Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 271/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2012 verurteilt, die Kläger von den Forderungen der Beigeladenen wegen Leistungen der Häuslichen Krankenpflege ("Palliativ-Behandlungs pflege") des Versicherten M.Y. in der Zeit vom 01.10. bis 03.12.2010 in Höhe von 1.848,00 EUR freizustellen. Die notwendigen Kosten der Kläger und der Beigeladenen trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Freistellung der Forderung des beigeladenen Pflegedienstes wegen der Pflege eines Versicherten der Beklagten vom 01.10. bis 03.12.2010 in Höhe von 1.848,00 EUR.
Die Kläger sind die Kinder und Alleinerben des am 00.00.000 geborenen und am 00.00.0000 verstorbenen M. Y. (im Folgenden: Versicherter). Zuletzt bestand bei diesem eine kardiale Globaldekompensation bei progredienter Raumforderung des rechten Vorhofes/DD Thrombus, eine koronare 3-Gefäßerkrankung mit hochgradiger, nicht bypassgeschützter RCA-Stenose, eine Tachyarrhytmia absoluta mit großer Raumforderung, eine Niereninsuffizienz im Stadium IV, eine Depression sowie ein Zustand nach mehreren Operationen (1995: thorakales Aortenaneurysma; 2006: Nierenbeckenkarzinom; 2007: Harnblasenkarzinom). Als sich aufgrund einer Echokardiographie während einer Krankenhausbehandlung im August 2010 der Verdacht auf ein Vorhofmyxom rechts ergab, lehnte der Versicherte nach Aufklärung über mögliche Risiken und Komplikationen eine weitere Diagnostik, z.B. durch transösophageale Echokardiographie, ab. Am 23.08.2010 schlossen der Versicherte und die Beigeladene einen Vertrag über ambulante Palliativpflege. Diese Pflege erbrachte die Beigeladene – mit Unterbrechungen – vom 23.08.2010 bis zum Tod des Versicherten am 13.02.2011. Vom 19. bis 27.10.2010 war der Versicherte in Krankenhausbehandlung wegen zunehmender Atemnot; die Ärzte stellten eine Größenzunahme des rechten Vorhofmyxom/DD Thrombus und eine hochgradige RCA-Stenose fest. Im Entlassungsbericht des Krankenhauses heißt es: "Nach reiflicher Überlegung seitens des Patienten und mehrfachen intensiven Gesprächen lehnte Herr Wilden eine operative Sanierung ab. Über das Risiko des Versterbens am plötzlichen Herztod sind der Patient und die Hausärztin informiert. Bereits im hausärztlichen Bereich hatte Herr Wilden eine Reanimation abgelehnt. Somit ist die weitere medikamentöse Therapie als eine palliative Therapie zu sehen, ein Einbringen in das Palliativprogramm erfolgte bereits durch die Hausärztin."
Die Palliativpflege des Versicherten durch die Beigeladene erfolgte zunächst vom 23.08. bis 03.12.2010 im Rahmen der "Allgemeinen ambulanten Palliativversorgung" (AAPV), vom 20.12.2010 bis 31.01.2011 im Rahmen der "Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung" (SAPV) und zuletzt wieder vom 01. bis 13.02.2011 im Rahmen der AAPV. Während die AAPV im Rahmen häuslicher Krankenpflege (HKP) gem. § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erbracht und direkt mit den Krankenkassen abgerechnet wird, wird die SAPV gem. § 37b SGB V erbracht und über ein Palliativ-Care-Team, z.B. Home Care, mit der kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet.
Erstmals am 24.08.2010 verordnete die Hausärztin Dr. Q. HKP in Form von zweimal täglicher Palliativbehandlung für die Zeit vom 23. bis 31.08.2010. Durch Bescheid vom 13.09.2010 bewilligte die Beklagte diese Leistung entsprechend der Verordnung. Am 30.08.2010 verordnete Dr. Q. HKP in Form von zweimal täglicher Symptomkontrolle für den September 2010. In einer Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) der Beklagte kam Dr. N. am 07.09.2010 zum Ergebnis, beim Versicherten bestehe keine Erkrankung, bei der davon ausgegangen werden müsse, dass die Lebenserwartung nur noch sehr begrenzt sei; somit seien die Voraussetzungen einer Palliativpflege nicht erfüllt; es seien weder Sicherungspflege noch Palliativpflege durch einen Pflegedienst erforderlich. Gestützt hierauf bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 14.09.2010 HKP in Form von Palliativversorgung nur noch für die Zeit vom 01. bis 17.09.2010, dem Datum der Bekanntgabe des Bescheides, lehnte jedoch die Leistung ab 18.09.2010 als nicht erforderlich ab. Im Hinblick darauf erbrachte die Beigeladene vom 18. bis 30.09.2010 keine Pflegeleistungen mehr.
Am 23.09.2010 verordnete Dr. Q. jedoch erneut HKP in Form zweimal täglicher palliativer Behandlungspflege für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.2010.
Die Beklagte lehnte die Leistung durch Bescheid vom 12.10.2010 ab. Dagegen erhob der Versicherte am 12.11.2010 Widerspruch unter Vorlage des Krankenhausberichtes über seine stationäre Behandlung im Oktober 2010.
Daraufhin holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme des SMD ein, die dieser aufgrund eines Hausbesuches bei dem Versicherten am 01.12.2010 erstellte. Darin heißt es: "Auch anlässlich der heutigen Begutachtung gibt der Versicherte auf Befragen an, dass er eine Operation ablehne; er habe bereits einmal eine Bypassoperation bekommen und wolle eine vergleichbare Operation nicht mehr durchführen lassen. Auf konservativem Weg ist die Erkrankung anscheinend nicht heilbar. Es besteht sicherlich das Risiko eines plötzlichen Herztodes; eine zwangsläufig begrenzte Lebenserwartung von wenigen Tagen oder Wochen lieg jedoch nicht vor. Es ist auch keine besonders aufwändige Versorgung des Versicherten erforderlich, insbesondere keine ausgeprägte Schmerztherapie, Wundversorgung oder psychotherapeutische Maßnahmen. Der Versicherte hat keine Wunden, gibt keine Schmerzen an und wirkt psychisch ausgesprochen stabil. Auch die Werte der vom Pflegedienst durchgeführten Symptomkontrolle sprechen für einen noch relativ guten Allgemeinzustand des Versicherten. Insgesamt liegt nach gutachterlicher Einschätzung die Indikation für eine Palliativbehandlung nicht vor. Zusammengefasst ist demnach derzeit keine Palliativversorgung durch einen Pflegedienst erforderlich."
