Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
19
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 19 SO 63/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird ab dem 11.07.2013 im Wege der einstweiligen Anord-nung vorläufig und bis auf Weiteres, längstens jedoch bis zum Abschluss des unter dem Az. S 19 SO 76/13 geführten Hauptsacheverfahrens, verpflichtet, das im Rahmen des persönlichen Budgets der Antragstellerin bewilligte Stundenkontingent auf 83 Stunden pro Monat zu erhöhen und der Antragstellerin weitere 595,00 Euro pro Monat zu bewilligen und auszuzahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Der Antragsgegner trägt die hälftigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Eilverfahren eine Erhöhung des Stundenkontingents der in Form eines persönlichen Budgets erbrachten Leistungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben.
Die am 00.00.0000 geborene Antragstellerin leidet seit ihrer Geburt an einem sog. RETT-Syndrom mit ausgeprägter psychomotorischer Retardierung, Mikrocephalie, Muskelhypotonie und Hirnatrophie als Folge einer krankhaften Veränderung des Gehirns. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG", "H" und "RF" anerkannt. Von der zuständigen Pflegekasse bezieht sie Leistungen der Pflegestufe III. Sie besucht die D.-Schule, eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, im Kreis Düren. Nachdem sie bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben sowie auf Ausführung dieser Leistungen in Form eines persönlichen Budgets gestellt hatte, wertete dieser ein vom medizinischen Dienst der Krankenversicherung erstelltes Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit der Antragstellerin vom 03.11.2005 aus und zog Berichte der Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dr. I. vom 13.10.2011 sowie der LVR-Klinik – kinderneurologisches Zentrum – vom 26.05.2011 bei. Im Rahmen eines Zielvereinbarungsgesprächs mit dem Antragsgegner bezifferte die von der Antragstellerin eingeschaltete Initiative Teilhabe den monatlichen Bedarf für die Freizeitgestaltung auf 83 Stunden pro Monat. In der Folgezeit ermittelte der Antragsgegner einen Freizeitbedarf von 10 Wochenstunden und legte der Antragstellerin eine entsprechende Zielvereinbarung vor, welche diese unter Hinweis auf den von ihr geltend gemachten erheblich höheren Freizeitbedarf jedoch nicht unterzeichnete. Mit Bescheid vom 03.12.2012 lehnte der Antragsgegner daraufhin den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, es ergebe sich lediglich ein Freizeitbedarf von 10 Wochen-stunden. Da die Antragstellerin jedoch den Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung verweigert habe, ergebe sich kein Anspruch. Der Abschluss einer Zielvereinbarung nämlich sei materielle Voraussetzung für die Bewilligung eines persönlichen Budgets. Die Antragstellerin, welche mittlerweile ein von ihren Großeltern zur Verfügung gestell-tes Darlehen aufgenommen hatte, um die für die Freizeitgestaltung eingestellten Kräfte bezahlen zu können, legte am 23.12.2012 Widerspruch ein. Nachdem sie die vom 27.04. bis 31.10.2013 geltende Zielvereinbarung im Hinblick auf die in Aussicht gestellten 10 Wochenstunden unterschrieben hatte, bewilligte der Antragsgegner mit Teilabhilfebescheid vom 31.01.2013 ab dem 01.05.2012 ein persönliches Budget als Geldleistung in Höhe von 650,00 Euro pro Monat für den Zeitraum bis 31.10.2013. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2012 wies der Antragsgegner den Widerspruch im Übrigen zurück. Zur Begründung führte er aus, Maßstab für die Ermittlung des Bedarfs sei das Freizeitverhalten einer jungen nichtbehinderten Frau gleichen Alters wie die Antragstellerin. Insoweit seien 10 Stunden pro Woche anzuerkennen. Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben, die unter dem Az. S 19 SO 76/13 ge-führt wird.
Am 02.05.2013 hat sich die Antragstellerin an das Gericht gewandt und Eilrechtsschutz begehrt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die finanziellen Mittel, welche ihr bislang zur Verfügung gestanden hätten, seien in absehbarer Zeit aufgebraucht, so dass eine Freizeitgestaltung lediglich im Umfang der von der Antragstellerin weiterhin anerkannten 10 Wochenstunden und der hierfür erbrachten 650,00 Euro pro Monat sichergestellt werden könne.
