S 48 SO 395/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
48
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 SO 395/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 88/13
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Untätigkeitskla-ge. Im Übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 20.599,37 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Zuordnung von Frau C. zu einer Hilfebedarfsgruppe.

Die im Jahre 1980 geborene Leistungsempfängerin, Frau C., ist bereits seit Geburt bzw. seit dem frühen Kindesalter fast blind und mehrfach behindert. Bei ihr wurde ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt und sie erfüllt die Voraussetzungen der Merkzeichen G, Bl, H und RF.

Seit 2001 besucht die Leistungsempfängerin eine von der Klägerin betriebene Einrichtung in A-Stadt, welche auf die Betreuung blinder und sehbehinderter junger Erwachsener spezialisiert ist. Die Einrichtung schließt zum einen ein Wohnheim ein, in dem die behin-derten Menschen leben, zum anderen betreibt sie eine Werkstatt für Menschen mit Be-hinderung, in der diese berufstätig sind.

In der Zeit bis zum 30.09.2008 übernahm der Beklagte die Kosten der Betreuung der Leistungsempfängerin in der genannten Einrichtung unter Zugrundelegung der Hilfebedarfsgruppe XIII b.

Mit an die Leistungsempfängerin adressiertem Bescheid vom 16.12.2008 bewilligte der Beklagte dieser für die Zeit "vom 01.10.2008 bis zunächst 30.09.2012 die notwendige Eingliederungshilfe auf der Grundlage der jeweils geltenden Entgeltvereinbarung durch Übernahme der Kosten der Betreuung in der Einrichtung (Hilfebedarfsgruppe XIII d) " Zur Begründung führte der Beklagte aus, nach Prüfung des vorliegenden Entwicklungsberichts sei er zu dem Schluss gekommen, dass die Leistungsempfängerin die Vorausset-zungen für die Gewährung einer Betreuungszulage nicht erfülle. Vielmehr sei die Einrichtung in der Lage, die Leistungsempfängerin auch mit dem "normalen" Entgeltsatz (für Sinnesbehinderte) bedarfsgerecht zu betreuen.

Gegen diese Entscheidung legten sowohl die Leistungsempfängerin als auch die Klägerin Widerspruch ein.

Mit am 01.10.2009 beim Sozialgericht München eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben.

Mit Bescheid vom 20.05.2010, zugestellt am 22.05.2010, hat die Regierung von Oberbayern den Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin hat daraufhin mit am 22.06.2010 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage ihre Klage geändert und beantragt nunmehr,

den Bescheid des Beklagten vom 16.12.2008 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 20.05.2010 (teilweise) aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Frau C. weiterhin der Hilfebedarfsgruppe XIII b zuzuordnen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dem Gericht lagen die Behördenakten des Beklagten bei seiner Entscheidung vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unzulässig.

1. Bei der ursprünglich mit (am 01.10.2009 eingegangenem) Schriftsatz vom 30.09.2009 erhobenen Klage handelte es sich um eine – zulässige – Untätigkeitsklage gem. § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese hat sich durch den Erlass des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2010 erledigt.

2. Die Klägerin war in dieser prozessualen Situation grundsätzlich berechtigt, den Rechts-streit mit einem neuen Klageziel fortzuführen (siehe Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 88 Rn. 12a). Die von ihr – fristgerecht – erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) ist gleichwohl unzulässig, weil die Klägerin weder berechtigt ist, ein Recht der Leistungsempfängerin im eigenen Namen geltend zu machen, noch sie selbst einen Anspruch auf Zuordnung der Leistungsempfängerin zu einer anderen Hilfebedarfsgruppe hat.

a) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die sozialgerichtliche Klage gem. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch einen Verwaltungsakt (oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines solchen) beschwert zu sein.

Eine Beschwer der Klägerin ist hier unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegeben. Weder ist der Bescheid vom 16.12.2008 ihr gegenüber ergangen, noch handelt es sich bei dieser Entscheidung um einen Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung.