Erstmals am 23.12.2010 für die Zeit vom 20. bis 31.12.2010 und sodann am 03.01.2011 für die Zeit bis 31.01.2011 verordneten die Dres. L. SAPV u.a. wegen koronarer Herzkrankheit und Angina pectoris bei ausgeprägter Schmerzsymptomatik und ausgeprägter respiratorischer/kardialer Symptomatik; notwendig sei eine Symptomkontrolle, Intervention bei akuten AP-Beschwerden sowie Dyspnoe, Urokathederkontrolle und Führung der Angehörigen. Hierzu befragt stellte der SMD am 03.01. und 04.02.2011 fest, die Beurteilung vom 01.12.2010 sei weiterhin zutreffend. Demgegenüber teilte die Hausärztin Dr. Q. am 20.01.2011 mit, es handele sich bei dem Versicherten um ein äußerst kompliziertes metabolisches Syndrom mit einer ausgebrannten KHK, kompliziert durch ein nicht operables Vorhofmyxom und eine Niereninsuffizienz im Stadium III – V; aufgrund des vorbeschriebenen Krankheitsbildes komme es immer wieder zu einer Linksherzinsuffizienz. Infolge des komplizierten Krankheitsverlaufes erschien der Hausärztin die Einschreibung in die SAPV dringend erforderlich und der einzig mögliche Weg, dem Versicherten eine stationäre Krankenhauspflege zu ersparen. Die Beigeladene erbrachte die SAPV vom 20.12.2010 bis 31.01.2011. Sie erklärte hierzu am 21.01.2011, dass der Versicherte aufgrund seiner Erkrankung des Öfteren unter akuter Luftnot und Angstzuständen leide und deshalb der Bereitschaftsdienst der Beigeladenen vom Versicherten sehr oft in Anspruch genommen werde.
Nach dem Tod des Versicherten nahmen die Kläger als dessen Alleinerben das Verfahren auf und legten der Beklagten u.a. drei Rechnungen der Beigeladenen über Palliativpflege vom 01.10. bis 03.12.2010 über insgesamt 1.848,00 EUR vor. Da die Rechnungen noch nicht beglichen waren, beantragten die Kläger die Freistellung von den Forderungen der Beigeladenen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 31.07.2012, zur Post gegeben am 01.08.2012, wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung der HKP "Palliativpflege" nach § 37 SGB V zurück mit der Begründung, im streitbefangenen Zeitraum hätten die Voraussetzungen für diese Leistung nicht vorgelegen; deshalb könnten die nach den vorgelegten Rechnungen entstandenen Kosten von 1.848,00 EUR nicht erstattet werden.
Dagegen haben die Kläger am Montag, 03.09.2012, Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, die Ablehnung der Palliativversorgung sei rechtswidrig; der Versicherte sei aufgrund ärztlicher Verordnung von der Beigeladenen gepflegt worden. Dr. Q. habe die Palliativpflege für medizinisch notwendig erachtet, und zwar wegen koronarer Herzkrankheit, instabiler Angina pectoris, Diabetes, Depressionen, Hautkrebs und Nierenkarzinom.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2012 zu verurteilen, sie von den Forderungen der Beigeladenen wegen Leistungen der häuslichen Krankenpflege ("Palliativ-Behandlungspflege") des Versicherten M. Y. in der Zeit vom 01.10. bis 03.12.2010 in Höhe von 1.848,00 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, die vorgelegten Rechnungen beinhalteten lediglich Leistungen des beigeladenen Pflegedienstes, die ausschließlich über § 37b SGB V als SAPV abrechenbar seien. Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, dass die für den streitbefangenen Zeitraum verordnete HKP aus medizinischen Gründen nicht erforderlich gewesen ist.
Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag; sie schließt sich dem Antrag der Kläger an. Sie hat den zwischen ihr und mehreren gesetzlichen Krankenkassen, darunter auch der Beklagten, geschlossenen AAPV-Vertrag vom 05.11.2007 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen den Versicherten betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der Pflegeakte der Beigeladenen und der Krankenhausakten über die stationären Behandlungen des Versicherten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Die Kläger werden durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) da sie rechtswidrig sind. Der Versicherte hatte (jedenfalls) im streitbefangenen Zeitraum vom 01.10. bis 03.12.2010 Anspruch auf HKP nach § 37 SGB V in Form von Palliativ-Behandlungspflege. Da diese Leistung von der Beigeladenen tatsächlich erbracht worden ist, deren Rechnungen aber noch nicht beglichen sind, hat die Beklagte die Kläger, die nach dem Tod des Versicherten als dessen Alleinerben und Rechtsnachfolger berechtigt sind, dessen Ansprüche weiter zu verfolgen, von den Forderungen der Beigeladenen ihnen gegenüber freizustellen. Diese belaufen sich ausweislich der vorgelegten Rechnungen auf 1.848,00 EUR.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege (HKP) durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die HKP vermieden oder verkürzt wird. Die HKP umfasst die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung (Satz 2). Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall (Satz 4). Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherten in ihrem Haushalt als HKP Behandlungspflege (ohne zeitliche Begrenzung), wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Zur HKP in Form von Behandlungspflege gem. § 37 Abs. 1 und 2 SGB V gehört auch die "Allgemeine ambulante Palliativversorgung" (AAPV), zu deren Erbringung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung die Beigeladene zugelassen und berechtigt ist. Dies ergibt sich aus dem zwischen der Beigeladenen und (u.a.) der Beklagten nach § 132a Abs. 2 SGB V geschlossenen "Vertrag über die ambulante palliativpflegerische Versorgung" vom 05.11.2007. In der Präambel dieses Vertrages heißt es: "Das Ziel der ambulanten Palliativversorgung ist, Sterbenden (§ 20) zu ermöglichen, die letzte Phase ihres Lebens in häuslicher Umgebung zu verbringen. Hiermit soll dem sterbenden Menschen ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben bis zum Ende ermöglich werden." Nach § 20 des Vertrages umfasst der Personenkreis, der Anspruch auf AAPV hat, "unheilbar kranke Versicherte, deren Krankheit a) progredient verläuft und bereits soweit fortgeschritten ist, dass lediglich eine Lebens- erwartung von Wochen oder wenigen Monaten zu erwarten ist und b) eine ambulante palliative Versorgung notwendig macht und vom Patienten erwünscht ist. Die Notwendigkeit einer ambulanten palliativen Versorgung kann sich insbesondere bei folgenden Krankheitsbildern im Endstadium ergeben: c) fortgeschrittene Krebserkrankung, d) Vollbild der Infektionskrankheit AIDS, e) Erkrankung des Nervensystems mit unaufhaltsam fortschreitenden Lähmungen, f) Endzustand einer chronischen Nieren-, Leber-, Herz- oder Lungenerkrankung. Kurative Behandlungen sind bei Palliativpatienten ausgeschöpft und nicht mehr angezeigt."
