses vom 14.11.2012 entgegensteht.
b) Ebenso eindeutig fehlt dem Ast. für die Zeit ab April 2013 der geltend gemachte Anordnungsanspruch auf Alg II nach §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 1, 20 ff. SGB II. Ab diesem Monat ist der Kläger offensichtlich nicht mehr hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II. Seit April ist er in einer Vollzeittätigkeit mit einem Nettoeinkommen von EUR 1.192,- beschäftigt. Hiervon sind nach §§ 11, 11b SGB II EUR 892,80 anrechenbar (Grundfreibetrag EUR 100,-, erster Erwerbstätigenfreibetrag EUR 180,-, zweiter EFB EUR 19,20). Dem steht ein Gesamtbedarf von höchstens EUR 732,- gegenüber (Regelbedarf EUR 382,-, Hälfte der Wohnkosten von EUR 700,- [die andere Hälfte entfällt nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf den Sohn Ju., der mit in der Wohnung lebt]). Im April kam außerdem noch der Lohn von EUR 400,- für die geringfügige Tätigkeit im März hinzu.
c) Im Ergebnis lehnt der Senat den Antrag des Ast. auch für die danach noch offene Zeit vom 16.11.2012 bis zum 31.03.2013 ab.
aa) Über diese Zeit muss der Senat im Einklang mit den Anforderungen des BVerfG an Hand einer Folgenabwägung entscheiden. Eine vollständige und nicht nur summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage war dem Senat in diesem Eilverfahren nicht möglich.
Die Ermittlungen des Senats, insbesondere die Vernehmung des Zeugen Ju., haben zwar ergeben, dass der Zeuge während der streitigen Zeit in einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 9 Abs. 5 SGB II gewohnt hat, nämlich in der ehemaligen Ehewohnung, und zwar in einem Kinderzimmer in einem der oberen Stockwerke (wobei nach Ansicht des Senat sogar das Wohnen in der Einliegerwohnung im Keller nicht ohne Weiteres gegen eine Haushaltsgemeinschaft gesprochen hätte, da nicht davon auszugehen ist, dass der Zeuge dort einen eigenen Haushalt geführt hat).
Nicht bestätigt hat sich aber bislang die weitere Annahme des Ag., dass Ju. über laufende Einkünfte von mindesten EUR 3.666,67 im Monat verfüge. Der gerade volljährig gewordene Zeuge hat bekundet, er verdiene kein Geld, er bekommen kein Taschengeld, allenfalls von seiner Großmutter bei Bedarf EUR 5,- oder EUR 10,-. Er werde von seinem Vater mit Nahrungsmitteln und Kleidung versorgt. Auch auf Nachfrage hat der Zeuge ausgesagt, er benötige auch kein Geld, er gehe nicht aus, er benutze so gut wie nie ein Mobiltelefon, er habe auch noch nicht mit der Fahrschulausbildung begonnen. Zu den auf seinen Namen laufenden Konten hat der Zeuge angegeben, sie seien ihm im Prinzip bekannt, aber sein Vater kümmere sich um alles. Er selbst wisse daher nicht, ob dort Gelder flössen. Diese Angaben des Zeugen waren nicht per se unglaubhaft. Der Zeuge hat keinen unglaubwürdigen Eindruck gemacht. Es erscheint z. B. nicht ausgeschlossen, dass sich seine Freizeitgestaltung seinen Angaben zu Folge auf das gelegentliche Spielen von Computerspielen zu Hause beschränkt. Davon, dass der Zeuge selbst die Umsätze seiner Konten nicht kennt, ist der Senat überzeugt. Vor diesem Hintergrund muss davon ausgegangen werden, dass die vorliegenden Kontoauszüge, die allesamt keine größeren Bewegungen ausweisen, zutreffen. Auch erscheint der Vortrag des Ast., dass aus den Mieteinnahmen der 34 Wohnungen von EUR 11.000,- im Monat keine Gewinne entständen (nur sie könnten anrechenbares Einkommen darstellen), weil ihnen hohe Betriebsausgaben gegenüberständen, nicht abwegig. Es ist zumindest denkbar, dass die Wohnungen sanierungsbedürftig sind und insoweit höhere Kosten anfallen.
