L 6 AL 124/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 37/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 124/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung – (SGB III) in Streit.

Die 1985 geborene Klägerin nahm an dem "Dualen Studium Handelsfachwirt/-in" bei der Akademie Handel in C-Stadt teil. Hierbei handelt es sich um einen betrieblichen Bildungsgang, bei dem der theoretische Teil durch Studienphasen der Akademie Handel abgedeckt wird. Nach den ersten 18 Monaten wird die Prüfung zum "Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel" vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) abgelegt. In den anschließenden 15 oder 16 Monaten werden die Weiterbildungsabschlüsse "Berufs- und arbeitspädagogische Kenntnisse (AdA)" und schließlich "Handelsfachwirt/Handelsfachwirtin" mit der mündlichen Prüfung vor der IHK erworben.

Die Klägerin schloss am 17./20. September 2008 mit der "Büromöbel XY1. GmbH" in C Stadt einen "Trainee-Vertrag für das Duale Studium Handelsfachwirt/-in" beginnend am 1. Oktober 2008. Hinsichtlich der Dauer des Vertragsverhältnisses werden 32 Monate angegeben (vgl. § 1 Nr. 2 des Vertrages), der Bildungsweg sollte aber insgesamt eine Dauer von 33 Monaten haben (vgl. § 1 Nr. 2 und § 2 Nr. 2 des Vertrages). Maßgeblich für das Ende des Dualen Studiums sei das Datum der mündlichen Abschlussprüfung Handelsfachwirt/-in, die in der Regel im 32. Ausbildungsmonat liegt (§ 1 Nr. 3 des Vertrages). Inhalt des Vertrages sind die aufeinander abgestimmten Trainee- und Studienphasen 1-8 des Dualen Studiums Handelsfachwirt/-in in der durch das Bildungszentrum des Bayerischen Handels erstellten Form. Nach vier Phasen mit einer Gesamtdauer von 18 Monaten soll die Prüfung zum Kaufmann/zur Kauffrau im Einzelhandel vor der IHK abgelegt werden (§ 2 Nr. 3 des Vertrages). Danach führen die vier weiteren Phasen zum Abschluss Handelsfachwirt/-in. Hierzu kann zusätzlich die Ausbilderprüfung vor der IHK stattfinden, wenn die Zulassungsvoraussetzungen der IHK erfüllt sind (§ 2 Nr. 4 des Vertrages). Der Trainee verpflichtet sich, die Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, um das Ziel des Dualen Studiums Handelsfachwirt/-in zu erreichen (§ 4 des Vertrages). Für den Fall, dass er das Ausbildungsverhältnis rechtswidrig nicht aufnimmt oder vertragswidrig vorzeitig beendet, verpflichtet sich der Trainee zur Zahlung einer Vertragstrafe (§ 11 des Vertrages).

Am 8. Februar 2010 bestand die Klägerin die Prüfung zur Kauffrau im Einzelhandel vor der IHK München und Oberbayern, die sie zur Abschlussprüfung ohne vorangegangenes Ausbildungsverhältnis zugelassen hatte. Am 19. Juli 2011 schloss die Klägerin das Duale Studium als geprüfte Handelsfachwirtin ab.

Noch vor Aufnahme des Dualen Studiums beantragte die Klägerin am 26. September 2008 bei der Beklagten die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 ab, weil die Ausbildung zum/r Handelsfachwirt/in nicht förderungsfähig sei. Es handele sich nicht um einen Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG).

Den am 23. Dezember 2008 erhobenen Widerspruch der Klägerin, den diese damit begründete, dass zumindest der erste Teil der Ausbildung (18 Monate bis zur Einzelhandelskauffrau) eine förderungsfähige Ausbildung sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2009 als unbegründet zurück. Es handele sich nicht um eine förderungsfähige Ausbildung in betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildungsstätte, sondern um einen dualen Studiengang. Dies ergebe sich aus dem Trainee-Vertrag sowie aus der Prüfungszulassung der IHK für München und Oberbayern, welche ein vorangegangenes Berufsausbildungsverhältnis verneine. Duale Studiengänge seien nachhaltig vom Studium geprägt; ihr Ziel sei der Studiumsabschluss, nicht aber der staatlich anerkannte Ausbildungsberuf.