In § 8 des Vertrages i.V.m. mit dessen Anlage 3 sind die Leistungen der AAPV und die Maßnahmen zu deren Erbringung aufgelistet: "Die Leistungen der ambulanten Palliativversorgung sind insbesondere: • Psychosoziale Betreuung • Grundpflege/Pflegeleistungen (SGB XI) • Delegierte ärztliche Leistungen, wie z.B. die Punktion von Portsystemen oder die Gabe von IV-Infusionen sowie subkutane Infusionen mit Medikamenten • Behandlungspflege entsprechend den Richtlinien über die Versorgung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V Maßnahmen zur Erbringung der Leistungen dieses Vertrages sind: • Überwachung einer symptomlindernden Behandlung und/oder Hilfestellung bei der Anwendung von symptomlindernden Medikamenten oder anderen Maßnahmen zur Symptomlinderung • Palliativpflegerische Versorgung der Patientinnen und Patienten bei krank- heits- oder therapiebedingten Komplikationen • Gemeinsame Krisenintervention (ärztlich und pflegerisch), um den Verbleib im häuslichen Umfeld zu sichern • Antizipative Krisenintervention durch vorausschauende Pflegeplanung im Umgang mit vorhersehbaren Akutsituationen und/oder ethisch schwierigen Entscheidungssituationen • Umfassende Versorgung exulzerierender Tumore (z.B. zur Reduktion der Blutungsgefahr und Wundinfektion) • Überwachung von apparativen palliativmedizinischen Behandlungsmaß- nahmen (z.B. Medikamentenpumpe) • Hilfe beim Umgang mit der Krankheit • Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit Sterben und Tod • Anleitung bzw. Beratung von Patienten, Angehörigen zur Durchführung von Behandlungspflegen • Beratungsgespräche zwischen Arzt und Pflegedienst beim Einsatz und bei der Anwendung spezieller palliativpflegerischer Maßnahmen."
Mit Wirkung ab 01.04.2007 hat der Gesetzgeber in § 37b SGB V als weitere Leistung die "Spezialisierte ambulante Palliativversorgung" (SAPV) eingeführt. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift haben Versicherte mit einer nichtheilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen, Anspruch auf SAPV. Die Einzelheiten dieser Leistung werden in den hierzu gem. § 132d SGB V i.V.m. § 37b SGB V erlassenen "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung" (SAPV-RV) und in hiernach zwischen Pflegediensten und Krankenkassen geschlossenen Verträgen über die Erbringung der SAPV geregelt. Die Beigeladene ist auch zur Erbringung der SAPV zugelassen und berechtigt.
Aus dem Umstand, dass Palliativpflege sowohl im Rahmen von AAPV gem. § 37 SGB V als auch im Rahmen von SAPV gem. § 37b SGB V erbracht werden kann und im Fall des Versicherten im gesamten Pflegezeitraum vom 23.08.2010 bis 13.02.2011 auch erbracht worden ist, folgt, dass die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung, dass die vom Pflegedienst erbrachten Leistungen, wie sie sich aus den vorgelegten Rechnungen ergeben, "ausschließlich über § 37b SGB V abrechenbar" seien, nicht zutrifft. Im Gegenteil: Aus den Bestimmungen des Gesetzes, der Richtlinien und der Verträge ergibt sich, dass die vom Pflegedienst zu erbringenden Leistungen der AAPV und SAPV kaum voneinander zu unterscheiden sind. Dies hat die bei der Beigeladenen beschäftigte und in der Pflege des Versicherten eingesetzte Palliativpflegekraft in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Unterschiedlich sind die Organisationsstrukturen und die Abrechnungsform der beiden Leistungskomplexe. Während die AAPV im Rahmen der HKP nach § 37 SGB V im Wesentlichen vom Pflegedienst erbracht wird, die Einbindung der Ärzte eher unverbindlich ist und die Leistung direkt mit der Krankenkasse abgerechnet wird, geschieht die SAPV nach § 37b SGB V durch Einbindung in ein Gesamtkonzept und verbindliche Einbeziehung von Ärzten und Kooperationspartnern; sie wird über die kassenärztliche Vereinigung abgerechnet. Zutreffend hat die Beigeladene daher die von ihr im streitigen Zeitraum der HKP erbrachten AAPV-Leistungen als "Palliativbehandlungspflege" bezeichnet und vertragsgemäß in Rechnung gestellt. Diese Leistungen der HKP waren – entgegen der Auffassung der Beklagten und ihres SMD – auch erforderlich und erfüllten die Voraussetzungen des AAPV-Vertrages.
Der Versicherte gehörte zum Personenkreis Sterbender im Sinne der Präambel und des § 20 Satz 1 des Vertrages. Er war unheilbar krank, seine Krankheit verlief progredient und machte ambulante palliative Versorgung notwendig, die vom Versicherten auch erwünscht war. Die Notwendigkeit der AAPV ergab sich daraus, dass sich der Versicherte – jedenfalls ab Oktober 2010 – im "Endstadium einer chronischen Nieren-, Leber-, Herz- oder Lungenerkrankung" im Sinne von § 20 Satz 2 Buchstabe f) des Vertrages befand. Dies ergibt sich für die Kammer nachvollziehbar mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bericht über die stationäre Krankenhausbehandlung im Oktober 2010. Danach waren – wie § 20 Satz 3 des Vertrages voraussetzt – "kurative", d.h. auf Heilung ausgerichtete (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage 2007, S. 1050) Behandlungen ausgeschöpft und nicht mehr angezeigt. Allein der Umstand, dass die Krankenhausärzte noch eine Operation des Vorhofmyxoms bzw. Thrombus erwogen und dem Versicherten vorgeschlagen haben, bedeutet nicht, dass dies noch eine kurative Therapie gewesen wäre. Es wäre eine Therapieoption gewesen, dessen Erfolg aus Sicht des Versicherten nicht feststand, dessen Begleiterscheinungen und mögliche Folgen er sich aber nicht mehr zumuten wollte. Der Versicherte war im Oktober 2010 fast 80 Jahre alt; er litt an schwerwiegenden Krankheiten, hatte einen langen Leidensweg und zahlreiche Operationen hinter sich. Wenn ihm in einer solchen Situation aufgrund eines neuen schwerwiegenden "raumgreifenden" Befundes (Vorhofmyxom/Thrombus) eine weitere Operation in Aussicht gestellt wird, ist es verständlich und nachvollziehbar, dass er sich – "nach reiflicher Überlegung", "mehrfachen intensiven Gesprächen" und Aufklärung über das "Risiko des Versterbens am plötzlichen Herztod" (so der Krankenhausbericht vom 20.10.2010) – gegen eine operative Intervention entscheidet. Aus den Darlegungen in den Krankenhausentlassungsberichten vom 16.08. und 20.10.2010 wird deutlich, dass sich der Versicherte nicht erst im Oktober, sondern bereits im August 2010 mit dem Gedanken des Sterbens und einem – möglicherweise plötzlich und schnell eintretenden – Tod befasst hatte. Die Krankenhausärzte sahen nach der zweiten Krankenhausbehandlung innerhalb weniger Wochen und aufgrund der Entscheidung des Versicherten nur noch die Möglichkeit einer "palliativen", d.h. die Beschwerden einer Krankheit (schmerz)lindernden (Pschyrembel, a.a.O., S. 1420) Therapie.