Bei dem Anspruch der Leistungsempfängerin gegen den Beklagten auf Eingliederungshilfe gem. §§ 53 ff Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) handelt es sich um einen Sachleistungsanspruch in Form der Sachleistungsverschaffung. Der beklagte Sozialhilfe-träger "übernimmt" die erforderlichen Kosten, indem er durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung den Schuldbeitritt zu den von der Leistungsempfängerin an den Einrichtungsträger (hier: die Klägerin) zu zahlenden Heimkosten in dem Umfang erklärt, in dem die Leistung auch dem Hilfebedürftigen (hier: der Leistungsberechtigten) zugebilligt wird (siehe zum sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 28.10.2008, B 8 SO 22/07 R in: juris).

Dadurch erhält der Einrichtungsträger einen eigenen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger; insoweit handelt es sich bei dem Bescheid des Beklagten vom 16.12.2008 um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung. Zum einen ist jedoch der Umfang dieses Anspruchs durch Art und Umfang der Leistungsgewährung gegenüber dem Hilfebedürftigen begrenzt (das heißt, nur insoweit kommt dem Bescheid über die Eingliederungshilfe – rein begüns-tigende – Drittwirkung zu). Zum anderen ist dieser Anspruch, wie der Anspruch des Einrichtungsträgers gegenüber dem Leistungsempfänger, zivilrechtlicher Natur. Denn der Schuldbeitritt bewirkt (lediglich), dass neben den bisherigen Schuldner (hier: den Leistungsempfänger) ein neuer (zusätzlicher) Schuldner (hier: der Beklagte) als Gesamtschuldner tritt (BSG, a.a.O.). Ist das dem Schuldbeitritt zugrunde liegende Rechtsverhältnis zivilrechtlicher Natur, so trifft dies auch auf den infolge des Schuldbeitritts entstehenden neuen Anspruch zu.

Der Bescheid über die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe vom 16.12.2008 greift somit nicht in die Rechtssphäre der Klägerin ein. Die Klägerin ist deshalb nicht klagebefugt.

b) Die Klägerin ist auch nicht berechtigt, ein Recht der Leistungsempfängerin im eigenen Namen geltend zu machen; ein Fall gesetzlicher (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 54 Rn. 11b) oder gewillkürter Prozessstandschaft (a.a.O., Rn. 11a) liegt nicht vor.

c) Nach alledem kann offen bleiben, ob der Beklagte die Leistungsempfängerin mit dem hier streitigen Bescheid vom 16.12.2008 überhaupt verbindlich einer Hilfebedarfsgruppe zugeordnet hat.

Die Einstufung in eine Hilfebedarfsgruppe ist als solche kein Verwaltungsakt. Die Hilfebedarfsgruppen sind lediglich Kalkulationsgrundlage für die vertragliche Maßnahmepauschale gem. § 76 Abs. 2 Satz 3 SGB XII (vgl. BSG, Urteil vom 02.02.2010, B 8 SO 20/08 R, Rn. 14, in: juris). Die Zuordnung zu einer Hilfebedarfsgruppe betrifft somit unmittelbar nur das sog. Leistungsverschaffungsverhältnis (Rechtsbeziehung zwischen dem Einrich-tungsträger und dem Sozialhilfeträger). Dem gegenüber regelt der Verwaltungsakt, der im sog. Grundverhältnis (zwischen dem Leistungsempfänger und dem Sozialhilfeträger) ergeht, die Gewährung von Leistungen (der Eingliederungshilfe) zur Deckung eines bestimmten (sozialhilferechtlichen) Bedarfs. Ob dieser Bedarf mit der bloßen Nennung einer Hilfebedarfsgruppe in hinreichender Weise umschrieben werden kann, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden. Denn jedenfalls fehlt es für einen Anspruch der Klägerin auf Zuordnung der Leistungsempfängerin zu einer (anderen) Hilfebedarfsgruppe nach dem oben Gesagten an einer rechtlichen Grundlage. Ein Anspruch auf (höhere) Vergütung wäre vor dem zuständigen Zivilgericht zu verfolgen.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.

4. Gegen dieses Urteil ist gem. § 143 SGG das Rechtsmittel der Berufung eröffnet.
Rechtskraft
Aus
Saved