Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 39/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 158/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur wesentlichenVerursachung einer Thalamusblutung durch das Anheben und Hochwuchten eines Kanaldeckels bei Vorliegen einer Hypertonie als Vorschaden.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 15. Juni 2010 abgeändert: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2006 verurteilt, dem Kläger wegen eines Zustandes nach linksseitiger Thalamusblutung mit Gefühlsminderung der rechten Körperseite einschließlich der rechten Gesichtshälfte, distal betonter leicht- bis mittelgradiger Armparese rechts mit geringer Ataxie und Einschränkung der Fingerfeinmotorik sowie leichter Beinparese rechts mit deutlicher Ataxie des rechten Beines, als Folgen des Arbeitsunfalls vom 2. Juni 2005 nach Ende des Verletztengeldanspruchs Rente nach einer MdE von 40 v.H. zu gewähren. Soweit der Kläger die Anerkennung einer Bizepssehnenruptur als Arbeitsunfallfolge begehrt, wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall und die Gewährung von Entschädigungsleistungen.
Der 1952 geborene Kläger erlernte zunächst den Beruf eines Maurers, den er noch ca. ein Jahr nach Ende seiner Ausbildung ausübte. Dann schloss er eine Ausbildung zum Bautechniker ab und arbeitete als angestellter Bauleiter. Seit dem 1. Juni 2002 war er als selbständiger GmbH-Geschäftsführer im eigenen Bauunternehmen tätig. Er arbeitete als Bauleiter auf den Baustellen und verrichtete Verwaltungstätigkeiten im Büro.
Am Morgen des 2. Juni 2005 führte der Kläger zusammen mit einem Vertreter der Gemeinde Kirchhain im Ortsteil Gersdorf im Bereich der D-Straße eine Baubegehung durch, die nach Auskunft des Gemeindevertreters eine viertel Stunde dauerte. Dabei hob der Kläger einen Schachtdeckel ohne Hilfsmittel hoch, um den vorhandenen Anschluss zu kontrollieren. Der Schachtdeckel der Klasse D hat nach Auskunft der Gemeinde Kirchhain ein Gewicht von ca. 95 kg. Mit Unfallanzeige vom 9. Juni 2005 teilte die Firma E. Bau der Beklagten mit, der Kläger habe kurze Zeit nach dem Wiederverschließen des Schachtes ein komisches Gefühl im rechten Arm bemerkt. Auf der Heimfahrt von der Baustelle zum Büro der Firma habe er schon erhebliche Schwierigkeiten gehabt, seinen PKW zu steuern und zu bedienen. Beim Aussteigen aus seinem PKW auf dem Firmengelände habe er bereits auch Schmerzen bzw. Lähmungserscheinungen im rechten Bein bemerkt. Kurze Zeit später habe er bereits nicht mehr ohne fremde Hilfe alleine stehen und schon gar nicht laufen können. Durch die körperliche Anstrengung beim Heben der Schachtabdeckung habe sich der Kläger einen Bluterguss im Gehirn zugezogen.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie könne keine Leistungen aufgrund des von ihm geltend gemachten Ereignisses vom 2. Juni 2005 erbringen. Es handele sich nicht um ein plötzliches Ereignis, welches zu einem Körperschaden geführt habe. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Gegen diesen ohne Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid erhob der Kläger am 3. August 2005 Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte die Krankenunterlagen der Klinik für Neurologie des Klinikums Bad Hersfeld bei, wo der Kläger vom 2. Juni bis 13. Juni 2005 stationär behandelt worden war. Dort wurde im Rahmen des Aufnahmebefundes unter Anamnese vermerkt, der Kläger habe um 8:30 Uhr beim Arbeiten plötzlich ein Taubheitsgefühl im rechten Gesichtsbereich und rechten Arm und Koordinationsstörungen des rechten Beines verspürt. Der Blutdruck habe bei Eintreffen des Notarztes 240 zu 120 mmHg betragen. Im Entlassungsbericht vom 10. Juni 2005 diagnostizierten die behandelnden Ärzte bei dem Kläger eine Thalamusblutung links bei hypertensiver Entgleisung, eine arterielle Hypertonie und einen Diabetes mellitus. Des Weiteren wurde ausgeführt, als Ursache der am Aufnahmetag morgens akut aufgetretenen leichtgradigen sensomotorischen Hemisymptomatik der rechten Körperseite habe sich computertomografisch eine linksseitige Thalamusblutung gefunden. Aufgrund der typischen Lokalisation und erhöhter Blutdruckwerte bei Aufnahme sei von einer hypertensiven Genese der Blutung auszugehen. Am 31. Januar 2006 übersandte der Kläger einen Befundbericht des Chirurgen F. vom 3. November 2005, wonach bei dem Kläger an diesem Tag ein geschlossener Riss der langen Sehne des Musculus biceps brachii rechts festgestellt worden war. Der Kläger führte diesen Sehnenriss auf das Ereignis vom 2. Juni 2005 zurück.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 17. März 2006 zurück und führte zur Begründung aus, vor dem angeschuldigten Ereignis habe bei ihm ein medikamentös behandelnder Diabetes mellitus, ein Bluthochdruck mit der Notwendigkeit einer Mehrfachtherapie und im Bereich der Blutungsstelle eine langstreckige Verkalkung der Arteria cerebri media links vorgelegen. Der Befund sei so gravierend, dass allein durch eine Blutdruckkrise die Blutung auslösbar gewesen sei. Einer besonderen Kraftanstrengung habe es hierfür nicht bedurft. Außerdem habe er nach Aussage des Vertreters der Gemeindeverwaltung Kirchhain G. nach dem Anheben des Schachtdeckels weder gesundheitliche noch körperliche Probleme geäußert. Der am 3. November 2005 festgestellte Abriss der langen Bizepssehne rechts könne nicht auf das Anheben des Schachtdeckels zurückgeführt werden. Wenn ein solcher Befund bei der stationären Aufnahme am 2. Juni 2005 vorgelegen hätte, wäre dieser festgestellt und dokumentiert worden. Bei einem Abriss der langen Bizepssehne ziehe sich der Bizeps zusammen und nehme dann die Form an, die er bei maximaler Anspannung habe. Dieser Befund sei so eindrucksvoll, dass nicht wahrscheinlich gemacht werden könne, dass er im Rahmen der intensivmedizinischen Betreuung übersehen worden sei. Die Extremitäten seien bei Aufnahme sowie im Notarztprotokoll als unauffällig beschrieben worden.
