L 8 R 920/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 7 R 24/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 920/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 6.9.2010 geändert. Der Bescheid vom 19.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2009 wird hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 34.561,07 Euro aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) und 3), die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.561,07 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 34.561,07 Euro und die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in seiner Beschäftigung bei der Klägerin in der Zeit vom 1.12.2003 bis 30.9.2008 in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung (KV/PV).

Die Klägerin betreibt einen Schrott- und Metallhandel mit etwa 40 Mitarbeitern. Sie ist eine 100%ige Tochter der Firma U, die dezentral organisiert ist. Die Klägerin ist verantwortlich für das Regionalcenter Q, das aus verschiedenen Untereinheiten besteht, zu denen das Kundencenter gehört. Dessen Leiter war ab dem 1.10.2001 der Beigeladene zu 1), der im Streitzeitraum für die Klägerin auf der Grundlage des AT-Anstellungsvertrages (AV) vom 16.4.1999 seit dem 17.5.1999 tätig war. Zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) war in § 2 AT-AV die Zahlung von 13 Monatsgehältern und die Stellung eines Firmenfahrzeugs, das auch privat genutzt werden durfte, vereinbart. Mit dem 1. Nachtrag zum AT-AV vom 16.4.1999 änderten die Klägerin und der Beigeladene zu 1) am 18.12.2001 aus Anlass der zum 1.10.2001 übertragenen Stellung als Kundencenterleiter den Ursprungsvertrag und vereinbarten u.a., dass eine Tantiemevereinbarung separat getroffen werde, was auch umgesetzt wurde.

Den Tantiemezahlungen der Klägerin an den Beigeladenen zu 1) lag ab dem 1.1.2002 die widerrufliche Tantiemeregelung vom 18.12.2001 zugrunde, die die Regelung vom 13.11.2000 ersetzte. Auch wenn diese nicht von der Klägerin unterzeichnet worden war, wurde sie im gesamten Streitzeitraum wie vereinbart praktiziert. Die Umsetzung entsprach der üblichen Vorgehensweise bei der Klägerin wie bei der Fa. U. Die vorgenannte Regelung war dergestalt strukturiert, dass

1. 4/12 der Tantieme sich aus dem betriebswirtschaftlichen Ergebnis der einzelnen zum Regional-Center gehörenden Unternehmen nach einer festgelegten Berechnungsformel errechneten,

2. 4/12 der Tantieme sich aus der Planüberschreitung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses der einzelnen zum Regional-Center gehörenden Unternehmen gemäß folgender Staffelung errechneten: Planüberschreitung um 5 %: 1/12 Tantieme Planüberschreitung um 10 %: 2/12 Tantieme Planüberschreitung um 15 %: 3/12 Tantieme Planüberschreitung größer 15 %: 4/12 Tantieme

3. 4/12 der Tantieme sich aus den persönlichen Zielvorgaben errechneten, wobei grundsätzlich vier persönliche Ziele vereinbart werden sollte und jedes Ziel mit 1/12 bewertet wurde.

Darüber hinaus lautete die Tantieme-Regelung wie folgt:

"Die Abrechnung der Tantieme erfolgt mit der März-Gehaltszahlung des folgenden Kalenderjahres.

Diese Regelung ist ab 1.1.2002 verbindlich und gilt bis auf Widerruf. Sie ersetzt die Provisionsregelung vom 13.11.2000."

Die Zielvereinbarungen wurden auf der Grundlage dieser Tantiemeregelung vereinbart. Die darin enthaltenen Planzahlen wurden vom Gesellschafter genehmigt. Sie standen in der Regel im November des Vorjahres für das Folgejahr fest und wurden denjenigen Mitarbeitern, deren Gehalt davon abhing, bekannt gegeben, sodass sie sie mit Beginn des Jahres kannten. Die Tantiemeziele wurden in der Regel so vereinbart, dass zumindest 2/3 der Ziele erreichbar waren. Bei den persönlichen Zielen handelte es sich vielfach um das Tagesgeschäft begleitende Projekte, die im Laufe eines Geschäftsjahres mit der Geschäftsführung ständig besprochen wurden. Die Entwicklung dieser Projekte und damit auch die Zielerreichung waren somit im laufenden Geschäftsjahr regelmäßig abzusehen.

Es wurden mit der verwendeten Software Monatsabschlüsse erstellt, sodass am 8. Arbeitstag des Folgemonats die Geschäftszahlen des Vormonats sowie des bis zu diesem Zeitpunkt abgelaufenen Jahresteils feststanden, die der Beigeladene zu 1) per EDV einsehen konnte und die ihm daher jeweils bekannt waren. So stand z.B. im Dezember 2002 fest, dass der Beigeladene zu 1) die ersten 8/12 der Tantiemezahlung erreicht hatte. Die von diesem erwirtschafteten Planüberschreitungen wurden im Laufe des Jahres kontinuierlich erzielt, sodass in den Streitjahren im Dezember jeweils das Erreichen der Tantiemeziele festgestellt werden konnte. Die Vorgabe einer Planüberschreitung von 15 % galt in der gesamten Fa. U.