Die Antragstellerin beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben im Rahmen eines persönlichen Budgets vorläufig mit einem monatlichen Kontingent von 83 Stunden zu gewähren und ab Februar 2013 fortlaufend den sich daraus ergebenden Betrag in Höhe von 1.245,00 Euro abzüglich des mittlerweile monatlich gewährten Betrages von 650,00 Euro zu leisten,
den bislang für Teilhabeleistungen für die Zeit von Mai 2012 bis Januar 2013 (für 94 Monatsstunden) von der Antragstellerin erbrachten Betrag in Höhe von 6.840,00 Euro zu zahlen,
hilfsweise,
den bislang für Teilhabeleistungen für die Zeit von Mai 2012 bis Januar 2013 (für 83 Monatsstunden) von der Antragstellerin erbrachten Betrag in Höhe von 5.355,00 Euro zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Er hält an seiner Auffassung fest und beruft sich auf seine Begründung im Wider-spruchsbescheid vom 26.03.2013. Ergänzend führt er aus, angesichts der von der An-tragstellerin in Anspruch genommenen Pflege- und Betreuungsleistungen und des Schulbesuchs verbleibe aus rein tatsächlichen Gründen keine Zeit für mehr als 10 Wochenstunden Freizeitaktivität.
Das Gericht hat nach Durchführung eines Erörterungstermins eine Stellungnahme des Antragsgegners vom 06.06.2013 zu dem von diesem ermittelten Bedarf von 43,33 Monatsstunden eingeholt. Die Antragstellerin ist dieser Stellungnahme entgegen getreten und hat ausgeführt, verschiedene darin für ihre Pflege bzw. für Arztbesuche zu Grunde gelegten Zeiten seien nicht richtig bzw. zu hoch angesetzt, so dass der rein tatsächlich für Freizeitaktivitäten zur Verfügung stehende zeitliche Umfang erheblich höher sei. Das Gericht hat ferner eine Stellungnahme der Großeltern der Antragstellerin vom 17.07.2013 betreffend das dieser bislang zur Verfügung gestellte Darlehen eingeholt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte verwiesen.
II.
Statthafte Antragsart ist eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialge-richtsgesetz (SGG) i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Dabei ist im vorlie-genden Fall die aus dem Tenor ersichtliche Verpflichtung des Antragsgegners auch ohne den Abschluss einer Zielvereinbarung möglich. Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass der Abschluss einer Zielvereinbarung materielle Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen in Form eines persönlichen Budgets ist, § 4 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Budgetverordnung – BudgetV). Da sich die Zielvereinbarung ihrem Wesen nach als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne der §§ 53 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) darstellt, handelt es sich in der Hauptsache um eine Klage auf ein Angebot zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes indessen kann eine vorläufige Regelung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) auch ohne die Verpflichtung des Antragsgegners zum Angebot auf Abschluss bzw. Erweiterung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages getroffen werden (so im Ergebnis offenbar auch Hess. LSG, Beschluss vom 22.06.2012 – L 4 SO 121 B ER, L 4 SO 122/12 B = juris; Sächs. LSG, Beschluss vom 28.08.2008 – L 3 B 613/07 SO-ER = juris und LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.05.2011 – L 8 SO 29/10 B ER).
