Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 43 V 5/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 VE 4/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen zweier Überprüfungsverfahren die Feststellung eines höheren Grades der Schädigungsfolgen (GdS), die Gewährung einer Pflegezulage, die Gewährung von Berufsschadensausgleich sowie die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als weitere Schädigungsfolge.
Der am XXXXX 1934 geborene Kläger stellte am 29. Januar 1952 erstmals einen Antrag auf Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Er gab dabei an, er habe sich am 26. April 1945 im Anschluss an Kampfhandlungen bei der Besetzung der Stadt B. an Aufräumarbeiten beteiligt, dabei sei eine Granate, die er in den Fluss habe werfen wollen, in seiner Hand explodiert. An der rechten Hand fehlten ihm Mittelfinger, Ringfinger kleiner Finger und Mittelhand, vom Zeigefinger fehle das letzte Glied, das zweite Fingerglied sei versteift und dick, der Daumen sei im Grundgelenk fast völlig versteift. Zeigefinger und Daumen könne er nur als Zange benutzen. Mit dem Erstanerkennungsbescheid des Versorgungsamtes H. vom 3. Juli 1953 wurde bei dem Kläger als Schädigungsfolge im Sinne des § 1 BVG der Verlust des 3. bis 5. Fingers rechts einschließlich der dazugehörigen Mittelhandknochen sowie Teilverlust des Zeigefingerendgliedes rechts mit Versteifung des Grund- und Mittelgelenkes des Zeigefingers und eine fast völlige Versteifung des Daumengrundgelenkes rechts anerkannt. Die hierdurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab dem 1. Juli 1952 wurde mit 40 festgestellt. Auf den Widerspruch des Klägers wurde die MdE ab dem 1. November 1955 auf 50 erhöht (Bescheid vom 19. März 1957).
Ein Neufeststellungsantrag des Klägers von Oktober 1997, mit welchem der Kläger geltend machte, nach jahrelanger einseitiger Belastung durch die anerkannten Schädigungsfolgen hätten sich Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule und am linken Knie eingestellt, blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 30. Juni 1998).
Einen weiterer Neufeststellungsantrag vom April 1999 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 1999 ab. Wirbelsäulenbeschwerden und deren Folgeerscheinungen sowie eine Funktionseinschränkung im linken Knie seien bereits mit Bescheid vom 30. Juni 1998 bestandskräftig als Schädigungsfolgen abgelehnt worden. An dieser Entscheidung werde festgehalten, da der Kläger keine neuen Tatsachen vorgetragen habe. Das sich an das Widerspruchsverfahren anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Lübeck (S 12 V 283/00) bleib ohne Erfolg. Die Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) Schleswig mit Urteil vom 30. März 2005 zurück (Az ... L 2 V 49/03), die vom Kläger dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des Bundessozialgerichts vom 26. August 2005 als unzulässig verworfen. Im Urteil des LSG Schleswig ist ausgeführt, die Schädigung des Klägers sei eher mit einer zu hohen MdE als mit einer zu niedrigen bewertet worden. Hierfür spreche bereits die für das damals zuständige Versorgungsamt H. erstellte Stellungnahme des Dr. W. vom 19. Dezember 1955. Danach habe sich der Gutachter bei der Begutachtung davon überzeugen können, dass der Kläger die verbliebenen teilversteiften Finger seiner rechten Hand relativ geschickt beim Maschineschreiben benutzt habe und dass er auch relativ geschickt mit der rechten Hand geschrieben habe. Es sei ärztlicherseits unverändert festgestellt worden, dass der Schaden nicht dem Verlust der rechten Hand gleichkomme. Der leitende Arzt des Versorgungsamtes H. habe sich dieser Beurteilung angeschlossen, gleichwohl sei die MdE mit Bescheid vom 19. März 1957 von 40 auf 50 erhöht worden. Eine tragfähige Begründung für diese Entscheidung sei weder dem Bescheid noch den Verwaltungsakten zu entnehmen. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Wirbelsäulen- und Kniebeschwerden schloss sich das LSG dem SG an, welches nach Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Anschluss an den vom Kläger ausgewählten Sachverständigen Meyer-Clement einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Teilverlust der rechten Hand und Hüft- und Kniegelenksbeschwerden links ausgeschlossen hatte.