Die Personalgespräche wurden im Regelfall im Februar vor der Auszahlung der Tantieme im März geführt. Es fand ein Personalgespräch pro Mitarbeiter und Jahr statt. In diesen Personalgesprächen stellte die Klägerin das Erreichen bzw. Nicht-Erreichen der Tantiemeziele, insbesondere der persönlichen Ziele für das Vorjahr verbindlich fest. Abweichend von der Tantiemevereinbarung wurden nur einmal im Jahr persönliche Ziele festgesetzt, sodass der jeweilige Mitarbeiter ab Februar wusste, welche Ziele er im Laufe des Jahres erreichen sollte. Diese Ziele waren unterschiedlich ausgestaltet. Deren Erreichung ließ sich entweder unmittelbar, z. B. wenn eine Präsentation zu erstellen war, oder erst bei dem Personalgespräch im kommenden Jahr feststellen. Hiervon wich die Praxis im Jahr 2002 ab, indem die Klägerin das Erreichen der persönlichen Ziele durch den Kläger noch im Jahr 2002 feststellte, weil der Geschäftsführer der Klägerin konkret auf die Möglichkeit des Wechsels des Beigeladenen zu 1) in die private KV angesprochen worden war.

Das sozialversicherungspflichtige Jahresentgelt des Beigeladenen zu 1) für 2001 betrug 78.055,00 DM (= 39.908,89 EUR), wobei in diesem das monatliche Grundgehalt, der geldwerte Vorteil für die private Firmen-PKW-Nutzung sowie die Tantiemezahlung enthalten waren.

In den Jahren von 2002 bis 2008 erhielt der Beigeladene zu 1) folgende Bruttoentgelte:

- 2002
Monatsgehalt: 13 x 2.710,00 EUR = 35.230,00 EUR
Geldwerter Vorteil für private Firmen-PKW-Nutzung:
6 x 218,84 EUR + 6 x 301,81 EUR = 3.123,90 EUR
Tantieme für 2001, erhalten in 2002: 5.460,00 EUR
Jahresentgelt: 43.814,50 EUR

- 2003

Monatsgehalt: 13 x 2.966,00 EUR = 38.558,00 EUR
Geldwerter Vorteil für private Firmen-PKW-Nutzung: 12 x 301,81 EUR = 3.621,72 EUR
Tantieme für 2002, erhalten in 2003: 8.074,00 EUR
Jahresentgelt: 50.253,72 EUR

- 2004

Monatsgehalt: 12 x 3.000,00 EUR + 1 x 3.020,00 EUR = 39.020,00 EUR
Geldwerter Vorteil für private Firmen-PKW-Nutzung: 12 x 352,81 EUR = 4.233,72 EUR
Tantieme für 2003, erhalten in 2004: 9.639,50 EUR
Jahresentgelt: 52.893,22 EUR

- 2005

Monatsgehalt: 12 x 3.020,00 EUR + 1 x 3.000,00 EUR = 39.240,00 EUR
Geldwerter Vorteil für private Firmen-PKW-Nutzung:
8 x 352,81 EUR + 4 x 442,69 EUR = 4.593,24 EUR
Tantieme für 2004, erhalten in 2005: 9.750,00 EUR
Jahresentgelt: 53.583,24 EUR

- 2006

Monatsgehalt: 12 x 3.030,00 EUR + 1 x 3.000,00 EUR = 39.360,00 EUR
Geldwerter Vorteil für private Firmen-PKW-Nutzung: 12 x 442,69 EUR = 5.312,28 EUR
Tantieme für 2005, erhalten in 2006: 9.750,00 EUR
Jahresentgelt: 54.302,28 EUR

- 2007

Monatsgehalt: 12 x 3.520,00 EUR + 1 x 3.500,00 EUR = 45.740,00 EUR
Geldwerter Vorteil für private Firmen-PKW-Nutzung: 12 x 532,69 EUR = 6.392,28 EUR
Tantieme für 2006, erhalten in 2007: 9.750,00 EUR
Jahresentgelt: 61.882,28 EUR

- Januar bis September 2008

Monatsgehalt: 9 x 3.520,00 EUR = 31.680,00 EUR
Geldwerter Vorteil für private Firmen-PKW-Nutzung: 9 x 532,69 EUR = 4.794,21 EUR
Tantieme für 2007, erhalten in März 2008: 11.375,00 EUR
Anteiliges Jahresentgelt: 47.849,21 EUR

Der Beigeladene zu 1) erreichte für das Jahr 2002 Tantiemeanteile von 11/12, in den Jahren 2001 und von 2003 bis 2007 jeweils von 12/12.