Der so verstandene Antrag ist zulässig und im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (An¬ordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so gebietet es der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden, bei der insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend in die Abwägung einzustellen sind (vgl. aus der mannigfachen Rechtsprechung nur BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 = juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 09.03.2010 – L 8 SO 45/10 B ER = juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.04.2013 – L 7 AS 2403/12 B ER = juris).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben hat die Antragstellerin jedenfalls für die Zeit vor dem 11.07.2013 einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Bereits im Hinblick auf den zweiten Hauptantrag und den Hilfsantrag ist ein Anord-nungsgrund schlechthin nicht ersichtlich. Denn diese Anträge betreffen Zeitraume, die vor dem Datum der Erhebung des Eilantrags (02.05.2013) liegen. In diesen Zeiträumen aber hat die Antragstellerin die monatliche Unterdeckung durch ein privates Darlehen ihrer Großeltern bzw. durch finanzielle Unterstützung ihrer Eltern auszugleichen vermocht und die Teilhabeleistungen erhalten. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, so könnte der in der Vergangenheit gegebene Bedarf nicht durch Verpflichtung des Antragsgegners im Eilverfahren rückwirkend befriedigt werden. Ein Ausnahmefall, der es wegen des Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes gebieten würde, im Eilverfahren eine Verpflichtung betreffend vergangene Zeiträume auszusprechen, ist nicht ersichtlich (zu einer solchen Konstellation etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.01.20008 – L 25 B 2146/07 AS ER = juris).
Doch selbst für den Zeitraum von der Erhebung des Eilantrags am 02.05. bis zum 10.07.2013 hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Noch unter dem 10.06.2013 nämlich hatte sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten vorgetragen, die auf der Grundlage des Darlehensvertrages mit ihren Großeltern erhal-tenen Mittel würden "in Kürze aufgebraucht" sein. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Verfahrensbevollmächtigte dann unter dem 11.07.2013 erstmals ausgeführt, die durch Darlehen bzw. Unterstützung von Großeltern und Eltern zur Verfügung gestellten Mittel seien "aufgebraucht". Folglich besteht ein Anordnungsgrund frühestens ab diesem Datum.
Für die Zeit ab dem 11.07.2013 indessen hat die Antragstellerin Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch folgt aus §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) i.V.m. § 17 Abs. 1 bis 4, § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 7 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe Behinderter Menschen (SGB IX) i.V.m. § 3 und 4 BudgetV. Dabei ist ein Anspruch der Antragstellerin auf Eingliederungshilfe durch Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben und eine Ausführung dieser Leistungen in Form eines persönlichen Budgets dem Grunde nach zwischen den Beteiligten nicht streitig. Vielmehr geht es allein um den konkreten Bedarf an Freizeitgestaltung und damit – da die Leistungsausführung in Form eines persönlichen Budgets erfolgt – um die Höhe der vom Antragsgegner monatlich zu erbringenden Geldleistungen.
Zur Überzeugung der Kammer besteht – jedenfalls bei summarischer Prüfung – ein Freizeitbedarf der Antragstellerin auch in Höhe der von ihr geltend gemachten 83 Stunden pro Monat, so dass sich im Rahmen des persönlichen Budgets ein Anspruch auf weitere 595,00 Euro pro Monat ergibt.
Zunächst erscheint der vom Antragsgegner zu Grunde gelegte Maßstab für die Ermitt-lung des Freizeitbedarfs der Antragstellerin unzutreffend. Der Antragsgegner ist davon ausgegangen, dass Ansatzpunkt der Freizeitbedarf einer gesunden jungen Frau glei-chen Alters ist. Abgesehen davon, dass sich der Freizeitbedarf eines (gesunden) jungen Menschen kaum statistisch erfassen lassen wird und deshalb auch nicht als feste Größe zu Grunde gelegt werden kann, sondern anhand der im individuellen Fall tatsächlich zur Verfügung stehenden Zeit zu bemessen ist, so gebietet jedenfalls das materielle Recht, auf den Freizeitbedarf der schwerstbehinderten Antragstellerin abzustellen. Den normativen Anknüpfungspunkt für diese Betrachtungsweise sieht die Kammer in der Vorschrift des § 1 Satz 1 SGB IX. Nach dieser Vorschrift erhalten Behinderte Menschen Leistungen u.a., um ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Hierbei ist das Merkmal der "gleichberechtigten Teilhabe" bereits angesichts der finalen Struktur der Norm nicht in dem Sinne zu verstehen, dass zur Erreichung dieses Ziels lediglich der gleiche Aufwand betrieben wird, wie bei einem gesunden Menschen. Vielmehr ist entscheidend, dass eine Gleichstellung im Hinblick auf das Ergebnis (d.h. die Eingliederung des Behinderten die Gesellschaft) erfolgt, mögen die zur Erreichung dieses Ergebnisses anzustellenden Bemühungen bzw. der Aufwand auch größer sein, als bei einem gesunden Menschen. Folglich ist bei der Bemessung des Bedarfs nicht auf den Freizeitbedarf eines gesunden jungen Menschen gleichen Alters abzustellen, sondern auf den konkreten Bedarf der Antragstellerin.