Am 30. April 2002 stellte der Kläger einen Antrag auf Pflegezulage, den die Beklagten mit der Begründung ablehnte, der Zeitaufwand für die erforderliche Pflege betrage täglich 29 Minuten, so dass kein Hilfeaufwand in erheblichem Umfang bestehe. Die sich anschließende Klage wies das SG Lübeck mit Urteil vom 20. Juli 2006 ab, die Berufung nahm der Kläger nach einem Hinweis auf die mangelnde Erfolgsaussicht zurück.
Im Januar 2004 beantragte der Kläger erstmals die Gewährung von Berufschadensausgleich; der Antrag blieb indes erfolglos (Bescheid vom 8.Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2005).
Am 5. November 2008 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Aufhebung eines Bescheides vom 25. November 1989 (gemeint ist wohl ein Bescheid aus dem Schwerbehindertenverfahren des Klägers vom 15. November 1989) und auf Feststellung, dass ein Anspruch auf Erhöhung der MdE (seit 21.12.2007: GdS) bestehe, dass ein Anspruch auf Pflegezulage bestehe und dass ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich bestehe. Zur Begründung führte er aus, er habe am 10. Mai 1989 offensichtlich ein falsches Antragsformular verwendet, dies könne jedoch keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung seines Antrags haben. Sein Antrag sei daher bis zum nämlichen Tage nicht entschieden. Des Weiteren stellte der Kläger am 15. Januar 2009 einen Antrag gemäß § 44 SGB X auf Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als weitere Schädigungsfolge. Zur Begründung führte er aus, er habe als zehnjähriges Kind nachweislich monatelang schwer verletzt in einem hilflosen Sammelbecken sterbender ziviler Kriegsopfer verbracht. Bei dieser Sachlage erübrige sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Kriegserlebnissen hätten ihn zu einem unzugänglichen Einzelgänger gemacht, unfähig sich auszutauschen oder Freundschaften zu schließen. Seine Erinnerungen an das Erlebte würden immer intensiver und kreisten täglich um die Frage, was ohne den Krieg aus ihm geworden wäre, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte, sein Potenzial normal zu entwickeln. Zusammen mit den bereits anerkannten Schädigungsfolgen ergebe sich eine Gesamt-MdE von 100. Außerdem sei ein Anspruch auf Pflegezulage erfüllt, denn der Pflegeaufwand bei ihm sei als erheblich einzustufen. Desweiteren stehe ihm Berufsschadensausgleich zu.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2009 lehnte die Beklagte den Antrag vom 5.11.2008 ab, mit Bescheid vom 10. Februar 2009 erfolgte die Ablehnung der Feststellung eines höheren GdS. Der Widerspruch gegen beide Bescheide blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2009 und vom 3. Juni 2009). Mit der am 20. Juli 2009 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein Antrag vom Mai 1989 habe ausdrücklich gelautet, weitere Behinderungen festzustellen und den Grad der MdE zu erhöhen, wobei sich MdE eindeutig auf das BVG beziehe. Hinsichtlich der chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Kindheitserlebnisse, nicht zuletzt durch die Verwundung und die folgenden kriegsbedingten Erlebnisse nicht nur zu einem dauerhaften Gesundheitsschaden geführt hätten, sondern darüber hinaus auch weit reichende wirtschaftliche Folgen verursacht hätten. Im Zeitalter von Vietnam, Kosovo, Irak und Afghanistan müsse es doch Personen geben, die über die Dauerfolgen einer posttraumatischen Belastungsstörung bei Kriegskindern und der nachfolgenden Generation kompetent Auskunft geben könnten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. März 2012 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, das Gericht sei ebenso wie die Beklagte der Auffassung, dass dem Kläger weder eine Erhöhung seines GdS noch die Gewährung einer Pflegezulage oder eines Berufschadensausgleiches und auch nicht die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als weitere Schädigungsfolge zustehe. Sämtliche dieser Begehren seien bereits vom SG Lübeck und vom LSG Schleswig-Holstein rechtsverbindlich abgelehnt worden. Ein Anspruch auf Neubescheidung nach § 44 SGB X bestehe nicht, denn der Kläger habe keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen, die nicht bereits in einem Bescheid der Beklagten bzw. in den Urteilen des SG Lübeck und des LSG Schleswig-Holstein berücksichtigt worden seien. Insbesondere der Vortrag des Klägers, dass seine Wirbelsäulenerkrankung und seine Verschleißerkrankung am Kniegelenk als Schädigungsfolgen anzuerkennen seien, stehe in keinem kausalen Zusammenhang zu der Kriegsverletzung des Klägers an seiner rechten Hand. Darauf sei der Kläger in den vergangenen Jahrzehnten auch bereits vielfach sowohl von der Beklagten als auch von den Sozialgerichten in allen Instanzen hingewiesen worden.
