Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KR 161/11
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Krankenversicherung
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.060.05 Euro zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Widerklage wird abgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 1.060,05 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit geht um die Zahlung von (restlichen) Krankenhauskosten in Höhe von 1.060,05 Euro zuzüglich Zinsen aus der Behandlung des bei der Beklagten Versicherten S. F. (im Folgenden S. F.).
Der Kläger ist Rechtsnachfolger des Klinikums A-Stadt, kommunaler Eigenbetrieb des Landkreises A-Stadt.
S. F. war vom 03.01.2011 bis 28.01.2011 im Klinikum A-Stadt in stationärer Behandlung.
Das Krankenhaus rechnete den Aufenthalt nach den Vorgaben des KHEntgG entsprechend der festgestellten Hauptdiagnose mit insgesamt 9.882,49 Euro ab (Rechnung vom 03.02.2011).
Über die Rechtmäßigkeit dieser Forderung besteht zwischen den Beteiligten weder dem Grunde noch der Höhe nach Streit.
Die Beklagte vertritt jedoch die Auffassung, ihr stehe gegen den Kläger ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1.060,05 Euro aus der Behandlung der Patientin S. R. (im Folgenden S. R.) zu.
S. R. war vom 30.11.2010 bis 18.12.2010 stationär im Klinikum A-Stadt, wo sie am 30.11.2010 mittels Kaiserschnitt entbunden wurde. Das Krankenhaus rechnete die Entbindung über die DRG-Fallpauschale O 01 B mit 5.293,86 Euro ab (Rechnung vom 22.12.2010). Die Beklagte zahlte diese Rechnung, beauftragte aber anschließend den MDK wegen Zweifel an der zutreffenden Codierung mit der Überprüfung des Behandlungsfalles.
Diese Überprüfung lehnte der Kläger mit der Begründung ab, dass § 275 Abs.1 SGB V für Entbindungsfälle keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Patientendaten darstelle und auch im Übrigen keine Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung an den MDK bestehe.
Mit Schreiben vom 21.02.2011 erklärte die Beklagte dann aus dem behaupteten Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1.060,05 Euro die Aufrechnung ("Verrechnung") gegen den Zahlungsanspruch des Klägers aus der Behandlung des Patienten S. F.
Nach Auffassung des Klägers standen sich die Forderungen nicht aufrechenbar gegenüber. Der behauptete Rückzahlungsanspruch der Beklagten sei jedenfalls noch nicht zur Zahlung fällig gewesen.
Ein Rückzahlungsanspruch setze nach § 15 der Vereinbarung für den Pflegesatzzeitraum 2008 zu seiner Fälligkeit entweder eine geänderte Abrechnung durch das Krankenhaus oder eine rechtskräftige Entscheidung über den Rückzahlungsanspruch voraus. Beides habe der Beklagten zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung nicht vorgelegen. Mangels fälliger Gegenforderung habe die Beklagte somit nicht wirksam gegen den Zahlungsanspruch der Klägerin aufrechnen können.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1060,05 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 25.02.2011 zu zahlen.
Die Beklagte stellte den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist die Klage bereits aufgrund der mangelnden Mitwirkung des Krankenhauses bei der Überprüfung des Sachverhaltes durch den MDK ohne weitere Prüfung abweisungsreif.
In § 195 Abs.2 RVO sei eindeutig geregelt, dass § 275 Abs.1 SGB V zur Anwendung gelangt; somit sei die Beklagte sehr wohl befugt gewesen, hinsichtlich der Abrechnungsangelegenheit der Versicherten S. R. eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen.
In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass ein Krankenhaus seinen Vergütungsanspruch verliert, wenn es nach Aufforderung durch die Krankenkasse die Abgabe einer medizinischen Begründung für eine längere Verweildauer verweigere. Nichts anderes könne gelten, wenn und soweit sich das Krankenhaus weigere, an der Überprüfung der Korrektheit einer streitigen Abrechnung mitzuwirken.