Der Kläger hat hiergegen am 12. April 2006 beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat von dem Chefarzt der Kardiologie der Diakonie-Kliniken in Kassel, Prof. Dr. C., ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage eingeholt. In seinem Gutachten vom 27. Juli 2009 ist der Sachverständige zu der Beurteilung gelangt, die große körperliche Anstrengung am 2. Juni 2005 habe zu einer Entgleisung des vorbestehenden Bluthochdruckes geführt. Diese Blutdruckentgleisung habe schließlich eine Blutung im Bereich des Thalamus verursacht. Das Anheben, wie auch insbesondere das mehrfach ruckartige Hochwuchten des Kanaldeckels, hätten im Sinne einer isometrischen (Über)-belastung einen Anstieg des systolischen wie auch des diastolischen Blutdruckes bedingt. Dies habe zu einer richtunggebenden Verschlimmerung des vorbestehenden Bluthochdruckes geführt. Die Symptomatik der Thalamusblutung sei hinsichtlich des beschriebenen Ablaufes als typisch zu bezeichnen. Hinsichtlich der Dauer vom Beginn eines Auslösers bis zur Manifestation eines Beschwerdebildes seien Zeitspannen von Minuten bis Stunden, bis hin zu mehreren Tagen beschrieben. Dies finde in anatomischen und pathophysiologischen intracerebralen Gegebenheiten seine Begründung. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Beschwerden bei dem Kläger und der Tätigkeit am 2. Juni 2005 sei somit sicher gegeben. Das Anheben, wie auch das mehrfach ruckartige Hochwuchten des Kanaldeckels hätten deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen geführt. Eine Blutung im Bereich von Hirnarealen könne auch spontan ohne äußere begünstigende Einflüsse auftreten. Traumatische Auslöser wie auch Blutdruckentgleisung stellten jedoch die häufigsten Ursachen für Hirnblutungen dar. Darüber hinaus existierten sehr selten Störungen im Bereich der Blutgefäßwände wie auch der Blutgerinnung, in deren Rahmen es zu Blutungen im Hirn kommen könne. Aufgrund des geschilderten zeitlichen Zusammenhangs, wie auch dem Fehlen jeglicher voran gegangener neurologischer Störungen, seien andere Gründe als die Blutdruckentgleisung im Rahmen des Unfalls als Ursache für die Hirnblutung auszuschließen. Das Anheben des Kanaldeckels, dessen Gewicht mit ca. 95 kg angegeben werde, sei als eine übermäßige Belastung anzusehen, die im normalen Alltag nicht vorkomme. Insbesondere das mehrfache ruckartige Hochwuchten bewirke eine erhebliche Summation der schlagartig wirkenden Kräfte mit unverhältnismäßig hoher, nicht alltäglicher, körperlicher Belastung. Hierbei sei mit kurzfristig extremen Blutdruckanstiegen zu rechnen.
Zur Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers hat das Sozialgericht ein Gutachten von dem Direktor der Neurologischen Klinik des Klinikums Kassel Prof. Dr. H. vom 2. März 2010 eingeholt. Prof. Dr. H. hat als Unfallfolgen nach linksseitiger Thalamusblutung eine Gefühlsminderung der rechten Körperseite einschließlich der rechten Gesichtshälfte, eine distal betonte, leicht bis mittelgradige Armparese rechts, eine leichte Beinparese rechts mit deutlicher Ataxie des rechten Beines, eine geringe Ataxie des rechten Armes und eine Einschränkung der Fingerfeinmotorik rechts festgestellt und die daraus resultierende MdE auf 40 v.H. geschätzt. Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, das Unfallereignis vom 2. Juni 2005 als Arbeitsunfall des Klägers anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. zu zahlen. In den Gründen hat es ausgeführt, nach überzeugender Begründung des Sachverständigen Prof. Dr. C. habe das ruckartige Anheben des Schachtdeckels zu einem Blutdruckanstieg und rechtlich wesentlich die Thalamusblutung im Gehirn des Klägers verursacht. Die daraus resultierenden neurologischen Gesundheitsschäden seien Folge dieses Arbeitsunfalls. Das Unfallereignis in Form des ruckartigen Anhebens des Schachtdeckels könne nicht als bloße Gelegenheitsursache bewertet werden, weil es sich dabei um eine außergewöhnliche Belastung des Klägers gehandelt habe. Hinsichtlich des Risses der langen Bizepssehne könne ein Kausalzusammenhang mit dem Ereignis vom 2. Juni 2005 nicht festgestellt werden. Diese Verletzung sei erst im November 2005 ärztlicherseits diagnostiziert worden. Dass diese Verletzung mehrere Monate hinweg unbemerkt geblieben sein solle, obwohl sich der Kläger fortdauernd unter medizinischer Betreuung befunden habe, könne nicht angenommen werden.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 23. Juli 2010 zugestellte Urteil per Telefax am 6. August 2010 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und vorgetragen, selbst wenn ein Ursachenzusammenhang in naturwissenschaftlichem Sinne im vorliegenden Fall bestehe, so könne dennoch nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden, dass die versicherte Tätigkeit, das Anheben eines schweren Schachtdeckels, zur Entstehung des festgestellten Körperschadens Thalamusblutung einen rechtlich-wesentlichen Ursachenbeitrag geleistet habe. Nach der Auffassung ihres neurochirurgischen Beratungsarztes Dr. J. habe der in erster Instanz gehörte internistische Sachverständige einerseits die bei dem Kläger vorbestehenden und unfallfremden Risikofaktoren für das Auftreten einer Thalamusblutung nicht zutreffend bewertet und andererseits auch die hierüber bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht richtig gedeutet. Zu bedenken sei, dass nicht der Vorgang des Anhebens des Schachtdeckels unmittelbar die Hirnblutung verursacht habe, sondern nach der Auffassung des erstinstanzlichen Sachverständigen eine angebliche Blutdruckerhöhung, die durch die schwere Kraftanstrengung hervorgerufen gewesen sein solle. Entscheidend für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Sinne der Theorie der rechtlich-wesentlichen Ursache sei daher nicht, ob körperliche Belastungen wie das Anheben des Schachtdeckels im täglichen Leben vorkommen, sondern ob die zur Thalamusblutung führende Blutdruckerhöhung im Alltagsleben vorkomme. Denkbar