Die hiernach verbliebenen Unklarheiten bei der Einkommenssituation des Zeugen könnten nur durch weitere Ermittlungen beseitigt werden. In Betracht kommen Anfragen bei den Banken, insbesondere dem kontoführenden Institut der Verwaltungsgesellschaft der Wohnungen, ebenso bei den Steuerberatern dieser Verwaltungsgesellschaft hinsichtlich der Wohnungsvermietung, ggfs. auch beim zuständigen Finanzamt nach den Einkommensteuererklärungen der drei Söhne. Ggfs. müssten über die Verwaltung der Wohnungen Angaben und Belege über etwaige Betriebsausgaben beigezogen werden. Diese weiteren Ermittlungen würden das Eilverfahren erheblich verzögern. Sie können daher nur im Hauptsacheverfahren durchgeführt werden.
Näher liegt der Hinweis des Ag., der Zeuge Ju. verfüge mit seinem Miteigentumsanteil von einem Drittel an den Wohnungen über erhebliches Vermögen, das über § 9 Abs. 5 SGB II ggfs. auch dem Ast. zuzurechnen wäre. Zwar ist der Wert von EUR 1.000.000,-, den das Finanzamt B. der Grunderwerbsteuer zu Grunde gelegt hat, ersichtlich geschätzt. Aber völlig unrealistisch dürfte er nicht sein. Ob dieser Betrag dem Verkehrswert entspricht, kann nur durch ein Verkehrswertgutachten oder ähnliche Ermittlungen, z. B. eine Anfrage beim Gutachterausschuss, geklärt werden. Eine solche Anfrage hat die Verwaltungsgesellschaft der Wohnungen bereits gestellt (Bl. 1524 Verwaltungs¬akte). Auch diese Ermittlungen sind in einem Eilverfahren, das auf präsente Beweismittel beschränkt bleibt (§ 294 Abs. 2 ZPO), nicht zu leisten.
Letztlich ist für die Frage der Hilfebedürftigkeit auch noch relevant, auf welchem Rechtsgrund die vom Ast. selbst genannten Unterstützungszahlungen seiner Mutter beruhten. Wenn es sich um Schenkungen oder dgl. handelte, was nach § 685 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vermutet wird, waren auch diese Zahlungen laufendes Einkommen des Ast., die seine Hilfebedürftigkeit ausgeschlossen haben. Etwas anderes gölte nur, wenn sie auf einem wirksamen und marktüblichen Darlehensvertrag beruhten oder aber eine echte Nothilfe im Hinblick auf die ausbleibenden Leistungen des Ag. waren. Um diesen Punkt zu klären, müsste ggfs. die Mutter des Ast. als Zeugin vernommen werden.
bb) Diese Folgenabwägung geht zu Lasten des Ast. aus. Zwar hat das BVerfG in dem genannten Beschluss vom 12.05.2005 ausgeführt, in dieser Situation seien in der Folgenabwägung "in der Regel" Leistungen zuzusprechen, ggfs. mit einem Abschlag. Hintergrund hierfür ist, dass eine möglicherweise verfassungswidrige - längere - Bedarfsunterdeckung im Nachgang nach einem etwaigen Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr behoben werden kann, auch nicht durch Nachzahlung und Verzinsung. Aber diese Ausführungen des BVerfG bezogen sich auf die Zukunft, auf laufende Ansprüche für den Lebensunterhalt. Die Situation des Ast. jetzt, zur Zeit der Entscheidung des Senats, auf die es ankommt, ist eine andere. Sein Existenzminimum ist seit Aufnahme der Beschäftigung im März bzw. April gesichert. Die betreffende Zeit von Mitte November 2012 bis März 2013 hat er überbrückt. Allenfalls rühren aus dieser Zeit jetzt noch Schulden. Diese jetzt noch bestehenden negativen Folgen können ohne weitere wesentliche Nachteile auch noch in einem Hauptsacheverfahren behoben werden. Sie nötigen jedenfalls nicht dazu, für diesen Zeitraum im Rahmen einer Folgenabwägung Leistungen zuzusprechen, wenngleich der Anordnungsgrund insgesamt nicht verneint werden kann.
2. Der Senat lehnt nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO wegen Fehlens hinreichender Erfolgsaussichten auch den Antrag des Ast. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ab. Bei Erhebung der Beschwerde am 16.04.2013 war die mögliche akute Notlage des Ast. bereits vorbei. Bereits dort betraf auch dieses Eilverfahren nur noch Zeiträume, die zwar nach Antragstellung lagen, aber inzwischen vergangen waren. Insofern musste eine ggfs. notwendige Folgenabwägung von Anfang an zu Lasten des Ast. ausgehen.
3. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
4. Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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