Die Beklagte führte vom 21.8.2008 bis 22.10.2008 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 SGB IV durch. Der Prüfzeitraum umfasste den Zeitraum vom 1.12.2003 bis 30.9.2008. Die Beklagte stellte anlässlich dieser Betriebsprüfung fest, dass der Beigeladene zu 1) bis zum 31.12.2002 als versicherungspflichtig in der gesetzlichen KV und sozialen PV gemeldet war. Ab dem 1.1.2003 führte die Klägerin für den Beigeladenen zu 1) keine Beiträge zur KV und PV mehr ab. Ab dem 1.12.2002 war der Beigeladene zu 1) bei einer privaten KV und PV versichert.

Mit Bescheid vom 8.10.2008 forderte die Beklagte von der Klägerin Beiträge in Höhe von 34.561,07 Euro nach und stellte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in seiner Beschäftigung bei der Klägerin in der Zeit vom 1.12.2003 bis 30.9.2008 in der gesetzlichen KV und sozialen PV fest. Mit weiterem Bescheid vom 20.11.2008 berichtigte die Beklagte das Datum des Bescheides vom "08.10.2008" auf den "19.11.2008". Zur Begründung verwies sie im Übrigen darauf, dass die JAE-Grenzen nach § 6 Abs. 6 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) im Jahre 2003 45.900,00 EUR, im Jahr 2004 46.350,00 EUR, im Jahr 2005 46.800,00 EUR, im Jahr 2006 47.250,00 EUR und im Jahr 2007 47.700,00 EUR betragen hätten. Der Beigeladene zu 1) habe diese JAE-Grenzen mit seinem Gehalt nicht erreicht. Die niedrigeren Grenzen für Arbeitnehmer, die am 31.12.2002 wegen Überschreitens der JAE-Grenze krankenversicherungsfrei und privat krankenversichert gewesen seien, kämen mangels Vorliegen der Voraussetzung des § 6 Abs. 7 Satz 1 SGB V zugunsten der Klägerin nicht zur Anwendung. Auf die JAE-Grenze sei nur die Sonderzahlung anzurechnen, die einem Arbeitnehmer mit hinreichender Sicherheit zukommen werde und in der Höhe feststehe. Die Tantiemen seien aber nur dem Grunde nach zugesichert und könnten daher nicht in die Berechnung einbezogen werden.

Am 24.11.2008 erhob die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie geltend machte, für den Beigeladenen zu 1) seien die niedrigeren JAE-Grenzen nach § 6 Abs. 7 Satz 1 SGB V anzuwenden. Dessen Verdienste in den Jahren von 2002 bis 2007 hätten diese JAE-Grenzen überschritten. Bei der Berechnung der JAE seien das regelmäßige Monatsgehalt des Beigeladenen zu 1) (13 x), das Nutzungsentgelt für den ihm auch zu privaten Zwecken überlassenen PKW (12 x) und die zugesagte Tantieme (jeweils im darauf folgenden Jahr des Zuflusses) berücksichtigt worden. Diese drei Verdienstbestand-teile seien arbeitsvertraglich festgelegt, sodass der Beigeladene zu 1) mit diesem Verdienst verbindlich habe rechnen können. Sie seien ihm in der Folgezeit tatsächlich zugeflossen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.5.2009 zurück. Zur Begründung führte sie aus, für die vorausschauende Beurteilung, inwieweit die JAE-Grenze des folgenden Kalenderjahres überschritten werde, seien die Tantiemen nicht zu berücksichtigen. Diese hätten dem Beigeladenen zu 1) nur unter bestimmten Voraussetzungen zugestanden. Weder die tatsächliche Zahlung noch die Höhe der jeweiligen Tantieme seien dem Beigeladenen zu 1) zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres garantiert gewesen. Die JAE-Grenzen nach § 6 Abs. 7 Satz 1 SGB V seien nicht anzuwenden, da der Beigeladene zu 1) am 31.12.2002 nicht versicherungsfrei in der KV und PV gewesen sei.

Mit seiner am 29.5.2009 zum Sozialgericht (SG) Detmold erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend vorgetragen, dass auch die Tantiemen in die Ermittlung des regelmäßigen JAE einzubeziehen seien, da ihre Zahlung im folgenden Jahr mit hinreichender Sicherheit bei vorausschauender Betrachtung im Zeitpunkt des Jahreswechsels zu erwarten gewesen sei. Maßgeblich sei die schriftliche Tantieme-Regelung vom 18.12.2001 gewesen. Die Berechnung der Tantieme sei nach den maßgeblichen Parametern der Planerfüllung, Planüberschreitung und Erreichung der persönlichen Ziele erfolgt, die alle spätestens am 31.12. des jeweils ablaufenden Jahres festgestanden hätten. Lediglich die Auszahlung sei mit der März-Gehaltsabrechnung im folgenden Kalenderjahr erfolgt. Nach dem 31.12. des ablaufenden Jahres sei ein rückwirkender Widerruf nicht zulässig gewesen. Unter Einbeziehung der Tantiemen in das regelmäßige JAE seien sogar die JAE-Grenzen nach § 6 Abs. 6 Satz 1 SGB V überschritten gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 19.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 20.5.2009 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid weiterhin für rechtmäßig gehalten und auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend hat sie vorgetragen, die erfolgsabhängige Sonderzahlung könne für die vorausschauende Betrachtungsweise, welche zu Beginn eines jeden Kalenderjahres vorzunehmen sei, nicht zugrunde gelegt werden, da diese der Höhe nach zum Zeitpunkt der Beurteilung nicht bekannt sein könne.