Zur Überzeugung der Kammer steht weiter fest, dass dieser Bedarf jedenfalls in Höhe der geltend gemachten 83 Monatsstunden besteht.
Soweit der Antragsgegner anhand der von der Antragstellerin in Anspruch genommenen Pflege- und Betreuungsleistungen sowie dem Zeitaufwand für Schulbesuche und ähnliche Dinge ausgeführt, rein tatsächlich verblieben nicht mehr als 10 Wochenstunden, so vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Denn bereits die tatsächlichen, mit Hilfe der eingestellten Kräfte in der Vergangenheit durchgeführten Freizeitaktivitäten widerlegen diese Vermutung. Die Antragstellerin hat konkret und substantiiert darzulegen vermocht, an welchen Freizeitaktivitäten sie in der Vergangenheit mit Hilfe des eingestellten Personals teilgenommen hat und dass diese einen Umfang von 83 Monatsstunden erreicht haben. Überdies hat sie nachvollziehbar ausgeführt, dass nicht ein gleicher Bedarf pro Tag besteht, sondern der Freizeitbedarf an den Wochenenden und in den Schulferien deutlich höher ist, weil die Antragstellerin an diesen Tagen keine Zeit in der Schule verbringt und damit mehr Zeit für Freizeit zur Verfügung hat, die sie indessen wegen der Schwere ihrer Behinderung nur dann für Freizeitaktivitäten nutzen kann, wenn sie umfangreiche Hilfestellungen erhält.
Die Kammer übersieht nicht, dass Einzelheiten hinsichtlich der konkreten Berechnung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen. Bereits im Rahmen summari-scher Betrachtung indessen zeigt sich, dass die Angaben auch zum Umfang der durchgeführten Freizeitaktivitäten plausibel und nachvollziehbar sind. Überdies geht eine durchzuführende Folgenabwägung im Zweifel zu Lasten des Antragsgegners. Denn selbst wenn sich im Rahmen des Hauptsacheverfahrens herausstellen sollte, dass ein Anspruch nicht in Höhe von 83 Monatsstunden bzw. 595,00 Euro pro Monat besteht, so wäre dies eher hinnehmbar, als wenn der Antrag teilweise abgelehnt würde und sich im Rahmen des Hauptsacheverfahrens später herausstellen sollte, dass von Anfang an ein Anspruch der Antragstellerin in Höhe von 83 Wochenstunden gegeben war, zumal sie eine Freizeitgestaltung rückwirkend nicht durchführen könnte. Auch streitet das Grundrecht der Antragstellerin auf Teilhabe Behinderter am Leben in der Gemeinschaft aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (dazu etwa Sächs. LSG, Beschluss vom 28.08.2008 – L 3 B 613/07 SO-ER = juris) für eine Folgenabwägung zu ihren Gunsten.
Weiter hat die Antragstellerin für die Zeit ab dem 11.07.2013 auch einen Anordnungs-grund glaubhaft gemacht. Denn angesichts des festgestellten Freizeitbedarfs von 83 Stunden pro Monat ist ihr ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens nicht zumutbar. Dies gilt selbst in Ansehung des Umstands, dass der Antragsgegner – der abgeschlossenen Zielvereinbarung entsprechend – (vorerst) bis einschließlich 31.10.2013 nach wie vor monatlich 650,00 Euro zur Verfügung stellt. Denn angesichts der Schwere ihrer Behinderung bedeutet dies für die Antragstellerin, dass sie den Rest der Zeit zur Teilnahmslosigkeit gezwungen ist, weil sie ohne fremde Hilfe keinerlei freizeitliche Aktivitäten ausüben kann.