Zu dem gleichen Ergebnis führe auch die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der stationären Krankenhausbehandlung bestünden weitgehende Pflichten der Beteiligten zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten, die der Krankenkasse die gesetzlich vorgesehene Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit der erbrachten Leistung unmöglich mache oder wesentlich erschwere, könne unter Anwendung dieses Grundsatzes eine Zahlung nicht verlangt werden. Der Kläger könne auch nicht einwenden, die Aufrechnung der Beklagten setze eine rechtskräftige Entscheidung über den Rückzahlungsanspruch voraus. Zum einen könne eine derartige Regelung der Vereinbarung für den Pflegesatzzeitraum 2008 so nicht entnommen werden, zum anderen wäre eine solche der Beklagten gegenüber auch nicht wirksam, da die Beklagte nicht Vertragspartner der Vereinbarung sei.
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt habe zutreffend entschieden, dass auch die Regelungen in der Pflegesatzvereinbarung der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts jedenfalls solange nicht entgegenstehen, bis aufgrund der nachgeholten Mitwirkungshandlung eine Entscheidung über den Zahlungsanspruch getroffen werden könne.
In seiner Entscheidung vom 17.12.2009, Az: B 3 KR 13/08 R, habe das Bundessozialgericht ausgeführt, dass für rechtsgrundlos erbrachte Vergütungszahlungen der öffentlich rechtliche Erstattungsanspruch einschlägig sei, der sich in weitgehender Analogie zu den §§ 812 ff BGB entwickelt habe.
Mit Schriftsatz vom 15.06.2012 beantragte die Beklagte "äußerst hilfsweise" im Wege der Widerklage,
den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin 1.060,05 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 25.02.2011 zu zahlen.
Der Kläger beantragte,
die Widerklage abzuweisen.
Auf Anforderung durch das Gericht veranlasste der Kläger die Übersendung der Patientenakte S. R. durch das Klinikum A-Stadt. Die Akte wurde der Beklagten zur Auswertung durch den MDK übersandt. In seinem Gutachten vom 18.12.2012 kam dabei der Gutachter zu dem Ergebnis, dass das von der Klinik errechnete Relativgewicht trotz geringfügig geänderter Codierung (Code O 60.3 anstelle von O 60.1) zutreffend sei.
Nach Auffassung der Beklagten kommt es vorliegend auf die Würdigung in der Angelegenheit durch den MDK Bayern jedoch nicht an. Der Kläger habe aufgrund unzutreffender Rechtsauffassung seine Mitwirkung bei der Begutachtung durch den MDK Bayern im März 2011 verweigert. Die unterlassene Mitwirkungshandlung könne nicht mehr nachgeholt werden.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der von den Beteiligten im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
:
Die Klage ist zulässig. Ein Vorverfahren im Sinne von § 78 SGG war nicht notwendig, weil die Klage zu Recht als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs.5 SGG) erhoben worden ist.
Die Klage ist auch in der Hauptsache begründet. Die beklagte Krankenkasse schuldet dem Kläger aus der Behandlung des Versicherten S. F. noch einen Betrag in Höhe von 1.060,05 Euro. Eine Aufrechnung mit den Kosten des stationären Aufenthaltes der Versicherten S. R. kommt, ungeachtet deren rechtlicher Zulässigkeit, schon deswegen nicht in Betracht, weil insoweit die Forderung des Klägers zu Recht besteht. Der hilfsweise erhobenen Widerklage musste deshalb der Erfolg versagt bleiben.
1. Die Beklagte war verpflichtet, die Krankenhausbehandlung des Versicherten S. F. im Klinikum A-Stadt zu vergüten.
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (st. Rspr. vgl. z.B. BSGE 109, 236 mit weiteren Nachweisen).
Der Versicherte S. F. wurde im Klinikum A-Stadt vom 03.01.2011 bis 28.01.2011 stationär behandelt; der Aufenthalt war medizinisch notwendig; die Abrechnung im Einzelnen ist unstreitig in der richtigen Höhe erfolgt.