Die Palliativbehandlung/-pflege befasst sich mit dem Thema "Sterben und sterben lassen" (so der Titel eines Artikels von Anna von Münchhausen in: "DIE ZEIT" Nr. 31 vom 25.07.2013, S. 50). Sie beginnt aber nicht erst mit der neueingeführten SAPV gem. § 37b SGB V, bei der ein Team besonders qualifizierter Ärzte, Pflege- und Koordinationskräfte (in Aachen: Home Care) dafür sorgt, dass zuhause alles notwendige für den Patienten getan wird, z.B. auch, dass er nicht unnötig in ein Krankenhaus eingewiesen wird und seine Familie sich betreut fühlt (von Münchhausen, DIE ZEIT, a.a.O.). Die Palliativbehandlung/-pflege setzt – nicht erst im Rahmen der SAPV, sondern auch schon im Rahmen der AAPV – ein, wenn Heilung und Genesung für den Patienten keine Option mehr bieten; dann geht es darum, "urmenschliche Bedürfnisse in einer ultimativen Situation" zu befriedigen, nämlich "keine Angst haben müssen, von Schmerzen und von Atemnot befreit werden, Nähe erleben, Zuwendung bekommen, letzte Fragen klären zu können" (von Münchhausen, DIE ZEIT, a.a.O.). Diese Palliativpflege hat der Versicherte durch den am 23.08.2010 mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrag für sich in Anspruch genommen, und dieser Palliativpflege hat er – jedenfalls ab Oktober 2010 und im hier streitigen Zeitraum – auch bedurft; sie war – entgegen der Einschätzung des SMD – medizinisch erforderlich.
Wie die Palliativpflegekraft der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung anschaulich dargelegt hat, standen zu Beginn der AAPV, als der Versicherte noch einigermaßen stabil war, intensive Gespräche, die Auseinandersetzung mit dem Sterben, im Vordergrund, Maßnahmen also, wie sie nach der Anlage 3 zum AAPV-Vertrag ausdrücklich zur Erbringung dieser Leistungen vorgesehen sind. Ab Oktober 2010 im hier streitigen Zeitraum ist es dann zu einer massiven Verschlechterung gekommen; der Versicherte hatte häufige Panikattacken, Luftnot, es waren nächtliche Einsätze notwendig. Dieser Zustand führte schließlich in die ab 20.12.2010 erbrachte SAPV. Aber auch davor – und jedenfalls ab 01.10.2010 – war, wie die Palliativpflegekraft nachvollziehbar und für die Kammer überzeugend geschildert hat, Palliativpflege erforderlich. Die Klägerin hat dazu ergänzend ausgeführt, dass sie, wenn sie in der hier streitigen Zeit den Pflegedienst nicht gehabt hätten, in vielen Fällen den Notdienst angerufen hätten und der Vater ins Krankenhaus gebracht worden wäre. Dieser sei oft ganz panisch gewesen, insbesondere wenn er schlecht Luft bekommen habe. Sie hätten dann zwar versucht, ihn zu beruhigen, aber oft habe dies auch nicht geklappt. Dann hätten sie den Pflegedienst angerufen. Oftmals sei allein der Umstand des Anrufs beim Pflegedienst der Grund gewesen, dass der Vater ruhiger geworden sei, weil er wusste, dass nun jemand kommt.
Soweit der SMD in seinen Stellungnahmen vom 07.09. und 01.12.2010 anmerkt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Lebenserwartung nur noch sehr – "auf wenige Tage oder Wochen" – begrenzt, sei, und nicht zuletzt auch deshalb die Erforderlichkeit einer Palliativversorgung verneint hat, verkennt er die Zielsetzung und den Inhalt der Palliativpflege, abgesehen davon, dass diese auch dann schon in Betracht kommt, wenn die Lebenserwartung noch mehrere Monate beträgt (vgl. § 20 AAPV-Vertrag und § 3 SAPV-Vertrag). Der Versicherte wollte keine neue operative Sanierung mehr und die Krankenhausärzte sahen in Übereinstimmung mit den behandelnden Hausärzten nur noch eine palliative Behandlung als Therapie der Wahl. Es mag sein, dass die Lebenserwartung nicht "zwangsläufig" wie der SMD gefordert hat, begrenzt war, aber die Ärzte sahen ein großes Risiko für einen (plötzlichen) Herztod, wie er dann ja auch – nach zunehmenden Beschwerden – am 13.02.2011 eingetreten ist. Auch wenn die Palliativpflege sich im Fall des Versicherten über einen Zeitraum von fünf Monaten und drei Wochen erstreckte, waren in seinem Fall, davon ist die Kammer nach Auswertung aller ihr vorliegenden Krankenhaus- und Pflegeberichte überzeugt, die Voraussetzungen einer AAPV als Leistungen der HKP nach § 37 SGB V im streitigen Zeitraum erfüllt.
Die Tatsache, dass die Ärzte und – ihnen zwangsläufig folgend – die Beigeladene noch in der Endphase des Sterbeprozesses zwischen AAPV und SAPV wechselten, offenbar veranlasst durch die Stellungnahme des SMD und die daraus resultierende ablehnende Haltung der Beklagten, zeigt, welche Unsicherheit und auch teilweise Unkenntnis noch auf Seiten der Versicherten, Angehörigen, Pflegedienste, Ärzte und Krankenkassen in Bezug auf die Palliativbehandlung/-pflege herrschen. Wenn der Versicherte deshalb in den letzten zwei Wochen seines Lebens nach vorheriger AAPV und danach SAPV nun wieder AAPV erhielt und dafür noch Kosten der Beigeladenen in Höhe von 429,00 EUR (vgl. die Rechnung der Beigeladenen vom 30.06.2011 über die "Palliativbehandlungspflege" nach § 37 SGB V für die Zeit vom 01.02. bis 13.02.2011) unbeglichen sind, sollte die Beklagte erwägen, die Kläger auch insoweit von der Forderung der Beigeladenen freizustellen, auch wenn dies nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Freistellung der Forderung des beigeladenen Pflegedienstes wegen der Pflege eines Versicherten der Beklagten vom 01.10. bis 03.12.2010 in Höhe von 1.848,00 EUR.