Die Klägerin hat am 11. März 2009 Klage bei dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben mit dem Ziel der Aufhebung der sie belastenden Bescheide und der Gewährung von BAB im Zeitraum 1. Oktober 2008 bis 30. April 2011. Zur Begründung hat sie vorgetragen, das Studium sei aufgeteilt in eine 18-monatige Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau einerseits und in die sich anschließende Phase zur Handelsfachwirtin. Die gesamte Ausbildungszeit sei förderungsfähig.

Die Firma "Büromöbel XY2. GmbH" mit Sitz in D-Stadt hat auf Anfrage des Sozialgerichts mit Schreiben vom 25. Mai 2010 mitgeteilt, die IHK München habe sich geweigert, den eingereichten Berufsausbildungsvertrag einzutragen, weil sie für die Eintragung von Berufsausbildungsverhältnissen von Betrieben, deren Firmensitz sich außerhalb Bayerns befinde, nicht zuständig sei.

Die Beklagte hat an den angegriffenen Bescheiden festgehalten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. Juni 2010 als zulässig, aber nicht begründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung von BAB.

Für die (Teil-)Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel habe die Klägerin einen dafür vorgeschriebenen Berufsausbildungsvertrag nicht abgeschlossen. Eine berufliche Ausbildung sei nach § 60 Abs. 1 SGB III förderungsfähig, wenn der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen sei. Im Trainee-Vertrag für das Duale Studium Handelsfachwirt/-in vom 17./20. September 2008 zwischen der Klägerin und der Büromöbel XY1. GmbH sei ihre Ausbildung zur Handelskauffrau nicht vereinbart, sondern lediglich als ein Zwischenstadium im Dualen Studium Handelsfachwirtin aufgeführt. In der Bezeichnung des Bildungsganges werde die Ausbildung zum/r Handelskaufmann/-frau schon nicht erwähnt. In den Vertragsregelungen sei dieser Ausbildungsteil auf eine Zwischenprüfung im dualen Studium zum Handelsfachwirt/-in reduziert: Nach 4 Phasen, die die Gesamtdauer von 18 Monaten hätten, werde die Prüfung zum Kaufmann/zur Kauffrau im Einzelhandel vor der IHK abgelegt (§ 2 Nr. 3 Trainee-Vertrag). Ein eigenständiger - und eintragungsfähiger - Ausbildungsvertrag mit dem Ziel der Ausbildung zum/r Handelskaufmann/-frau existiere mithin nicht. Dem entspreche die Zulassung der Klägerin zur Prüfung zur Kauffrau im Einzelhandel ohne vorangegangenes Ausbildungsverhältnis vor der IHK München und Oberbayern.