2. Die (teilweise) Zahlungsverweigerung der beklagten Krankenkasse war nicht berechtigt. Diese kann aus der Behandlung der Versicherten S. R. keine Gegenansprüche ableiten, weil nach dem Gutachten des MDK Bayern vom 18. Dezember 2012 die Abrechnung dieses Behandlungsfalles im Ergebnis zutreffend erfolgt ist. Vom MDK-Gutachter Dr. K. wurde zwar eine geringfügige Änderung der Codierung vorgenommen, diese wirkt sich jedoch, bei unverändertem Relativgewicht, betragsmäßig nicht aus.
3. Die Weigerung des Klägers, im Abrechnungsfall S. R. an der Begutachtung mitzuwirken, insbesondere dem MDK Bayern Einsicht in die Patientenakte zu gewähren, war rechtsfehlerhaft. Das Krankenhaus hat grundsätzlich im Rahmen der wechselseitigen Leistungsbeziehungen zur Krankenkasse diejenigen Angaben zu machen und Unterlagen beizubringen, die zur Überprüfung aufgrund der Regelung des § 245 Abs.1 SGB V notwendig sind.
Die Auskunftsverpflichtung des Krankenhauses ergibt sich dabei aus § 100 Abs.1 Satz 3 SGB X i.V.m. § 301 Abs.1 SGB V. Ausgenommen sind hiervon nach
§ 100 Abs.2 SGB X nur Angaben, die den Arzt oder ihm nahestehende Personen der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
Rechtsgrundlage für das Prüfverfahren ist § 276 Abs.2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V. Auf dieser Grundlage ist der MDK ermächtigt, die erforderlichen Sozialdaten bei den Krankenhäusern anzufordern und das Krankenhaus ist zu deren Vorlage verpflichtet, soweit nur durch die Angaben gem. § 301 SGB V eine zuverlässige Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit oder Fragen der Abrechnung möglich ist.
Nichts anderes galt für die Überprüfung von Entbindungsfällen nach § 195 Abs. 2 RVO (die Vorschrift wurde mit Gesetz vom 23.10.2012 aufgehoben).
4. Die (unberechtigte) Weigerung des Klägers, die Patientenakte der Versicherten S. R. an den MDK zu übersenden, führt - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht zum endgültigen Wegfall des Vergütungsanspruches. Diese Rechtsfolge lässt sich weder aus einer spezialgesetzlichen Norm noch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen herleiten. Der Umstand, dass in einem zweiseitigen Schuldverhältnis einer der Beteiligten nicht in der erforderlichen Weise seinen Mitwirkungspflichten nachkommt, räumt dem anderen Vertragspartner möglicherweise ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 243 BGB ein, berechtigt ihn aber grundsätzlich nicht zur endgültigen Leistungsverweigerung.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 13.11.2012, B 1 KR 24/11 R) eröffnet die Regelung des § 275 Abs.1c SGB V den Krankenhäusern keinen Raum dafür, sich etwa wegen zögerlicher Prüfbearbeitung des MDK auf Verwirkung oder sonstige auf Treu und Glauben gestützte Einwendungen zu berufen. Gleiches gilt umgekehrt aber auch für die Krankenkassen.
Der von der Beklagten zur Begründung ihres vermeintlichen Gegenanspruches zitierte öffentlich rechtliche Erstattungsanspruch würde voraussetzen, dass im Rahmen eines öffentlich rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSGE 69, 158, 160; 93, 137). Diese Voraussetzungen sind offensichtlich nicht erfüllt. Aus dem Umstand, dass die Klägerin nicht in der gebotenen Weise eine Überprüfung des Behandlungsfalles S. R. ermöglicht hat, kann nicht konstruiert werden, dass im Abrechnungsfall S. F. Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht wurden.
5. Die von der Beklagten hilfsweise erhobene Widerklage war zwar zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben, weil der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zusteht (siehe oben). Richtigerweise hätte die Beklagte ihren Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen der Versicherten S. R. an den MDK im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO verfolgen müssen.