Mit der am 9. Mai 2012 erhobenen Berufung macht der Kläger sinngemäß geltend, ihm stehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite, denn die Beklagte habe ihn nicht ordnungsgemäß beraten. Die haftungsbeschränkende Wirkung des § 44 Abs. 4 SGB X verstoße gegen EU-Recht. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts. Der Gerichtsbescheid sei unter Verletzung des Grundsatzes rechtlichen Gehörs zu Stande gekommen, denn das Gericht habe ihm, dem Kläger, nicht vorab mitgeteilt, wie es zu entscheiden gedenke.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Februar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 9.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.5.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.6.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 15.11.1989 abzuändern und bei dem Kläger eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit festzustellen sowie ihm Pflegezulage und Berufsschadensausgleich zu gewähren und bei dem Kläger eine Posttraumatische Belastungsstörung als weitere Schädigungsfolge nach § 1 BVG festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 12. Februar 2013 aufgeführten Akten und Unterlagen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berichterstatterin konnte zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern an Stelle des Senats entscheiden, da das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat ihr durch Beschluss vom 5. November 2012 die Berufung übertragen hat (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 15. Januar 1989 gegen die Beklagte in dem von ihm begehrten Sinne. Einen solchen Anspruch kann der Kläger bereits deshalb nicht geltend machen, weil der Bescheid ausschließlich Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz trifft. Dem Kläger ist auch nicht darin zu folgen, dass er zugleich im Mai 1989 eine Neufeststellung und höhrere Leistungen nach dem BVG begehrt habe und hierüber noch nicht entscheiden sei. Der Antrag des Klägers bezog sich ausdrücklich und zweifelsfrei auf eine Neufeststellung nach dem Schwerbehindertengesetz.
Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar vorträgt, bei welcher Gelegenheit die Beklagte einen Anlass zur Beratung gesehen haben sollte, kann vermittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches auch nur ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden, nicht aber ein solcher, welcher dem Gesetz widerspricht. Die Beklagte hätte aber 1989 die vom Kläger begehrten Feststellungen nicht treffen dürfen, da – jedenfalls was die höhere MdE und die Pflegezulage angeht – mittlerweile aufgrund der Urteile des SG Lübeck und des LSG Schleswig-Holstein rechtskräftig feststeht, dass ihm beides nicht zustand.
Über den Berufsschadensausgleich hat die Beklagte mit Bescheid vom 26. April 2005 bestandskräftig entscheiden. Soweit der Antrag des Klägers als Antrag nach § 44 SGB X im bezug auf diesen Bescheid auzulegen ist, ist festzustellen, dass § 44 SGB X voraussetzt, dass die Beklagte das Recht unrichtig angewandt hat oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Der Beklagten dürfte vielmehr darin zu folgen sein, dass sich ein durch die Schädigungsfolgen verursachter Einkommensverlust nicht erkennen lässt. Soweit der Kläger vorträgt, er frage sich ständig, was ohne den Krieg aus ihm geworden wäre, wenn er Gelegenheit gehabt hätte, sein Potential normal zu entwickeln, ergibt sich hieraus nicht der erforderliche konkrete Ansatz für eine Einkommensminderung.