Die Kläger sind die Kinder und Alleinerben des am 00.00.000 geborenen und am 00.00.0000 verstorbenen M. Y. (im Folgenden: Versicherter). Zuletzt bestand bei diesem eine kardiale Globaldekompensation bei progredienter Raumforderung des rechten Vorhofes/DD Thrombus, eine koronare 3-Gefäßerkrankung mit hochgradiger, nicht bypassgeschützter RCA-Stenose, eine Tachyarrhytmia absoluta mit großer Raumforderung, eine Niereninsuffizienz im Stadium IV, eine Depression sowie ein Zustand nach mehreren Operationen (1995: thorakales Aortenaneurysma; 2006: Nierenbeckenkarzinom; 2007: Harnblasenkarzinom). Als sich aufgrund einer Echokardiographie während einer Krankenhausbehandlung im August 2010 der Verdacht auf ein Vorhofmyxom rechts ergab, lehnte der Versicherte nach Aufklärung über mögliche Risiken und Komplikationen eine weitere Diagnostik, z.B. durch transösophageale Echokardiographie, ab. Am 23.08.2010 schlossen der Versicherte und die Beigeladene einen Vertrag über ambulante Palliativpflege. Diese Pflege erbrachte die Beigeladene – mit Unterbrechungen – vom 23.08.2010 bis zum Tod des Versicherten am 13.02.2011. Vom 19. bis 27.10.2010 war der Versicherte in Krankenhausbehandlung wegen zunehmender Atemnot; die Ärzte stellten eine Größenzunahme des rechten Vorhofmyxom/DD Thrombus und eine hochgradige RCA-Stenose fest. Im Entlassungsbericht des Krankenhauses heißt es: "Nach reiflicher Überlegung seitens des Patienten und mehrfachen intensiven Gesprächen lehnte Herr Wilden eine operative Sanierung ab. Über das Risiko des Versterbens am plötzlichen Herztod sind der Patient und die Hausärztin informiert. Bereits im hausärztlichen Bereich hatte Herr Wilden eine Reanimation abgelehnt. Somit ist die weitere medikamentöse Therapie als eine palliative Therapie zu sehen, ein Einbringen in das Palliativprogramm erfolgte bereits durch die Hausärztin."
Die Palliativpflege des Versicherten durch die Beigeladene erfolgte zunächst vom 23.08. bis 03.12.2010 im Rahmen der "Allgemeinen ambulanten Palliativversorgung" (AAPV), vom 20.12.2010 bis 31.01.2011 im Rahmen der "Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung" (SAPV) und zuletzt wieder vom 01. bis 13.02.2011 im Rahmen der AAPV. Während die AAPV im Rahmen häuslicher Krankenpflege (HKP) gem. § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erbracht und direkt mit den Krankenkassen abgerechnet wird, wird die SAPV gem. § 37b SGB V erbracht und über ein Palliativ-Care-Team, z.B. Home Care, mit der kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet.
Erstmals am 24.08.2010 verordnete die Hausärztin Dr. Q. HKP in Form von zweimal täglicher Palliativbehandlung für die Zeit vom 23. bis 31.08.2010. Durch Bescheid vom 13.09.2010 bewilligte die Beklagte diese Leistung entsprechend der Verordnung. Am 30.08.2010 verordnete Dr. Q. HKP in Form von zweimal täglicher Symptomkontrolle für den September 2010. In einer Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) der Beklagte kam Dr. N. am 07.09.2010 zum Ergebnis, beim Versicherten bestehe keine Erkrankung, bei der davon ausgegangen werden müsse, dass die Lebenserwartung nur noch sehr begrenzt sei; somit seien die Voraussetzungen einer Palliativpflege nicht erfüllt; es seien weder Sicherungspflege noch Palliativpflege durch einen Pflegedienst erforderlich. Gestützt hierauf bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 14.09.2010 HKP in Form von Palliativversorgung nur noch für die Zeit vom 01. bis 17.09.2010, dem Datum der Bekanntgabe des Bescheides, lehnte jedoch die Leistung ab 18.09.2010 als nicht erforderlich ab. Im Hinblick darauf erbrachte die Beigeladene vom 18. bis 30.09.2010 keine Pflegeleistungen mehr.
Am 23.09.2010 verordnete Dr. Q. jedoch erneut HKP in Form zweimal täglicher palliativer Behandlungspflege für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.2010.
Die Beklagte lehnte die Leistung durch Bescheid vom 12.10.2010 ab. Dagegen erhob der Versicherte am 12.11.2010 Widerspruch unter Vorlage des Krankenhausberichtes über seine stationäre Behandlung im Oktober 2010.
Daraufhin holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme des SMD ein, die dieser aufgrund eines Hausbesuches bei dem Versicherten am 01.12.2010 erstellte. Darin heißt es: "Auch anlässlich der heutigen Begutachtung gibt der Versicherte auf Befragen an, dass er eine Operation ablehne; er habe bereits einmal eine Bypassoperation bekommen und wolle eine vergleichbare Operation nicht mehr durchführen lassen. Auf konservativem Weg ist die Erkrankung anscheinend nicht heilbar. Es besteht sicherlich das Risiko eines plötzlichen Herztodes; eine zwangsläufig begrenzte Lebenserwartung von wenigen Tagen oder Wochen lieg jedoch nicht vor. Es ist auch keine besonders aufwändige Versorgung des Versicherten erforderlich, insbesondere keine ausgeprägte Schmerztherapie, Wundversorgung oder psychotherapeutische Maßnahmen. Der Versicherte hat keine Wunden, gibt keine Schmerzen an und wirkt psychisch ausgesprochen stabil. Auch die Werte der vom Pflegedienst durchgeführten Symptomkontrolle sprechen für einen noch relativ guten Allgemeinzustand des Versicherten. Insgesamt liegt nach gutachterlicher Einschätzung die Indikation für eine Palliativbehandlung nicht vor. Zusammengefasst ist demnach derzeit keine Palliativversorgung durch einen Pflegedienst erforderlich."
