Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 10 AS 5178/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 604/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Prozessrecht; Kosten unterlassener Ermittlungen
Die Ermächtigung in § 192 Abs. 4 SGG soll in den Fällen, in denen sich aufdrängende Ermittlungen – wider besseres Wissen – nicht im Verwaltungsverfahren vorgenommen worden sind, die Justizkassen entlasten; sie dient nicht dazu, durch das den Behörden drohende Kostenrisiko deren Einigungsbereitschaft zu erzwingen.
Die Ermächtigung in § 192 Abs. 4 SGG soll in den Fällen, in denen sich aufdrängende Ermittlungen – wider besseres Wissen – nicht im Verwaltungsverfahren vorgenommen worden sind, die Justizkassen entlasten; sie dient nicht dazu, durch das den Behörden drohende Kostenrisiko deren Einigungsbereitschaft zu erzwingen.
I. Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 30. Mai 2012 aufgehoben.
II. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer und Beklagte (im Folgenden: Beklagter) wendet sich gegen einen Kostenbeschluss des Sozialgerichts gemäß § 192 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
In der Hauptsache begehrte die 1986 geborene Klägerin die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II, insbesondere die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II. Am 12.08.2008 legte sie die Anlage MEB vor, in der der behandelnde Arzt Dipl.-Med. D bescheinigte, dass die Klägerin wegen Laktoseintoleranz dauernd laktosefreie Kost benötige. Mit Bescheid vom 14.08.2008 lehnte der Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs ab, weil diese Krankheit nicht durch den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV) anerkannt worden sei. Auf ihren Weiterbewilligungsantrag gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 18.08.2008 monatliche Leistungen für die Zeit vom 01.07.2008 bis 31.12.2008, ohne einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu berücksichtigen. Am 20.08.2008 wandte sich die Klägerin gegen die Ablehnung des Mehrbedarfs unter Berufung auf konkrete Gerichtsurteile zu Laktoseintoleranz. Zudem bestimme nicht der Deutsche Verein, wer den Mehrbedarf erhalte, sondern dies geschehe aus medizinischen Gründen.
Wegen Wegfall von Kindergeld und der Schwangerschaft der Klägerin ergingen am 18.09.2008, am 19.09.2008 und am 21.10.2008 Änderungsbescheide, wiederum ohne einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu berücksichtigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und einer daraus resultierenden kostenaufwändigen Ernährung, der die Bewilligung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II rechtfertige, nicht bestehe. Laktoseintoleranz sei nicht durch den DV anerkannt.
In dem hiergegen vor dem Sozialgericht Dresden durchgeführten Klageverfahren hat der Beklagte geltend gemacht, dass auch aus den Empfehlungen des DV vom 01.10.2008 nicht hervor gehe, dass bei einer Laktoseintoleranz in jedem Fall ein Mehrbedarf zu gewähren sei. Ein Mehrbedarf bei Lebensmittelunverträglichkeiten sei nicht geprüft worden, so dass durch ein amtsärztliches Gutachten festzustellen sei, ob im konkreten Fall ein Mehrbedarf anzuerkennen sei. Dazu sei es erforderlich, dass die Klägerin darlege, in welcher Höhe ihr im Monat ein Mehraufwand für Ernährung entstehe. Nachdem die Klägerin ihre Mehrkosten aufgelistet und die angeforderten Erklärungen übersandt hatte, hat die Fachärztin für Innere Medizin, Allergologie/Sozial¬medizin des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit D , Dr. S , am 08.03.2010 für die Klägerin eine sozialmedizinische Stellungnahme abgegeben, wonach aus ärztlicher Sicht ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen Laktoseintoleranz nicht zu erkennen sei. Daraufhin hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Stellungnahme des Dipl.-Med. D vom 15.05.2010 eingereicht, wonach die Klägerin bereits auf geringe Spuren von Laktose mit erheblichen Beschwerden (Blähungen, krampfartige Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle) reagiere und nur eine strikte laktosefreie Ernährung zu einer Linderung bzw. Vermeidung der Beschwerden führe. Da laktosefreie Nahrungsmittel deutlich teurer seien, sei der relativ seltene Nachweis eines medizinisch begründeten Mehrbedarfs gegeben. In der Stellungnahme der Fachärztin für Arbeitsmedizin/Sozial¬medizin/¬Umwelt¬medizin Dr. B vom 29.06.2010 hat der Ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit D ausgeführt, wie die Stellungnahme vom 08.03.2010 zustande gekommen war und sich erneut fachlich geäußert.
Sodann hat das Sozialgericht durch das Einholen von Befundberichten ermittelt und Beweis erhoben durch ein Gutachten des Chefarztes der III. Medizinischen Klinik des Krankenhauses D -F vom 14.10.2011, in dem dieser einen Mehrbedarf durch laktosefreie teure Nahrungsmittel feststellte; ein Leben mit dieser Erkrankung auf der Grundlage gesunder Vollkost sei der Klägerin nicht möglich. Nachdem auf dieser Grundlage ein vom Gericht vorgeschlagener Vergleich wegen der ablehnenden Haltung des Beklagten nicht zustande kam, hat das Sozialgericht ein Gutachten aus ernährungswissenschaftlicher Sicht der Diplom-Ökotrophologin R eingeholt, wonach Mehrkosten durch strikt laktosefreie Ernährung von einem Euro pro Tag und mehr entstünden; im Jahr 2008 habe die Preisdifferenz höher gelegen. Die Kosten für die Ermittlungen und die Beweisaufnahmen betrugen zusammen 1.497,62 EUR. Einem darauf folgenden schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts hat der Beklagte abermals nicht zugestimmt.
In der mündlichen Verhandlung am 30.05.2012 hat das Sozialgericht beschlossen, dem Beklagten die durch die Ermittlungen des Gerichts entstandenen Kosten aufzuerlegen. Sodann haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, wonach die Klägerin für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis 31.12.2008 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 35,00 EUR monatlich erhält.
Den Beschluss vom 30.05.2012, dem Beklagten die Kosten der im gerichtlichen Verfahren nachgeholten Ermittlungen in Höhe von 1.479,62 EUR aufzuerlegen, hat das Sozialgericht damit begründet, dass vergleichbare Ermittlungen bereits bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens notwendig, d.h. entsprechend der Amtsermittlungspflicht des Beklagten gemäß §§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zur Gewinnung einer hinreichenden Tatsachengrundlage für die Entscheidung unverzichtbar gewesen seien. Dies sei für den Beklagten auch erkennbar gewesen, d.h. deren Notwenigkeit habe sich dem Beklagten nach den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen in ihrer höchstrichterlichen, hilfsweise in ihrer vertretbaren Auslegung erschließen müssen. Der Beklagte habe die Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs abgelehnt, ohne weitere Ermittlungen zur Schwere der Krankheit angestellt zu haben. Angesichts der sehr unterschiedlichen Ausprägungen, in denen Laktoseintoleranz auftreten könne, hätten zur Beurteilung des Mehrbedarfs nicht die Empfehlungen des DV genügt. Es hätte jedenfalls der behandelnde Hausarzt befragt werden müssen. Zudem seien weitere Untersuchungen notwendig gewesen, um die spezifische Ausprägung der Krankheit zu ermitteln. Ohne diese Befunde sei es unmöglich gewesen, den aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin zu beurteilen. Es seien auch ein medizinisches Gutachten und sodann zur Ermittlung des konkreten finanziellen Mehrbedarfs die Begutachtung durch einen Ernährungswissenschaftler notwendig gewesen, was der Beklagte ohne Weiteres hätte erkennen können. Es seien keine Umstände ersichtlich, die das Gericht veranlassten, von einer Kostenauferlegung abzusehen.
Gegen den ihm am 12.06.2012 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 06.07.2012 beim Sächsischen Landessozialgericht Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, er habe in zulässiger Art und Weise zur Prüfung der Frage, ob die Laktoseintoleranz der Klägerin einen ernährungsbedingten Mehrbedarf nach sich ziehe, auf die Feststellungen des DV abgestellt. In seiner Entscheidung vom 22.02.2012 habe das Thüringer Landessozialgericht festgestellt, dass höhere Ernährungskosten im Vergleich zu gesunden Menschen bei jedweder Form der Laktoseintoleranz nicht anfallen. Aufgrund dieser Aussagen habe der Beklagte ohne weitere Ermittlungen einen ernährungsbedingten Mehrbedarf unabhängig von der Feststellung der Schwere der bestehenden Laktoseintoleranz ablehnen dürfen. Weitere Ermittlungen in dieser Sache seitens der Behörde seien hinsichtlich der Laktoseintoleranz entbehrlich gewesen.
Die Beklagte beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 30.05.2012 aufzuheben.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen und die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 SGG statthafte und zulässige Beschwerde der Beklagten, die den Beschwerdewert von 200,00 EUR übersteigt (§ 172 Abs. 2 Nr. 4 SGG), ist begründet. Daher ist der Beschluss des Sozialgerichts vom 30.05.2012 aufzuheben, denn der Beklagte ist nicht verpflichtet, die Kosten der vom Sozialgericht durchgeführten Ermittlungen zu erstatten.
Nach § 192 Abs. 4 Satz 1 SGG kann das Gericht der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden. Diese seit dem 01.04.2008 anwendbare Regelung hat den Hintergrund, dass durch unterlassene Ermittlungen im Verwaltungsverfahren die gerichtlichen Verfahren wegen nachzuholender Ermittlungen länger und teurer werden. Die Vorschrift soll daher einen Ausgleich der Kosten ermöglichen, die den Justizhaushalten entstehen (BT-Drucks. 16/7716 S. 23).
Voraussetzung für die Auferlegung von Kosten nach § 192 Abs. 4 SGG ist, dass notwendige und ohne weiteres erkennbare Ermittlungstätigkeiten der Behörde im Verwaltungsverfahren unterblieben sind und im gerichtlichen Verfahren durch das Sozialgericht nachgeholt werden mussten. Erkennbar sind solche Ermittlungen nur dann, wenn sich der Behörde die Notwendigkeit ausgehend von den gesetzlichen Bestimmungen und ihrer höchstrichterlichen Auslegung bzw. von einem vertretbaren Rechtsstandpunkt aus erschließen musste (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.11.2012 – L 3 R 750/12 B, zitiert nach Juris, m.w.N., RdNr. 12).
Die Voraussetzungen für eine Kostenauferlegung nach § 192 Abs. 4 SGG sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Maßgeblich ist die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens durch Widerspruchsbescheid vom 12.09.2008 (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.08.2012 – L 4 AS 537/10 B; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.01.2012 – l 5 AS 228/11 B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.08.2009 – L 4 KR 108/09 B; ThürLSG, Beschluss vom 16.03.2009 – L 1 B 201/08 U). Bis dahin lag keine höchstrichterliche Entscheidung zur Gewährung eines Mehrbedarfs bei krankheitsbedingt erhöhten Aufwendungen für Ernährung bei Laktoseintoleranz vor. Erst mit Urteil vom 14.02.2013 hat das Bundessozialgericht unter Bezugnahme auf eine Entscheidung aus dem Jahr 2011 entschieden, dass im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 5 SGB II kaum Fälle denkbar seien, in denen sich für eine bestimmte Erkrankung, die – wie die Laktoseintoleranz – Einfluss auf die Ernährung hat, ein besonderer Kostenaufwand abschließend als generelle Tatsache (Rechtstatsache) mit Gültigkeit für jeden Einzelfall verneinen lasse (B 14 AS 48/12 R, RdNr. 17). Aus den bis dahin vorliegenden Entscheidungen des Bundessozialgerichts (siehe Urteile vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 3/07 R und B 14/7b AS 58/06 R – und vom 27.02.2008 – B 14/7b AS 64/06 R und B 14/7b AS 32/06 R), die u.a. zu wegen Diabetes mellitus geltend gemachtem Ernährungsaufwendungen ergingen, für die die damaligen Empfehlungen des DV einen Mehrbedarf vorsahen, ergibt sich nur, dass jeweils der genaue krankheitsbedingte Mehrbedarf der Kläger im Einzelnen aufzuklären sei (vgl. BSG, Urteile vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 3/07 R, RdNr. 16 R, und – B 14/7b AS 58/06 R, RdNr. 41, und Urteile vom 27.02.2008 – B 14/7b AS 64/06 R, RdNr. 28 und – B 14/7b AS 32/06 R; RdNr. 39), insbesondere, wenn mehrere Erkrankungen vorliegen, die eine kostenaufwändige Ernährung bedingen können, und wenn von den Empfehlungen des DV abweichende Bedarfe geltend gemacht werden. So konnten nach damaliger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Empfehlungen des DV (vor 01.10.2008) als Orientierungshilfe dienen, wenn auch ohne normativen Charakter.
Die obergerichtliche Rechtsprechung zur Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II bei Laktoseintoleranz war uneinheitlich (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2006 – L 18 AS 952/06; BayLSG, Urteil vom 13.09.2007 – l 11 AS 258/06; LSG NRW, Beschluss vom 16.05.2008 – L 19 B 69/08 AS ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.05.2008 – L 5 B 1001/08 AS ER), so dass schon deswegen von keiner maßgeblichen Rechtsauffassung insoweit die Rede sein kann und mithin jeder Rechtsstandpunkt vertretbar war.
Soweit die Beschwerde unter Bezugnahme auf eine erst jetzt vorliegende Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts darauf abstellt, dass bei jedweder Laktoseintoleranz keine Mehraufwendungen für eine gesunde Ernährung entstehen – eine Auffassung, die wohl auch schon damals durchgängig vom Beklagten vertreten worden ist –, ist einzuräumen, dass bei hypothetischer Richtigkeit dieser Annahme, sich tatsächlich keine Ermittlungen zu einem etwaigen Mehraufwand für krankheitsbedingt erhöhte Ernährungskosten bei Laktoseintoleranz erschließen mussten. Allerdings erweist sich diese Annahme schon deswegen als nicht uneingeschränkt tragfähig, weil im vorliegenden Verfahren der Klägerin im Zuge der Beweisaufnahme festgestellt worden ist, dass bei einer strikt laktosefreien Kost Mehrkosten von einem Euro und mehr täglich entstehen (vgl. Gutachten vom 29.03.2012).
All dies zeigt, dass die unterschiedlichen Auffassungen des Sozialgerichts einerseits und des Beklagten andererseits hinsichtlich der Notwendigkeit von Ermittlungen nicht auf einem offensichtlichen (und demzufolge rechtswidrigen) Ermittlungsdefizit des Beklagten beruhen, sondern dass hinsichtlich der tatsächlichen Erkenntnisse zum Mehraufwand bei laktosefreier Ernährung unterschiedliche Auffassungen bestehen. Dabei handelt es sich um eine übliche Prozesssituation, nämlich, dass ein Beteiligter in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine andere Auffassung vertritt oder eine andere Bewertung vornimmt als das Gericht. Es kann im hier vorliegenden Fall auch nicht außer Acht bleiben, dass der Beklagte eine Begutachtung der Klägerin durch den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit während des gerichtlichen Verfahrens selbst veranlasst und damit unterbliebene Ermittlungen gewissermaßen nachgeholt hat. Erst danach hat die Klägerin eine substantiierte Stellungnahme ihres Hausarztes zu ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen beigebracht (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.04.2011 – L 7 AS 426/10 B, RdNr. 21). Ferner ist zu berücksichtigen, dass zwar das Bundessozialgericht schon damals den Gerichten und der Verwaltung aufgegeben hatte, im jeweiligen Einzelfall den konkreten krankheitsbedingten Mehrbedarf für Ernährung zu ermitteln, andererseits die als Orientierungshilfe vorliegenden Empfehlungen auch schon vor dem 01.10.2008 keinen Mehrbedarf für Ernährung bei Laktoseintoleranz vorsahen und die Klägerin erst 2009 nach Aufforderung im gerichtlichen Verfahren ihre Mehraufwendungen näher dargelegt hat. Dass sich die pauschale Sicht des Beklagten nicht aufrecht erhalten lässt, dürfte sich erst im Laufe der Zeit und im Zuge der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse ergeben haben (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013, a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass der Beklagte Ermittlungen unterlassen hat, die sich ihm schon damals im Verwaltungsverfahren erkennbar hätten erschließen müssen. Die Ermächtigung in § 192 Abs. 4 SGG soll lediglich in den Fällen, in denen sich aufdrängende Ermittlungen – wider besseres Wissen – nicht im Verwaltungsverfahren vorgenommen worden sind, die Justizkassen entlasten und dient nicht dazu, durch das den Behörden drohende Kostenrisiko deren Einigungsbereitschaft zu erzwingen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG nicht anfechtbar.
Dr. Anders Koar Wagner
II. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer und Beklagte (im Folgenden: Beklagter) wendet sich gegen einen Kostenbeschluss des Sozialgerichts gemäß § 192 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
In der Hauptsache begehrte die 1986 geborene Klägerin die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II, insbesondere die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II. Am 12.08.2008 legte sie die Anlage MEB vor, in der der behandelnde Arzt Dipl.-Med. D bescheinigte, dass die Klägerin wegen Laktoseintoleranz dauernd laktosefreie Kost benötige. Mit Bescheid vom 14.08.2008 lehnte der Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs ab, weil diese Krankheit nicht durch den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV) anerkannt worden sei. Auf ihren Weiterbewilligungsantrag gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 18.08.2008 monatliche Leistungen für die Zeit vom 01.07.2008 bis 31.12.2008, ohne einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu berücksichtigen. Am 20.08.2008 wandte sich die Klägerin gegen die Ablehnung des Mehrbedarfs unter Berufung auf konkrete Gerichtsurteile zu Laktoseintoleranz. Zudem bestimme nicht der Deutsche Verein, wer den Mehrbedarf erhalte, sondern dies geschehe aus medizinischen Gründen.
Wegen Wegfall von Kindergeld und der Schwangerschaft der Klägerin ergingen am 18.09.2008, am 19.09.2008 und am 21.10.2008 Änderungsbescheide, wiederum ohne einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu berücksichtigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und einer daraus resultierenden kostenaufwändigen Ernährung, der die Bewilligung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II rechtfertige, nicht bestehe. Laktoseintoleranz sei nicht durch den DV anerkannt.
In dem hiergegen vor dem Sozialgericht Dresden durchgeführten Klageverfahren hat der Beklagte geltend gemacht, dass auch aus den Empfehlungen des DV vom 01.10.2008 nicht hervor gehe, dass bei einer Laktoseintoleranz in jedem Fall ein Mehrbedarf zu gewähren sei. Ein Mehrbedarf bei Lebensmittelunverträglichkeiten sei nicht geprüft worden, so dass durch ein amtsärztliches Gutachten festzustellen sei, ob im konkreten Fall ein Mehrbedarf anzuerkennen sei. Dazu sei es erforderlich, dass die Klägerin darlege, in welcher Höhe ihr im Monat ein Mehraufwand für Ernährung entstehe. Nachdem die Klägerin ihre Mehrkosten aufgelistet und die angeforderten Erklärungen übersandt hatte, hat die Fachärztin für Innere Medizin, Allergologie/Sozial¬medizin des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit D , Dr. S , am 08.03.2010 für die Klägerin eine sozialmedizinische Stellungnahme abgegeben, wonach aus ärztlicher Sicht ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen Laktoseintoleranz nicht zu erkennen sei. Daraufhin hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Stellungnahme des Dipl.-Med. D vom 15.05.2010 eingereicht, wonach die Klägerin bereits auf geringe Spuren von Laktose mit erheblichen Beschwerden (Blähungen, krampfartige Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle) reagiere und nur eine strikte laktosefreie Ernährung zu einer Linderung bzw. Vermeidung der Beschwerden führe. Da laktosefreie Nahrungsmittel deutlich teurer seien, sei der relativ seltene Nachweis eines medizinisch begründeten Mehrbedarfs gegeben. In der Stellungnahme der Fachärztin für Arbeitsmedizin/Sozial¬medizin/¬Umwelt¬medizin Dr. B vom 29.06.2010 hat der Ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit D ausgeführt, wie die Stellungnahme vom 08.03.2010 zustande gekommen war und sich erneut fachlich geäußert.
Sodann hat das Sozialgericht durch das Einholen von Befundberichten ermittelt und Beweis erhoben durch ein Gutachten des Chefarztes der III. Medizinischen Klinik des Krankenhauses D -F vom 14.10.2011, in dem dieser einen Mehrbedarf durch laktosefreie teure Nahrungsmittel feststellte; ein Leben mit dieser Erkrankung auf der Grundlage gesunder Vollkost sei der Klägerin nicht möglich. Nachdem auf dieser Grundlage ein vom Gericht vorgeschlagener Vergleich wegen der ablehnenden Haltung des Beklagten nicht zustande kam, hat das Sozialgericht ein Gutachten aus ernährungswissenschaftlicher Sicht der Diplom-Ökotrophologin R eingeholt, wonach Mehrkosten durch strikt laktosefreie Ernährung von einem Euro pro Tag und mehr entstünden; im Jahr 2008 habe die Preisdifferenz höher gelegen. Die Kosten für die Ermittlungen und die Beweisaufnahmen betrugen zusammen 1.497,62 EUR. Einem darauf folgenden schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts hat der Beklagte abermals nicht zugestimmt.
In der mündlichen Verhandlung am 30.05.2012 hat das Sozialgericht beschlossen, dem Beklagten die durch die Ermittlungen des Gerichts entstandenen Kosten aufzuerlegen. Sodann haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, wonach die Klägerin für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis 31.12.2008 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 35,00 EUR monatlich erhält.
Den Beschluss vom 30.05.2012, dem Beklagten die Kosten der im gerichtlichen Verfahren nachgeholten Ermittlungen in Höhe von 1.479,62 EUR aufzuerlegen, hat das Sozialgericht damit begründet, dass vergleichbare Ermittlungen bereits bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens notwendig, d.h. entsprechend der Amtsermittlungspflicht des Beklagten gemäß §§ 20, 21 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zur Gewinnung einer hinreichenden Tatsachengrundlage für die Entscheidung unverzichtbar gewesen seien. Dies sei für den Beklagten auch erkennbar gewesen, d.h. deren Notwenigkeit habe sich dem Beklagten nach den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen in ihrer höchstrichterlichen, hilfsweise in ihrer vertretbaren Auslegung erschließen müssen. Der Beklagte habe die Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs abgelehnt, ohne weitere Ermittlungen zur Schwere der Krankheit angestellt zu haben. Angesichts der sehr unterschiedlichen Ausprägungen, in denen Laktoseintoleranz auftreten könne, hätten zur Beurteilung des Mehrbedarfs nicht die Empfehlungen des DV genügt. Es hätte jedenfalls der behandelnde Hausarzt befragt werden müssen. Zudem seien weitere Untersuchungen notwendig gewesen, um die spezifische Ausprägung der Krankheit zu ermitteln. Ohne diese Befunde sei es unmöglich gewesen, den aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin zu beurteilen. Es seien auch ein medizinisches Gutachten und sodann zur Ermittlung des konkreten finanziellen Mehrbedarfs die Begutachtung durch einen Ernährungswissenschaftler notwendig gewesen, was der Beklagte ohne Weiteres hätte erkennen können. Es seien keine Umstände ersichtlich, die das Gericht veranlassten, von einer Kostenauferlegung abzusehen.
Gegen den ihm am 12.06.2012 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 06.07.2012 beim Sächsischen Landessozialgericht Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, er habe in zulässiger Art und Weise zur Prüfung der Frage, ob die Laktoseintoleranz der Klägerin einen ernährungsbedingten Mehrbedarf nach sich ziehe, auf die Feststellungen des DV abgestellt. In seiner Entscheidung vom 22.02.2012 habe das Thüringer Landessozialgericht festgestellt, dass höhere Ernährungskosten im Vergleich zu gesunden Menschen bei jedweder Form der Laktoseintoleranz nicht anfallen. Aufgrund dieser Aussagen habe der Beklagte ohne weitere Ermittlungen einen ernährungsbedingten Mehrbedarf unabhängig von der Feststellung der Schwere der bestehenden Laktoseintoleranz ablehnen dürfen. Weitere Ermittlungen in dieser Sache seitens der Behörde seien hinsichtlich der Laktoseintoleranz entbehrlich gewesen.
Die Beklagte beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 30.05.2012 aufzuheben.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen und die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 SGG statthafte und zulässige Beschwerde der Beklagten, die den Beschwerdewert von 200,00 EUR übersteigt (§ 172 Abs. 2 Nr. 4 SGG), ist begründet. Daher ist der Beschluss des Sozialgerichts vom 30.05.2012 aufzuheben, denn der Beklagte ist nicht verpflichtet, die Kosten der vom Sozialgericht durchgeführten Ermittlungen zu erstatten.
Nach § 192 Abs. 4 Satz 1 SGG kann das Gericht der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden. Diese seit dem 01.04.2008 anwendbare Regelung hat den Hintergrund, dass durch unterlassene Ermittlungen im Verwaltungsverfahren die gerichtlichen Verfahren wegen nachzuholender Ermittlungen länger und teurer werden. Die Vorschrift soll daher einen Ausgleich der Kosten ermöglichen, die den Justizhaushalten entstehen (BT-Drucks. 16/7716 S. 23).
Voraussetzung für die Auferlegung von Kosten nach § 192 Abs. 4 SGG ist, dass notwendige und ohne weiteres erkennbare Ermittlungstätigkeiten der Behörde im Verwaltungsverfahren unterblieben sind und im gerichtlichen Verfahren durch das Sozialgericht nachgeholt werden mussten. Erkennbar sind solche Ermittlungen nur dann, wenn sich der Behörde die Notwendigkeit ausgehend von den gesetzlichen Bestimmungen und ihrer höchstrichterlichen Auslegung bzw. von einem vertretbaren Rechtsstandpunkt aus erschließen musste (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.11.2012 – L 3 R 750/12 B, zitiert nach Juris, m.w.N., RdNr. 12).
Die Voraussetzungen für eine Kostenauferlegung nach § 192 Abs. 4 SGG sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Maßgeblich ist die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens durch Widerspruchsbescheid vom 12.09.2008 (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.08.2012 – L 4 AS 537/10 B; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.01.2012 – l 5 AS 228/11 B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.08.2009 – L 4 KR 108/09 B; ThürLSG, Beschluss vom 16.03.2009 – L 1 B 201/08 U). Bis dahin lag keine höchstrichterliche Entscheidung zur Gewährung eines Mehrbedarfs bei krankheitsbedingt erhöhten Aufwendungen für Ernährung bei Laktoseintoleranz vor. Erst mit Urteil vom 14.02.2013 hat das Bundessozialgericht unter Bezugnahme auf eine Entscheidung aus dem Jahr 2011 entschieden, dass im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 5 SGB II kaum Fälle denkbar seien, in denen sich für eine bestimmte Erkrankung, die – wie die Laktoseintoleranz – Einfluss auf die Ernährung hat, ein besonderer Kostenaufwand abschließend als generelle Tatsache (Rechtstatsache) mit Gültigkeit für jeden Einzelfall verneinen lasse (B 14 AS 48/12 R, RdNr. 17). Aus den bis dahin vorliegenden Entscheidungen des Bundessozialgerichts (siehe Urteile vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 3/07 R und B 14/7b AS 58/06 R – und vom 27.02.2008 – B 14/7b AS 64/06 R und B 14/7b AS 32/06 R), die u.a. zu wegen Diabetes mellitus geltend gemachtem Ernährungsaufwendungen ergingen, für die die damaligen Empfehlungen des DV einen Mehrbedarf vorsahen, ergibt sich nur, dass jeweils der genaue krankheitsbedingte Mehrbedarf der Kläger im Einzelnen aufzuklären sei (vgl. BSG, Urteile vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 3/07 R, RdNr. 16 R, und – B 14/7b AS 58/06 R, RdNr. 41, und Urteile vom 27.02.2008 – B 14/7b AS 64/06 R, RdNr. 28 und – B 14/7b AS 32/06 R; RdNr. 39), insbesondere, wenn mehrere Erkrankungen vorliegen, die eine kostenaufwändige Ernährung bedingen können, und wenn von den Empfehlungen des DV abweichende Bedarfe geltend gemacht werden. So konnten nach damaliger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Empfehlungen des DV (vor 01.10.2008) als Orientierungshilfe dienen, wenn auch ohne normativen Charakter.
Die obergerichtliche Rechtsprechung zur Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II bei Laktoseintoleranz war uneinheitlich (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2006 – L 18 AS 952/06; BayLSG, Urteil vom 13.09.2007 – l 11 AS 258/06; LSG NRW, Beschluss vom 16.05.2008 – L 19 B 69/08 AS ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.05.2008 – L 5 B 1001/08 AS ER), so dass schon deswegen von keiner maßgeblichen Rechtsauffassung insoweit die Rede sein kann und mithin jeder Rechtsstandpunkt vertretbar war.
Soweit die Beschwerde unter Bezugnahme auf eine erst jetzt vorliegende Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts darauf abstellt, dass bei jedweder Laktoseintoleranz keine Mehraufwendungen für eine gesunde Ernährung entstehen – eine Auffassung, die wohl auch schon damals durchgängig vom Beklagten vertreten worden ist –, ist einzuräumen, dass bei hypothetischer Richtigkeit dieser Annahme, sich tatsächlich keine Ermittlungen zu einem etwaigen Mehraufwand für krankheitsbedingt erhöhte Ernährungskosten bei Laktoseintoleranz erschließen mussten. Allerdings erweist sich diese Annahme schon deswegen als nicht uneingeschränkt tragfähig, weil im vorliegenden Verfahren der Klägerin im Zuge der Beweisaufnahme festgestellt worden ist, dass bei einer strikt laktosefreien Kost Mehrkosten von einem Euro und mehr täglich entstehen (vgl. Gutachten vom 29.03.2012).
All dies zeigt, dass die unterschiedlichen Auffassungen des Sozialgerichts einerseits und des Beklagten andererseits hinsichtlich der Notwendigkeit von Ermittlungen nicht auf einem offensichtlichen (und demzufolge rechtswidrigen) Ermittlungsdefizit des Beklagten beruhen, sondern dass hinsichtlich der tatsächlichen Erkenntnisse zum Mehraufwand bei laktosefreier Ernährung unterschiedliche Auffassungen bestehen. Dabei handelt es sich um eine übliche Prozesssituation, nämlich, dass ein Beteiligter in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine andere Auffassung vertritt oder eine andere Bewertung vornimmt als das Gericht. Es kann im hier vorliegenden Fall auch nicht außer Acht bleiben, dass der Beklagte eine Begutachtung der Klägerin durch den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit während des gerichtlichen Verfahrens selbst veranlasst und damit unterbliebene Ermittlungen gewissermaßen nachgeholt hat. Erst danach hat die Klägerin eine substantiierte Stellungnahme ihres Hausarztes zu ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen beigebracht (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.04.2011 – L 7 AS 426/10 B, RdNr. 21). Ferner ist zu berücksichtigen, dass zwar das Bundessozialgericht schon damals den Gerichten und der Verwaltung aufgegeben hatte, im jeweiligen Einzelfall den konkreten krankheitsbedingten Mehrbedarf für Ernährung zu ermitteln, andererseits die als Orientierungshilfe vorliegenden Empfehlungen auch schon vor dem 01.10.2008 keinen Mehrbedarf für Ernährung bei Laktoseintoleranz vorsahen und die Klägerin erst 2009 nach Aufforderung im gerichtlichen Verfahren ihre Mehraufwendungen näher dargelegt hat. Dass sich die pauschale Sicht des Beklagten nicht aufrecht erhalten lässt, dürfte sich erst im Laufe der Zeit und im Zuge der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse ergeben haben (vgl. BSG, Urteil vom 14.02.2013, a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass der Beklagte Ermittlungen unterlassen hat, die sich ihm schon damals im Verwaltungsverfahren erkennbar hätten erschließen müssen. Die Ermächtigung in § 192 Abs. 4 SGG soll lediglich in den Fällen, in denen sich aufdrängende Ermittlungen – wider besseres Wissen – nicht im Verwaltungsverfahren vorgenommen worden sind, die Justizkassen entlasten und dient nicht dazu, durch das den Behörden drohende Kostenrisiko deren Einigungsbereitschaft zu erzwingen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG nicht anfechtbar.
Dr. Anders Koar Wagner
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