Mit Urteil vom 6.9.2010 hat das SG Detmold die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 7.10.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.10.2010 Berufung eingelegt. Der Beigeladene zu 1) hat gegen das ihm am 7.10.2010 zugestellte Urteil am 4.11.2010 Berufung eingelegt.

Die Klägerin verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus, Klägerin und Beigeladener zu 1) hätten dessen Tantieme ab dem Jahr 2002 stets nach der vorgenannten Regelung abgerechnet. Das JAE für 2002 habe ausgehend vom Grundgehalt in Höhe von 35.230,00 EUR unter Hinzurechnung des geldwerten Vorteils für die PKW-Nutzung in Höhe von 3.123,90 EUR und der im Frühjahr 2002 ausgezahlten Tantieme für 2001 in Höhe von 5.460,60 EUR insgesamt 43.814,50 EUR betragen. Wegen des Überschreitens der JAE-Grenze zum Stichtag 31.12.2002 genieße der Beigeladene zu 1) nach § 6 Abs. 7 SGB V künftig Vertrauensschutz in Form der jeweils niedrigeren JAE-Grenze. In den Jahren 2003 bis 2007 habe der Beigeladene zu 1) die JAE-Grenze nach § 6 Abs. 7 SGB V jeweils schon mit seiner Vergütung einschließlich des geldwerten Vorteils für die private Firmen-PKW-Nutzung ohne Berücksichtigung der Tantiemen überschritten. Bei Berücksichtigung der (erfolgsabhängigen) Tantiemezahlungen habe er sogar die JAE-Grenze nach § 6 Abs. 6 SGB V überschritten. Er habe zum Jahresende jeweils absehen können, ob er für das laufende Geschäftsjahr seine Tantieme verdient habe oder nicht. Im November 2002 habe die Hochrechnung bei 29,7 % Planüberschreitung, im Dezember letztlich bei 22,5 % Planüberschreitung im EBITDA gelegen. Damit sei eine hinreichende Sicherheit in der Prognose gegeben, so dass die Tantieme von 4/12 für Planerfüllung und 4/12 für Planüberschreitung mit Sicherheit habe angenommen werden können und zum 31.12.2002 auch unstrittig gewesen sei. Das Erreichen der persönlichen Ziele habe der Beigeladene zu 1) jeweils zum Jahresende ohnehin selbst feststellen können. Entsprechendes gelte für die Folgejahre 2003 bis 2007. Unzutreffend gehe die Beklagte davon aus, dass die Tantiemen rein freiwillige Zahlungen der Klägerin dargestellt und unter einem jederzeitigen Widerrufsvorbehalt gestanden hätten. Die Tantieme sei in § 15 des AV vom 16.4.1999 verbindlich geregelt worden. Entsprechendes ergebe sich so auch aus dem vereinbarten Nachtrag vom 18.12.2001. Beide Unterlagen enthielten keinen Freiwilligkeits- bzw. Widerrufsvorbehalt. Der Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt in § 2 des AV vom 16.4.1999 betreffe ganz andere Zahlungen als die hier in Rede stehende Tantieme, nämlich "etwaige Zuwendungen, Vergünstigungen oder Gratifikationen". Eine fehlende Verbindlichkeit der Tantiemeregelung vom 18.12.2001 sei auch nicht daraus abzuleiten, dass diese lediglich vom Beigeladenen zu 1) unterzeichnet worden sei. Der Geschäftsführer der Klägerin, Herr Bangert, habe die Tantiemeregelung verbindlich mit dem Beigeladenen zu 1) vereinbart. Der Nachtrag zum AV und die Tantiemenregelung seien von Herrn Bangert verfasst worden, auf beiden Unterlagen habe dieser das Datum "18.12.2001" eingesetzt, aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen - wohl Nachlässigkeit - aber nur den Nachtrag unterzeichnet. Selbstverständlich sei er auch mit der Tantiemeregelung vom 18.12.2001, die er selbst vorformuliert habe, einverstanden gewesen; er habe diesen Nachtrag mündlich akzeptiert. Die Formulierung in besagter Tantiemeregelung am Ende ("und gilt bis auf Widerruf"), auf die die Beklagte verweise, sei damit allenfalls im Sinne einer zeitlichen Komponente gemeint gewesen, nämlich bis zu einer anderweitigen Vereinbarung; entsprechendes gehe auch unschwer aus der unmittelbar vorangehenden Tantiemeregelung vom 13.11.2000 hervor.