Die in der Verpflichtung des Antragsgegners liegende Vorwegnahme der Hauptsache hält sich in vertretbaren Grenzen. Denn zum einen wird lediglich eine vorläufige Ver-pflichtung ausgesprochen und zudem ist im Hauptsacheverfahren mittlerweile Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme für Ende September 2013 anberaumt.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Eilverfahren eine Erhöhung des Stundenkontingents der in Form eines persönlichen Budgets erbrachten Leistungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben.
Die am 00.00.0000 geborene Antragstellerin leidet seit ihrer Geburt an einem sog. RETT-Syndrom mit ausgeprägter psychomotorischer Retardierung, Mikrocephalie, Muskelhypotonie und Hirnatrophie als Folge einer krankhaften Veränderung des Gehirns. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG", "H" und "RF" anerkannt. Von der zuständigen Pflegekasse bezieht sie Leistungen der Pflegestufe III. Sie besucht die D.-Schule, eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, im Kreis Düren. Nachdem sie bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben sowie auf Ausführung dieser Leistungen in Form eines persönlichen Budgets gestellt hatte, wertete dieser ein vom medizinischen Dienst der Krankenversicherung erstelltes Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit der Antragstellerin vom 03.11.2005 aus und zog Berichte der Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dr. I. vom 13.10.2011 sowie der LVR-Klinik – kinderneurologisches Zentrum – vom 26.05.2011 bei. Im Rahmen eines Zielvereinbarungsgesprächs mit dem Antragsgegner bezifferte die von der Antragstellerin eingeschaltete Initiative Teilhabe den monatlichen Bedarf für die Freizeitgestaltung auf 83 Stunden pro Monat. In der Folgezeit ermittelte der Antragsgegner einen Freizeitbedarf von 10 Wochenstunden und legte der Antragstellerin eine entsprechende Zielvereinbarung vor, welche diese unter Hinweis auf den von ihr geltend gemachten erheblich höheren Freizeitbedarf jedoch nicht unterzeichnete. Mit Bescheid vom 03.12.2012 lehnte der Antragsgegner daraufhin den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, es ergebe sich lediglich ein Freizeitbedarf von 10 Wochen-stunden. Da die Antragstellerin jedoch den Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung verweigert habe, ergebe sich kein Anspruch. Der Abschluss einer Zielvereinbarung nämlich sei materielle Voraussetzung für die Bewilligung eines persönlichen Budgets. Die Antragstellerin, welche mittlerweile ein von ihren Großeltern zur Verfügung gestell-tes Darlehen aufgenommen hatte, um die für die Freizeitgestaltung eingestellten Kräfte bezahlen zu können, legte am 23.12.2012 Widerspruch ein. Nachdem sie die vom 27.04. bis 31.10.2013 geltende Zielvereinbarung im Hinblick auf die in Aussicht gestellten 10 Wochenstunden unterschrieben hatte, bewilligte der Antragsgegner mit Teilabhilfebescheid vom 31.01.2013 ab dem 01.05.2012 ein persönliches Budget als Geldleistung in Höhe von 650,00 Euro pro Monat für den Zeitraum bis 31.10.2013. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2012 wies der Antragsgegner den Widerspruch im Übrigen zurück. Zur Begründung führte er aus, Maßstab für die Ermittlung des Bedarfs sei das Freizeitverhalten einer jungen nichtbehinderten Frau gleichen Alters wie die Antragstellerin. Insoweit seien 10 Stunden pro Woche anzuerkennen. Hiergegen hat die Antragstellerin Klage erhoben, die unter dem Az. S 19 SO 76/13 ge-führt wird.
Am 02.05.2013 hat sich die Antragstellerin an das Gericht gewandt und Eilrechtsschutz begehrt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die finanziellen Mittel, welche ihr bislang zur Verfügung gestanden hätten, seien in absehbarer Zeit aufgebraucht, so dass eine Freizeitgestaltung lediglich im Umfang der von der Antragstellerin weiterhin anerkannten 10 Wochenstunden und der hierfür erbrachten 650,00 Euro pro Monat sichergestellt werden könne.