Auch der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2009 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte war zur Feststellung einer Posttraumatischen Belastungstörung als weitere Schädigungsfolge nicht verpflichtet. Voraussetzung hierfür wäre nach § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst.a und § 5 Abs. 1 Buchst.a BVG, dass der Kläger durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung eine weitere gesundheitliche Schädigung erlitten hätte. Bei den von dem Kläger geltend gemachten Beeinträchtigungen handelt es sich aber nicht um Schädigungen, auch nicht um solche psychischer Art. Soweit der Kläger geltend macht, er sei ein Einzelgänger, dem es schwer falle, Freundschaften zu schließen, handelt es sich schlicht um durchaus verbreitete Charaktereigenschaften ohne Krankheitswert. Weder werden psychische Auffälligkeiten geschildert, noch die Inanspruchnahme ärztlicher oder medikamentöser Hilfe, die im Falle einer Beeinträchtigung von Krankheitswert zu erwarten wäre und diese gegebenenfalls belegen könnte.
Eine Zurückverweisung gemäß § 159 SGG kam nicht in Betracht. Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen nicht vor. Insbesondere leidet das erstinstanzliche Verfahren nicht, wie der Kläger meint, an einem wesentlichen Mangel. Das Sozialgericht hat den Kläger zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ordnungsgemäß angehört. Eine Mitteilung, wie das Gericht zu entscheiden gedenke, erfordert § 105 SGG nicht. Lediglich im Falle einer zu befürchtenden Überraschungsentscheidung muss das Gericht auf Tatsachen und Rechtsfragen hinweisen, welche bisher nicht erörtert worden sind. Derartige Tatsachen oder Rechtsfragen waren aber vorliegend nicht Gegenstand der Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Vorausset-zungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen zweier Überprüfungsverfahren die Feststellung eines höheren Grades der Schädigungsfolgen (GdS), die Gewährung einer Pflegezulage, die Gewährung von Berufsschadensausgleich sowie die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als weitere Schädigungsfolge.
Der am XXXXX 1934 geborene Kläger stellte am 29. Januar 1952 erstmals einen Antrag auf Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Er gab dabei an, er habe sich am 26. April 1945 im Anschluss an Kampfhandlungen bei der Besetzung der Stadt B. an Aufräumarbeiten beteiligt, dabei sei eine Granate, die er in den Fluss habe werfen wollen, in seiner Hand explodiert. An der rechten Hand fehlten ihm Mittelfinger, Ringfinger kleiner Finger und Mittelhand, vom Zeigefinger fehle das letzte Glied, das zweite Fingerglied sei versteift und dick, der Daumen sei im Grundgelenk fast völlig versteift. Zeigefinger und Daumen könne er nur als Zange benutzen. Mit dem Erstanerkennungsbescheid des Versorgungsamtes H. vom 3. Juli 1953 wurde bei dem Kläger als Schädigungsfolge im Sinne des § 1 BVG der Verlust des 3. bis 5. Fingers rechts einschließlich der dazugehörigen Mittelhandknochen sowie Teilverlust des Zeigefingerendgliedes rechts mit Versteifung des Grund- und Mittelgelenkes des Zeigefingers und eine fast völlige Versteifung des Daumengrundgelenkes rechts anerkannt. Die hierdurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab dem 1. Juli 1952 wurde mit 40 festgestellt. Auf den Widerspruch des Klägers wurde die MdE ab dem 1. November 1955 auf 50 erhöht (Bescheid vom 19. März 1957).
Ein Neufeststellungsantrag des Klägers von Oktober 1997, mit welchem der Kläger geltend machte, nach jahrelanger einseitiger Belastung durch die anerkannten Schädigungsfolgen hätten sich Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule und am linken Knie eingestellt, blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 30. Juni 1998).