Bei einer Stufenklage stehen Rechnungslegungs- und Zahlungsanspruch, obwohl es sich prozessual um selbständige Streitgegenstände handelt, als Entscheidungsverbund in einem untrennbaren Zusammenhang. Über den Rechnungslegungsanspruch hat das Gericht dabei grundsätzlich vorab durch Teilurteil (§ 202 SGG i.V.m. § 301 Abs.1 ZPO) zu entscheiden (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.11.2012, B 1 KR 24/11 R Orientierungssatz 1, zitiert nach juris).
Eine Stufenklage wurde vorliegend nicht erhoben, weil die Beklagte irrigerweise von einem (teilweisem) Erlöschen des Leistungsanspruches im Abrechnungsfall S. R. wegen fehlender Mitwirkung ausging.
6. Hinsichtlich des geltend gemachten Zinsanspruches fehlt es nach Auffassung der Kammer an einer Rechtsgrundlage, weil die Beklagte nicht Vertragspartnerin der Vereinbarung nach § 11 Abs.1 KHEntgG und § 17 Abs.1 BPflV vom 29.04.2008 ist.
Nach der Rechtsprechung des 6. Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R) sind die Verzinsungsvorschriften des BGB auf öffentlich rechtliche Verträge grundsätzlich nicht anwendbar. Sie kommen vielmehr ausnahmsweise nur dann zur Anwendung, wenn dies im Gesetz angeordnet oder im Vertrag vereinbart wurde.
Im Übrigen wäre nach Auffassung der Kammer die Zinsforderung des Klägers treuwidrig (§ 242 BGB), da dieser die Zahlungsverzögerung durch die verweigerte Mitwirkungshandlung selbst schuldhaft verursacht hat.
7. Die beklagte Krankenkasse ist somit zur Bezahlung der restlichen Vergütung in Höhe von 1.060,05 Euro verpflichtet, ein Zinsanspruch besteht nicht.
8. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs.2 i.V.m. § 52 Abs.3 GKG.
Nachdem Klage und Widerklage denselben Streitwert betreffen, kommt die Widerklage bei der Festsetzung des Streitwerts nicht zum Tragen.
9. Im ausdrücklichen Einverständnis der Parteien hat die Kammer ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs.2 SGG).
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Widerklage wird abgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 1.060,05 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit geht um die Zahlung von (restlichen) Krankenhauskosten in Höhe von 1.060,05 Euro zuzüglich Zinsen aus der Behandlung des bei der Beklagten Versicherten S. F. (im Folgenden S. F.).
Der Kläger ist Rechtsnachfolger des Klinikums A-Stadt, kommunaler Eigenbetrieb des Landkreises A-Stadt.
S. F. war vom 03.01.2011 bis 28.01.2011 im Klinikum A-Stadt in stationärer Behandlung.
Das Krankenhaus rechnete den Aufenthalt nach den Vorgaben des KHEntgG entsprechend der festgestellten Hauptdiagnose mit insgesamt 9.882,49 Euro ab (Rechnung vom 03.02.2011).
Über die Rechtmäßigkeit dieser Forderung besteht zwischen den Beteiligten weder dem Grunde noch der Höhe nach Streit.
Die Beklagte vertritt jedoch die Auffassung, ihr stehe gegen den Kläger ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1.060,05 Euro aus der Behandlung der Patientin S. R. (im Folgenden S. R.) zu.
S. R. war vom 30.11.2010 bis 18.12.2010 stationär im Klinikum A-Stadt, wo sie am 30.11.2010 mittels Kaiserschnitt entbunden wurde. Das Krankenhaus rechnete die Entbindung über die DRG-Fallpauschale O 01 B mit 5.293,86 Euro ab (Rechnung vom 22.12.2010). Die Beklagte zahlte diese Rechnung, beauftragte aber anschließend den MDK wegen Zweifel an der zutreffenden Codierung mit der Überprüfung des Behandlungsfalles.
Diese Überprüfung lehnte der Kläger mit der Begründung ab, dass § 275 Abs.1 SGB V für Entbindungsfälle keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Patientendaten darstelle und auch im Übrigen keine Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung an den MDK bestehe.