Die Antragstellerin beantragt ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben im Rahmen eines persönlichen Budgets vorläufig mit einem monatlichen Kontingent von 83 Stunden zu gewähren und ab Februar 2013 fortlaufend den sich daraus ergebenden Betrag in Höhe von 1.245,00 Euro abzüglich des mittlerweile monatlich gewährten Betrages von 650,00 Euro zu leisten,
den bislang für Teilhabeleistungen für die Zeit von Mai 2012 bis Januar 2013 (für 94 Monatsstunden) von der Antragstellerin erbrachten Betrag in Höhe von 6.840,00 Euro zu zahlen,
hilfsweise,
den bislang für Teilhabeleistungen für die Zeit von Mai 2012 bis Januar 2013 (für 83 Monatsstunden) von der Antragstellerin erbrachten Betrag in Höhe von 5.355,00 Euro zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Er hält an seiner Auffassung fest und beruft sich auf seine Begründung im Wider-spruchsbescheid vom 26.03.2013. Ergänzend führt er aus, angesichts der von der An-tragstellerin in Anspruch genommenen Pflege- und Betreuungsleistungen und des Schulbesuchs verbleibe aus rein tatsächlichen Gründen keine Zeit für mehr als 10 Wochenstunden Freizeitaktivität.
Das Gericht hat nach Durchführung eines Erörterungstermins eine Stellungnahme des Antragsgegners vom 06.06.2013 zu dem von diesem ermittelten Bedarf von 43,33 Monatsstunden eingeholt. Die Antragstellerin ist dieser Stellungnahme entgegen getreten und hat ausgeführt, verschiedene darin für ihre Pflege bzw. für Arztbesuche zu Grunde gelegten Zeiten seien nicht richtig bzw. zu hoch angesetzt, so dass der rein tatsächlich für Freizeitaktivitäten zur Verfügung stehende zeitliche Umfang erheblich höher sei. Das Gericht hat ferner eine Stellungnahme der Großeltern der Antragstellerin vom 17.07.2013 betreffend das dieser bislang zur Verfügung gestellte Darlehen eingeholt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte verwiesen.
II.
Statthafte Antragsart ist eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialge-richtsgesetz (SGG) i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Dabei ist im vorlie-genden Fall die aus dem Tenor ersichtliche Verpflichtung des Antragsgegners auch ohne den Abschluss einer Zielvereinbarung möglich. Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass der Abschluss einer Zielvereinbarung materielle Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen in Form eines persönlichen Budgets ist, § 4 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Budgetverordnung – BudgetV). Da sich die Zielvereinbarung ihrem Wesen nach als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne der §§ 53 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) darstellt, handelt es sich in der Hauptsache um eine Klage auf ein Angebot zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes indessen kann eine vorläufige Regelung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) auch ohne die Verpflichtung des Antragsgegners zum Angebot auf Abschluss bzw. Erweiterung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages getroffen werden (so im Ergebnis offenbar auch Hess. LSG, Beschluss vom 22.06.2012 – L 4 SO 121 B ER, L 4 SO 122/12 B = juris; Sächs. LSG, Beschluss vom 28.08.2008 – L 3 B 613/07 SO-ER = juris und LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.05.2011 – L 8 SO 29/10 B ER).
Der so verstandene Antrag ist zulässig und im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (An¬ordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so gebietet es der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden, bei der insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend in die Abwägung einzustellen sind (vgl. aus der mannigfachen Rechtsprechung nur BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 = juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 09.03.2010 – L 8 SO 45/10 B ER = juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.04.2013 – L 7 AS 2403/12 B ER = juris).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben hat die Antragstellerin jedenfalls für die Zeit vor dem 11.07.2013 einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Bereits im Hinblick auf den zweiten Hauptantrag und den Hilfsantrag ist ein Anord-nungsgrund schlechthin nicht ersichtlich. Denn diese Anträge betreffen Zeitraume, die vor dem Datum der Erhebung des Eilantrags (02.05.2013) liegen. In diesen Zeiträumen aber hat die Antragstellerin die monatliche Unterdeckung durch ein privates Darlehen ihrer Großeltern bzw. durch finanzielle Unterstützung ihrer Eltern auszugleichen vermocht und die Teilhabeleistungen erhalten. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, so könnte der in der Vergangenheit gegebene Bedarf nicht durch Verpflichtung des Antragsgegners im Eilverfahren rückwirkend befriedigt werden. Ein Ausnahmefall, der es wegen des Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes gebieten würde, im Eilverfahren eine Verpflichtung betreffend vergangene Zeiträume auszusprechen, ist nicht ersichtlich (zu einer solchen Konstellation etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.01.20008 – L 25 B 2146/07 AS ER = juris).
