L 13 R 360/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 2390/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 360/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2012 - berichtigt durch Beschluss vom 27. Dezember 2012 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1970 geborene Kläger reiste am 3. August 1978 in das Bundesgebiet ein. Er hat keine Ausbildung oder ein sonstiges Anlernverhältnis durchlaufen (s. Anlage zum Rentenantrag vom 7. Oktober 2008). Er war von August 1986 bis März 2003 als Arbeiter beschäftigt, zuletzt bei der P. P. E. GmbH & Co KG in Sch. als gewerblicher Mitarbeiter (s. Zeugnis vom 31. März 2003). Das Unternehmen hat Insolvenz angemeldet. Der Kläger war anschließend arbeitslos gemeldet. Derzeit bezieht der Kläger Leistungen nach dem SGB II.

Am 7. Oktober 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung gab er an, seit Juli 1999 wegen anhaltender mittel- bis schwergradiger depressiver Episoden, einem chronischen Schmerzsyndrom, Bandscheibenbeschwerden sowie Spannungskopfschmerzen nicht mehr in der Lage zu sein, irgendeiner Arbeit nachzugehen. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der B.-Klinik vom 1. Oktober 2004 über die Anschlussrehabilitation vom 9. bis 30. September 2004 nach erfolgter Bandscheibenoperation L5/S1 links am 20. August 2004 bei. Der Kläger wurde nach Ablauf von vier Monaten nach der Operation für fähig erachtet, täglich mittelschwere Tätigkeiten über sechs Stunden zu verrichten. Bückbelastungen seien unter Beachtung rückenschonender Kautelen zumutbar. Anhaltend vorgebeugte Körperhaltungen, Stoß- und Drehbelastungen der Wirbelsäule sollten vermieden werden. Die Tätigkeiten könnten sowohl überwiegend stehend als auch überwiegend gehend und überwiegend sitzend erfolgen. Aktenkundig wurde auch der Entlassungsbericht der Klinik G. vom 10. Oktober 2008. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten eine anhaltende mittel- bis schwergradige Episode, eine chronische somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende Lumboischialgie bei Zustand nach Rezidiv-Bandscheibenprolaps L5/S1, vier Mal operative Revision, einen Spannungskopfschmerz sowie einen Verdacht auf Analgetikaabhängigkeit. Der Kläger könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Arbeiter an einer CNC-Maschine nicht mehr sechsstündig verrichten. Leichte Tätigkeiten könne der Kläger hingegen sechs Stunden verrichten. Tätigkeiten mit vermehrten Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, mit hoher Konzentrationsleistung, mit Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge, mit vermehrtem Zeitdruck, Akkordarbeit und überlangen Arbeitszeiten, mit regelmäßigem Heben, Bewegen und Tragen von Lasten von mehr als 7 kg, häufiges Bücken sowie Zwangshaltungen, Tätigkeiten mit extrem schwankenden Temperaturen und vermehrter Exposition gegenüber Nässe sowie häufig wechselnden Arbeitszeiten seien zu vermeiden. Aktenkundig wurde noch eine fachärztliche Bescheinigung des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. G. vom 17. November 2008, nach der beim Kläger eine schwere Schmerzerkrankung, eine anhaltende schwere depressive Episode sowie chronische somatoforme Schmerzstörungen, ein chronischer Spannungskopfschmerz, rezidivierende Ischiolumbalgien bei Bandscheibenvorfällen und vierfacher operativer Revision vorliegen. Alleine wegen dieser Erkrankungen sei ein GdB von 80 v.H. gerechtfertigt. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Orthopäden Dr. W ... Der Gutachter kam in seinem Gutachten vom 18. Dezember 2008 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein pseudoradikuläres linksseitiges LWS-Syndrom bei Zustand nach viermaliger chirurgischer Intervention wegen eines Bandscheibenvorfalls L5/S1 linksseitig ohne neurologische Restsymptomatik bei normaler Funktion vorliege. Insgesamt habe die klinische wie röntgenologische Untersuchung keine schwerwiegenden Befunde ergeben. Der Kläger sei daher noch in der Lage, mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Vermieden werden sollten Arbeiten in Zwangspositionen, die insbesondere die Lendenwirbelsäule belasten würden, sowie schweres Heben. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Sozialmedizinerin Dr. Peter vom 23. Dezember 2008 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Januar 2009 den Rentenantrag ab. Am 4. Februar 2009 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch und legte das bereits aktenkundige Attest des Dr. G. vom 17. November 2008 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 11. Mai 2009 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat u.a. einen Bericht des Dr. G. vom 22. Januar 2009 vorgelegt, nach dem eine nervenärztliche Begutachtung notwendig sei. Dies hat Dr. G. auch als sachverständiger Zeuge schriftlich bestätigt (Aussage vom 28. September 2009). Der behandelnden Hausarzt M. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 7. Oktober 2009 die für das berufliche Leistungsvermögen maßgebliche Leiden auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet gesehen. Nach den vom Kläger beschriebenen Beschwerden seien nur Tätigkeiten von weniger als drei Stunden möglich. Der Kläger hat verschiedene Berichte, die Beklagte beratungsärztliche Stellungnahmen der Internistin Dr. Pf. und der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vorgelegt.