seien z.B. Sport, familiäre Situationen, Anheben leichterer Gegenstände. Nur wenn man hier zu dem Ergebnis gelange, dass im täglichen Leben solche Blutdruckerhöhungen nicht auftreten könnten, sei das Ereignis wesentlich teilursächlich für den Eintritt der Thalamusblutung, denn nur dann sei das Ereignis nicht austauschbar gegen Vorkommnisse aus dem Alltagsleben. Hierzu habe sich der internistische Sachverständige nicht geäußert. Der Arzt für Neurochirurgie Dr. J. hat in seiner Stellungnahme vom 4. November 2010 ausgeführt, betrachte man die intrakraniellen Blutungen in ihrer Gesamtheit, so seien akute epi- und subdurale Blutungen fast immer traumatisch bedingt, während intracerebrale, d.h. in die Hirnsubstanz sich ergießende Blutungen nur gelegentlich und ausgedehnte subarachnoidale Blutungen eher ausnahmsweise die Folgen von Verletzungen seien. Die im vorliegenden Fall bei dem Versicherten zu beurteilende Blutungslokalisation (Thalamus) sei eine klassische Lokalisation der spontanen Hochdruckblutung. Etwa 80 % der tief gelegenen Hirnblutungen in Stammganglien oder Thalamus seien mit einer chronischen arteriellen Hypertonie assoziiert. Diese gelte seit Jahrzehnten als Hauptrisikofaktor für Stammganglien- und Thalamusblutungen. Als Ursache dieser Blutungen werde die Ruptur kleiner arterieller Blutgefäße von 50-200 Mikrometern Durchmesser verantwortlich gemacht. Es bestehe seit vielen Jahren unter den Neuropathologen Konsens darüber, dass die chronische arterielle Hypertonie zu einer Wanddegeneration insbesondere der kleinen Arterien und Arteriolen führe, in deren Folge sich mikroskopisch kleine aneurysmatische Wandaussackungen, die sogenannten Charcot Bouchard-Mikroaneurysmen ausbildeten. Ob ein Blutungsereignis tatsächlich an die Ruptur eines solchen Aneurysmas gebunden sei oder ob bereits die nicht aneurysmatische Wanddegeneration zum Gefäßriss führe, werde kontrovers diskutiert. Histopathologisch seien bei Hochdruckblutungen die degenerativen Gefäßwandveränderungen indessen zuverlässig nachweisbar. Andere Ursachen cerebraler Massenblutungen seien Veränderungen im Rahmen einer cerebralen Amyloidangiopathie, die Behandlung mit gerinnungshemmenden Stoffen (Antikoagulanzien) bzw. Fibrinolytika oder aber die Existenz von Tumoren oder Blutgefäßmissbildungen (Angiomen). Im vorliegenden Falle gebe es aus neurotraumatologischer Sicht keine Indizien, welche die Annahme einer traumatisch verursachten Hirnblutung stützen könnten. Selbst erhebliche körperliche Anstrengungen führten beim Normotoniker nicht zu einer spontanen intracerebralen Blutung. Es lägen der medizinischen Wissenschaft auch keine Erkenntnisse vor, welche eine höhere Rate von Stammganglien bzw. Thalamusblutungen bei körperlich arbeitenden Normotonikern ausweisen würden. Insoweit müsse das Ereignis vom 2. Juni 2005 aus neurochirurgischer Sicht als Gelegenheitsursache für die Manifestation der Thalamusblutung angesehen werden. Das Ereignis sei ohne Zweifel mit einer nicht geringen körperlichen Anstrengung verbunden gewesen, wäre doch allein und für sich genommen nicht geeignet gewesen, bei einem gefäßgesunden Menschen mit normalem Blutdruck eine Hirnblutung in der hier beschriebenen Lokalisation zu erzeugen. Als wesentliche Ursache für den Eintritt der Thalamusblutung sei aus neurochirurgischer Sicht, das durch die Faktoren Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht bestimmte Gefäßrisikoprofil des Versicherten anzusehen, welches nach dem heutigen Wissensstand der Neuropathologie in besonderer Weise für den Eintritt spontaner intracerebraler Blutungen im Bereich von Stammganglien und Thalamus disponiere.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 15. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
ein weiteres Gutachten zu der Frage einzuholen, ob auch ein anderes austauschbares Ereignis privater Natur zu dem gleichen Erfolg geführt hätte.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache unbegründet. Der Kläger hat am 2. Juni 2005 einen Arbeitsunfall erlitten. Als dessen Folge ist eine linksseitige Thalamusblutung aufgetreten, die als bleibende Gesundheitsstörungen bei dem Kläger eine Gefühlsminderung der rechten Körperseite einschließlich der rechten Gesichtshälfte, eine distal betonte leicht- bis mittelgradige Armparese rechts mit geringer Ataxie und Einschränkung der Fingerfeinmotorik sowie eine leichte Beinparese rechts mit deutlicher Ataxie des rechten Beines hinterlassen hat. Der Abriss der langen Bizepssehne rechts ist, wie das Sozialgericht in seiner Urteilsbegründung zutreffen dargelegt hat, nicht Folge des Arbeitsunfalls. Da es diesbezüglich im Tenor an einer Klageabweisung fehlt, war insoweit der Tenor auf die Berufung der Beklagten zu korrigieren.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer dem Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII –). Eine äußerliche Einwirkung setzt kein mit den Augen zu sehendes Geschehen voraus. Die äußere Einwirkung kann z.B. auch in einer unsichtbaren Kraft liegen, die ein schwerer und festgefrorener Stein dem Versicherten entgegensetzt. Deshalb kann das beabsichtigte Anheben oder das Anheben eines Steines oder eines anderen Gegenstandes und die damit einhergehende Kraftanstrengung aufgrund der mit ihr verbundenen Gegenkräfte zu einer zeitlich begrenzten, äußeren Einwirkungen auf bestimmte Teile bzw. Organe des Körpers des Versicherten führen (vgl. hierzu in juris: Urteil des BSG vom 12. April 2005, Az.: B 2 U 27/04 R).
So war es auch hier. Denn beim Anheben und insbesondere beim mehrmaligen Hochwuchten des 95 kg schweren Kanaldeckels haben auf den Kläger Gegenkräfte eingewirkt, die von dem Kläger eine Kraftanstrengung erforderten. Diese Kraftanstrengung hat nach überzeugender Darlegung des Sachverständigen Prof. Dr. C. zu einer isometrischen Überbelastung und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Anstieg des systolischen so wie auch des diastolischen Blutdruckes geführt.