Doch selbst für den Zeitraum von der Erhebung des Eilantrags am 02.05. bis zum 10.07.2013 hat die Antragstellerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Noch unter dem 10.06.2013 nämlich hatte sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten vorgetragen, die auf der Grundlage des Darlehensvertrages mit ihren Großeltern erhal-tenen Mittel würden "in Kürze aufgebraucht" sein. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Verfahrensbevollmächtigte dann unter dem 11.07.2013 erstmals ausgeführt, die durch Darlehen bzw. Unterstützung von Großeltern und Eltern zur Verfügung gestellten Mittel seien "aufgebraucht". Folglich besteht ein Anordnungsgrund frühestens ab diesem Datum.
Für die Zeit ab dem 11.07.2013 indessen hat die Antragstellerin Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch folgt aus §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) i.V.m. § 17 Abs. 1 bis 4, § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 7 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe Behinderter Menschen (SGB IX) i.V.m. § 3 und 4 BudgetV. Dabei ist ein Anspruch der Antragstellerin auf Eingliederungshilfe durch Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben und eine Ausführung dieser Leistungen in Form eines persönlichen Budgets dem Grunde nach zwischen den Beteiligten nicht streitig. Vielmehr geht es allein um den konkreten Bedarf an Freizeitgestaltung und damit – da die Leistungsausführung in Form eines persönlichen Budgets erfolgt – um die Höhe der vom Antragsgegner monatlich zu erbringenden Geldleistungen.
Zur Überzeugung der Kammer besteht – jedenfalls bei summarischer Prüfung – ein Freizeitbedarf der Antragstellerin auch in Höhe der von ihr geltend gemachten 83 Stunden pro Monat, so dass sich im Rahmen des persönlichen Budgets ein Anspruch auf weitere 595,00 Euro pro Monat ergibt.
Zunächst erscheint der vom Antragsgegner zu Grunde gelegte Maßstab für die Ermitt-lung des Freizeitbedarfs der Antragstellerin unzutreffend. Der Antragsgegner ist davon ausgegangen, dass Ansatzpunkt der Freizeitbedarf einer gesunden jungen Frau glei-chen Alters ist. Abgesehen davon, dass sich der Freizeitbedarf eines (gesunden) jungen Menschen kaum statistisch erfassen lassen wird und deshalb auch nicht als feste Größe zu Grunde gelegt werden kann, sondern anhand der im individuellen Fall tatsächlich zur Verfügung stehenden Zeit zu bemessen ist, so gebietet jedenfalls das materielle Recht, auf den Freizeitbedarf der schwerstbehinderten Antragstellerin abzustellen. Den normativen Anknüpfungspunkt für diese Betrachtungsweise sieht die Kammer in der Vorschrift des § 1 Satz 1 SGB IX. Nach dieser Vorschrift erhalten Behinderte Menschen Leistungen u.a., um ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Hierbei ist das Merkmal der "gleichberechtigten Teilhabe" bereits angesichts der finalen Struktur der Norm nicht in dem Sinne zu verstehen, dass zur Erreichung dieses Ziels lediglich der gleiche Aufwand betrieben wird, wie bei einem gesunden Menschen. Vielmehr ist entscheidend, dass eine Gleichstellung im Hinblick auf das Ergebnis (d.h. die Eingliederung des Behinderten die Gesellschaft) erfolgt, mögen die zur Erreichung dieses Ergebnisses anzustellenden Bemühungen bzw. der Aufwand auch größer sein, als bei einem gesunden Menschen. Folglich ist bei der Bemessung des Bedarfs nicht auf den Freizeitbedarf eines gesunden jungen Menschen gleichen Alters abzustellen, sondern auf den konkreten Bedarf der Antragstellerin.
