Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1478/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 237/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufforderung der Beklagten, ihrer gesetzlichen Krankenkasse, einen Antrag auf medizinische Maßnahmen zur Rehabilitation beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen.
Sie ist 1967 geboren und war bis zum 31. Mai 2010 als Verkäuferin abhängig beschäftigt. Seit dem 24. Februar 2010 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 29. April 2010 ab 07. April 2010 Krankengeld.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) gab am 19. Mai 2011 eine (weitere) sozialmedizinische Stellungnahme ab. Danach lägen die medizinischen Voraussetzungen für eine erhebliche Minderung/Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vor. Aus psychiatrisch-sozialmedizinischer Sicht sei festzustellen, dass aufgrund der Art, Schwere und Dauer der Psychopathologie, der weiterhin fehlenden psychischer Stabilität und Belastbarkeit, des unzureichenden Erfolgs der bisherigen Therapie sowie einer drohenden Chronifizierungstendenz die Erwerbsfähigkeit der Versicherten erheblich gefährdet sei.
Die Beklagte forderte die Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 23. Mai 2011 auf, innerhalb von 10 Wochen nach Erhalt des Bescheides, also bis spätestens 04. August 2011, einen Antrag auf Rehabilitation beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Der Sofortvollzug wurde angeordnet. Zur Begründung führte sie aus, dass eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme geeignet sei. Diese diene der intensiven Krankenbehandlung und sei erforderlich, weil andere Mittel, insbesondere ambulante Behandlungen, in der Vergangenheit nicht ausreichend gewesen seien, um eine dauerhafte Stabilisierung der Gesundheit zu erreichen und die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu sichern.
Die Klägerin erhob am 22. Juni 2011 Widerspruch. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lägen nicht vor. Eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin ergäbe sich nicht aus einem ärztlichen Gutachten. Die Beklagte dürfe sich nicht auf ein Gutachten des MDK vom 22. Oktober 2010 stützen, da dieses veraltet sei. Auch sei die Klägerin nicht bereit, eine erzwungene Rehabilitationsmaßnahme zu beginnen. Die Aufforderung sei auch unverhältnismäßig im engeren Sinne. Der Krankengeldanspruch ende nämlich regulär bereits am 25. August 2011. Streitig sei damit lediglich ein Zeitraum von 22 Tagen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2011 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 19. August 2011 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Sie hat ihr vorgerichtliches Vorbringen wiederholt und vorgebracht, dass die Beklagte ihr Ermessen rechtswidrig ausgeübt habe, da sie nicht nur über die Antragstellung dem Grunde nach, sondern bereits über die konkrete Ausführung der Rehabilitationsmaßnahme entschieden habe.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. April 2012 abgewiesen. Der Bescheid sei formell rechtsmäßig. Ein etwaiger Anhörungsmangel sei im Widerspruchsverfahren nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch X Buch geheilt worden, da sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausführlich mit dem klägerischen Vorbringen auseinander gesetzt habe. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V lägen vor. Mit Gutachten vom 19. Mai 2011 habe der MDK die erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin festgestellt, welche als Versicherte Krankengeld von der Beklagten bezogen habe. Diese Feststellung stelle ein ärztliches Gutachten nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V dar. Die Beklagte habe auch die im Gesetz genannte Frist von zehn Wochen ab Bekanntgabe des Bescheides zutreffend berechnet. Die Begründung des MDK sei nachvollziehbar und berücksichtige die Länge und Intensität der Krankenbehandlung der Klägerin. Eine ärztlich attestierte Besserungstendenz stehe dieser Prognose nicht entgegen, da sich die Klägerin weiterhin in intensiver ärztlicher Behandlung befinde. Nach § 51 Abs. 1 SGB V könne die Krankenkasse die Versicherten zur Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen veranlassen. Dadurch würden im Interesse der Versicherten und der versicherten Gemeinschaft auch Rehabilitationszwecke gefördert. Daher sei die Anforderung auch geeignet. Es komme nicht darauf an, dass die Klägerin selbst keine Rehabilitationsleistungen in Anspruch nehmen wolle. Der Bescheid erlasse auch keine Ermessensfehler erkennen. Er sei nicht unverhältnismäßig. Es gehe nicht darum, dass die Klägerin – aus ihrer Sicht – sinnlose stationäre Rehabilitationsmaßnahmen über sich ergehen lassen müsse. Es werde ihr vielmehr nur nahe gelegt, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen. Ob und welche Maßnahmen sinnvoll und zumutbar seien, sei in dem Verfahren des Rentenversicherungsträgers zu klären (Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 09. September 2011 – L 1 KR 235/11 B ER).