Das Anheben und mehrmalige Hochwuchten des Kanaldeckels mit besonderer körperlicher Kraftanstrengung bei Ausübung der versicherten Tätigkeit war hier nach Überzeugung des Senats wesentlich mitursächlich für die damit einhergehende Blutdruckentgleisung und die dadurch verursachte Thalamusblutung. Feststeht, dass der Kläger am 2. Juni 2005 eine Thalamusblutung erlitten hat, die nach übereinstimmender Auskunft des Sachverständigen Prof. Dr. C. und des Beratungsarztes der Beklagten, dem Arzt für Neurochirurgie Dr. J., typisch ist für eine Gehirnblutung infolge eines Bluthochdruckes. Weiterhin steht fest, dass der Kläger im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls an einer Hypertonie als Vorerkrankung gelitten hat. Zudem hat Dr. J. in seiner Stellungnahme vom 4. November 2010 dargelegt, dass eine chronisch arterielle Hypertonie zu einer Wanddegeneration insbesondere der kleinen Arterien und Arteriolen führt und bei Hochdruckblutungen die degenerativen Gefäßwandveränderungen zuverlässig nachweisbar sind. Dr. J. hat auch dargelegt, dass beim Normotoniker selbst erhebliche körperliche Anstrengungen nicht zu einer spontanen intracerebralen Blutung führen. Dies bedeutet, dass eine durch Blutdruckanstieg verursachte Thalamusblutung bei einem Normotoniker ohne Gefäßwanddegenerationen nicht auftritt und im Falle des Klägers die vorbestehende Hypertonie mit begleitender Gefäßwanddegeneration in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinne mitursächlich war für die am 2. Juni 2005 aufgetretene Thalamusblutung. Der anlagebedingte Faktor war im vorliegenden Fall jedoch keine allein wesentliche Ursache für die Thalamusblutung. Deshalb kommt dem Ereignis vom 2. Juni 2005 auch nicht nur die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zu. Das Vorliegen einer Schadensanlage allein reicht nicht aus, um den rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhang zwischen einer beruflich bedingten Einwirkung und dem Eintritt eines Gesundheitsschadens zu verneinen. Denn der Versicherte ist in der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich in dem Gesundheitszustand geschützt, in dem er sich bei Aufnahme der versicherten Tätigkeit befindet, auch wenn aus diesem Zustand eine größere Gefährdung resultiert (BSG, SozR 4-2700, § 8 Nr. 17 – Urteil vom 9. Mai 2006). Sind für einen Gesundheitsschaden neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, wie z.B. eine Krankheitsanlage, in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinne als ursächlich anzusehen, war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. "Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer Art, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkung bedürfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine sogenannte Gelegenheitsursache" (so die Ausführungen im Urteil des BSG vom 12. April 2005 – Az.: B 2 U 27/04 R – in juris).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Beurteilung gelangt, dass die von dem Kläger am 2. Juni 2005 ausgeübte berufliche Tätigkeit und die damit verbundene körperliche Anstrengung und verursachte Krafteinwirkung rechtlich wesentliche Ursache für den Blutdruckanstieg und die daraufhin eingetretene Thalamusblutung gewesen sind: Der Kläger hat am 2. Juni 2005 eine außergewöhnliche schwere körperliche Tätigkeit verrichtet. Er hat ohne Hilfsmittel (Spezialhaken) den 95 kg schweren Kanaldeckel hochgehoben, der sich beim Versuch den Kanalschacht zu schließen stark verkantet hat. Deshalb musste der Kläger den Kanaldeckel mehrfach ruckartig hochwuchten, um den Deckel in die vorgesehene Falz zu legen und den Schachtverschluss herzustellen. In seinen ersten "Angaben zum Versicherungsfall" (Fragebogen der Beklagten) am 28. August 2005 gab der Kläger an, dass er "sofort Schmerzen in der Hand und ein komisches Gefühl im Arm" verspürt hat. Während der sogleich angetretenen Fahrt in das ca. 5 km entfernte Büro der Firma bemerkte der Kläger Koordinationsstörungen des rechten Fußes sowie des rechten Armes, der Wechsel vom Gas- auf das Bremspedal und das Bedienen der Handschaltung waren gestört. Beim Aussteigen aus dem Fahrzeug bestanden eine Gangstörung und Standunsicherheit, kurze Zeit später war ein Stehen ohne fremde Hilfe nicht mehr möglich.
Der Sachverständige Prof. Dr. C. hat überzeugend dargelegt, dass schon das Anheben des 95 kg schweren Kanaldeckels eine übermäßige körperliche Belastung dargestellt hat, die im normalen Alltag nicht vorkommt. Zudem hat das mehrfache Hochwuchten des Kanaldeckels nach Aussage des Prof. Dr. C. eine erhebliche Summation der schlagartig wirkenden Kräfte mit unverhältnismäßiger hoher, nicht alltäglicher, körperlicher Belastung bewirkt und war hierbei mit kurzfristig extremen Blutdruckanstiegen zu rechnen. Der Senat ist deshalb ebenso wie das Sozialgericht aufgrund der gutachtlichen Beurteilung des Prof. Dr. C. zu der Überzeugung gelangt, dass die von dem Kläger am 2. Juni 2005 verrichtete berufliche Tätigkeit von dem Kläger eine außergewöhnliche, im Alltagsleben und im Berufsleben des Klägers als Geschäftsführer und Bauleiter nicht übliche körperliche Kraftanstrengung erfordert hat. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Anheben und mehrmaligen Hochwuchten des Kanaldeckels um ein austauschbares Geschehen gehandelt hat und die Tätigkeit mit alltäglichen Verrichtungen, wie z.B. dem "Anheben leichter Gegenstände", verglichen werden kann. Auch kann nach der gutachtlichen Beurteilung des Prof. Dr. C. nicht davon ausgegangen werden, dass auch im Alltagsleben, d.h. bei alltäglichen Verrichtungen, derartige Blutdruckerhöhungen bei dem Kläger hätten auftreten können. Denn Prof. Dr. C. hat unmissverständlich dargelegt, dass gerade bei dieser besonderen körperlichen Tätigkeit mit Anheben und Hochwuchten des Kanaldeckels es "zu einer physikalisch begründbaren kurzfristigen Potenzierung der je Zeiteinheit wirkenden Kraft" gekommen ist, die zwangsläufig zu einer kurzfristigen außergewöhnlichen körperlichen Belastung geführt hat und aufgrund dieses Umstandes mit einem kurzfristig extrem hohen Blutdruckanstieg zu rechnen war. Dass auch alltägliche Verrichtungen, wie z.B. das Anheben oder Tragen eines gefüllten Getränkekastens, bei dem Kläger eine derartige Entgleisung des Blutdruckes herbeigeführt hätte, kann aufgrund der Darlegung des Prof. Dr. C. ausgeschlossen werden. Es liegen im vorliegenden Fall auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Hirngefäße des Klägers derart schwer geschädigt waren, dass es zur Auslösung einer Thalamusblutung keiner besonderen Einwirkung, wie der hier erfolgten außergewöhnlichen Kraftanstrengung, bedürft hätte. Denn eine schwerwiegende leicht ansprechbare Gefäßmissbildung wurde bei dem Kläger nicht festgestellt. Der Umstand, dass eine Bluthochdruckerkrankung langfristig zu Schädigungen im Bereich der Gefäßwände führt, lässt nicht den Schluss zu, dass bei Bestehen der Hypertonie jederzeit mit dem Eintritt einer Hirnblutung zu rechnen ist. Die Beklagte weist in ihrem Schriftsatz vom 11. Februar 2011 selbst darauf hin, dass Bluthochdruckerkrankungen in der Bevölkerung weitverbreitet sind. Dennoch sind nach Aussage des Prof. Dr. C. traumatische (unfallbedingte) Auslöser, wie auch Blutdruckentgleisung, die häufigste Ursache für eine Hirnblutung und nicht spontane Blutungen ohne äußeren Anlass. Unter diesen dargelegten Umständen hatte die von dem Kläger am 2. Juni 2005 ausgeübte berufliche Verrichtung für die danach eingetretene Thalamusblutung nicht bloß die Bedeutung einer Gelegenheitsursache, sondern ist als rechtlich wesentliche Bedingung für den eingetretenen Gesundheitsschaden anzusehen. Da das Gutachten des Prof. Dr. C. die Frage, "ob auch ein anderes austauschbares Ereignis privater Natur zu dem gleichen Erfolg geführt hätte", beantwortet hat, musste der Senat dem hilfsweise gestellten Beweisantrag der Beklagten nicht nachkommen.