Erstmals am 23.12.2010 für die Zeit vom 20. bis 31.12.2010 und sodann am 03.01.2011 für die Zeit bis 31.01.2011 verordneten die Dres. L. SAPV u.a. wegen koronarer Herzkrankheit und Angina pectoris bei ausgeprägter Schmerzsymptomatik und ausgeprägter respiratorischer/kardialer Symptomatik; notwendig sei eine Symptomkontrolle, Intervention bei akuten AP-Beschwerden sowie Dyspnoe, Urokathederkontrolle und Führung der Angehörigen. Hierzu befragt stellte der SMD am 03.01. und 04.02.2011 fest, die Beurteilung vom 01.12.2010 sei weiterhin zutreffend. Demgegenüber teilte die Hausärztin Dr. Q. am 20.01.2011 mit, es handele sich bei dem Versicherten um ein äußerst kompliziertes metabolisches Syndrom mit einer ausgebrannten KHK, kompliziert durch ein nicht operables Vorhofmyxom und eine Niereninsuffizienz im Stadium III – V; aufgrund des vorbeschriebenen Krankheitsbildes komme es immer wieder zu einer Linksherzinsuffizienz. Infolge des komplizierten Krankheitsverlaufes erschien der Hausärztin die Einschreibung in die SAPV dringend erforderlich und der einzig mögliche Weg, dem Versicherten eine stationäre Krankenhauspflege zu ersparen. Die Beigeladene erbrachte die SAPV vom 20.12.2010 bis 31.01.2011. Sie erklärte hierzu am 21.01.2011, dass der Versicherte aufgrund seiner Erkrankung des Öfteren unter akuter Luftnot und Angstzuständen leide und deshalb der Bereitschaftsdienst der Beigeladenen vom Versicherten sehr oft in Anspruch genommen werde.
Nach dem Tod des Versicherten nahmen die Kläger als dessen Alleinerben das Verfahren auf und legten der Beklagten u.a. drei Rechnungen der Beigeladenen über Palliativpflege vom 01.10. bis 03.12.2010 über insgesamt 1.848,00 EUR vor. Da die Rechnungen noch nicht beglichen waren, beantragten die Kläger die Freistellung von den Forderungen der Beigeladenen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 31.07.2012, zur Post gegeben am 01.08.2012, wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung der HKP "Palliativpflege" nach § 37 SGB V zurück mit der Begründung, im streitbefangenen Zeitraum hätten die Voraussetzungen für diese Leistung nicht vorgelegen; deshalb könnten die nach den vorgelegten Rechnungen entstandenen Kosten von 1.848,00 EUR nicht erstattet werden.
Dagegen haben die Kläger am Montag, 03.09.2012, Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, die Ablehnung der Palliativversorgung sei rechtswidrig; der Versicherte sei aufgrund ärztlicher Verordnung von der Beigeladenen gepflegt worden. Dr. Q. habe die Palliativpflege für medizinisch notwendig erachtet, und zwar wegen koronarer Herzkrankheit, instabiler Angina pectoris, Diabetes, Depressionen, Hautkrebs und Nierenkarzinom.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2012 zu verurteilen, sie von den Forderungen der Beigeladenen wegen Leistungen der häuslichen Krankenpflege ("Palliativ-Behandlungspflege") des Versicherten M. Y. in der Zeit vom 01.10. bis 03.12.2010 in Höhe von 1.848,00 EUR freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, die vorgelegten Rechnungen beinhalteten lediglich Leistungen des beigeladenen Pflegedienstes, die ausschließlich über § 37b SGB V als SAPV abrechenbar seien. Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, dass die für den streitbefangenen Zeitraum verordnete HKP aus medizinischen Gründen nicht erforderlich gewesen ist.
Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag; sie schließt sich dem Antrag der Kläger an. Sie hat den zwischen ihr und mehreren gesetzlichen Krankenkassen, darunter auch der Beklagten, geschlossenen AAPV-Vertrag vom 05.11.2007 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen den Versicherten betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der Pflegeakte der Beigeladenen und der Krankenhausakten über die stationären Behandlungen des Versicherten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Die Kläger werden durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) da sie rechtswidrig sind. Der Versicherte hatte (jedenfalls) im streitbefangenen Zeitraum vom 01.10. bis 03.12.2010 Anspruch auf HKP nach § 37 SGB V in Form von Palliativ-Behandlungspflege. Da diese Leistung von der Beigeladenen tatsächlich erbracht worden ist, deren Rechnungen aber noch nicht beglichen sind, hat die Beklagte die Kläger, die nach dem Tod des Versicherten als dessen Alleinerben und Rechtsnachfolger berechtigt sind, dessen Ansprüche weiter zu verfolgen, von den Forderungen der Beigeladenen ihnen gegenüber freizustellen. Diese belaufen sich ausweislich der vorgelegten Rechnungen auf 1.848,00 EUR.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege (HKP) durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die HKP vermieden oder verkürzt wird. Die HKP umfasst die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung (Satz 2). Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall (Satz 4). Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherten in ihrem Haushalt als HKP Behandlungspflege (ohne zeitliche Begrenzung), wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Zur HKP in Form von Behandlungspflege gem. § 37 Abs. 1 und 2 SGB V gehört auch die "Allgemeine ambulante Palliativversorgung" (AAPV), zu deren Erbringung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung die Beigeladene zugelassen und berechtigt ist. Dies ergibt sich aus dem zwischen der Beigeladenen und (u.a.) der Beklagten nach § 132a Abs. 2 SGB V geschlossenen "Vertrag über die ambulante palliativpflegerische Versorgung" vom 05.11.2007. In der Präambel dieses Vertrages heißt es: "Das Ziel der ambulanten Palliativversorgung ist, Sterbenden (§ 20) zu ermöglichen, die letzte Phase ihres Lebens in häuslicher Umgebung zu verbringen. Hiermit soll dem sterbenden Menschen ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben bis zum Ende ermöglich werden." Nach § 20 des Vertrages umfasst der Personenkreis, der Anspruch auf AAPV hat, "unheilbar kranke Versicherte, deren Krankheit a) progredient verläuft und bereits soweit fortgeschritten ist, dass lediglich eine Lebens- erwartung von Wochen oder wenigen Monaten zu erwarten ist und b) eine ambulante palliative Versorgung notwendig macht und vom Patienten erwünscht ist. Die Notwendigkeit einer ambulanten palliativen Versorgung kann sich insbesondere bei folgenden Krankheitsbildern im Endstadium ergeben: c) fortgeschrittene Krebserkrankung, d) Vollbild der Infektionskrankheit AIDS, e) Erkrankung des Nervensystems mit unaufhaltsam fortschreitenden Lähmungen, f) Endzustand einer chronischen Nieren-, Leber-, Herz- oder Lungenerkrankung. Kurative Behandlungen sind bei Palliativpatienten ausgeschöpft und nicht mehr angezeigt."