Der zwischen der Klägerin und der Büromöbel XY1. GmbH abgeschlossene Trainee-Vertrag betreffe als Ganzes keine nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III förderungsfähige erstmalige Ausbildung. In der Rechtsprechung sei ein Förderungsausschluss für weitergehende Ausbildungen angenommen worden, wenn ein Berufsabschluss erreicht worden sei, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens 2 Jahren festgelegt sei (BSG, Urteil vom 29. Januar 2008 - B 7/7a AL 68/06 R, SozR 4-4300 § 60 Nr. 1). Die Beklagte selbst nenne den "Handelsfachwirt (Abi-Ausbildung)" in ihren berufskundlichen Informationen "eine doppelt qualifizierende Erstausbildung" (Bundesagentur für Arbeit, www.berufenet) und grenze diese von der klassischen Möglichkeit, den Abschluss als Handelsfachwirt/in im Rahmen einer bundesweit geregelten beruflichen Fortbildung zu erwerben (§ 1 Abs. 1 Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Handelsfachwirt/-in), ab. Die Akademie Handel beschreibe das Duale Studium Handelsfachwirtin als kombinierte Aus- und Weiterbildung (Telefonauskunft Frau E. vom 31. Mai 2010). Dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 1. Dezember 2009 – B 12 R 4/08, in dem für das Bestehen von Sozialversicherungspflicht bzw. Sozialversicherungsfreiheit zwischen praxisintegrierten Dualen Studiengängen einerseits und sogenannten ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen andererseits unterschieden werde, fehle der spezielle förderungsrechtliche Blickwinkel. Für all diese ausbildungsrechtlichen Ansätze gelte, dass sie im vorliegenden leistungsrechtlichen Kontext zur Klärung der Förderungsfähigkeit des Dualen Studiums lediglich insoweit zielführend sein könnten, als der gesetzliche Förderungszweckes berücksichtigt werde. Eine zweite Ausbildung könne gefördert werden, wenn zu erwarten sei, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden könne und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht werde (§ 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Für die berufliche Eingliederung sei im Regelfall die Förderung der Erstausbildung als ausreichend anzusehen. Eben das sei hier der Fall: Die Klägerin habe mit der bestandenen Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf "Kauffrau im Einzelhandel" am 8. Februar 2010 einen für eine unmittelbar anschließende Berufsausübung vollauf genügenden Qualifikationsstand erreicht. Es sei nicht ersichtlich, dass und warum ein darüber hinausreichendes Duales Studium in seiner Gesamtheit gefördert werden müsste, gleich, ob man dieses als zweiteilig-einheitliche Ausbildung oder als kombinierte Doppelausbildung ansehe.

Die Klägerin hat am 23. Juli 2010 gegen das ihr am 24. Juni 2010 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.

Die Klägerin hat vorgetragen, das Sozialgericht habe die auf Zahlung von Berufsausbildungsbeihilfe gerichtete Klage zu Unrecht abgewiesen, weil die Voraussetzungen für die Gewährung der Berufsausbildungsbeihilfe gemäß § 60 SGB III bei der Klägerin nicht vorlägen.

Sie habe im Rahmen des von ihr absolvierten dualen Studiums Handelsfachwirt mit der Büromöbel XY1. GmbH am 17. September 2008 einen Trainee-Vertrag abgeschlossen. Dieser habe aufeinander abgestimmte Trainee- und Studienphasen mit einer Gesamtdauer von 33 Monaten beinhaltet. Nach 18 Monaten sei von der Klägerin, wie in dem Dualen Studium vorgesehen, die Prüfung zur Kauffrau für Einzelhandel vor der IHK München und Oberbayern erfolgreich abgelegt worden. Um diese Prüfung absolvieren zu können, sei die Klägerin in den Bereichen ausgebildet worden, die für die Befähigung zur Ausübung des Berufes der Kauffrau im Einzelhandel erforderlich seien. Hierbei habe die Akademie Handel den sonst der Berufschule obliegenden theoretischen, und die XY1. GmbH den praktischen Teil der Ausbildung übernommen.

Bei dem mit der XY1. GmbH abgeschlossenen Trainee-Vertrag handele es sich somit um einen Vertrag, der die Ausbildung zur Kauffrau für Einzelhandel - einen anerkannten Ausbildungsberuf - umfasse. Dass in dem Vertrag nicht explizit die Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel vereinbart worden sei, sondern die hierauf gerichtete Prüfung als ein Zwischenstadium im Dualen Studium Handelsfachwirtin aufgeführt werde, stehe dem nicht entgegen.

Die Klägerin habe eine vollwertige Prüfung in einem anerkannten Ausbildungsberuf abgelegt und damit einen im Arbeitsleben verwertbaren Abschluss erlangt. Diesem Abschluss sei eine Ausbildung in diesem Beruf vorausgegangen, die mit 18 Monaten sogar um drei Monate länger gewesen sei, als die darauf folgende Weiterbildung zur Handelsfachwirtin. Von einer Reduzierung dieses Ausbildungsteils auf lediglich eine Zwischenprüfung innerhalb des Dualen Studiums könne somit nicht die Rede sein. Die kurze Ausbildungsdauer von 18 Monaten erkläre sich aus dem Umstand, dass es sich bei dem Dualen Studium zur Handelsfachwirtin um eine Ausbildung handele, die auf Abiturienten zugeschnitten sei.