Mit Schreiben vom 21.02.2011 erklärte die Beklagte dann aus dem behaupteten Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1.060,05 Euro die Aufrechnung ("Verrechnung") gegen den Zahlungsanspruch des Klägers aus der Behandlung des Patienten S. F.
Nach Auffassung des Klägers standen sich die Forderungen nicht aufrechenbar gegenüber. Der behauptete Rückzahlungsanspruch der Beklagten sei jedenfalls noch nicht zur Zahlung fällig gewesen.
Ein Rückzahlungsanspruch setze nach § 15 der Vereinbarung für den Pflegesatzzeitraum 2008 zu seiner Fälligkeit entweder eine geänderte Abrechnung durch das Krankenhaus oder eine rechtskräftige Entscheidung über den Rückzahlungsanspruch voraus. Beides habe der Beklagten zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung nicht vorgelegen. Mangels fälliger Gegenforderung habe die Beklagte somit nicht wirksam gegen den Zahlungsanspruch der Klägerin aufrechnen können.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1060,05 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 25.02.2011 zu zahlen.
Die Beklagte stellte den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist die Klage bereits aufgrund der mangelnden Mitwirkung des Krankenhauses bei der Überprüfung des Sachverhaltes durch den MDK ohne weitere Prüfung abweisungsreif.
In § 195 Abs.2 RVO sei eindeutig geregelt, dass § 275 Abs.1 SGB V zur Anwendung gelangt; somit sei die Beklagte sehr wohl befugt gewesen, hinsichtlich der Abrechnungsangelegenheit der Versicherten S. R. eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen.
In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass ein Krankenhaus seinen Vergütungsanspruch verliert, wenn es nach Aufforderung durch die Krankenkasse die Abgabe einer medizinischen Begründung für eine längere Verweildauer verweigere. Nichts anderes könne gelten, wenn und soweit sich das Krankenhaus weigere, an der Überprüfung der Korrektheit einer streitigen Abrechnung mitzuwirken.
Zu dem gleichen Ergebnis führe auch die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der stationären Krankenhausbehandlung bestünden weitgehende Pflichten der Beteiligten zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten, die der Krankenkasse die gesetzlich vorgesehene Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit der erbrachten Leistung unmöglich mache oder wesentlich erschwere, könne unter Anwendung dieses Grundsatzes eine Zahlung nicht verlangt werden. Der Kläger könne auch nicht einwenden, die Aufrechnung der Beklagten setze eine rechtskräftige Entscheidung über den Rückzahlungsanspruch voraus. Zum einen könne eine derartige Regelung der Vereinbarung für den Pflegesatzzeitraum 2008 so nicht entnommen werden, zum anderen wäre eine solche der Beklagten gegenüber auch nicht wirksam, da die Beklagte nicht Vertragspartner der Vereinbarung sei.
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt habe zutreffend entschieden, dass auch die Regelungen in der Pflegesatzvereinbarung der Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts jedenfalls solange nicht entgegenstehen, bis aufgrund der nachgeholten Mitwirkungshandlung eine Entscheidung über den Zahlungsanspruch getroffen werden könne.
In seiner Entscheidung vom 17.12.2009, Az: B 3 KR 13/08 R, habe das Bundessozialgericht ausgeführt, dass für rechtsgrundlos erbrachte Vergütungszahlungen der öffentlich rechtliche Erstattungsanspruch einschlägig sei, der sich in weitgehender Analogie zu den §§ 812 ff BGB entwickelt habe.
Mit Schriftsatz vom 15.06.2012 beantragte die Beklagte "äußerst hilfsweise" im Wege der Widerklage,
den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin 1.060,05 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 25.02.2011 zu zahlen.
Der Kläger beantragte,
die Widerklage abzuweisen.
Auf Anforderung durch das Gericht veranlasste der Kläger die Übersendung der Patientenakte S. R. durch das Klinikum A-Stadt. Die Akte wurde der Beklagten zur Auswertung durch den MDK übersandt. In seinem Gutachten vom 18.12.2012 kam dabei der Gutachter zu dem Ergebnis, dass das von der Klinik errechnete Relativgewicht trotz geringfügig geänderter Codierung (Code O 60.3 anstelle von O 60.1) zutreffend sei.
