L 5 KR 206/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 723/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 206/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13.12.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf die Kapitalzahlung einer Lebensversicherung.

Der 1946 geborene Kläger war von 1997 bis 2001 freiwilliges Mitglied der Beklagten; sein Arbeitsentgelt überstieg während dieser Zeit die einschlägige Jahresarbeitsentgeltgrenze (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch, SGB V). Danach war der Kläger als Beschäftigter pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Seit 1.9.2006 ist er in der Krankenversicherung der Rentner bei der Beklagten pflichtversichert.

Der Arbeitgeber des Klägers hatte bei der K. Lebensversicherung eine Lebensversicherung als Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung für den Kläger abgeschlossen. Die Versicherungsprämien (ab 1997) wurden durch den Kläger im Wege der Entgeltumwandlung aufgebracht (1997 bis 2001 jeweils 3.408,00 DM; 2002 bis 1.5.2006 jeweils 1.742,48 DM). Die (letzte) Versicherungsprämie (1.9.2006 bis 1.5.2007) brachte der Kläger aus seiner Altersrente auf. Ab. 1.5.2008 wurde die Versicherung in beitragsfreier Form geführt (Schreiben der K. Lebensversicherung an die Beklagte vom 18.11.2011). Versicherungsnehmer war während der gesamten Laufzeit des Vertrages der Arbeitgeber des Klägers.

Die Ablaufleistung der Lebensversicherung in Höhe von 24.038,14 EUR wurde dem Kläger am 30.4.2011 als Einmalzahlung ausgezahlt.

Mit (auch im Namen der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse ergangenem) Bescheid vom 2.8.2011 setzt die Beklagte die auf die Kapitalzahlung ab Mai 2011 zu entrichtenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auf 31,05 EUR bzw. 3,91 EUR (Gesamtbeitrag 34,96 EUR) monatlich fest. Die Kapitalzahlung von 24.038,14 EUR wurde auf 10 Jahre umgelegt.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, hinsichtlich der Teile der Kapitalzahlung, die auf Prämien aus Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (bzw. aus der Rente) beruhten, bestehe keine Beitragspflicht.

Mit (auch im Namen der bei der Beklagten errichteten Pflegekasse ergangenem) Widerspruchsbescheid vom 6.2.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf der Kläger am 21.2.2012 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhob. Zur Begründung trug er vor, zwar unterliege die Kapitalzahlung grundsätzlich der Beitragspflicht; dies gelte aber nicht für Teilbeträge, die auf Prämien oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze beruhten. Der entsprechende Arbeitsentgeltanteil sei sozialabgabenfrei gewesen; hätte er um die nachträgliche Beitragspflicht gewusst, hätte er ihn in eine private (von ihm als Versicherungsnehmer abgeschlossene) Lebensversicherung investiert. Die Beitragserhebung verletze die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, 13 Abs. 1 GG.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.12.2012 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, gem. § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V seien auch Renten der betrieblichen Altersversorgung beitragspflichtig. Kapitalzahlungen würden der Beitragsbemessung mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1/120 zu Grunde gelegt. Unerheblich sei, ob die Versicherungsprämien aus Arbeitsentgelt jenseits der Jahresarbeitsentgeltgrenze aufgebracht worden seien.

Auf das ihm am 19.12.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.1.2013 Berufung eingelegt. Er bekräftigt sein bisheriges Vorbringen; es sei nicht zulässig, im Nachhinein Beiträge auf Kapitalzahlungen zu erheben, die mit beitragsfreiem Arbeitsentgelt finanziert worden seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13.12.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 2.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.2012 aufzuheben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

I. Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 SGG ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Die angefochtenen Bescheide betreffen wiederkehrende bzw. laufende Geldleistungen für mehr als ein Jahr gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Leistungen im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur Leistungen, die an Sozialleistungsberechtigte erbracht, sondern auch Leistungen, die (etwa von Sozialversicherungsträgern) vom Einzelnen gefordert werden, wie die hier streitigen Beiträge (vgl. BSG, Beschl. v. 28.1.1999, - B 12 KR 51/98 B -; Senatsurteil vom 23.2.2011, - L 5 KR 3975/09 -). Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).

II. Die Berufung ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind formell und materiell rechtmäßig. Der Kläger muss auf die Kapitalzahlung der K. Lebensversicherung Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen.

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte war zu ihrem Erlass auch insoweit (sachlich) zuständig, als darin Pflegeversicherungsbeiträge festgesetzt worden sind. Gem. § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI darf die Krankenkasse für Mitglieder, die ihre Beiträge selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Das Mitglied ist darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Diese Bestimmung gilt für den Kläger, der den Krankenversicherungsbeitrag gem. § 250 Abs. 1 SGB V und den Pflegeversicherungsbeitrag gem. § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI allein zu tragen und deswegen gem. § 252 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB XI auch zu zahlen hat. Im Beitragsbescheid vom 2.8.2011 ist ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung zugleich im Namen der bei der Beklagten eingerichteten Pflegekasse ergeht; ein entsprechender Hinweis findet sich auch im Widerspruchsbescheid vom 6.2.2012 (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 23.2.2011, - L 5 KR 5324/09 -).

Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Der Beitragsbescheid vom 2.8.2011 beruht auf §§ 237, 229 SGB V bzw. § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI. Gem. § 237 Satz 1 SGB V werden bei versicherungspflichtigen Rentnern (wie dem Kläger, § 5 Abs.1 Nr. 11 SGB V bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI) der Beitragsbemessung neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Nr. 1) und dem Arbeitseinkommen (Nr. 3) auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Nr. 2) zugrunde gelegt. Die §§ 226 Abs. 2, 228, 229 und 231 SGB V gelten entsprechend (§ 237 Satz 2 SGB V). Zu den der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) i. S. d. § 237 Satz 1 Nr. 2 SGB V gehören auch Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden (§ 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V). Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der ab dem 1.1.2004 anzuwendenden Fassung (Art. 1 Nr. 143 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003, BGBl I 2190, vgl. Art 37 Abs. 1 GMG) ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate. Diese Vorschriften sind verfassungsmäßig und gültig (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.4.2008, - 1 BvR 1924/07 -; BSG, Urt. v. 30.3.2011, - B 12 KR 16/10 R -, auch Urt. v. 25.4.2012, - B 12 KR 19/10 R - m. w. N.).

Die Beklagte hat die maßgeblichen Vorschriften rechtsfehlerfrei angewendet. Bei der Kapitalzahlung der K. Lebensversicherung handelt es sich (unstreitig) um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3 SGB V. Sie beruht auf einer Direktversicherung (§ 1b Abs. 2 BetrAVG), die der Arbeitgeber des Klägers als Versicherungsnehmer zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen hat; der Kläger ist (unstreitig) zu keiner Zeit (selbst) Versicherungsnehmer gewesen (vgl. BSG, Urt. v. 30.3.2011, - B 12 KR 16/10 R -).

Unerheblich ist, dass der Kläger für die Versicherungsprämien während seines Berufslebens (teilweise) Arbeitsentgelt jenseits der Beitragsbemessungsgrenze (im Wege der Entgeltumwandlung) aufgewendet hat. In beitragsrechtlicher Hinsicht ausschlaggebend ist (hier) der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts, bei Direktversicherungen (§ 1b Abs. 2 BetrAVG) also der - wie hier - auf den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer laufende Versicherungsvertrag zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.9.2010, - 1 BvR 1660/08 -; Beschl. v. 6.9.2010, - 1 BvR 739/08 -; auch etwa BSG, Urt. v. 30.3.2011, - B 12 KR 24/09 R -). Für den institutionellen Bezug zu den Versorgungssystemen des Betriebsrentenrechts, der bei der Kapitalzahlung aus der Direktversicherung bei der K. Lebensversicherung ohne Weiteres vorliegt (§ 1b Abs. 2 BetrAVG), ist es unerheblich, ob das vom Versicherten für die betriebliche Altersversorgung aufgewandte Arbeitsentgelt über oder unter der Beitragsbemessungsgrenze gelegen hat und ob aus einer Entgeltumwandlung hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge daher Vorteile haben gezogen werden können oder nicht. Die (ursprüngliche) Beitragsfreiheit des über der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Arbeitsentgelts steht der (späteren) Beitragserhebung auf daraus finanzierte Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht entgegen (vgl. LSG Thüringen, Urt. v. 24.7.2012, - L 6 KR 715/08 -; auch LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.7.2012, - L 1 KR 265/10 - (Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil); Senatsurteil vom 18.2.2013, - L 5 KR 214/12 -). Im Übrigen kommt es nach der Rechtsprechung des BSG für die Beitragspflicht von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer, zu dessen Gunsten die Versorgung begründet wurde, während des Anspruchserwerbs überhaupt gesetzlich krankenversichert (und damit beitragspflichtig) war oder nicht (BSG, Urt. v. 25.4.2012, - B 12 KR 19/10 R -) und es ist auch unerheblich, ob der Arbeitnehmer - bei einer Direktversicherung - nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Prämien weitergezahlt hat, sofern nur der Arbeitgeber Versicherungsnehmer geblieben und damit der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts gewahrt worden ist (BVerfG, Beschl. v. 28.9.2010, - 1 BvR 1660/08 -; Beschl. v. 6.9.2010, - 1 BvR 739/08 -).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Die maßgeblichen Rechtsfragen hinsichtlich Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf die Kapitalzahlung einer zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung sind in der (angeführten) höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt; dass eine höchstrichterliche Entscheidung gerade zur Verwendung von Arbeitsentgelt jenseits der Beitragsbemessungsgrenze für Zwecke der betrieblichen Altersversorgung nicht vorliegt, ändert daran nichts.
Rechtskraft
Aus
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