Einen weiterer Neufeststellungsantrag vom April 1999 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 1999 ab. Wirbelsäulenbeschwerden und deren Folgeerscheinungen sowie eine Funktionseinschränkung im linken Knie seien bereits mit Bescheid vom 30. Juni 1998 bestandskräftig als Schädigungsfolgen abgelehnt worden. An dieser Entscheidung werde festgehalten, da der Kläger keine neuen Tatsachen vorgetragen habe. Das sich an das Widerspruchsverfahren anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Lübeck (S 12 V 283/00) bleib ohne Erfolg. Die Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) Schleswig mit Urteil vom 30. März 2005 zurück (Az ... L 2 V 49/03), die vom Kläger dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des Bundessozialgerichts vom 26. August 2005 als unzulässig verworfen. Im Urteil des LSG Schleswig ist ausgeführt, die Schädigung des Klägers sei eher mit einer zu hohen MdE als mit einer zu niedrigen bewertet worden. Hierfür spreche bereits die für das damals zuständige Versorgungsamt H. erstellte Stellungnahme des Dr. W. vom 19. Dezember 1955. Danach habe sich der Gutachter bei der Begutachtung davon überzeugen können, dass der Kläger die verbliebenen teilversteiften Finger seiner rechten Hand relativ geschickt beim Maschineschreiben benutzt habe und dass er auch relativ geschickt mit der rechten Hand geschrieben habe. Es sei ärztlicherseits unverändert festgestellt worden, dass der Schaden nicht dem Verlust der rechten Hand gleichkomme. Der leitende Arzt des Versorgungsamtes H. habe sich dieser Beurteilung angeschlossen, gleichwohl sei die MdE mit Bescheid vom 19. März 1957 von 40 auf 50 erhöht worden. Eine tragfähige Begründung für diese Entscheidung sei weder dem Bescheid noch den Verwaltungsakten zu entnehmen. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Wirbelsäulen- und Kniebeschwerden schloss sich das LSG dem SG an, welches nach Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Anschluss an den vom Kläger ausgewählten Sachverständigen Meyer-Clement einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Teilverlust der rechten Hand und Hüft- und Kniegelenksbeschwerden links ausgeschlossen hatte.
Am 30. April 2002 stellte der Kläger einen Antrag auf Pflegezulage, den die Beklagten mit der Begründung ablehnte, der Zeitaufwand für die erforderliche Pflege betrage täglich 29 Minuten, so dass kein Hilfeaufwand in erheblichem Umfang bestehe. Die sich anschließende Klage wies das SG Lübeck mit Urteil vom 20. Juli 2006 ab, die Berufung nahm der Kläger nach einem Hinweis auf die mangelnde Erfolgsaussicht zurück.
Im Januar 2004 beantragte der Kläger erstmals die Gewährung von Berufschadensausgleich; der Antrag blieb indes erfolglos (Bescheid vom 8.Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2005).