Nach Auffassung der Beklagten kommt es vorliegend auf die Würdigung in der Angelegenheit durch den MDK Bayern jedoch nicht an. Der Kläger habe aufgrund unzutreffender Rechtsauffassung seine Mitwirkung bei der Begutachtung durch den MDK Bayern im März 2011 verweigert. Die unterlassene Mitwirkungshandlung könne nicht mehr nachgeholt werden.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der von den Beteiligten im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
:
Die Klage ist zulässig. Ein Vorverfahren im Sinne von § 78 SGG war nicht notwendig, weil die Klage zu Recht als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs.5 SGG) erhoben worden ist.
Die Klage ist auch in der Hauptsache begründet. Die beklagte Krankenkasse schuldet dem Kläger aus der Behandlung des Versicherten S. F. noch einen Betrag in Höhe von 1.060,05 Euro. Eine Aufrechnung mit den Kosten des stationären Aufenthaltes der Versicherten S. R. kommt, ungeachtet deren rechtlicher Zulässigkeit, schon deswegen nicht in Betracht, weil insoweit die Forderung des Klägers zu Recht besteht. Der hilfsweise erhobenen Widerklage musste deshalb der Erfolg versagt bleiben.
1. Die Beklagte war verpflichtet, die Krankenhausbehandlung des Versicherten S. F. im Klinikum A-Stadt zu vergüten.
Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (st. Rspr. vgl. z.B. BSGE 109, 236 mit weiteren Nachweisen).
Der Versicherte S. F. wurde im Klinikum A-Stadt vom 03.01.2011 bis 28.01.2011 stationär behandelt; der Aufenthalt war medizinisch notwendig; die Abrechnung im Einzelnen ist unstreitig in der richtigen Höhe erfolgt.
2. Die (teilweise) Zahlungsverweigerung der beklagten Krankenkasse war nicht berechtigt. Diese kann aus der Behandlung der Versicherten S. R. keine Gegenansprüche ableiten, weil nach dem Gutachten des MDK Bayern vom 18. Dezember 2012 die Abrechnung dieses Behandlungsfalles im Ergebnis zutreffend erfolgt ist. Vom MDK-Gutachter Dr. K. wurde zwar eine geringfügige Änderung der Codierung vorgenommen, diese wirkt sich jedoch, bei unverändertem Relativgewicht, betragsmäßig nicht aus.
3. Die Weigerung des Klägers, im Abrechnungsfall S. R. an der Begutachtung mitzuwirken, insbesondere dem MDK Bayern Einsicht in die Patientenakte zu gewähren, war rechtsfehlerhaft. Das Krankenhaus hat grundsätzlich im Rahmen der wechselseitigen Leistungsbeziehungen zur Krankenkasse diejenigen Angaben zu machen und Unterlagen beizubringen, die zur Überprüfung aufgrund der Regelung des § 245 Abs.1 SGB V notwendig sind.
Die Auskunftsverpflichtung des Krankenhauses ergibt sich dabei aus § 100 Abs.1 Satz 3 SGB X i.V.m. § 301 Abs.1 SGB V. Ausgenommen sind hiervon nach
§ 100 Abs.2 SGB X nur Angaben, die den Arzt oder ihm nahestehende Personen der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
Rechtsgrundlage für das Prüfverfahren ist § 276 Abs.2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V. Auf dieser Grundlage ist der MDK ermächtigt, die erforderlichen Sozialdaten bei den Krankenhäusern anzufordern und das Krankenhaus ist zu deren Vorlage verpflichtet, soweit nur durch die Angaben gem. § 301 SGB V eine zuverlässige Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit oder Fragen der Abrechnung möglich ist.
Nichts anderes galt für die Überprüfung von Entbindungsfällen nach § 195 Abs. 2 RVO (die Vorschrift wurde mit Gesetz vom 23.10.2012 aufgehoben).