Die Thalamusblutung hat bei dem Kläger zu einer Gefühlsminderung der rechten Körperseite einschließlich der rechten Gesichtshälfte, einer distal betonten leicht- bis mittelgradigen Armparese rechts mit geringer Ataxie und Einschränkung der Fingerfeinmotorik und zu einer leichten Beinparese rechts mit deutlicher Ataxie des rechten Beines geführt. Prof. Dr. H. hat die daraus resultierende MdE des Klägers auf 40 v.H. geschätzt, das Sozialgericht ist dem Vorschlag des Sachverständigen gefolgt. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Entscheidung des Sozialgerichts war deshalb zu bestätigen und die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall und die Gewährung von Entschädigungsleistungen.
Der 1952 geborene Kläger erlernte zunächst den Beruf eines Maurers, den er noch ca. ein Jahr nach Ende seiner Ausbildung ausübte. Dann schloss er eine Ausbildung zum Bautechniker ab und arbeitete als angestellter Bauleiter. Seit dem 1. Juni 2002 war er als selbständiger GmbH-Geschäftsführer im eigenen Bauunternehmen tätig. Er arbeitete als Bauleiter auf den Baustellen und verrichtete Verwaltungstätigkeiten im Büro.
Am Morgen des 2. Juni 2005 führte der Kläger zusammen mit einem Vertreter der Gemeinde Kirchhain im Ortsteil Gersdorf im Bereich der D-Straße eine Baubegehung durch, die nach Auskunft des Gemeindevertreters eine viertel Stunde dauerte. Dabei hob der Kläger einen Schachtdeckel ohne Hilfsmittel hoch, um den vorhandenen Anschluss zu kontrollieren. Der Schachtdeckel der Klasse D hat nach Auskunft der Gemeinde Kirchhain ein Gewicht von ca. 95 kg. Mit Unfallanzeige vom 9. Juni 2005 teilte die Firma E. Bau der Beklagten mit, der Kläger habe kurze Zeit nach dem Wiederverschließen des Schachtes ein komisches Gefühl im rechten Arm bemerkt. Auf der Heimfahrt von der Baustelle zum Büro der Firma habe er schon erhebliche Schwierigkeiten gehabt, seinen PKW zu steuern und zu bedienen. Beim Aussteigen aus seinem PKW auf dem Firmengelände habe er bereits auch Schmerzen bzw. Lähmungserscheinungen im rechten Bein bemerkt. Kurze Zeit später habe er bereits nicht mehr ohne fremde Hilfe alleine stehen und schon gar nicht laufen können. Durch die körperliche Anstrengung beim Heben der Schachtabdeckung habe sich der Kläger einen Bluterguss im Gehirn zugezogen.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie könne keine Leistungen aufgrund des von ihm geltend gemachten Ereignisses vom 2. Juni 2005 erbringen. Es handele sich nicht um ein plötzliches Ereignis, welches zu einem Körperschaden geführt habe. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Gegen diesen ohne Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid erhob der Kläger am 3. August 2005 Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte die Krankenunterlagen der Klinik für Neurologie des Klinikums Bad Hersfeld bei, wo der Kläger vom 2. Juni bis 13. Juni 2005 stationär behandelt worden war. Dort wurde im Rahmen des Aufnahmebefundes unter Anamnese vermerkt, der Kläger habe um 8:30 Uhr beim Arbeiten plötzlich ein Taubheitsgefühl im rechten Gesichtsbereich und rechten Arm und Koordinationsstörungen des rechten Beines verspürt. Der Blutdruck habe bei Eintreffen des Notarztes 240 zu 120 mmHg betragen. Im Entlassungsbericht vom 10. Juni 2005 diagnostizierten die behandelnden Ärzte bei dem Kläger eine Thalamusblutung links bei hypertensiver Entgleisung, eine arterielle Hypertonie und einen Diabetes mellitus. Des Weiteren wurde ausgeführt, als Ursache der am Aufnahmetag morgens akut aufgetretenen leichtgradigen sensomotorischen Hemisymptomatik der rechten Körperseite habe sich computertomografisch eine linksseitige Thalamusblutung gefunden. Aufgrund der typischen Lokalisation und erhöhter Blutdruckwerte bei Aufnahme sei von einer hypertensiven Genese der Blutung auszugehen. Am 31. Januar 2006 übersandte der Kläger einen Befundbericht des Chirurgen F. vom 3. November 2005, wonach bei dem Kläger an diesem Tag ein geschlossener Riss der langen Sehne des Musculus biceps brachii rechts festgestellt worden war. Der Kläger führte diesen Sehnenriss auf das Ereignis vom 2. Juni 2005 zurück.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 17. März 2006 zurück und führte zur Begründung aus, vor dem angeschuldigten Ereignis habe bei ihm ein medikamentös behandelnder Diabetes mellitus, ein Bluthochdruck mit der Notwendigkeit einer Mehrfachtherapie und im Bereich der Blutungsstelle eine langstreckige Verkalkung der Arteria cerebri media links vorgelegen. Der Befund sei so gravierend, dass allein durch eine Blutdruckkrise die Blutung auslösbar gewesen sei. Einer besonderen Kraftanstrengung habe es hierfür nicht bedurft. Außerdem habe er nach Aussage des Vertreters der Gemeindeverwaltung Kirchhain G. nach dem Anheben des Schachtdeckels weder gesundheitliche noch körperliche Probleme geäußert. Der am 3. November 2005 festgestellte Abriss der langen Bizepssehne rechts könne nicht auf das Anheben des Schachtdeckels zurückgeführt werden. Wenn ein solcher Befund bei der stationären Aufnahme am 2. Juni 2005 vorgelegen hätte, wäre dieser festgestellt und dokumentiert worden. Bei einem Abriss der langen Bizepssehne ziehe sich der Bizeps zusammen und nehme dann die Form an, die er bei maximaler Anspannung habe. Dieser Befund sei so eindrucksvoll, dass nicht wahrscheinlich gemacht werden könne, dass er im Rahmen der intensivmedizinischen Betreuung übersehen worden sei. Die Extremitäten seien bei Aufnahme sowie im Notarztprotokoll als unauffällig beschrieben worden.