Am 5. November 2008 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Aufhebung eines Bescheides vom 25. November 1989 (gemeint ist wohl ein Bescheid aus dem Schwerbehindertenverfahren des Klägers vom 15. November 1989) und auf Feststellung, dass ein Anspruch auf Erhöhung der MdE (seit 21.12.2007: GdS) bestehe, dass ein Anspruch auf Pflegezulage bestehe und dass ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich bestehe. Zur Begründung führte er aus, er habe am 10. Mai 1989 offensichtlich ein falsches Antragsformular verwendet, dies könne jedoch keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung seines Antrags haben. Sein Antrag sei daher bis zum nämlichen Tage nicht entschieden. Des Weiteren stellte der Kläger am 15. Januar 2009 einen Antrag gemäß § 44 SGB X auf Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als weitere Schädigungsfolge. Zur Begründung führte er aus, er habe als zehnjähriges Kind nachweislich monatelang schwer verletzt in einem hilflosen Sammelbecken sterbender ziviler Kriegsopfer verbracht. Bei dieser Sachlage erübrige sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Kriegserlebnissen hätten ihn zu einem unzugänglichen Einzelgänger gemacht, unfähig sich auszutauschen oder Freundschaften zu schließen. Seine Erinnerungen an das Erlebte würden immer intensiver und kreisten täglich um die Frage, was ohne den Krieg aus ihm geworden wäre, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte, sein Potenzial normal zu entwickeln. Zusammen mit den bereits anerkannten Schädigungsfolgen ergebe sich eine Gesamt-MdE von 100. Außerdem sei ein Anspruch auf Pflegezulage erfüllt, denn der Pflegeaufwand bei ihm sei als erheblich einzustufen. Desweiteren stehe ihm Berufsschadensausgleich zu.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2009 lehnte die Beklagte den Antrag vom 5.11.2008 ab, mit Bescheid vom 10. Februar 2009 erfolgte die Ablehnung der Feststellung eines höheren GdS. Der Widerspruch gegen beide Bescheide blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2009 und vom 3. Juni 2009). Mit der am 20. Juli 2009 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein Antrag vom Mai 1989 habe ausdrücklich gelautet, weitere Behinderungen festzustellen und den Grad der MdE zu erhöhen, wobei sich MdE eindeutig auf das BVG beziehe. Hinsichtlich der chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Kindheitserlebnisse, nicht zuletzt durch die Verwundung und die folgenden kriegsbedingten Erlebnisse nicht nur zu einem dauerhaften Gesundheitsschaden geführt hätten, sondern darüber hinaus auch weit reichende wirtschaftliche Folgen verursacht hätten. Im Zeitalter von Vietnam, Kosovo, Irak und Afghanistan müsse es doch Personen geben, die über die Dauerfolgen einer posttraumatischen Belastungsstörung bei Kriegskindern und der nachfolgenden Generation kompetent Auskunft geben könnten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 5. März 2012 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, das Gericht sei ebenso wie die Beklagte der Auffassung, dass dem Kläger weder eine Erhöhung seines GdS noch die Gewährung einer Pflegezulage oder eines Berufschadensausgleiches und auch nicht die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als weitere Schädigungsfolge zustehe. Sämtliche dieser Begehren seien bereits vom SG Lübeck und vom LSG Schleswig-Holstein rechtsverbindlich abgelehnt worden. Ein Anspruch auf Neubescheidung nach § 44 SGB X bestehe nicht, denn der Kläger habe keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen, die nicht bereits in einem Bescheid der Beklagten bzw. in den Urteilen des SG Lübeck und des LSG Schleswig-Holstein berücksichtigt worden seien. Insbesondere der Vortrag des Klägers, dass seine Wirbelsäulenerkrankung und seine Verschleißerkrankung am Kniegelenk als Schädigungsfolgen anzuerkennen seien, stehe in keinem kausalen Zusammenhang zu der Kriegsverletzung des Klägers an seiner rechten Hand. Darauf sei der Kläger in den vergangenen Jahrzehnten auch bereits vielfach sowohl von der Beklagten als auch von den Sozialgerichten in allen Instanzen hingewiesen worden.
Mit der am 9. Mai 2012 erhobenen Berufung macht der Kläger sinngemäß geltend, ihm stehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Seite, denn die Beklagte habe ihn nicht ordnungsgemäß beraten. Die haftungsbeschränkende Wirkung des § 44 Abs. 4 SGB X verstoße gegen EU-Recht. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts. Der Gerichtsbescheid sei unter Verletzung des Grundsatzes rechtlichen Gehörs zu Stande gekommen, denn das Gericht habe ihm, dem Kläger, nicht vorab mitgeteilt, wie es zu entscheiden gedenke.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Februar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 9.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.5.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.6.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 15.11.1989 abzuändern und bei dem Kläger eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit festzustellen sowie ihm Pflegezulage und Berufsschadensausgleich zu gewähren und bei dem Kläger eine Posttraumatische Belastungsstörung als weitere Schädigungsfolge nach § 1 BVG festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 12. Februar 2013 aufgeführten Akten und Unterlagen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berichterstatterin konnte zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern an Stelle des Senats entscheiden, da das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat ihr durch Beschluss vom 5. November 2012 die Berufung übertragen hat (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 15. Januar 1989 gegen die Beklagte in dem von ihm begehrten Sinne. Einen solchen Anspruch kann der Kläger bereits deshalb nicht geltend machen, weil der Bescheid ausschließlich Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz trifft. Dem Kläger ist auch nicht darin zu folgen, dass er zugleich im Mai 1989 eine Neufeststellung und höhrere Leistungen nach dem BVG begehrt habe und hierüber noch nicht entscheiden sei. Der Antrag des Klägers bezog sich ausdrücklich und zweifelsfrei auf eine Neufeststellung nach dem Schwerbehindertengesetz.
Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar vorträgt, bei welcher Gelegenheit die Beklagte einen Anlass zur Beratung gesehen haben sollte, kann vermittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches auch nur ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden, nicht aber ein solcher, welcher dem Gesetz widerspricht. Die Beklagte hätte aber 1989 die vom Kläger begehrten Feststellungen nicht treffen dürfen, da – jedenfalls was die höhere MdE und die Pflegezulage angeht – mittlerweile aufgrund der Urteile des SG Lübeck und des LSG Schleswig-Holstein rechtskräftig feststeht, dass ihm beides nicht zustand.
Über den Berufsschadensausgleich hat die Beklagte mit Bescheid vom 26. April 2005 bestandskräftig entscheiden. Soweit der Antrag des Klägers als Antrag nach § 44 SGB X im bezug auf diesen Bescheid auzulegen ist, ist festzustellen, dass § 44 SGB X voraussetzt, dass die Beklagte das Recht unrichtig angewandt hat oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Der Beklagten dürfte vielmehr darin zu folgen sein, dass sich ein durch die Schädigungsfolgen verursachter Einkommensverlust nicht erkennen lässt. Soweit der Kläger vorträgt, er frage sich ständig, was ohne den Krieg aus ihm geworden wäre, wenn er Gelegenheit gehabt hätte, sein Potential normal zu entwickeln, ergibt sich hieraus nicht der erforderliche konkrete Ansatz für eine Einkommensminderung.
Auch der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2009 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte war zur Feststellung einer Posttraumatischen Belastungstörung als weitere Schädigungsfolge nicht verpflichtet. Voraussetzung hierfür wäre nach § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst.a und § 5 Abs. 1 Buchst.a BVG, dass der Kläger durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung eine weitere gesundheitliche Schädigung erlitten hätte. Bei den von dem Kläger geltend gemachten Beeinträchtigungen handelt es sich aber nicht um Schädigungen, auch nicht um solche psychischer Art. Soweit der Kläger geltend macht, er sei ein Einzelgänger, dem es schwer falle, Freundschaften zu schließen, handelt es sich schlicht um durchaus verbreitete Charaktereigenschaften ohne Krankheitswert. Weder werden psychische Auffälligkeiten geschildert, noch die Inanspruchnahme ärztlicher oder medikamentöser Hilfe, die im Falle einer Beeinträchtigung von Krankheitswert zu erwarten wäre und diese gegebenenfalls belegen könnte.
Eine Zurückverweisung gemäß § 159 SGG kam nicht in Betracht. Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen nicht vor. Insbesondere leidet das erstinstanzliche Verfahren nicht, wie der Kläger meint, an einem wesentlichen Mangel. Das Sozialgericht hat den Kläger zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ordnungsgemäß angehört. Eine Mitteilung, wie das Gericht zu entscheiden gedenke, erfordert § 105 SGG nicht. Lediglich im Falle einer zu befürchtenden Überraschungsentscheidung muss das Gericht auf Tatsachen und Rechtsfragen hinweisen, welche bisher nicht erörtert worden sind. Derartige Tatsachen oder Rechtsfragen waren aber vorliegend nicht Gegenstand der Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Vorausset-zungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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