4. Die (unberechtigte) Weigerung des Klägers, die Patientenakte der Versicherten S. R. an den MDK zu übersenden, führt - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht zum endgültigen Wegfall des Vergütungsanspruches. Diese Rechtsfolge lässt sich weder aus einer spezialgesetzlichen Norm noch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen herleiten. Der Umstand, dass in einem zweiseitigen Schuldverhältnis einer der Beteiligten nicht in der erforderlichen Weise seinen Mitwirkungspflichten nachkommt, räumt dem anderen Vertragspartner möglicherweise ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 243 BGB ein, berechtigt ihn aber grundsätzlich nicht zur endgültigen Leistungsverweigerung.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 13.11.2012, B 1 KR 24/11 R) eröffnet die Regelung des § 275 Abs.1c SGB V den Krankenhäusern keinen Raum dafür, sich etwa wegen zögerlicher Prüfbearbeitung des MDK auf Verwirkung oder sonstige auf Treu und Glauben gestützte Einwendungen zu berufen. Gleiches gilt umgekehrt aber auch für die Krankenkassen.
Der von der Beklagten zur Begründung ihres vermeintlichen Gegenanspruches zitierte öffentlich rechtliche Erstattungsanspruch würde voraussetzen, dass im Rahmen eines öffentlich rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSGE 69, 158, 160; 93, 137). Diese Voraussetzungen sind offensichtlich nicht erfüllt. Aus dem Umstand, dass die Klägerin nicht in der gebotenen Weise eine Überprüfung des Behandlungsfalles S. R. ermöglicht hat, kann nicht konstruiert werden, dass im Abrechnungsfall S. F. Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht wurden.
5. Die von der Beklagten hilfsweise erhobene Widerklage war zwar zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben, weil der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zusteht (siehe oben). Richtigerweise hätte die Beklagte ihren Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen der Versicherten S. R. an den MDK im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO verfolgen müssen.
Bei einer Stufenklage stehen Rechnungslegungs- und Zahlungsanspruch, obwohl es sich prozessual um selbständige Streitgegenstände handelt, als Entscheidungsverbund in einem untrennbaren Zusammenhang. Über den Rechnungslegungsanspruch hat das Gericht dabei grundsätzlich vorab durch Teilurteil (§ 202 SGG i.V.m. § 301 Abs.1 ZPO) zu entscheiden (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.11.2012, B 1 KR 24/11 R Orientierungssatz 1, zitiert nach juris).
Eine Stufenklage wurde vorliegend nicht erhoben, weil die Beklagte irrigerweise von einem (teilweisem) Erlöschen des Leistungsanspruches im Abrechnungsfall S. R. wegen fehlender Mitwirkung ausging.
6. Hinsichtlich des geltend gemachten Zinsanspruches fehlt es nach Auffassung der Kammer an einer Rechtsgrundlage, weil die Beklagte nicht Vertragspartnerin der Vereinbarung nach § 11 Abs.1 KHEntgG und § 17 Abs.1 BPflV vom 29.04.2008 ist.
Nach der Rechtsprechung des 6. Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R) sind die Verzinsungsvorschriften des BGB auf öffentlich rechtliche Verträge grundsätzlich nicht anwendbar. Sie kommen vielmehr ausnahmsweise nur dann zur Anwendung, wenn dies im Gesetz angeordnet oder im Vertrag vereinbart wurde.
Im Übrigen wäre nach Auffassung der Kammer die Zinsforderung des Klägers treuwidrig (§ 242 BGB), da dieser die Zahlungsverzögerung durch die verweigerte Mitwirkungshandlung selbst schuldhaft verursacht hat.
7. Die beklagte Krankenkasse ist somit zur Bezahlung der restlichen Vergütung in Höhe von 1.060,05 Euro verpflichtet, ein Zinsanspruch besteht nicht.
8. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs.2 i.V.m. § 52 Abs.3 GKG.
Nachdem Klage und Widerklage denselben Streitwert betreffen, kommt die Widerklage bei der Festsetzung des Streitwerts nicht zum Tragen.
9. Im ausdrücklichen Einverständnis der Parteien hat die Kammer ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs.2 SGG).
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