Wenn das Gericht anführe, dass ein eigenständiger - und eintragungsfähiger - Ausbildungsvertrag zur Kauffrau für Einzelhandel nicht bestünde, verkenne es das Wesen des hier vorliegenden dualen Ausbildungsmodells. Die Tatsache, dass der von der Klägerin abgeschlossene Vertrag von der Industrie- und Handelskammer nicht in das Verzeichnis der Ausbildungsverhältnisse eingetragen worden sei, beruhe nicht darauf, dass das Ausbildungsverhältnis nicht eintragungsfähig sei, sondern lediglich auf Zuständigkeitsunklarheiten, welche sich am Wohnsitz der Klägerin einerseits und dem Sitz der Akademie Handel andererseits festmachten und sich deshalb sowohl bei der IHK in Hessen, wie auch bei der IHK in Bayern ergeben hätten.

Die von der Klägerin in den ersten 18 Monaten absolvierte Ausbildung habe ihr alle Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die sie zur Ausübung des Berufs der Kauffrau im Einzelhandel benötige. Die Auffassung des Gerichts, bei dem Trainee-Vertrag handele es sich nicht um einen Ausbildungsvertrag im Sinne des § 60 SGB III bzw. in diesem sei ein solcher auch nicht enthalten, führe zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von Teilnehmern des Dualen Studiums Handelsfachwirt und Auszubildenden, die einen separaten Ausbildungsvertrag zur Kauffrau für Einzelhandel abschlössen und darauf aufbauend eine Weiterbildung zur Handelsfachwirtin anstrebten.

Schließlich spreche auch der Wortlaut des Trainee-Vertrages gegen diese Auffassung, denn dort heiße es in der Fußnote, dass der Trainee-Vertrag im Sinne eines Ausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz definiert sei. Dieser habe sowohl die Ausbildung zur Kauffrau für Einzelhandel als auch die Weiterbildung zur Handelsfachwirtin umfasst.

Hieraus ergebe sich ein Anspruch der Klägerin auf die Zahlung von Berufsausbildungsbeihilfe zunächst für die ersten 18 Monate des Dualen Studiums.

Bei dem dualen Studium zum Handelsfachwirt handele es sich auch nicht um ein Studium, welches nicht nach § 60 SGB III förderungsfähig wäre. Entgegen der Bezeichnung als duales "Studium" handele es sich um eine kombinierte Aus- und Weiterbildung, wobei der Absolvent in der ersten Stufe in einem anerkannten kaufmännischen Beruf und, hierauf aufbauend, zum Handelsfachwirt ausgebildet werde. Die Ausbildung unterscheide sich von einer konventionellen Berufsausbildung lediglich dadurch, dass der Absolvent sein theoretisches Wissen nicht in der Berufsschule, sondern von der Akademie Handel vermittelt bekomme.

Ferner sei die Akademie Handel auch keine Hochschule, so dass bereits aus diesem Grund kein Studium vorliegen könne. Die berufliche Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel diene auch nicht lediglich dem Erwerb praktischer Kenntnisse, mit dem Ziel die Verwertbarkeit des Studiums auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, sondern führe zu einem anerkannten Abschluss in diesem Beruf, der für sich allein genommen bereits für die Absolventin im Arbeitsleben verwertbar sei.

Selbst wenn man das duale Studium als mit einem (Fach-)hochschulstudium vergleichbar ansehen wollte, bleibe festzuhalten, dass auch der Erwerb eines (Fach-) hochschuldiploms ein Berufsabschluss sei, der nach Sinn und Zweck der Ausbildungsförderung förderungsfähig sei. Denn dieser würde erst recht die qualifizierte Teilnahme am Arbeitsmarkt ermöglichen.