Der Beigeladene zu 1) trägt entsprechend dem Vorbringen der Klägerin vor. Ergänzend macht er geltend, im Jahr 2002 habe das Jahres-Planergebnis für die einzelnen zum Regional-Center gehörenden Unternehmen Q und I 390.000,00 Euro betragen. Das tatsächliche Ergebnis habe Ende November 463.800,00 Euro betragen und habe damit bereits über dem Planergebnis für das Jahresende gelegen. Laut Hochrechnung per Ende November habe das tatsächliche Ergebnis 29,7 % über dem Plansoll für November gelegen. Es sei daher bereits im Monat Dezember mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen, dass das Plansoll erreicht werde und damit die Tantieme in voller Höhe ausbezahlt werde. Damit dürfte ein Anteil von 4/12 mit hinreichender Sicherheit feststehen. Weitere 4/12 der Tantieme hätten sich aus der Planüberschreitung des Ergebnisses errechnet. Die volle Tantieme werde bei einer Überschreitung von mehr als 15 % des Planergebnisses bezahlt. Wie sich aus den oben genannten Zahlen ergebe, seien die Planzahlen bereits zu Ende November mit 29,7 % überschritten gewesen. Damit dürfte auch dieser Anteil in voller Höhe von 4/12 mit hinreichender Sicherheit festgestanden haben. Die letzten 4/12 ergäben sich aus der persönlichen Zielvorgabe für ihn. Es habe bereits am 24.8.2002 festgestanden, wie die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom selben Tage bestätigt habe, dass er 3 der 4 persönlichen Ziele erreicht habe. Dies habe der Geschäftsführer der Klägerin bereits vor dem Jahresabschluss eindeutig erkennen können. Daher habe er dem Beigeladenen am 23.12.2002 schriftlich bestätigt, dass "fast vollständig sämtliche Ziele als Grundlage für die max. 25%ige Tantiemezahlung im März 2003 bereits heute erreicht wurden". Damit ergäben sich Tantiemeansprüche, welche mit hinreichender Sicherheit feststünden, für 2002 von 8.074,00 Euro, und somit ein mit hinreichender Sicherheit feststehendes Gehalt für 2003 von 38.558,00 Euro + 3.621,72 Euro + 8.074,00 Euro = 50.253,72 Euro, mit dem die JAE-Grenze von 2003 überschritten werde.

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 6.9.2010 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 19.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.5.2009 hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 34.561,07 Euro aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt ihr bisheriges Vorbringen. Sie trägt ergänzend vor, die Provisionen für das Folgejahr seien nicht als regelmäßig zu erwartendes Entgelt zu bewerten, da sie von der Klägerin rein freiwillig gezahlt worden seien und unter jederzeitigem Widerrufsvorbehalt gestanden hätten. Die Freiwilligkeit ergebe sich aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und werde in der Tantiemeregelung vom 18.12.2001 bekräftigt. Diese Tantiemeregelung sei von der Klägerin nicht gegengezeichnet worden. In Ermangelung eines arbeitsvertraglichen Anspruchs auf Provisionszahlungen kombiniert mit einem klaren Widerrufsvorbehalt für Zusatzleistungen könne daher mitnichten davon ausgegangen werden, dass diese Zahlungen mit hinreichender Sicherheit zu erwarten gewesen seien. Es sei eine andere Entgeltvereinbarung zu erwarten gewesen, wenn die Provisionszahlungen tatsächlich immer zugestanden hätten. § 15 AT-AV vom 16.4.1999 enthalte keine verbindliche Regelung einer Tantiemenzahlung. Selbst wenn § 2 AT-AV auf Tantiemen nicht anwendbar sein sollte, wovon nicht ausgegangen werde, enthalte die Tantiemenregelung vom 18.12.2001 sehr wohl einen Widerrufsvorbehalt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) sind begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der nacherhobenen Beiträge zur KV/PV aufgrund der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) vom 1.12.2003 bis 30.9.2008 rechtswidrig sind und die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschweren.

Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Beitragsbescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern. Die Klägerin schuldet die Beiträge als Arbeitgeberin des Beigeladenen zu 1) gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV.

Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen KV ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bei einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV. Die Versicherungspflicht in der sozialen PV erstreckt sich auf alle Personen, die Mitglied in der gesetzlichen KV sind. Dabei ist unerheblich, ob die Mitgliedschaft in der KV auf einer Pflichtversicherung oder auf einer freiwilligen Versicherung beruht (§ 20 Elftes Buch Sozialgesetzbuch).

Der Beigeladene zu 1) war bei der Klägerin im Streitzeitraum unstreitig gegen Arbeitsentgelt beschäftigt, in dieser Beschäftigung allerdings nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der ab dem 1.1.2003 geltenden Fassung versicherungsfrei. Diese Vorschrift bestimmte, dass diejenigen Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei waren, deren regelmäßiges JAE die JAE-Grenze nach den Absätzen 6 oder 7 überstieg.

Die besondere JAE-Grenze nach § 6 Abs. 7 SGB V findet vorliegend keine Anwendung. Sie gilt nur für jene Arbeiter und Angestellten, die am 31.12.2002 wegen Überschreitens der JAE-Grenze versicherungsfrei und bei einem privaten KV-Unternehmen in einer substitutiven KV versichert waren. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Der Beigeladene zu 1) war nicht am 31.12.2002 wegen Überschreitens der an diesem Tag geltenden JAE-Grenze versicherungsfrei. Hierzu müsste er nämlich auch schon im Jahr 2001 die JAE-Grenze überschritten haben (§ 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V; vgl. Senat, Urteil v. 30.1.2013, L 8 R 873/12, juris). Mit einem JAE in Höhe von 78.055 DM in 2001 unterschritt der Beigeladene zu 1) in diesem Jahr jedoch die JAE-Grenze, die 78.300 DM betrug. Erstmalig überschritt er die JAE-Grenze für 2002 in Höhe von 40.500 EUR mit seiner Gesamtvergütung in Höhe von 43.814,50 EUR einschließlich der im Jahr 2002 für das Jahr 2001 gezahlten Tantieme. Bei dieser handelte es sich um eine Einnahme aus der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin und damit um einmalig Arbeitsentgelt im Sinne von §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV.

Die für das Jahr 2001 im Jahr 2002 gezahlte Tantieme ist auch nicht etwa bei der Berechnung des JAE für das Jahr 2001 zu berücksichtigen. Beitragsrechtliche Regelungen wie z.B. die sog. "Märzklausel" gem. § 23a Abs. 4 SGB IV sind zur versicherungsrechtlichen Bewertung nicht heranzuziehen. Für die Zeit ab dem 1.1.2003 ist dies mit Blick auf die zum diesem Zeitpunkt in Kraft getretene Neufassung des § 22 Abs. 1 SGB IV klargestellt, die nach zutreffender Auffassung (vgl. Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 26.3.2003) auch auf die versicherungsrechtliche Beurteilung anzuwenden, d.h. beispielsweise bei der Ermittlung des regelmäßigen JAE in der KV nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 6 oder Abs. 7 SGB IV zu berücksichtigen ist). Für den hier zu beurteilenden Fall und den vor dem 1.1.2003 liegenden Zeitraum ergibt sich jedoch keine abweichende Beurteilung. Auch unter dem noch in 2002 geltenden Entstehungsprinzip für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist die dem Beigeladenen zu 1) in 2002 gezahlte Tantieme versicherungsrechtlich dem Jahr 2002 zuzuordnen. Denn nach den vertraglichen Regelungen, wie sie in dem AT-AV, seiner Änderung, der ab dem 1.1.2002 geltenden Tantieme-Regelung und der tatsächlichen Umsetzung dieser Regelungen zum Ausdruck kamen, entstand der Tantiemeanspruch für 2001 erst im Jahr 2002. Voraussetzung für den Anspruch war die förmliche und verbindliche Feststellung des Erreichens der Tantiemeziele, insbesondere der persönliche Ziele durch die Klägerin im Personalgespräch mit dem Beigeladenen zu 1) im Februar 2002 vor der Abrechnung der Tantieme mit der März-Gehaltszahlung.

Die damit geltenden allgemeinen JAE-Grenzen gem. § 6 Abs. 6 SGB V betrugen:

- 2003: 45.900 EUR
- 2004: 46.350 EUR
- 2005: 46.800 EUR
- 2006: 47.250 EUR
- 2007: 47.700 EUR
- 2008: 36.112,50 EUR (anteilig für Januar bis September 2008)

Diese JAE-Grenzen überschritt der Beigeladene zu 1) mit seinen JAE ab 2003 sowie im gesamten Streitzeitraum, da zum regelmäßigen JAE in vorliegendem Fall auch die jährlichen Tantiemezahlungen gehören. Der Beigeladene zu 1) erzielte folgend JAE:

- 2003: 50.253,72 EUR
- 2004: 52.893,22 EUR
- 2005: 53.583,24 EUR
- 2006: 54.302,28 EUR
- 2007: 61.882,28 EUR
- 2008: 47.849,21 EUR (anteilig für Januar bis September 2008)

Der Beigeladene zu 1) hat die für ihn geltenden allgemeinen JAE-Grenzen seit 2002 mit seinem regelmäßigen JAE überschritten, so dass selbst die verschärften Voraus-setzungen der vom 2.2.2007 bis 30.12.2010 geltenden Fassung des § 6 SGB V erfüllt wären.

Das maßgebende regelmäßige Arbeitsentgelt ist das Arbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 SGB IV), auf das jemand im Laufe des auf den Beurteilungszeitpunkt folgenden Jahres (nicht notwendig des Kalenderjahres) einen Anspruch hat oder das ihm sonst mit hinreichender Sicherheit zufließen wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.8.2010, L 4 R 3332/08, mwN, juris; auch zu den folgenden Ausführungen). Bei schwankenden Bezügen ist zu schätzen (Großer Senat des BSG, Beschluss vom 30.6.1965 - GS 2/64 -, BSGE 23, 129, 131; Kasseler Kommentar-Peters § 6 SGB V Rdnr. 17 m.w.N.). Regelmäßig in diesem Sinne bedeutet, dass mit hinreichender Sicherheit zu erwartendes Arbeitsentgelt von nicht zu erwartendem (und nicht zu berücksichtigendem) Arbeitsentgelt abgegrenzt werden soll. Entscheidend ist, ob zum Jahreswechsel davon ausgegangen werden musste, dass das von dem Arbeitnehmer für das Folgejahr zu erwartende regelmäßige Arbeitsentgelt die jeweils gültige Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreiten wird (Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 6 Rdnr. 26). Bei der Berechnung werden die monatlichen Entgeltansprüche des Versicherten auf ein Jahr hochgerechnet (in der Regel mittels einer Multiplikation mit zwölf, vgl. hierzu etwa: Großer Senat des BSG, a.a.O.). Eine solche Berechnung stellt die übliche Verfahrensweise für diejenigen Fälle dar, in denen der Betroffene ein festes Arbeitseinkommen bezieht und etwaige Ansprüche auf Sonderzahlungen (z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) aufgrund arbeitsvertraglicher, tarifvertraglicher oder gesetzlicher Regelungen bzw. aufgrund betrieblicher Übung feststehen. Stehen hingegen die Höhen der für das Folgejahr zu erwartenden Arbeitsentgelte nicht mit hinreichender Sicherheit fest oder fehlen hinreichende Ansatzpunkte für eine Berechnung, erfolgt die Prognoseentscheidung für das Folgejahr auf der Grundlage einer Schätzung. Grundlage einer solchen Schätzung sind die Gesamtumstände des Einzelfalls unter Heranziehung der in den Vorjahren erzielten Einkünfte bzw. des Verdienstes vergleichbarer Personen (vgl. Großer Senat des BSG, a.a.O.).

Nach den vorgenannten Kriterien war mit hinreichender Sicherheit zu Beginn des Jahres 2003 vom Zufließen der Tantieme für 2002 neben den fixen Gehaltsbestandteilen bestehend aus dem monatlichen Grundgehalt, der einmaligen Sonderzahlung im November und den geldwerten Vorteilen durch die private Firmen-PKW-Nutzung für 2003 auszugehen, sodass die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) mit Ablauf des Jahres 2002 wegen Überschreitens der JAE-Grenzen endete (§ 6 Abs. 4 SGB V). Auch für die Folgejahre war mit hinreichender Sicherheit jeweils zu Beginn des Jahres vom Zufließen der Tantieme auszugehen, sodass es nicht einmal einer Schätzung bedurfte.

Neben den monatlichen Gehaltszahlungen sowie der Sonderzuwendung im November ist auch der geldwerte Vorteil für die private Nutzung eines Firmen-PKW Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 10.12.2002, L 1 B 107/02 KR-ER, m.w.N., juris), was zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren nicht mehr streitig gewesen ist.

Kein Zweifel besteht zunächst an der Verbindlichkeit der Tantiemeregelung vom 18.12.2001 trotz fehlender Unterschrift eines Vertreters der Klägerin, denn es war zumindest eine verbindliche mündliche Vereinbarung zustande gekommen. Dies folgt eindeutig aus den schlüssigen und glaubhaften Angaben des Geschäftsführers der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) sowie aus der fortlaufenden praktischen Umsetzung durch die Beteiligten. Vor diesem Hintergrund ergibt die Auslegung der schriftlichen vertraglichen Regelungen der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) unter Berücksichtigung des gem. §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch maßgeblichen wirklichen Willens der Vertragsparteien, dass die Regelung hinsichtlich eines Widerrufs nur für die Zukunft und nicht für bereits verdiente Tantiemen galt und der Widerrufsvorbehalt in § 2 AT-AV sich nur auf freiwillige Leistungen der Klägerin bezog, nicht hingegen auf vertraglich vereinbarte wie die Tantiemezahlungen. Im Übrigen sind auch Entgeltbestandteile zu berücksichtigen, wenn ihre Zahlung nach der bisherigen Übung auch künftig mit hinreichender Sicherheit zu erwarten war, ohne dass es darauf ankäme, ob ein entsprechender (arbeitsrechtlich durchsetzbarer) Anspruch bestand (vgl. BSG, Urteil v. 28.2.1984, 12 RK 21/83, Rdnrn. 13, 17, juris).

Die in den Jahren 2002 bis 2008 gezahlten Tantiemen sind für die versicherungsrechtliche Beurteilung dem jeweiligen Jahr der Zahlung zuzuordnen. Dies folgt aus der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) geschlossenen vertraglichen Regelung, dass die Abrechnung der Tantieme im März eines Jahres für das Vorjahr erfolgte. Zwischen den Vertragsparteien bestand Einigkeit darüber, dass dieser Abrechnung ein Personalgespräch jeweils im Februar vorausgehen musste, in dem die Erreichung der persönlichen Ziele durch die Klägerin festgestellt wurde. Erst unter diesen Voraussetzungen und zu diesem Zeitpunkt entstand daher nach dem Willen der Vertragsparteien ein Anspruch auf Zahlung der Tantieme.

Nach den schlüssigen und glaubhaften Angaben des Geschäftsführers der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) im Verhandlungstermin, denen die Beklagte nicht mehr entgegen getreten ist, war am Ende des Jahres 2002 bereits feststellbar, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen der Tantiemeregelung für 2002 erfüllt waren und die Zahlung der Tantieme in 2003 mit hinreichender Sicherheit zu erwarten war, was in derselben Weise für die Folgejahre bis einschließlich 2007 gilt. Für 2008 muss auf die Tantiemezahlung bei der zum Jahresbeginn vorzunehmenden vorausschauenden Betrachtung nicht mehr zurückgegriffen werden, da bereits die fixen Gehaltsbestandteile ein Überschreiten der JAE-Grenze erwarten ließen.

Für die Jahre von 2002 bis 2007 standen jeweils am 8. Arbeitstag eines Monats die Geschäftszahlen für den Vormonat und den bis dahin abgelaufenen Jahresteil aufgrund der erstellten Monatsabschlüsse fest, sodass am 8. Arbeitstag des Dezembers das in den ersten 11 Kalendermonaten eines Jahres bis dahin erzielte betriebswirtschaftliche Ergebnis bekannt war und eine zuverlässige Aussage zum Erreichen der Tantiemeziele ermöglichte. So stand z.B. im Dezember 2002 fest, dass der Beigeladene zu 1) die ersten 8/12 der Tantiemezahlung durch die Planerfüllung und Planüberschreitung von mehr als 15 % erreicht hatte. Die von diesem im Streitzeitraum erwirtschafteten Planüberschreitungen wurden im Laufe des jeweiligen Kalenderjahres kontinuierlich erzielt, sodass in den Streitjahren im Dezember jeweils das Erreichen der Tantiemeziele festgestellt werden konnte. Die Tantiemeziele wurden in der Regel auch so vereinbart, dass zumindest 2/3 der Ziele erreichbar waren. Bei den persönlichen Zielen handelte es sich vielfach um das Tagesgeschäft begleitende Projekte, die im Laufe eines Geschäftsjahres mit der Geschäftsführung ständig besprochen wurden. Die Entwicklung dieser Projekte und damit auch die Zielerreichung waren somit im laufenden Geschäftsjahr regelmäßig abzusehen. Schließlich hat der Beigeladene zu 1) im Streitzeitraum einmal 11/12 und ansonsten 12/12 der Tantiemeanteile erreicht, was dafür spricht, dass die Tantiemeziele in der Realität sowohl im Allgemeinen als auch im Besonderen durch den Beigeladenen zu 1) sogar vollständig zu erreichen waren.

Für das Jahr 2008 war bereits aufgrund der fixen Gehaltsbestandteile ohne Tantieme mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass die JAE-Grenze überschritten wird. Das regelmäßige monatliche Entgelt bestehend aus dem Gehalt in Höhe von 3.520,00 EUR und dem geldwerten Vorteil für die private Firmen-PKW-Nutzung in Höhe von 532,69 EUR betrug 4.052,69 EUR und überschritt damit die (anteilige) JAE-Grenze von 4.012,50 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die heranzuziehenden rechtlichen Grundsätze sind höchstrichterlich geklärt. Sie bedürfen auch nicht einer erneuten Klärung aufgrund des Urteils des LSG Baden-Württemberg vom 16.10.2012 (L 11 KR 5514/11, juris), das darin Tantiemen nicht als regelmäßiges Arbeitsentgelt angesehen hat. Jener Entscheidung lag eine andere Fallkonstellation zugrunde, bei der nur die prognostizierte Tantieme, die tatsächlich nicht erreicht wurde, zu einem Überschreiten der JAE-Grenze geführt hätte.
Rechtskraft
Aus
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