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Beklagte habe der Klägerin nicht nur nahe gelegt, einen Reha-Antrag zu stellen, sondern sie hierzu verpflichtet. Auch habe sie sich bereits eine Entscheidungskompetenz des Rentenversicherungsträgers angemaßt, in dem sie ausgeführt habe, eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei geeignet und erforderlich.
Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. April 2012 zu ändern und den Bescheid vom 23. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter anstelle des Senats entschieden werden, §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die beiden Beteiligten haben sich damit jeweils einverstanden erklärt.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird.
Das Berufungsvorbringen kann zu keinem anderen Ergebnis führen:
Die Klägerin greift zwar einen sie belastenden Verwaltungsakt an. Dieser regelt aber (lediglich) eine Obliegenheit und keine vollstreckbare Verpflichtung. An die Missachtung der Pflicht ist (nur) die Rechtsfolge geknüpft, dass der Krankengeldanspruch nach § 51 Abs. 3 SGB V entfällt.
Die Beklagte hatte ferner zur Darlegung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V und zur Erläuterung ihrer Ermessensentscheidung darzulegen, weshalb ein Reha-Antrag angezeigt gewesen sei. Das Verfahren vor dem Rentenversicherungsträger wird damit nicht vorweggenommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufforderung der Beklagten, ihrer gesetzlichen Krankenkasse, einen Antrag auf medizinische Maßnahmen zur Rehabilitation beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen.
Sie ist 1967 geboren und war bis zum 31. Mai 2010 als Verkäuferin abhängig beschäftigt. Seit dem 24. Februar 2010 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 29. April 2010 ab 07. April 2010 Krankengeld.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) gab am 19. Mai 2011 eine (weitere) sozialmedizinische Stellungnahme ab. Danach lägen die medizinischen Voraussetzungen für eine erhebliche Minderung/Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vor. Aus psychiatrisch-sozialmedizinischer Sicht sei festzustellen, dass aufgrund der Art, Schwere und Dauer der Psychopathologie, der weiterhin fehlenden psychischer Stabilität und Belastbarkeit, des unzureichenden Erfolgs der bisherigen Therapie sowie einer drohenden Chronifizierungstendenz die Erwerbsfähigkeit der Versicherten erheblich gefährdet sei.
Die Beklagte forderte die Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 23. Mai 2011 auf, innerhalb von 10 Wochen nach Erhalt des Bescheides, also bis spätestens 04. August 2011, einen Antrag auf Rehabilitation beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Der Sofortvollzug wurde angeordnet. Zur Begründung führte sie aus, dass eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme geeignet sei. Diese diene der intensiven Krankenbehandlung und sei erforderlich, weil andere Mittel, insbesondere ambulante Behandlungen, in der Vergangenheit nicht ausreichend gewesen seien, um eine dauerhafte Stabilisierung der Gesundheit zu erreichen und die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu sichern.