Gleichgültig, ob man das duale Studium zum Handelsfachwirt als eine kombinierte Aus- und Weiterbildung oder als doppelt qualifizierende Erstausbildung ansehe, sei es in seiner Gesamtheit förderungsfähig. Es handele sich hierbei um den Fall einer Stufenausbildung. Die zweite Ausbildungsstufe zum Handelsfachwirt baue auf der ersten Stufe zur Ausbildung als Kauffrau im Einzelhandel auf und sei ohne eine vorhergehende kaufmännische Ausbildung nicht möglich, da die dort vermittelten Kenntnisse wesentliche Voraussetzungen für den Abschluss als Handelsfachwirt seien.

Dass hier bereits die erste Ausbildungsstufe zum Erreichen des Berufsabschlusses als Kauffrau im Einzelhandel führe, sei unschädlich, da im Rahmen einer Stufenausbildung anerkanntermaßen eine durchgängige Förderung auch möglich sei, wenn die erste Stufe bereits zu einer anerkannten Qualifikation oder zu einem Berufsabschluss führe.

Hier sei die Ausbildung auch mit der erforderlichen Planmäßigkeit und in einem engen zeitlichen Zusammenhang absolviert worden. Die strengen Voraussetzungen der Förderung einer Zweitausbildung müssten somit hier nicht erfüllt werden. Der Klägerin stehe somit ein Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe für die gesamten 33 Monate, also den Zeitraum zwischen 1. Oktober 2008 und 30. April 2010 zu. Sollte das Gericht den zweiten Teil der Ausbildung als nicht förderungsfähig ansehen, ergebe sich zumindest ein Anspruch für die ersten 18 Monate bis zum Erwerb des Abschlusses als Kauffrau im Einzelhandel.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Berufsausbildungshilfe für den Zeitraum 1. Oktober 2008 bis 30. April 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, schon rein begrifflich handele es sich bei dem von der Klägerin bei der Firma Büromöbel XY2. GmbH absolvierten Traineeprogramm in Form eines dualen Studiums Handelsfachwirt/-in nicht um eine förderfähige Berufsausbildung im Sinne des § 60 SGB III. Dem zwischen der Klägerin und der Firma Büromöbel XY1. GmbH abgeschlossenen Vertrag sei zu entnehmen, dass es sich um einen Trainee-Vertrag und keinen klassischen Ausbildungsvertrag handele. Ein Trainee sei aber kein Auszubildender, sondern in der Regel sogar ein Hochschulabsolvent, der in einem Unternehmen systematisch als vielfältig einsetzbare Nachwuchskraft aufgebaut werde, üblicherweise durch ein Traineeprogramm mit aufeinander abgestimmten Einsätzen in verschieden Abteilungen, Seminaren und Netzwerkveranstaltungen (vgl. wikipedia). Ein Auszubildender solle hingegen als Lehrling zum Gesellen bzw. Facharbeiter in einem ganz klar begrenzten Fachbereich ausgebildet werden und dann in der Regel auch nur in dem erlernten Ausbildungsberuf eingesetzt werden. Unbeachtlich sei, dass die Klägerin innerhalb des dualen Studiums auch den Abschluss als Kauffrau für Einzelhandel erworben habe. Die Tatsache, dass mit einer Maßnahme ein anerkannter Ausbildungsberuf im Sinne von § 25 BBiG erreicht werde, qualifiziere die Maßnahme noch nicht als betriebliche beziehungsweise überbetriebliche Ausbildung im Sinne von § 60 SGB III (Gagel/Fuchsloch, SGB III, § 60 Rn. 14). Die Zahlung von Berufsausbildungsbeihilfe sei weiterhin nicht nur davon abhängig, dass es sich um eine betriebliche (oder überbetriebliche) Ausbildung handele, sondern auch davon, dass die Ausbildung nach den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes durchgeführt werde. Aus § 2 Absatz 1 des zwischen der Klägerin und der Firma Büromöbel XY1. GmbH abgeschlossenen Trainee-Vertrages ergebe sich aber, dass das duale Studium, welches die Ablegung der Prüfung zur Kauffrau im Einzelhandel beinhalte, nicht nach den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes, sondern in der durch das Bildungszentrum des Bayerischen Handels erstellten Form zu absolvieren war. Hinzu komme, dass Berufsausbildungsverträge von den jeweils zuständigen Stellen einzutragen und zu überwachen seien (Gagel/Fuchsloch, SGB III, § 60 Rn. 15). Für die Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau wäre zuständige Stelle die Industrie- und Handelskammer gewesen. Im Fall der Klägerin habe jedoch keine Eintragung bei der Industrie- und Handelskammer stattgefunden.