In § 8 des Vertrages i.V.m. mit dessen Anlage 3 sind die Leistungen der AAPV und die Maßnahmen zu deren Erbringung aufgelistet: "Die Leistungen der ambulanten Palliativversorgung sind insbesondere: • Psychosoziale Betreuung • Grundpflege/Pflegeleistungen (SGB XI) • Delegierte ärztliche Leistungen, wie z.B. die Punktion von Portsystemen oder die Gabe von IV-Infusionen sowie subkutane Infusionen mit Medikamenten • Behandlungspflege entsprechend den Richtlinien über die Versorgung von häuslicher Krankenpflege nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V Maßnahmen zur Erbringung der Leistungen dieses Vertrages sind: • Überwachung einer symptomlindernden Behandlung und/oder Hilfestellung bei der Anwendung von symptomlindernden Medikamenten oder anderen Maßnahmen zur Symptomlinderung • Palliativpflegerische Versorgung der Patientinnen und Patienten bei krank- heits- oder therapiebedingten Komplikationen • Gemeinsame Krisenintervention (ärztlich und pflegerisch), um den Verbleib im häuslichen Umfeld zu sichern • Antizipative Krisenintervention durch vorausschauende Pflegeplanung im Umgang mit vorhersehbaren Akutsituationen und/oder ethisch schwierigen Entscheidungssituationen • Umfassende Versorgung exulzerierender Tumore (z.B. zur Reduktion der Blutungsgefahr und Wundinfektion) • Überwachung von apparativen palliativmedizinischen Behandlungsmaß- nahmen (z.B. Medikamentenpumpe) • Hilfe beim Umgang mit der Krankheit • Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit Sterben und Tod • Anleitung bzw. Beratung von Patienten, Angehörigen zur Durchführung von Behandlungspflegen • Beratungsgespräche zwischen Arzt und Pflegedienst beim Einsatz und bei der Anwendung spezieller palliativpflegerischer Maßnahmen."
Mit Wirkung ab 01.04.2007 hat der Gesetzgeber in § 37b SGB V als weitere Leistung die "Spezialisierte ambulante Palliativversorgung" (SAPV) eingeführt. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift haben Versicherte mit einer nichtheilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen, Anspruch auf SAPV. Die Einzelheiten dieser Leistung werden in den hierzu gem. § 132d SGB V i.V.m. § 37b SGB V erlassenen "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung" (SAPV-RV) und in hiernach zwischen Pflegediensten und Krankenkassen geschlossenen Verträgen über die Erbringung der SAPV geregelt. Die Beigeladene ist auch zur Erbringung der SAPV zugelassen und berechtigt.
Aus dem Umstand, dass Palliativpflege sowohl im Rahmen von AAPV gem. § 37 SGB V als auch im Rahmen von SAPV gem. § 37b SGB V erbracht werden kann und im Fall des Versicherten im gesamten Pflegezeitraum vom 23.08.2010 bis 13.02.2011 auch erbracht worden ist, folgt, dass die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung, dass die vom Pflegedienst erbrachten Leistungen, wie sie sich aus den vorgelegten Rechnungen ergeben, "ausschließlich über § 37b SGB V abrechenbar" seien, nicht zutrifft. Im Gegenteil: Aus den Bestimmungen des Gesetzes, der Richtlinien und der Verträge ergibt sich, dass die vom Pflegedienst zu erbringenden Leistungen der AAPV und SAPV kaum voneinander zu unterscheiden sind. Dies hat die bei der Beigeladenen beschäftigte und in der Pflege des Versicherten eingesetzte Palliativpflegekraft in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Unterschiedlich sind die Organisationsstrukturen und die Abrechnungsform der beiden Leistungskomplexe. Während die AAPV im Rahmen der HKP nach § 37 SGB V im Wesentlichen vom Pflegedienst erbracht wird, die Einbindung der Ärzte eher unverbindlich ist und die Leistung direkt mit der Krankenkasse abgerechnet wird, geschieht die SAPV nach § 37b SGB V durch Einbindung in ein Gesamtkonzept und verbindliche Einbeziehung von Ärzten und Kooperationspartnern; sie wird über die kassenärztliche Vereinigung abgerechnet. Zutreffend hat die Beigeladene daher die von ihr im streitigen Zeitraum der HKP erbrachten AAPV-Leistungen als "Palliativbehandlungspflege" bezeichnet und vertragsgemäß in Rechnung gestellt. Diese Leistungen der HKP waren – entgegen der Auffassung der Beklagten und ihres SMD – auch erforderlich und erfüllten die Voraussetzungen des AAPV-Vertrages.
Der Versicherte gehörte zum Personenkreis Sterbender im Sinne der Präambel und des § 20 Satz 1 des Vertrages. Er war unheilbar krank, seine Krankheit verlief progredient und machte ambulante palliative Versorgung notwendig, die vom Versicherten auch erwünscht war. Die Notwendigkeit der AAPV ergab sich daraus, dass sich der Versicherte – jedenfalls ab Oktober 2010 – im "Endstadium einer chronischen Nieren-, Leber-, Herz- oder Lungenerkrankung" im Sinne von § 20 Satz 2 Buchstabe f) des Vertrages befand. Dies ergibt sich für die Kammer nachvollziehbar mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bericht über die stationäre Krankenhausbehandlung im Oktober 2010. Danach waren – wie § 20 Satz 3 des Vertrages voraussetzt – "kurative", d.h. auf Heilung ausgerichtete (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage 2007, S. 1050) Behandlungen ausgeschöpft und nicht mehr angezeigt. Allein der Umstand, dass die Krankenhausärzte noch eine Operation des Vorhofmyxoms bzw. Thrombus erwogen und dem Versicherten vorgeschlagen haben, bedeutet nicht, dass dies noch eine kurative Therapie gewesen wäre. Es wäre eine Therapieoption gewesen, dessen Erfolg aus Sicht des Versicherten nicht feststand, dessen Begleiterscheinungen und mögliche Folgen er sich aber nicht mehr zumuten wollte. Der Versicherte war im Oktober 2010 fast 80 Jahre alt; er litt an schwerwiegenden Krankheiten, hatte einen langen Leidensweg und zahlreiche Operationen hinter sich. Wenn ihm in einer solchen Situation aufgrund eines neuen schwerwiegenden "raumgreifenden" Befundes (Vorhofmyxom/Thrombus) eine weitere Operation in Aussicht gestellt wird, ist es verständlich und nachvollziehbar, dass er sich – "nach reiflicher Überlegung", "mehrfachen intensiven Gesprächen" und Aufklärung über das "Risiko des Versterbens am plötzlichen Herztod" (so der Krankenhausbericht vom 20.10.2010) – gegen eine operative Intervention entscheidet. Aus den Darlegungen in den Krankenhausentlassungsberichten vom 16.08. und 20.10.2010 wird deutlich, dass sich der Versicherte nicht erst im Oktober, sondern bereits im August 2010 mit dem Gedanken des Sterbens und einem – möglicherweise plötzlich und schnell eintretenden – Tod befasst hatte. Die Krankenhausärzte sahen nach der zweiten Krankenhausbehandlung innerhalb weniger Wochen und aufgrund der Entscheidung des Versicherten nur noch die Möglichkeit einer "palliativen", d.h. die Beschwerden einer Krankheit (schmerz)lindernden (Pschyrembel, a.a.O., S. 1420) Therapie.