Das SG hat zudem Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten der Dres. R. und M. sowie von Prof. Dr. E ... Psychiater Dr. R. hat im Gutachten vom 9. Dezember 2010 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Dem Kläger seien leichte körperliche Arbeiten vorwiegend im Sitzen unter Berücksichtigung der jetzigen Medikation vollschichtig zumutbar. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen, Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit seien nicht möglich, ebenso wie schwierige Tätigkeiten geistiger Art und mit besonderer nervlicher Beanspruchung. Der Orthopäde Dr. M. hat im Gutachten vom 18. Juni 2011 die von Dr. W. gefasste Diagnose eines pseudoradikulären Lendenwirbelsäulen-Syndroms bei Zustand nach viermaliger chirurgischer Intervention wegen eines Bandscheibenvorfalls L5/S1 linksseitig ohne neurologische Restsymptomatik bei normaler Funktion uneingeschränkt bestätigt und eine Progression verneint. Röntgenologisch finde sich eine beginnende Arthrose der Hüftgelenke rechts mehr als links. Die geklagten Kopfschmerzen ließen sich von orthopädischer Seite nicht bestätigen. Es handele sich um funktionelle Beschwerden mit Blockierungen und Muskeldysbalancen, die orthopädisch gut zu therapieren seien. Der Kläger könne leichte bis kurzfristig mittelschwere körperliche Arbeiten durchführen. Das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sei zu vermeiden. Das Arbeiten auf Gerüsten und Leitern sei auf kurze Zeiten zu beschränken. Es sei eine mehrheitlich sitzende Tätigkeit anzustreben. Eine durchgängig stehende Tätigkeit sollte auf maximal 3 Std. begrenzt werden. Arbeit mit nach vorn übergebeugtem Oberkörper oder in Zwangshaltungen seien ebenfalls zu vermeiden. Arbeiten in Kälte oder Nässe sowie am Fließband sollten vermieden werden. Die zumutbaren Tätigkeiten könne der Kläger mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Der nach § 109 SGG gehörte Gutachter, Prof. Dr. E., hat aufgrund einer Untersuchung am 27. Oktober und 7. November 2011 eine schizoaffektive Psychose bzw. eine schizoaffektive Störung diagnostiziert (Gutachten vom 14. November 2011). Es handele sich um die Verbindung einer depressiven Episode und einer bisher nicht festgestellten schizophrenen Störung. Der Kläger könne nur noch leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit ohne Tätigkeiten geistiger Art, ohne Publikumsverkehr, ohne Anforderung an die soziale Kompetenz, an Strukturierungsfähigkeit, an eine Regelmäßigkeit und ohne besondere nervliche Beanspruchung noch ca. vier Stunden täglich durchführen. Danach würde das Energieniveau versiegen bzw. die Energiereserven wären im Rahmen der psychomotorischen Hemmung, der Negativsymptomatik, der fehlenden Motivierungsfähigkeit oder des Abgelenktseins durch psychotische Inhalte erschöpft. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 26. März 2012 hat Prof. Dr. E. ausgeführt, an der Identität des Untersuchten und an der Diagnose bestehe kein Zweifel. Es bleibe offen, ob die Schizophrenie damals noch nicht bestanden habe oder übersehen worden sei. Dementsprechend bestehe die Leistungsbeurteilung seit seiner Begutachtung. Mit Urteil vom 26. Oktober 2012 - berichtigt durch Beschluss vom 27. Dezember 2012 - hat das SG den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. April 2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger aufgrund eines Eintritts der Erwerbsminderung am 27. Oktober 2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2013 zu gewähren.