Die Klägerin erhob am 22. Juni 2011 Widerspruch. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) lägen nicht vor. Eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin ergäbe sich nicht aus einem ärztlichen Gutachten. Die Beklagte dürfe sich nicht auf ein Gutachten des MDK vom 22. Oktober 2010 stützen, da dieses veraltet sei. Auch sei die Klägerin nicht bereit, eine erzwungene Rehabilitationsmaßnahme zu beginnen. Die Aufforderung sei auch unverhältnismäßig im engeren Sinne. Der Krankengeldanspruch ende nämlich regulär bereits am 25. August 2011. Streitig sei damit lediglich ein Zeitraum von 22 Tagen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2011 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 19. August 2011 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Sie hat ihr vorgerichtliches Vorbringen wiederholt und vorgebracht, dass die Beklagte ihr Ermessen rechtswidrig ausgeübt habe, da sie nicht nur über die Antragstellung dem Grunde nach, sondern bereits über die konkrete Ausführung der Rehabilitationsmaßnahme entschieden habe.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. April 2012 abgewiesen. Der Bescheid sei formell rechtsmäßig. Ein etwaiger Anhörungsmangel sei im Widerspruchsverfahren nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch X Buch geheilt worden, da sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausführlich mit dem klägerischen Vorbringen auseinander gesetzt habe. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V lägen vor. Mit Gutachten vom 19. Mai 2011 habe der MDK die erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin festgestellt, welche als Versicherte Krankengeld von der Beklagten bezogen habe. Diese Feststellung stelle ein ärztliches Gutachten nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V dar. Die Beklagte habe auch die im Gesetz genannte Frist von zehn Wochen ab Bekanntgabe des Bescheides zutreffend berechnet. Die Begründung des MDK sei nachvollziehbar und berücksichtige die Länge und Intensität der Krankenbehandlung der Klägerin. Eine ärztlich attestierte Besserungstendenz stehe dieser Prognose nicht entgegen, da sich die Klägerin weiterhin in intensiver ärztlicher Behandlung befinde. Nach § 51 Abs. 1 SGB V könne die Krankenkasse die Versicherten zur Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen veranlassen. Dadurch würden im Interesse der Versicherten und der versicherten Gemeinschaft auch Rehabilitationszwecke gefördert. Daher sei die Anforderung auch geeignet. Es komme nicht darauf an, dass die Klägerin selbst keine Rehabilitationsleistungen in Anspruch nehmen wolle. Der Bescheid erlasse auch keine Ermessensfehler erkennen. Er sei nicht unverhältnismäßig. Es gehe nicht darum, dass die Klägerin – aus ihrer Sicht – sinnlose stationäre Rehabilitationsmaßnahmen über sich ergehen lassen müsse. Es werde ihr vielmehr nur nahe gelegt, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen. Ob und welche Maßnahmen sinnvoll und zumutbar seien, sei in dem Verfahren des Rentenversicherungsträgers zu klären (Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 09. September 2011 – L 1 KR 235/11 B ER).
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Beklagte habe der Klägerin nicht nur nahe gelegt, einen Reha-Antrag zu stellen, sondern sie hierzu verpflichtet. Auch habe sie sich bereits eine Entscheidungskompetenz des Rentenversicherungsträgers angemaßt, in dem sie ausgeführt habe, eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei geeignet und erforderlich.
Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. April 2012 zu ändern und den Bescheid vom 23. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter anstelle des Senats entschieden werden, §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die beiden Beteiligten haben sich damit jeweils einverstanden erklärt.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird.
Das Berufungsvorbringen kann zu keinem anderen Ergebnis führen:
Die Klägerin greift zwar einen sie belastenden Verwaltungsakt an. Dieser regelt aber (lediglich) eine Obliegenheit und keine vollstreckbare Verpflichtung. An die Missachtung der Pflicht ist (nur) die Rechtsfolge geknüpft, dass der Krankengeldanspruch nach § 51 Abs. 3 SGB V entfällt.
Die Beklagte hatte ferner zur Darlegung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V und zur Erläuterung ihrer Ermessensentscheidung darzulegen, weshalb ein Reha-Antrag angezeigt gewesen sei. Das Verfahren vor dem Rentenversicherungsträger wird damit nicht vorweggenommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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