Zur Überzeugung der Kammer steht weiter fest, dass dieser Bedarf jedenfalls in Höhe der geltend gemachten 83 Monatsstunden besteht.
Soweit der Antragsgegner anhand der von der Antragstellerin in Anspruch genommenen Pflege- und Betreuungsleistungen sowie dem Zeitaufwand für Schulbesuche und ähnliche Dinge ausgeführt, rein tatsächlich verblieben nicht mehr als 10 Wochenstunden, so vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Denn bereits die tatsächlichen, mit Hilfe der eingestellten Kräfte in der Vergangenheit durchgeführten Freizeitaktivitäten widerlegen diese Vermutung. Die Antragstellerin hat konkret und substantiiert darzulegen vermocht, an welchen Freizeitaktivitäten sie in der Vergangenheit mit Hilfe des eingestellten Personals teilgenommen hat und dass diese einen Umfang von 83 Monatsstunden erreicht haben. Überdies hat sie nachvollziehbar ausgeführt, dass nicht ein gleicher Bedarf pro Tag besteht, sondern der Freizeitbedarf an den Wochenenden und in den Schulferien deutlich höher ist, weil die Antragstellerin an diesen Tagen keine Zeit in der Schule verbringt und damit mehr Zeit für Freizeit zur Verfügung hat, die sie indessen wegen der Schwere ihrer Behinderung nur dann für Freizeitaktivitäten nutzen kann, wenn sie umfangreiche Hilfestellungen erhält.
Die Kammer übersieht nicht, dass Einzelheiten hinsichtlich der konkreten Berechnung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen. Bereits im Rahmen summari-scher Betrachtung indessen zeigt sich, dass die Angaben auch zum Umfang der durchgeführten Freizeitaktivitäten plausibel und nachvollziehbar sind. Überdies geht eine durchzuführende Folgenabwägung im Zweifel zu Lasten des Antragsgegners. Denn selbst wenn sich im Rahmen des Hauptsacheverfahrens herausstellen sollte, dass ein Anspruch nicht in Höhe von 83 Monatsstunden bzw. 595,00 Euro pro Monat besteht, so wäre dies eher hinnehmbar, als wenn der Antrag teilweise abgelehnt würde und sich im Rahmen des Hauptsacheverfahrens später herausstellen sollte, dass von Anfang an ein Anspruch der Antragstellerin in Höhe von 83 Wochenstunden gegeben war, zumal sie eine Freizeitgestaltung rückwirkend nicht durchführen könnte. Auch streitet das Grundrecht der Antragstellerin auf Teilhabe Behinderter am Leben in der Gemeinschaft aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (dazu etwa Sächs. LSG, Beschluss vom 28.08.2008 – L 3 B 613/07 SO-ER = juris) für eine Folgenabwägung zu ihren Gunsten.
Weiter hat die Antragstellerin für die Zeit ab dem 11.07.2013 auch einen Anordnungs-grund glaubhaft gemacht. Denn angesichts des festgestellten Freizeitbedarfs von 83 Stunden pro Monat ist ihr ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens nicht zumutbar. Dies gilt selbst in Ansehung des Umstands, dass der Antragsgegner – der abgeschlossenen Zielvereinbarung entsprechend – (vorerst) bis einschließlich 31.10.2013 nach wie vor monatlich 650,00 Euro zur Verfügung stellt. Denn angesichts der Schwere ihrer Behinderung bedeutet dies für die Antragstellerin, dass sie den Rest der Zeit zur Teilnahmslosigkeit gezwungen ist, weil sie ohne fremde Hilfe keinerlei freizeitliche Aktivitäten ausüben kann.
Die in der Verpflichtung des Antragsgegners liegende Vorwegnahme der Hauptsache hält sich in vertretbaren Grenzen. Denn zum einen wird lediglich eine vorläufige Ver-pflichtung ausgesprochen und zudem ist im Hauptsacheverfahren mittlerweile Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme für Ende September 2013 anberaumt.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
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