Gegen das der Beklagten am 4. Januar 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. Januar 2013 Berufung eingelegt. Unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom 17. Januar 2013 hat die Beklagte ausgeführt, dass eine schizophrene Symptomatik nicht nachgewiesen sei.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgericht Freiburg vom 26. Oktober 2012 - berichtigt durch Beschluss vom 27. Dezember 2012 - aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2012 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 7. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2009 zu verurteilen, ihm ab 1. Oktober 2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren sowie die Berufung zurückzuweisen.

Selbst wenn vorbehandelnde Ärzte eine schizoaffektive Störung nicht diagnostiziert hätten, sei dies kein Indiz dafür, dass im Oktober 2010 (wohl 2011 gemeint) eine solche Störung nicht vorhanden gewesen sei.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Prof. Dr. B. vom 18. März 2013. Dieser hat beim Kläger ein leicht ausgeprägtes Wirbelsäulen-Syndrom ohne aktuelles Nervenwurzelreizsymptom und ohne auf die Wirbelsäule beziehbare segmentale sensible oder motorische neurologische Defizite (mit Ausnahme einer Aufhebung des Achillessehnenreflexes links, einer leichten Nervenwurzelschädigung S1 links entsprechend, jedoch ohne damit einhergehende Paresen und ohne daraus resultierende Sensibilitätsstörungen) sowie eine Dysthymie diagnostiziert. Eine weitere psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinne, insbesondere ein klinisch relevantes depressives Syndrom jedweder Genese bzw. ein chronisches, klinisch-relevantes, medizinisch nicht kupierbares Schmerzsyndrom jedweder Genese seien beim Kläger ausgeschlossen. Dem Kläger seien daher leichte und vorübergehend auch mittelschwere körperliche Arbeiten auch zumutbar, sofern letzte nur als Ausnahmefall hin und wieder während einer Arbeitsschicht vorkommen, aber nicht zum allgemeinen Arbeitsablauf gehören. Der Kläger könne diese Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Die vom Kläger beschriebenen Pseudohalluzinationen stellten keine psychotischen Phänomene dar, da ihnen der Realitätscharakter fehle. Der Kläger könne sich von diesen Vorstellungen distanzieren und wisse, dass diese nicht real sein könnten. Selbst wenn beim Kläger eine Psychose vorliege und es sich nicht lediglich um Pseudohalluzinationen oder gar um manipulative Verhaltensweise handele, sei das quantitative Leistungsvermögen nicht eingeschränkt. Nur bei chronischem Vorliegen einer negativen Symptomatik im Sinne eines sog. schizophrenen Residuums sei von einer erheblichen quantitativen Leistungseinschränkung zeitüberdauernder Natur auszugehen. Für die Diagnose eines schizophrenen Residuums müssten jedoch ausgeprägte negative schizophrene Symptome vorhanden sein, wie psychomotorische Verlangsamung, verminderte Aktivität, Affektverflachung, Passivität und Initiativemangel, geringe nonverbale Kommunikation durch Gesichtsausdruck, Blickkontakt, Modulation und Körperhaltung, Vernachlässigung der Körperpflege und ähnliches. Ein solches schizophrenes Residuum im dargelegten Sinne sei beim Kläger jedoch nicht festzustellen und ergebe sich auch nicht aus der Aktenlage. Auch seine aktuell erhaltene Tagesstrukturierung, sein aktuelles allgemeines Interessensspektrum und seine aktuell erhaltene Sozialkompetenz widersprächen der diagnostischen Annahme eines schizophrenen Residuums im diesem Sinne. Schließlich weise der Kläger aktuell auch keinerlei psychotische Symptomatik auf.

Der Kläger hat durch seinen Bevollmächtigten vortragen lassen, dass er nicht simuliere. Zudem sei die Diskrepanz des jetzigen Gutachters zu allen anderen Ärzten eklatant. Dieses Gutachten werde dem Kläger in keiner Weise gerecht. Der Kläger hat einen Bericht der Kliniken des Landkreises L. vom 16. April 2013 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihre Zustimmung hierzu erteilt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des SG hat zu Unrecht der Klage teilweise stattgegeben. Die Anschlussberufung des Klägers, mit der eine Verurteilung spätestens aufgrund eines Leistungsfalles im Oktober 2010 (wohl 2011 gemeint), also frühestmöglich, begehrt wird, ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund des Rentenantrages vom 7. Oktober 2008. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der dem Rentenantrag des Klägers vom 7. Oktober 2008 ablehnende Bescheid vom 7. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. April 2009. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Gem. § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes min. 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes min. 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes min. 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger kann leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von 6 Stunden täglich verrichten. Der Kläger leidet auf orthopädischem Fachgebiet unter einem pseudoradikulären Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei Zustand nach viermaliger chirurgischer Intervention wegen eines Bandscheibenvorfalls L5/S1 linksseitig ohne neurologische Restsymptomatik bei normaler Funktion. Dies ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar aus dem Gutachten des Dr. W. sowie des Sachverständigen Dr. M ... Daneben besteht beim Kläger noch eine beginnende Arthrose der Hüftgelenke rechts mehr als links, was der gerichtliche Sachverständige Dr. M. anhand des röntgenologischen Befundes überzeugend dargelegt hat. Der vom Kläger geklagte Belastungsschmerz und eine angegebene max. Gehstrecke von 15 Min. können damit nicht bestätigt werden. Die funktionellen Beschwerden mit Blockierungen und Muskeldysbalancen im Bereich der Halswirbelsäule sind orthopädisch gut zu therapieren. Der gerichtliche Sachverständige Dr. M. hat hiernach überzeugend für den Senat dargelegt, dass dem Kläger mit diesen Erkrankungen noch leichte bis kurzfristig mittelschwere körperliche Arbeiten vollschichtig möglich sind. Es bestehen lediglich qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens. Dem Kläger sind Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, das Arbeiten auf Gerüsten und Leitern für längere Zeit, eine durchgehend stehende Tätigkeit, Arbeiten mit nach vorne übergebeugtem Oberkörper oder in Zwangshaltungen, Arbeiten in Kälte oder Nässe sowie Arbeiten am Fließband nicht zumutbar. Aus dem vom Kläger vorgelegten Bericht der Kliniken des Landkreises L. vom 16. April 2013 ergibt sich keine relevante Verschlechterung. Der behandelnde Arzt Prof. Dr. Pf. hat anhand eines Kernspintomogramms bei L4/5 einen ausreichend weiten Spinalkanal mit nur mäßiger Facettenarthrose feststellen können. Bei L5/S1 hat sich eine schwere Osteochondrose ohne deutliche Einengung der Neuroforamina und des Spinalkanals und eine deutliche Bandscheibenprotrusion gezeigt. Ein vernünftig abwägender Operateur würde dem Kläger eine Operation aber bis zum Abschluss des Rentenverfahrens nicht anbieten. Eine Einschränkung für leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen ergibt sich hieraus nicht. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren hierzu nicht veranlasst. Der Kläger hat auch weitere Ermittlungen diesbezüglich nicht beantragt.

Unter neurologischem Gesichtspunkt leidet der Kläger unter einer Aufhebung des Achillessehnenreflexes links, einer leichten Nervenwurzelschädigung S1 links entsprechend, jedoch ohne damit einhergehende Paresen und ohne daraus resultierende Sensibilitätsstörungen, wie der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. B. schlüssig nachvollziehbar ausgeführt hat. Auf psychiatrischem Fachgebiet leidet der Kläger zudem unter einer Dysthymie, einer chronisch depressiven Verstimmung, die jedoch nach Schweregrad und Dauer der einzelnen Episoden nicht die Kriterien für eine leichte oder gar mittelgradige rezidivierende depressive Störung erfüllt. Depressive Symptome konnte Prof. Dr. B. beim Kläger weder zum Zeitpunkt der Untersuchung noch im Querschnittsbefund oder gar aus der längsschnittlichen Betrachtung seiner eigenen anamnestischen Angaben und der Aktenlage ableiten. Depressive Symptome bestehen schon im Rahmen einer leichten depressiven Episode in einer gedrückten Stimmung, in einem Interessenverlust, in einer Unfähigkeit sich freuen zu können und in einer Verminderung des Antriebs; die Verminderung der Energie in einem solchen depressiven Zustand führt zu einer erhöhten Ermüdbarkeit und zu einer Aktivitätseinschränkung. Eine deutliche Müdigkeit tritt bei derart Kranken schon nach nur kleinen Anstrengungen auf. Weitere typische Symptome sind ein vermindertes Konzentrations- und Aufmerksamkeitsvermögen, ein vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, Gedanken über oder tatsächlich erfolgte schwerwiegende Selbstverletzungen oder Suizidhandlungen, Schlafstörungen und verminderter Appetit. Prof. Dr. B. hat für den Senat schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass solche Symptome nicht nachgewiesen sind, insbesondere ist ein depressiver Appetitverlust beim Kläger nicht festzustellen, da der Kläger sein Körpergewicht von 92 kg sogar noch um 2 kg vermehrt hat. Die Antriebssituation beim Kläger war ungestört. Der Kläger zeigte weder eine Antriebshemmung noch eine Antriebsreduktion, sondern vielmehr ein adäquates psychomotorisches Tempo, eine ausreichend lebhafte Gestik und Mimik, um seinen verbalen Vortrag zu untermauern, eine regelrechte Sprachgeschwindigkeit und gute Stimmmodulation. Der Kläger war auch häufig in der Lage, die Initiative in der Explorationssituation zu ergreifen. In affektiver Hinsicht war ein guter Rapport zu ihm herstellbar und keine durchgängige Verschiebung seiner Grundstimmung in einen deprimiert-gehemmten oder ängstlichen Modus, jedoch auch nicht dysphorisch-gereizt oder für die Situation inadäquat euphorisch festzustellen. Auch freudige Affekte mit Lächeln und Schmunzeln waren nicht ausgespart, somit insgesamt eine ausreichend erhaltene affektive Modulationsfähigkeit festzustellen. Depressiv induzierte kognitive Defizite hinsichtlich Aufmerksamkeit und Konzentration waren nicht festzustellen. Aus der Dysthymie resultieren gleichwohl keine sozialen Rückzugstendenzen, kein Verlust seiner allgemeinen Tagesstrukturierung und kein Verlust des allgemeinen Interessensspektrums, weshalb Prof. Dr. B. lediglich überwindbare keinesfalls unüberwindbare psychische Hemmungen ableiten konnte (vgl. Bl. 52 der Akten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg). Aus der erhaltenen Tagesstrukturierung, dem allgemeinen Interessensspektrum und der sozialen Interaktionsfähigkeit des Klägers hat Prof. Dr. B. auch schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bzw. weitere damit verwandte diagnostische Bezeichnungen oder eine klinisch relevante andere psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinne nicht vorliegt. Prof. Dr. B. hat hiernach für den Senat schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass dem Kläger wegen des leicht ausgeprägten Wirbelsäulen-Syndroms nur leichte und vorübergehend mittelschwere körperliche Arbeiten zugemutet werden können, wohingegen ihm schwere und dauernd mittelschwere körperliche Arbeiten, Arbeiten mit häufigem Sich-Bücken, Sich-Drehen und Sich-Wenden, Arbeiten in häufiger Zwangshaltung, Arbeiten mit Häufiger Über-Kopf-Haltung und Arbeiten in Kälte und Nässe ohne entsprechende Schutzkleidung nicht zumutbar sind, aus der Dysthymie keine weitere objektivierbare Leistungseinbuße resultiert.

Nicht gefolgt werden kann den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. E ... Die von ihm diagnostizierte schizophrene Störung ist nicht nachgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des erkennenden Senats ist bei psychischen Störungen ein strenger Maßstab anzulegen, weshalb es bereits zu Lasten des die Beweislast tragenden Klägers geht, wenn sich eine Vortäuschung nicht ausschließen lässt (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 6. September 2001, B 5 RJ 42/00 R, veröffentlicht in Juris, Urteil des erkennenden Senats vom 5. Oktober 2010, L 13 R 1005/09 m.w.N). Entgegen der Auffassung des SG reicht es jedenfalls nicht aus, dass eine Erkrankung nur glaubhaft ist. Hinsichtlich der schizophrenen Störung lässt sich ein Vortäuschen nicht ausschließen. So hat der Kläger auch bei der neurologischen Untersuchung durch Prof. Dr. B. Simulationstendenzen gezeigt. Bei der Prüfung der Kopfbeweglichkeit hat der Kläger schon bei den geringsten Drehbewegungen seines Kopfes bzw. bei den geringsten Kopfseitneigebewegungen beidseits heftigste Schmerzen angegeben und diese auch gestisch und mimisch ausgedrückt. Gleichwohl war jedoch eine weitere passive Bewegung seines Kopfes bis zu den Endpunkten möglich. Zudem hat sich bei der späteren Überprüfung der Kraft des Musculus sternocleidomastoideus beidseits keine entsprechende Funktionseinschränkung der aktiven Kopfdrehung beim Kläger gezeigt. Es fand sich keine durchgängig aktive Anspannung der antagonistisch, d.h. der gegenläufig wirkenden Muskulatur, um jede weitere Dehnung schmerzhafter und/oder schmerzhaft empfundener Muskelstrukturen, Sehnenstrukturen, Gelenkstrukturen bzw. nervaler Strukturen zu verhindern. Wenn tatsächlich schmerzhafte Gelenkstrukturen usw. vorlägen, dann käme es auch regelhaft zu einer schmerzinduzierten Aktivierung der gegenläufig wirkenden Muskulatur, um jede weitere passive bzw. aktive Überdehnung dieser Strukturen zu verhindern. Derartige Phänomene waren aber gerade nicht durchgängig festzustellen, so dass entsprechende Schmerzen auszuschließen sind. Entsprechendes hat Prof. Dr. B. bei dem untersuchten Hüftgelenk beschrieben. Für eine Simulation spricht auch, dass kein behandelnder Arzt einen entsprechenden Verdacht oder Befund beschrieben oder eine solche Diagnose gestellt hat. Weder Arzt M. noch Psychiater Dr. G. oder Neurologe Dr. W. (Bericht vom 24. August 2009; Bl. 113 der SG-Akten) oder die behandelnden Ärzte der H.-C.-Klinik (Bericht vom 9. August 2010, Bl. 146 ff. der SG Akten) oder der Klinik G. haben solche schizophrenen Symptome -und nicht lediglich Ängste (s. hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme der Dr. E. vom 17. Januar 2013)- beschrieben. Die Behauptung des Klägers gegenüber Prof. Dr. E., bisher habe sich keiner der Ärzte für diese Symptome oder Stimmen interessiert, erscheint abwegig. Darüber hinaus begründet auch Prof. Dr. E. nicht ausreichend, weshalb aufgrund der diagnostizierten schizophrenen Störung ein ca. 4 -stündiges Leistungsvermögen vorliegen solle, nicht jedoch ein 6 -stündiges. Prof. Dr. B. hat überzeugend dargelegt, dass selbst unter Annahme einer Psychose das Leistungsvermögen nicht auf untervollschichtig eingeschränkt sein muss. Insbesondere spricht gegen eine rentenrelevante Leistungseinschränkung, dass ausgeprägte negative schizophrene Symptome, die ein schizophrenes Residuum begründen, gerade nicht vorhanden sind (vgl. Bl. 99 der Prozessakten des Senats). Schließlich hat Prof. Dr. B. auch darauf hingewiesen, dass sich auch nach den Angaben des Prof. Dr. E. der Kläger von diesen Vorstellungen habe distanzieren können, da er wisse, dass diese nicht real sein könnten, weshalb es sich nicht um psychotische Phänomene handelt. Bestätigt wird die Leistungsbeurteilung des Prof. Dr. B. durch den Psychiater Dr. R ... Zwar hat Dr. R. im Gutachten vom 9. Dezember 2010 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine leichte depressive Episode diagnostiziert. An der vollschichtigen Leistungsfähigkeit des Klägers hat aber auch Dr. R. keine Zweifel geäußert. Dies ist anhand der gestellten Diagnosen schlüssig und nachvollziehbar. Nicht gefolgt werden kann der Diagnosestellung durch die behandelnden Ärzte der H.-C.-Klinik, als diese eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert haben. Prof. Dr. B. hat überzeugend darauf hingewiesen, dass die dort behandelnden Ärzte gerade keine depressive Denkhemmung feststellen konnten, so dass sich Befund und Diagnose diametral widersprechen. Auch die von der Klinik G. diagnostizierte anhaltende mittel- bis schwergradige depressive Episode ist angesichts fehlender kognitiver depressiv induzierter Defizite und ohne damit einhergehender depressiver Denkhemmung nicht überzeugend, wie Prof. Dr. B. nachvollziehbar dargelegt hat. Darüber hinaus ist hiernach plausibel die Diagnose einer "anhaltenden Episode" mit Wortlaut und ICD-10 nicht vereinbar. Soweit der Hausarzt dem Kläger ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen attestiert hat, kann dem bereits deshalb nicht gefolgt werden, da sich dieser ausdrücklich an den vom Kläger beschriebenen Beschwerden orientiert hat und nicht an selbst erhobenen Befunden. Der behandelnden Neurologe und Psychiater Dr. G. hat keine eigene Leistungsbeurteilung abgegeben, sondern eine nervenärztliche zusätzliche Begutachtung für erforderlich erachtet, die auch anschließend mehrfach erfolgt ist. Nach alledem ist der Kläger in der Lage unter Beachtung qualitativer Einschränkungen leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Die vorliegenden qualitativen Einschränkungen können zwar das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts. Aus den genannten qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ergeben sich weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2011, B 13 R 78/09 R, veröffentlicht in Juris). Insbesondere konnte der Senat sich von einer Einschränkung der Wegefähigkeit nicht überzeugen. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines verhandelnden vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (Bundessozialgericht, Großer Senat, vom 19. Dezember 1996, GS 2/95, veröffentlicht in Juris). Eine volle Erwerbsminderung setzt danach grundsätzlich voraus, dass der Versicherte nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Min.) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmittel fahren kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Eine solche rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit liegt nicht vor. Zwar hat der Kläger beim gerichtlichen Sachverständigen Dr. M. angegeben, er leide unter Belastungsschmerzen im Bereich der Hüftgelenke, die max. Gehstrecke betrage noch 15 Min. Dies hat aber Dr. M. anhand orthopädischer Befunde nicht bestätigen können. Röntgenologisch ließen sich allenfalls beginnende Arthrosen der Hüftgelenke rechts mehr als links feststellen. Dr. M. hat demzufolge überzeugend dargelegt, dass dem Kläger noch 50 Min. Gehstrecke zu Fuß zumutbar sind. Prof. Dr. B. hat darüber hinaus festgestellt, dass unter rein nervenärztlichen Gesichtspunkten die Wegstrecke nicht eingeschränkt ist.

Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kommt wegen des Alters des Klägers von vorneherein nicht in Betracht.

Der Kläger hat demnach weder Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens insbesondere Berücksichtigt, dass die Klage im Ergebnis erfolglos geblieben ist und die Beklagte zur Klage keinen berechtigten Anlass gegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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