Der Kläger hat hiergegen am 12. April 2006 beim Sozialgericht Fulda Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat von dem Chefarzt der Kardiologie der Diakonie-Kliniken in Kassel, Prof. Dr. C., ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage eingeholt. In seinem Gutachten vom 27. Juli 2009 ist der Sachverständige zu der Beurteilung gelangt, die große körperliche Anstrengung am 2. Juni 2005 habe zu einer Entgleisung des vorbestehenden Bluthochdruckes geführt. Diese Blutdruckentgleisung habe schließlich eine Blutung im Bereich des Thalamus verursacht. Das Anheben, wie auch insbesondere das mehrfach ruckartige Hochwuchten des Kanaldeckels, hätten im Sinne einer isometrischen (Über)-belastung einen Anstieg des systolischen wie auch des diastolischen Blutdruckes bedingt. Dies habe zu einer richtunggebenden Verschlimmerung des vorbestehenden Bluthochdruckes geführt. Die Symptomatik der Thalamusblutung sei hinsichtlich des beschriebenen Ablaufes als typisch zu bezeichnen. Hinsichtlich der Dauer vom Beginn eines Auslösers bis zur Manifestation eines Beschwerdebildes seien Zeitspannen von Minuten bis Stunden, bis hin zu mehreren Tagen beschrieben. Dies finde in anatomischen und pathophysiologischen intracerebralen Gegebenheiten seine Begründung. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Beschwerden bei dem Kläger und der Tätigkeit am 2. Juni 2005 sei somit sicher gegeben. Das Anheben, wie auch das mehrfach ruckartige Hochwuchten des Kanaldeckels hätten deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen geführt. Eine Blutung im Bereich von Hirnarealen könne auch spontan ohne äußere begünstigende Einflüsse auftreten. Traumatische Auslöser wie auch Blutdruckentgleisung stellten jedoch die häufigsten Ursachen für Hirnblutungen dar. Darüber hinaus existierten sehr selten Störungen im Bereich der Blutgefäßwände wie auch der Blutgerinnung, in deren Rahmen es zu Blutungen im Hirn kommen könne. Aufgrund des geschilderten zeitlichen Zusammenhangs, wie auch dem Fehlen jeglicher voran gegangener neurologischer Störungen, seien andere Gründe als die Blutdruckentgleisung im Rahmen des Unfalls als Ursache für die Hirnblutung auszuschließen. Das Anheben des Kanaldeckels, dessen Gewicht mit ca. 95 kg angegeben werde, sei als eine übermäßige Belastung anzusehen, die im normalen Alltag nicht vorkomme. Insbesondere das mehrfache ruckartige Hochwuchten bewirke eine erhebliche Summation der schlagartig wirkenden Kräfte mit unverhältnismäßig hoher, nicht alltäglicher, körperlicher Belastung. Hierbei sei mit kurzfristig extremen Blutdruckanstiegen zu rechnen.
Zur Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers hat das Sozialgericht ein Gutachten von dem Direktor der Neurologischen Klinik des Klinikums Kassel Prof. Dr. H. vom 2. März 2010 eingeholt. Prof. Dr. H. hat als Unfallfolgen nach linksseitiger Thalamusblutung eine Gefühlsminderung der rechten Körperseite einschließlich der rechten Gesichtshälfte, eine distal betonte, leicht bis mittelgradige Armparese rechts, eine leichte Beinparese rechts mit deutlicher Ataxie des rechten Beines, eine geringe Ataxie des rechten Armes und eine Einschränkung der Fingerfeinmotorik rechts festgestellt und die daraus resultierende MdE auf 40 v.H. geschätzt. Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, das Unfallereignis vom 2. Juni 2005 als Arbeitsunfall des Klägers anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. zu zahlen. In den Gründen hat es ausgeführt, nach überzeugender Begründung des Sachverständigen Prof. Dr. C. habe das ruckartige Anheben des Schachtdeckels zu einem Blutdruckanstieg und rechtlich wesentlich die Thalamusblutung im Gehirn des Klägers verursacht. Die daraus resultierenden neurologischen Gesundheitsschäden seien Folge dieses Arbeitsunfalls. Das Unfallereignis in Form des ruckartigen Anhebens des Schachtdeckels könne nicht als bloße Gelegenheitsursache bewertet werden, weil es sich dabei um eine außergewöhnliche Belastung des Klägers gehandelt habe. Hinsichtlich des Risses der langen Bizepssehne könne ein Kausalzusammenhang mit dem Ereignis vom 2. Juni 2005 nicht festgestellt werden. Diese Verletzung sei erst im November 2005 ärztlicherseits diagnostiziert worden. Dass diese Verletzung mehrere Monate hinweg unbemerkt geblieben sein solle, obwohl sich der Kläger fortdauernd unter medizinischer Betreuung befunden habe, könne nicht angenommen werden.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 23. Juli 2010 zugestellte Urteil per Telefax am 6. August 2010 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und vorgetragen, selbst wenn ein Ursachenzusammenhang in naturwissenschaftlichem Sinne im vorliegenden Fall bestehe, so könne dennoch nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden, dass die versicherte Tätigkeit, das Anheben eines schweren Schachtdeckels, zur Entstehung des festgestellten Körperschadens Thalamusblutung einen rechtlich-wesentlichen Ursachenbeitrag geleistet habe. Nach der Auffassung ihres neurochirurgischen Beratungsarztes Dr. J. habe der in erster Instanz gehörte internistische Sachverständige einerseits die bei dem Kläger vorbestehenden und unfallfremden Risikofaktoren für das Auftreten einer Thalamusblutung nicht zutreffend bewertet und andererseits auch die hierüber bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht richtig gedeutet. Zu bedenken sei, dass nicht der Vorgang des Anhebens des Schachtdeckels unmittelbar die Hirnblutung verursacht habe, sondern nach der Auffassung des erstinstanzlichen Sachverständigen eine angebliche Blutdruckerhöhung, die durch die schwere Kraftanstrengung hervorgerufen gewesen sein solle. Entscheidend für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Sinne der Theorie der rechtlich-wesentlichen Ursache sei daher nicht, ob körperliche Belastungen wie das Anheben des Schachtdeckels im täglichen Leben vorkommen, sondern ob die zur Thalamusblutung führende Blutdruckerhöhung im Alltagsleben vorkomme. Denkbar seien z.B. Sport, familiäre Situationen, Anheben leichterer Gegenstände. Nur wenn man hier zu dem Ergebnis gelange, dass im täglichen Leben solche Blutdruckerhöhungen nicht auftreten könnten, sei das Ereignis wesentlich teilursächlich für den Eintritt der Thalamusblutung, denn nur dann sei das Ereignis nicht austauschbar gegen Vorkommnisse aus dem Alltagsleben. Hierzu habe sich der internistische Sachverständige nicht geäußert. Der Arzt für Neurochirurgie Dr. J. hat in seiner Stellungnahme vom 4. November 2010 ausgeführt, betrachte man die intrakraniellen Blutungen in ihrer Gesamtheit, so seien akute epi- und subdurale Blutungen fast immer traumatisch bedingt, während intracerebrale, d.h. in die Hirnsubstanz sich ergießende Blutungen nur gelegentlich und ausgedehnte subarachnoidale Blutungen eher ausnahmsweise die Folgen von Verletzungen seien. Die im vorliegenden Fall bei dem Versicherten zu beurteilende Blutungslokalisation (Thalamus) sei eine klassische Lokalisation der spontanen Hochdruckblutung. Etwa 80 % der tief gelegenen Hirnblutungen in Stammganglien oder Thalamus seien mit einer chronischen arteriellen Hypertonie assoziiert. Diese gelte seit Jahrzehnten als Hauptrisikofaktor für Stammganglien- und Thalamusblutungen. Als Ursache dieser Blutungen werde die Ruptur kleiner arterieller Blutgefäße von 50-200 Mikrometern Durchmesser verantwortlich gemacht. Es bestehe seit vielen Jahren unter den Neuropathologen Konsens darüber, dass die chronische arterielle Hypertonie zu einer Wanddegeneration insbesondere der kleinen Arterien und Arteriolen führe, in deren Folge sich mikroskopisch kleine aneurysmatische Wandaussackungen, die sogenannten Charcot Bouchard-Mikroaneurysmen ausbildeten. Ob ein Blutungsereignis tatsächlich an die Ruptur eines solchen Aneurysmas gebunden sei oder ob bereits die nicht aneurysmatische Wanddegeneration zum Gefäßriss führe, werde kontrovers diskutiert. Histopathologisch seien bei Hochdruckblutungen die degenerativen Gefäßwandveränderungen indessen zuverlässig nachweisbar. Andere Ursachen cerebraler Massenblutungen seien Veränderungen im Rahmen