Die Palliativbehandlung/-pflege befasst sich mit dem Thema "Sterben und sterben lassen" (so der Titel eines Artikels von Anna von Münchhausen in: "DIE ZEIT" Nr. 31 vom 25.07.2013, S. 50). Sie beginnt aber nicht erst mit der neueingeführten SAPV gem. § 37b SGB V, bei der ein Team besonders qualifizierter Ärzte, Pflege- und Koordinationskräfte (in Aachen: Home Care) dafür sorgt, dass zuhause alles notwendige für den Patienten getan wird, z.B. auch, dass er nicht unnötig in ein Krankenhaus eingewiesen wird und seine Familie sich betreut fühlt (von Münchhausen, DIE ZEIT, a.a.O.). Die Palliativbehandlung/-pflege setzt – nicht erst im Rahmen der SAPV, sondern auch schon im Rahmen der AAPV – ein, wenn Heilung und Genesung für den Patienten keine Option mehr bieten; dann geht es darum, "urmenschliche Bedürfnisse in einer ultimativen Situation" zu befriedigen, nämlich "keine Angst haben müssen, von Schmerzen und von Atemnot befreit werden, Nähe erleben, Zuwendung bekommen, letzte Fragen klären zu können" (von Münchhausen, DIE ZEIT, a.a.O.). Diese Palliativpflege hat der Versicherte durch den am 23.08.2010 mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrag für sich in Anspruch genommen, und dieser Palliativpflege hat er – jedenfalls ab Oktober 2010 und im hier streitigen Zeitraum – auch bedurft; sie war – entgegen der Einschätzung des SMD – medizinisch erforderlich.
Wie die Palliativpflegekraft der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung anschaulich dargelegt hat, standen zu Beginn der AAPV, als der Versicherte noch einigermaßen stabil war, intensive Gespräche, die Auseinandersetzung mit dem Sterben, im Vordergrund, Maßnahmen also, wie sie nach der Anlage 3 zum AAPV-Vertrag ausdrücklich zur Erbringung dieser Leistungen vorgesehen sind. Ab Oktober 2010 im hier streitigen Zeitraum ist es dann zu einer massiven Verschlechterung gekommen; der Versicherte hatte häufige Panikattacken, Luftnot, es waren nächtliche Einsätze notwendig. Dieser Zustand führte schließlich in die ab 20.12.2010 erbrachte SAPV. Aber auch davor – und jedenfalls ab 01.10.2010 – war, wie die Palliativpflegekraft nachvollziehbar und für die Kammer überzeugend geschildert hat, Palliativpflege erforderlich. Die Klägerin hat dazu ergänzend ausgeführt, dass sie, wenn sie in der hier streitigen Zeit den Pflegedienst nicht gehabt hätten, in vielen Fällen den Notdienst angerufen hätten und der Vater ins Krankenhaus gebracht worden wäre. Dieser sei oft ganz panisch gewesen, insbesondere wenn er schlecht Luft bekommen habe. Sie hätten dann zwar versucht, ihn zu beruhigen, aber oft habe dies auch nicht geklappt. Dann hätten sie den Pflegedienst angerufen. Oftmals sei allein der Umstand des Anrufs beim Pflegedienst der Grund gewesen, dass der Vater ruhiger geworden sei, weil er wusste, dass nun jemand kommt.
Soweit der SMD in seinen Stellungnahmen vom 07.09. und 01.12.2010 anmerkt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Lebenserwartung nur noch sehr – "auf wenige Tage oder Wochen" – begrenzt, sei, und nicht zuletzt auch deshalb die Erforderlichkeit einer Palliativversorgung verneint hat, verkennt er die Zielsetzung und den Inhalt der Palliativpflege, abgesehen davon, dass diese auch dann schon in Betracht kommt, wenn die Lebenserwartung noch mehrere Monate beträgt (vgl. § 20 AAPV-Vertrag und § 3 SAPV-Vertrag). Der Versicherte wollte keine neue operative Sanierung mehr und die Krankenhausärzte sahen in Übereinstimmung mit den behandelnden Hausärzten nur noch eine palliative Behandlung als Therapie der Wahl. Es mag sein, dass die Lebenserwartung nicht "zwangsläufig" wie der SMD gefordert hat, begrenzt war, aber die Ärzte sahen ein großes Risiko für einen (plötzlichen) Herztod, wie er dann ja auch – nach zunehmenden Beschwerden – am 13.02.2011 eingetreten ist. Auch wenn die Palliativpflege sich im Fall des Versicherten über einen Zeitraum von fünf Monaten und drei Wochen erstreckte, waren in seinem Fall, davon ist die Kammer nach Auswertung aller ihr vorliegenden Krankenhaus- und Pflegeberichte überzeugt, die Voraussetzungen einer AAPV als Leistungen der HKP nach § 37 SGB V im streitigen Zeitraum erfüllt.
Die Tatsache, dass die Ärzte und – ihnen zwangsläufig folgend – die Beigeladene noch in der Endphase des Sterbeprozesses zwischen AAPV und SAPV wechselten, offenbar veranlasst durch die Stellungnahme des SMD und die daraus resultierende ablehnende Haltung der Beklagten, zeigt, welche Unsicherheit und auch teilweise Unkenntnis noch auf Seiten der Versicherten, Angehörigen, Pflegedienste, Ärzte und Krankenkassen in Bezug auf die Palliativbehandlung/-pflege herrschen. Wenn der Versicherte deshalb in den letzten zwei Wochen seines Lebens nach vorheriger AAPV und danach SAPV nun wieder AAPV erhielt und dafür noch Kosten der Beigeladenen in Höhe von 429,00 EUR (vgl. die Rechnung der Beigeladenen vom 30.06.2011 über die "Palliativbehandlungspflege" nach § 37 SGB V für die Zeit vom 01.02. bis 13.02.2011) unbeglichen sind, sollte die Beklagte erwägen, die Kläger auch insoweit von der Forderung der Beigeladenen freizustellen, auch wenn dies nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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