Die Beteiligten haben mit bei Gericht am 4. und 6. Dezember 2012 eingegangenen Schriftsätzen ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach § 60 Abs. 1 SGB III in der vom 30. August 2008 bis 30. März 2011 hier anwendbaren Fassung ist eine berufliche Ausbildung förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder - seit 1. September 2009 - nach dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Förderungsfähig ist nach Absatz 2 der Bestimmung die erstmalige Ausbildung. Eine zweite Ausbildung kann gefördert werden, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird.

Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind nicht erfüllt. Das Sozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass die betriebliche Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau nicht nach dem Berufsbildungsgesetz durchgeführt wurde. Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt es für die Förderungsfähigkeit nicht, dass die gewählte Ausbildung – hier in einem ersten Ausbildungsabschnitt zu einem anerkannten beruflichen Abschluss führt. Sie muss nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vielmehr auch in den vom Berufsbildungsgesetz vorgeschriebenen Formen durchgeführt werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 1989 – 9b/7 Rar 18/89, juris zu staatlichen Sonderprogrammen; Urteil vom 18. August 2005 – B 7a/7 AL 100/04 R, juris zu einem Modellprojekt des Europäischen Sozialfonds; vgl. auch Urteil des LSG Sachsen vom 10. November 2011 – L 3 AL 60/10, juris und das Urteil des LSG Thüringen vom 30. Mai 2012 – L 10 AL 41/09, juris jeweils zu einem nicht in das Ausbildungsverzeichnis der zuständigen Kammer eingetragenen Ausbildungsvertrag).

Zu diesen vom Berufsbildungsgesetz vorgeschriebenen Formen gehört zunächst der Abschluss eines Ausbildungsvertrages nach § 10 BBiG. Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, bei dem von ihr abgeschlossenen Trainee-Vertrag handele es sich um einen Ausbildungsvertrag. In einer Fußnote dieses Vertrages heißt es: "Der Trainee-Vertrag ist im Sinne eines Ausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz definiert". Was das heißen soll, ist indessen unklar. Jedenfalls lehnt sich der Trainee-Vertrag teilweise an die Vorgaben des Berufsbildungsgesetzes an. So verlangt etwa § 20 BBiG, dass das Berufsausbildungsverhältnis mit der Probezeit beginnt, die mindestens einen Monat betragen muss und höchstens vier Monate betragen darf. Das wird in § 1 Nr. 5 Satz 1 des Trainee-Vertrages umgesetzt. Es gibt aber auch Bestimmungen die mit dem BBiG nicht vereinbar sind. So ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in § 11 des Vertrages nichtig (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG).

Ob aus der Nichtigkeit einzelner Bestimmungen nach dem Berufsbildungsgesetz geschlossen werden kann, dass überhaupt kein Ausbildungsvertrag geschlossen werden sollte, weil die Vertragsparteien möchten, dass möglichst alle Vereinbarungen Wirksamkeit entfalten, kann dahin stehen. Eine Eintragung des Trainee-Vertrages als Berufsausbildungsvertrages nach § 35 BBiG ist nicht erfolgt. Sie hätte wohl auch nicht erfolgen können, weil jedenfalls die Vereinbarung der Vertragsstrafe nicht dem BBiG entspricht (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BBiG).

Vorliegend ist entscheidend, dass der Trainee-Vertrag nicht in das Ausbildungsverzeichnis der IHK eingetragen worden ist. Durch die Aufnahme des Berufsausbildungsverhältnisses in das nach § 34 BBiG einzurichtende und zu führende Verzeichnis entscheidet die hierfür zuständige Stelle, ob eine Ausbildung der durch das Berufsbildungsgesetz vorgeschriebenen Form entspricht (BSG, Urteil vom 18. August 2005 – B 7a/7 AL 100/04 R, juris). Wird der einer Ausbildung dienende Vertrag nicht in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragen, so bewirkt dies für Gerichte, andere Behörden und Dritte, dass die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen für Sozialgerichte, die Beklagte und die Parteien des Ausbildungsverhältnisses bindend sind. Die Beklagte und die Gerichte sind an die Nichteintragung des Ausbildungsverhältnisses in das Verzeichnis nach § 34 BBiG gebunden. Eine Überprüfung der inhaltlichen Übereinstimmung der betrieblichen Ausbildung mit den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes und der jeweiligen Ausbildungsordnung steht der Beklagten im Rahmen der Entscheidung über die Berufsausbildungsbeihilfe und damit den Sozialgerichten grundsätzlich nicht zu (BSG, Urteil vom 18. August 2005 – B 7a/7 AL 100/04 R, juris).

Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag der "Büromöbel XY2. GmbH" mit Sitz in D-Stadt vom 25. Mai 2010, wonach ein Berufsausbildungsvertrag mit der Klägerin nicht geschlossen wurde, weil dies an einem Zuständigkeitskonflikt der IHK gescheitert sei, weil die IHK München für die Eintragung von Berufsausbildungsverhältnissen von Betrieben, deren Firmensitz sich außerhalb Bayerns befinde, nicht zuständig sei. Der Vertragspartner des Trainee-Vertrages ist aber nicht die "Büromöbel XY2. GmbH" mit Sitz in D-Stadt, sondern die "Büromöbel XY1. GmbH" in C-Stadt. Es ist daher nicht ersichtlich, warum diese nicht einen Ausbildungsvertrag zur Ausbildung zum Einzelhandelskauffrau mit der Klägerin hätte schließen können. Die Hintergründe können indessen dahinstehen, weil eine Eintragung des Trainee-Vertrages als Berufsausbildungsvertrages nach § 35 BBiG jedenfalls nicht erfolgt ist. Dass die gewählte Ausbildung im Fall der Klägerin zu einem anerkannten beruflichen Abschluss geführt hat, ist nach der auf formale Kriterien abstellenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unbeachtlich.

Für die formale Betrachtungsweise des Bundessozialgerichts sprechen gute Gründe. Der Markt für Aus- und Fortbildungen verschiedenster Anbieter ist derart unübersichtlich und vielgestaltig, dass es für eine Qualitätskontrolle nach § 60 SGB III förderungsfähiger Ausbildungen einleuchtet, auf die Kriterien "anerkannter Ausbildungsberuf" – hier erfüllt – und Eintragung des Berufsausbildungsverhältnisses in das Ausbildungsverzeichnis - hier nicht erfüllt – abzustellen.

Soweit die Klägerin überdies geltend macht, die Ausbildung zur Handelsfachwirtin sei als eine kombinierte Aus- und Weiterbildung oder als doppelt qualifizierende Erstausbildung förderungsfähig, so gilt das oben Gesagte hier erst recht. Der Abschluss der Handelsfachwirtin ist kein anerkannter Ausbildungsberuf, so dass der Anwendungsbereich des § 60 SGB III nicht eröffnet ist. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass nach § 60 Abs. 2 SGB III eine zweite Ausbildung nur gefördert werden kann, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird. Es ist aber nichts dafür ersichtlich, dass im Frühjahr 2010, als die Klägerin die Prüfung zur Einzelhandelskauffrau erfolgreich ablegte, eine Prognose möglich war, dass eine berufliche Eingliederung der Klägerin dauerhaft auf andere Weise als durch die Weiterbildung zur Handelsfachwirtin nicht erreicht werden könne und durch diese zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht werde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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