einer cerebralen Amyloidangiopathie, die Behandlung mit gerinnungshemmenden Stoffen (Antikoagulanzien) bzw. Fibrinolytika oder aber die Existenz von Tumoren oder Blutgefäßmissbildungen (Angiomen). Im vorliegenden Falle gebe es aus neurotraumatologischer Sicht keine Indizien, welche die Annahme einer traumatisch verursachten Hirnblutung stützen könnten. Selbst erhebliche körperliche Anstrengungen führten beim Normotoniker nicht zu einer spontanen intracerebralen Blutung. Es lägen der medizinischen Wissenschaft auch keine Erkenntnisse vor, welche eine höhere Rate von Stammganglien bzw. Thalamusblutungen bei körperlich arbeitenden Normotonikern ausweisen würden. Insoweit müsse das Ereignis vom 2. Juni 2005 aus neurochirurgischer Sicht als Gelegenheitsursache für die Manifestation der Thalamusblutung angesehen werden. Das Ereignis sei ohne Zweifel mit einer nicht geringen körperlichen Anstrengung verbunden gewesen, wäre doch allein und für sich genommen nicht geeignet gewesen, bei einem gefäßgesunden Menschen mit normalem Blutdruck eine Hirnblutung in der hier beschriebenen Lokalisation zu erzeugen. Als wesentliche Ursache für den Eintritt der Thalamusblutung sei aus neurochirurgischer Sicht, das durch die Faktoren Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht bestimmte Gefäßrisikoprofil des Versicherten anzusehen, welches nach dem heutigen Wissensstand der Neuropathologie in besonderer Weise für den Eintritt spontaner intracerebraler Blutungen im Bereich von Stammganglien und Thalamus disponiere.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 15. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
ein weiteres Gutachten zu der Frage einzuholen, ob auch ein anderes austauschbares Ereignis privater Natur zu dem gleichen Erfolg geführt hätte.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache unbegründet. Der Kläger hat am 2. Juni 2005 einen Arbeitsunfall erlitten. Als dessen Folge ist eine linksseitige Thalamusblutung aufgetreten, die als bleibende Gesundheitsstörungen bei dem Kläger eine Gefühlsminderung der rechten Körperseite einschließlich der rechten Gesichtshälfte, eine distal betonte leicht- bis mittelgradige Armparese rechts mit geringer Ataxie und Einschränkung der Fingerfeinmotorik sowie eine leichte Beinparese rechts mit deutlicher Ataxie des rechten Beines hinterlassen hat. Der Abriss der langen Bizepssehne rechts ist, wie das Sozialgericht in seiner Urteilsbegründung zutreffen dargelegt hat, nicht Folge des Arbeitsunfalls. Da es diesbezüglich im Tenor an einer Klageabweisung fehlt, war insoweit der Tenor auf die Berufung der Beklagten zu korrigieren.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer dem Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII –). Eine äußerliche Einwirkung setzt kein mit den Augen zu sehendes Geschehen voraus. Die äußere Einwirkung kann z.B. auch in einer unsichtbaren Kraft liegen, die ein schwerer und festgefrorener Stein dem Versicherten entgegensetzt. Deshalb kann das beabsichtigte Anheben oder das Anheben eines Steines oder eines anderen Gegenstandes und die damit einhergehende Kraftanstrengung aufgrund der mit ihr verbundenen Gegenkräfte zu einer zeitlich begrenzten, äußeren Einwirkungen auf bestimmte Teile bzw. Organe des Körpers des Versicherten führen (vgl. hierzu in juris: Urteil des BSG vom 12. April 2005, Az.: B 2 U 27/04 R).
So war es auch hier. Denn beim Anheben und insbesondere beim mehrmaligen Hochwuchten des 95 kg schweren Kanaldeckels haben auf den Kläger Gegenkräfte eingewirkt, die von dem Kläger eine Kraftanstrengung erforderten. Diese Kraftanstrengung hat nach überzeugender Darlegung des Sachverständigen Prof. Dr. C. zu einer isometrischen Überbelastung und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Anstieg des systolischen so wie auch des diastolischen Blutdruckes geführt.
Das Anheben und mehrmalige Hochwuchten des Kanaldeckels mit besonderer körperlicher Kraftanstrengung bei Ausübung der versicherten Tätigkeit war hier nach Überzeugung des Senats wesentlich mitursächlich für die damit einhergehende Blutdruckentgleisung und die dadurch verursachte Thalamusblutung. Feststeht, dass der Kläger am 2. Juni 2005 eine Thalamusblutung erlitten hat, die nach übereinstimmender Auskunft des Sachverständigen Prof. Dr. C. und des Beratungsarztes der Beklagten, dem Arzt für Neurochirurgie Dr. J., typisch ist für eine Gehirnblutung infolge eines Bluthochdruckes. Weiterhin steht fest, dass der Kläger im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls an einer Hypertonie als Vorerkrankung gelitten hat. Zudem hat Dr. J. in seiner Stellungnahme vom 4. November 2010 dargelegt, dass eine chronisch arterielle Hypertonie zu einer Wanddegeneration insbesondere der kleinen Arterien und Arteriolen führt und bei Hochdruckblutungen die degenerativen Gefäßwandveränderungen zuverlässig nachweisbar sind. Dr. J. hat auch dargelegt, dass beim Normotoniker selbst erhebliche körperliche Anstrengungen nicht zu einer spontanen intracerebralen Blutung führen. Dies bedeutet, dass eine durch Blutdruckanstieg verursachte Thalamusblutung bei einem Normotoniker ohne Gefäßwanddegenerationen nicht auftritt und im Falle des Klägers die vorbestehende Hypertonie mit begleitender Gefäßwanddegeneration in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinne mitursächlich war für die am 2. Juni 2005 aufgetretene Thalamusblutung. Der anlagebedingte Faktor war im vorliegenden Fall jedoch keine allein wesentliche Ursache für die Thalamusblutung. Deshalb kommt dem Ereignis vom 2. Juni 2005 auch nicht nur die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zu. Das Vorliegen einer Schadensanlage allein reicht nicht aus, um den rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhang zwischen einer beruflich bedingten Einwirkung und dem Eintritt eines Gesundheitsschadens zu verneinen. Denn der Versicherte ist in der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich in dem Gesundheitszustand geschützt, in dem er sich bei Aufnahme der versicherten Tätigkeit befindet, auch wenn aus diesem Zustand eine größere Gefährdung resultiert (BSG, SozR 4-2700, § 8 Nr. 17 – Urteil vom 9. Mai 2006). Sind für einen Gesundheitsschaden neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, wie z.B. eine Krankheitsanlage, in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinne als ursächlich anzusehen, war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. "Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer Art, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkung bedürfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine sogenannte Gelegenheitsursache" (so die Ausführungen im Urteil des BSG vom 12. April 2005 – Az.: B 2 U 27/04 R – in juris).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Beurteilung gelangt, dass die von dem Kläger am 2. Juni 2005 ausgeübte berufliche Tätigkeit und die damit verbundene körperliche Anstrengung und verursachte Krafteinwirkung rechtlich wesentliche Ursache für den Blutdruckanstieg und die daraufhin eingetretene Thalamusblutung gewesen sind: Der Kläger hat am 2. Juni 2005 eine außergewöhnliche schwere körperliche Tätigkeit verrichtet. Er hat ohne Hilfsmittel (Spezialhaken) den 95 kg schweren Kanaldeckel hochgehoben, der sich beim Versuch den Kanalschacht zu schließen stark verkantet hat. Deshalb musste der Kläger den Kanaldeckel mehrfach ruckartig hochwuchten, um den Deckel in die vorgesehene Falz zu legen und den Schachtverschluss herzustellen. In seinen ersten "Angaben zum Versicherungsfall" (Fragebogen der Beklagten) am 28. August 2005 gab der Kläger an, dass er "sofort Schmerzen in der Hand und ein komisches Gefühl im Arm" verspürt hat. Während der sogleich angetretenen Fahrt in das ca. 5 km entfernte Büro der Firma bemerkte der Kläger Koordinationsstörungen des rechten Fußes sowie des rechten Armes, der Wechsel vom Gas- auf das Bremspedal und das Bedienen der Handschaltung waren gestört. Beim Aussteigen aus dem Fahrzeug bestanden eine Gangstörung und Standunsicherheit, kurze Zeit später war ein Stehen ohne fremde Hilfe nicht mehr möglich.
Der Sachverständige Prof. Dr. C. hat überzeugend dargelegt, dass schon das Anheben des 95 kg schweren Kanaldeckels eine übermäßige körperliche Belastung dargestellt hat, die im normalen Alltag nicht vorkommt. Zudem hat das mehrfache Hochwuchten des Kanaldeckels nach Aussage des Prof. Dr. C. eine erhebliche Summation der schlagartig wirkenden Kräfte mit unverhältnismäßiger hoher, nicht alltäglicher, körperlicher Belastung bewirkt und war hierbei mit kurzfristig extremen Blutdruckanstiegen zu rechnen. Der Senat ist deshalb ebenso wie das Sozialgericht aufgrund der gutachtlichen Beurteilung des Prof. Dr. C. zu der Überzeugung gelangt, dass die von dem Kläger am 2. Juni 2005 verrichtete berufliche Tätigkeit von dem Kläger eine außergewöhnliche, im Alltagsleben und im Berufsleben des Klägers als Geschäftsführer und Bauleiter nicht übliche körperliche Kraftanstrengung erfordert hat. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Anheben und mehrmaligen Hochwuchten des Kanaldeckels um ein austauschbares Geschehen gehandelt hat und die Tätigkeit mit alltäglichen Verrichtungen, wie z.B. dem "Anheben leichter Gegenstände", verglichen werden kann. Auch kann nach der gutachtlichen Beurteilung des Prof. Dr. C. nicht davon ausgegangen werden, dass auch im Alltagsleben, d.h. bei alltäglichen Verrichtungen, derartige Blutdruckerhöhungen bei dem Kläger hätten auftreten können. Denn Prof. Dr. C. hat unmissverständlich dargelegt, dass gerade bei dieser besonderen körperlichen Tätigkeit mit Anheben und Hochwuchten des Kanaldeckels es "zu einer physikalisch begründbaren kurzfristigen Potenzierung der je Zeiteinheit wirkenden Kraft" gekommen ist, die zwangsläufig zu einer kurzfristigen außergewöhnlichen körperlichen Belastung geführt hat und aufgrund dieses Umstandes mit einem kurzfristig extrem hohen Blutdruckanstieg zu rechnen war. Dass auch alltägliche Verrichtungen, wie z.B. das Anheben oder Tragen eines gefüllten Getränkekastens, bei dem Kläger eine derartige Entgleisung des Blutdruckes herbeigeführt hätte, kann aufgrund der Darlegung des Prof. Dr. C. ausgeschlossen werden. Es liegen im vorliegenden Fall auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Hirngefäße des Klägers derart schwer geschädigt waren, dass es zur Auslösung einer Thalamusblutung keiner besonderen Einwirkung, wie der hier erfolgten außergewöhnlichen Kraftanstrengung, bedürft hätte. Denn eine schwerwiegende leicht ansprechbare Gefäßmissbildung wurde bei dem Kläger nicht festgestellt. Der Umstand, dass eine Bluthochdruckerkrankung langfristig zu Schädigungen im Bereich der Gefäßwände führt, lässt nicht den Schluss zu, dass bei Bestehen der Hypertonie jederzeit mit dem Eintritt einer Hirnblutung zu rechnen ist. Die Beklagte weist in ihrem Schriftsatz vom 11. Februar 2011 selbst darauf hin, dass Bluthochdruckerkrankungen in der Bevölkerung weitverbreitet sind. Dennoch sind nach Aussage des Prof. Dr. C. traumatische (unfallbedingte) Auslöser, wie auch Blutdruckentgleisung, die häufigste Ursache für eine Hirnblutung und nicht spontane Blutungen ohne äußeren Anlass. Unter diesen dargelegten Umständen hatte die von dem Kläger am 2. Juni 2005 ausgeübte berufliche Verrichtung für die danach eingetretene Thalamusblutung nicht bloß die Bedeutung einer Gelegenheitsursache, sondern ist als rechtlich wesentliche Bedingung für den eingetretenen Gesundheitsschaden anzusehen. Da das Gutachten des Prof. Dr. C. die Frage, "ob auch ein anderes austauschbares Ereignis privater Natur zu dem gleichen Erfolg geführt hätte", beantwortet hat, musste der Senat dem hilfsweise gestellten Beweisantrag der Beklagten nicht nachkommen.
Die Thalamusblutung hat bei dem Kläger zu einer Gefühlsminderung der rechten Körperseite einschließlich der rechten Gesichtshälfte, einer distal betonten leicht- bis mittelgradigen Armparese rechts mit geringer Ataxie und Einschränkung der Fingerfeinmotorik und zu einer leichten Beinparese rechts mit deutlicher Ataxie des rechten Beines geführt. Prof. Dr. H. hat die daraus resultierende MdE des Klägers auf 40 v.H. geschätzt, das Sozialgericht ist dem Vorschlag des Sachverständigen gefolgt. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Entscheidung des Sozialgerichts war deshalb zu bestätigen und die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved