L 3 SB 1233/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 3941/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1233/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Februar 2013 wird als unzulässig verworfen, soweit die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" geltend gemacht wird.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 70 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) festzustellen sind.

Bei dem am 12.08.1950 geborenen Kläger war zuletzt mit Bescheid vom 13.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.04.2004 ein GdB von 60 ab 28.11.2003 festgestellt worden. Dem lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: 1. Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, coronare Herzkrankheit (Teil-GdB 40) 2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 20) 3. Chronisch venöse Insuffizienz beidseits, Polyneuropathie (Teil-GdB 20) 4. Bronchialasthma, Schlaf-Apnoe-Syndrom (Teil-GdB 20) 5. Mittelnervendruckschädigung beidseitig (Carpaltunnelsyndrom) (Teil-GdB 10).

Am 17.11.2010 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB wegen Verschlimmerung der bisher berücksichtigten Gesundheitsstörungen sowie die Feststellung des Merkzeichen "RF" (Rundfunkgebührenbefreiung).

Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis - Versorgungsamt - zog den ärztlichen Entlassungsbericht vom 20.10.2010 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers in der AHG Klinik A. - Zentrum für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Suchtmedizin - vom 07.09.2010 bis 19.10.2010 bei. Als Diagnosen werden darin eine psychogene Essstörung, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, schädlicher Gebrauch von Alkohol sowie Adipositas (BMI ) 40) genannt. Beigezogen wurden weiter die dem behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B. vorliegenden ärztlichen Unterlagen, auf die Bezug genommen wird.

Mit Bescheid vom 16.03.2011 lehnte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis den Antrag ab. Hiergegen erhob der Kläger am 14.04.2011 Widerspruch mit dem Antrag, den GdB mit 80 festzustellen. Es seien zwei neue Erkrankungen (Diabetes und Bronchitis) aufgetreten.

In der gutachtlichen Stellungnahme vom 31.05.2011 führte Dr. C. aus, es sei zusätzlich eine seelische Störung und Adipositas per magna mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beeinflussungen der vorliegenden Gesundheitsstörungen werde in der Gesamtschau ein GdB von 70 vorgeschlagen.

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 08.06.2011 stellte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis den GdB des Klägers mit 70 seit 17.11.2010 fest. Der Kläger erklärte hierauf, im Teil-Abhilfebescheid sei der Diabetes mellitus nicht berücksichtigt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der geltend gemachte Diabetes mellitus bedinge keinen GdB von wenigstens 10.

Hiergegen hat der Kläger am 22.11.2011 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben mit der Begründung, sowohl der bei ihm vorliegende Diabetes mellitus Typ II sowie eine COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) seien nicht entsprechend ihrem Schweregrad berücksichtigt worden.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Der Arzt für Lungenheilkunde Dr. D. hat in der schriftlichen Zeugenaussage vom 01.02.2012 ausgeführt, im Vordergrund stehe eine Herzmuskelschwäche, die sehr wahrscheinlich auf dem Boden einer Herzdurchblutungsstörung entstanden sei und die durch Herzrhythmusstörungen und ventrikuläre Extrasystolen kompliziert werde. Ebenfalls ungünstig belastend wirke sich der erhöhte Blutdruck auf den Herzmuskel aus. Zudem komme es zu einem reduzierten Atemvolumen (restriktive Ventilationsstörung) und zu einem zumindest leicht- bis mäßiggradigen Herzasthma. Des Weiteren habe der Kläger auch über sogenannte schlafbezogene Atemregulationsstörungen (Schlafapnoe-Syndrom) berichtet. Bei der letzten Untersuchung habe eine chronifizierte Ventilationsstörung mit einer 1-Sekunden-Kapazitätseinschränkung von 42 % der Norm bestanden. Bezüglich des Schlafapnoe-Syndroms lägen noch keine Untersuchungsergebnisse vor, so dass eine diesbezügliche Einschätzung nicht möglich sei.

Dr. B. hat unter dem 21.02.2012 die Diagnosen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, einen seit 2010 bestehenden, diabetisch und medikamentös behandelten Diabetes mellitus sowie eine seit 2010 bestehende COPD Grad 2 mitgeteilt.

Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines fachinternistischen Gutachtens durch Dr. F ... Im Gutachten vom 21.08.2012 hat dieser die von den einzelnen Erkrankungen ausgehenden Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt bewertet: Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, coronare Herzkrankheit 40 GdB Obstruktives Schlafapnoesyndrom, schwergradig 20 GdB Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung im Mischbild mit allergischem Bronchialasthma 20 GdB Chronisch venöse Insuffizienz beidseits, Polyneuropathie 20 GdB Seelische Störung, Adipositas per magna 20 GdB Degenerative Veränderungen der WS, Nervenwurzelreizerscheinungen 20 GdB Folge nach Carpaltunnelspaltung beidseits 10 GdB

Weiter hat er ausgeführt, nachdem für das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom und die Lungenfunktionsbeeinträchtigung mit rückfälliger respiratorischer Partialinsuffizienz ein Einzel-GdB von 20 festzusetzen sei, scheine die Anhebung des Gesamt-GdB auf 80 jetzt sicher gerechtfertigt.

In der Versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.11.2012 hat Dr. E. die Auffassung vertreten, ein Teil-GdB von 40 für die Herz-Kreislauf-Erkrankung sei zwar vertretbar, jedoch wohlwollend, da der Kläger bis 125 Watt belastbar sei und die Auswurffraktion 61 % betragen habe. Nachdem Nervenwurzelreizerscheinungen nicht beschrieben worden seien und auch die gutachterliche Untersuchung keine relevanten Einschränkungen der Wirbelsäule ergeben habe, könne der für die neurologischen und orthopädischen Beeinträchtigungen festgestellte Teil-GdB von 20 zwar belassen werden, dieser werde jedoch nicht vollständig ausgefüllt. Gleiches gelte für den Zustand nach Carpaltunnelspaltung rechts. Insgesamt sei der GdB mit 70 wie bisher festzustellen.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei zwar in der Bewertung der einzelnen Behinderungen den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. zu folgen. Soweit die behandelnden Ärzte für die Lungenerkrankung einen höheren Teil- GdB veranschlagten, sei diesen nicht zu folgen. Dr. B. habe keine Messwerte mitgeteilt, Dr. D. habe bei der Lungenfunktionsprüfung am 20.08.2010 eine mittelschwere obstruktive Ventilationsstörung festgestellt, wobei die Vitalkapazität lediglich 54 % und die 1-Sekunden-Kapazität lediglich 42 % der Normwerte betragen habe. Demgegenüber habe der Sachverständige Dr. F. bei der gutachterlichen Untersuchung am 04.07.2012 eine Einschränkung der Lungenfunktion lediglich geringen Grades festgestellt, nachdem die 1-Sekunden-Kapazität unter Medikation im Normbereich gelegen habe und eine obstruktive Lungenfunktionsstörung nicht festzustellen gewesen sei. Gegen eine weitergehende Beeinträchtigung der Lungenfunktion bei bereits leichter Belastung spreche zudem, dass der Kläger ergonometrisch bis 125 Watt belastbar gewesen sei. Zutreffend sei auch, für die Diabetes-Erkrankung keinen Teil-GdB zu veranschlagen, nachdem lediglich eine Behandlung mit Metformin, einem nicht zu Hypoglykämien führenden Medikament, stattfinde. Insgesamt sei der GdB mit 70 festzustellen. Die schwerwiegendste Beeinträchtigung bestehe in der Herzerkrankung und dem Bluthochdruckleiden mit einem Teil-GdB von 40. Unter Einbeziehung des Lungenleidens, das mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten sei, ergebe sich für das Herz-Kreislauf- und Lungensystem ein GdB von knapp 60. Die weiteren körperlichen Erkrankungen wirkten sich auf das Gesamtbild der Behinderung allenfalls geringfügig aus, so dass damit ein GdB von 60 erreicht werde. Derzeit bedingten die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule für den Kläger keine wesentlichen Beschwerden, die chronisch venöse Insuffizienz und die Polyneuropathie beeinträchtigten die Standfähigkeit sowie das Gehvermögen nicht und das operierte Carpaltunnelsyndrom führe ebenfalls zu keinen wesentlichen Behinderungen. Unter Einbeziehung der Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet, nämliche einer leicht ausgeprägten depressiven Störung und einer psychogenen Essstörung, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten seien, sei der Gesamt-GdB mit 70 zutreffend festgestellt.

Gegen den am 22.02.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.03.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, die Beeinträchtigungen auf orthopädischem Gebiet seien nicht berücksichtigt worden. Er könne kaum noch laufen, sei kurzatmig und schon nach kurzen Wegstrecken völlig erschöpft. Völlig unberücksichtigt sei auch das Schlafapnoe-Syndrom. In der Beurteilung durch das SG fehle zudem die Gesundheitsbeeinträchtigung der Lunge. Schließlich habe das SG weder den Vorschlag des Sachverständigen Dr. F., den Gesamt-GdB mit 80 festzustellen, noch die Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr. D. und Dr. B. berücksichtigt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Februar 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 16. März 2011 und des Teil-Abhilfebescheids vom 8. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2011 zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 80 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen, soweit mit ihr die Feststellung des Merkzeichens "G" geltend gemacht wird, sowie im Übrigen die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er trägt vor, weder in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen noch im angefochtenen Gerichtsbescheid sei über die Feststellung des Merkzeichens "G" entschieden worden. Die Berufung sei deshalb insoweit unzulässig. Soweit ein höherer GdB beantragt werde sei die Berufung nicht begründet. Der allein mit dem Medikament Metformin behandelte Diabetes mellitus bedinge keinen GdB. Die Lungenerkrankung sei bereits mit einem GdB von 20 bewertet, worin auch das Schlafapnoe-Syndrom enthalten sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nur insoweit zulässig, als ein höherer GdB geltend gemacht wird. Soweit mit der Berufung - erstmals - die Zuerkennung des Merkzeichens "G" angestrebt wird, ist die Berufung unzulässig. Denn hierüber haben weder der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden noch das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid entschieden. Mit dem im Berufungsverfahren gestellten Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" wird eine neuer Streitgegenstand eingeführt und nicht lediglich der Klageantrag auf einen höheren GdB erweitert oder ergänzt, da die Anerkennung des Nachteilsausgleichs "G" unabhängig von der Feststellung des GdB erfolgen kann (BSG, Beschluss vom 12.12.1995 - 9 BVs 28/95 - juris). Die Klageänderung ist auch nicht gem. § 99 Abs. 1 SGG zulässig, da sich der Beklagte nicht auf die Klageänderung eingelassen, sondern beantragt hat, die Berufung insoweit als unzulässig zu verwerfen. Auch ist eine entsprechende Klageänderung nicht sachdienlich, da es an einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren bezüglich des Merkzeichens "G" fehlt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.09.2006 - L 11 SB 24/05-26 - juris Rn. 49 m.w.N.).

Die im Übrigen zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 70.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - hier: Bescheid vom 13.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.03.2004 - vorgelegen haben, eine wesentlichen Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich durch das Hinzutreten neuer Gesundheitsstörungen oder eine Verschlimmerung der anerkannten Gesundheitsstörungen der Gesundheitszustand des Behinderten verschlechtert oder er sich durch den Wegfall von Gesundheitsstörungen gebessert hat oder eine Besserung bereits anerkannter Gesundheitsstörungen eingetreten ist. Ob dies der Fall ist, ist durch einen Vergleich der für die letzte, bindend gewordene Feststellung maßgebend gewesenen Befunde und Krankheitsäußerungen mit den jetzt vorliegenden Befunden zu ermitteln (vgl. BSG SozR 3-1500, § 54 Nr. 18 und SozR 3-3870, § 4 Nr. 13). Der Beklagte hat zwar auf den Änderungsantrag vom 17.10.2011 hin mit dem Teil-Abhilfebescheid vom 08.06.2011 und Widerspruchsbescheid vom 31.10.2011 den GdB des Klägers ab dem 17.11.2010 neu in Höhe von 70 festgestellt. Der Kläger macht jedoch ein größeres Ausmaß der Verschlechterung geltend.

Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehinderter Mensch ist anzuerkennen, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.

Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX wird zusätzlich auf die aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassene Rechtsverordnung Bezug genommen. Durch diesen Verweis stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindest-vom-Hundert-Sätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden im Sinne der Nr. 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Von diesen Mindest-vom-Hundert-Sätzen leiten sich bis zum 31.12.2008 die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" - AHP - ab. An deren Stelle sind mit Wirkung ab 01.01.2009 die als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 erlassenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) getreten. Diese stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar, die den Behinderungsbegriff der "Internationalen Qualifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung" als Grundlage des Bewertungssystems berücksichtigen (BSG, Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - juris). In Anwendung dieser Grundsätze ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.

1. Die coronare Herzkrankheit mit Herzrhythmusstörungen und der Bluthochdruck sind mit einem GdB von 40 zutreffend bewertet. Der Senat stützt sich hierbei auf die vom Sachverständigen Dr. F. im Gutachten vom 21.08.2012 erhobenen Befunde. Einen höheren GdB als 40 hierfür haben auch die behandelnden Ärzte nicht für gegeben erachtet.

2. Beim Kläger besteht weiter ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, das im Jahr 1997 im Schlaflabor des G.-Krankenhauses H. polysomnographisch festgestellt worden ist. Gem. Teil B Nr. 8.7 VG ist ein durch Untersuchung im Schlaflabor nachgewiesenes Schlaf-Apnoe-Syndrom ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung mit einem GdB von 0 - 10 zu bewerten. Ist eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung erforderlich, bedingt dies einen GdB von 20. Nur wenn eine nasale Überdruckbeatmung nicht durchführbar ist, ist der GdB mit 50 festzustellen. Dementsprechend ist der GdB mit 20 festzustellen, da eine nasale Überdruckbeatmung erforderlich, aber auch möglich ist.

3. Beim Kläger besteht darüber hinaus eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung. Bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. F. zeigten die spirographisch ermittelten Lungenvolumina in Übereinstimmung mit den bodyphletysmographisch vorermittelten statischen und dynamischen Lungenvolumina eine auf 53 % herabgesetzte Vitalkapazität und eine unter Therapie im Normbereich liegende 1-Sekunden-Kapazität. Dieser Zustand ist als mittelgradige funktionelle, auch durch die Adipositas mitbedingte restriktive Ventilationsstörung zu qualifizieren. Eine respiratorische Partialinsuffizienz liegt jedoch ebenso wie eine Sauerstoffdiffusionsstörung nicht vor. Nach Teil B Nr. 8.5 VG bedingen Krankheiten der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades (diese sind gegeben, wenn die Atemnot bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen [5 - 6 km/h]) oder mittelschwerer körperlicher Arbeit) das gewöhnliche Maß übersteigt, wenn die statischen und dynamischen Messwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu 1/3 niedriger als die Sollwerte sind und die Blutgaswerte im Normbereich liegen, ohne respiratorische Partialinsuffizienz einen GdB von 20 bis 40. Der Senat erachtet hierfür, in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. F., einen Teil-GdB von 20 für angemessen.

4. Beim Kläger besteht weiter eine chronisch venöse Insuffizienz beider Unterschenkel und Knöchel mit leichter ödematöser Verschwellung und flächenhaft verhärteter, bräunlich pigmentierter Haut der Unterschenkel und Knöchel. Es besteht eine wechselseitige Beeinflussung dahingehend, dass die trophischen Hautstörungen, verursacht durch die chronisch-venöse Insuffizienz, durch die gleichzeitig bestehende Polyneuropathie noch verstärkt werden. Hierfür ist deshalb gemäß Teil B Nr. 3.11 VG ein GdB von 20 festzustellen.

5. Für die Gesundheitsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet ist der GdB mit allenfalls 20 festzustellen. Die Beurteilung des Beklagten, für das Wirbelsäulenleiden einen GdB von 20 festzustellen, beruhte auf dem Arztbrief des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Seibert vom 08.03.1998, in welchem als Diagnosen neben einer Polyneuropathie ein LWS-Syndrom mit radikulären Reizerscheinungen genannt werden. Dies beruhte jedoch allein auf den Angaben des Klägers, der neben Schmerzen in beiden Knien auf Nachfrage auch Rückenschmerzen angegeben hatte. Dr. B. hat im ärztlichen Attest vom 11.06.2003 als Diagnose ein Wurzelkompressionssyndrom L5/S1 genannt, ohne hierzu weitere Unterlagen vorzulegen. Im Arztbrief vom 11.11.2003 hat der Arzt Seibert ausgeführt, der Kläger habe über durch einen Bandscheibenvorfall bedingte lumbale Rückenschmerzen berichtet, die vom Rücken bis in die Außenseite des linken Beines hin ausstrahlen würden. Es bestehe eine Zwangshaltung der LWS mit Finger-Boden-Abstand von 40 Zentimeter. Im Befundbericht vom 07.02.2011 hat Dr. B. als Wirbelsäulenleiden ein HWS-Schulter-Arm-Syndrom links sowie eine beidseitige Retropatellararthrose genannt, ohne jedoch entsprechende Befundunterlagen beizufügen. Im Klageverfahren hat der Kläger als behandelnde Ärzte lediglich den Internisten Dr. I. (Praxisgemeinschaft mit Dr. D.) sowie Dr. J., Praxisnachfolgerin von Dr. B., genannt. Eine aktuelle orthopädische Behandlung findet demnach nicht statt. In der sachverständigen Zeugenaussage vom 21.02.2012 hat Dr. B. lediglich degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen seit 1999 genannt, ohne hierzu jedoch Facharztberichte oder Messwerte vorzulegen. Zur gutachterlichen Untersuchung durch Dr. F. hat der Kläger ein Schreiben des Orthopäden Dr. K. vom 25.04.2007 vorgelegt, in welchem die Diagnosen Cervicobrachialgie beidseits, Osteochondrose der HWS (C 6/7), Spondylose der HWS (C 4/5), HWS-Blockierung, Tendinosis calcarea der Schulter rechts sowie Spondylose der BWS und der LWS genannt werden. In der Anamnese wird ausgeführt, seit Jahren bestünden Wirbelsäulenbeschwerden, im Vordergrund stünden Hals-Nacken-Probleme, z.T. in beide Schultergelenke ausstrahlend. Demgegenüber war bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. F. die Beweglichkeit der Wirbelsäule nur durch die Adipositas eingeschränkt. Der Tonus der Schulter-Nacken Muskulatur und der Rückenstrecker war ausgeglichen, die Beweglichkeit in den Schultergelenken unbeeinträchtigt und sämtliche Gelenke reizfrei und frei beweglich. Dementsprechend hat auch Dr. F. ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass den Beklagten andere Befunde zur Beurteilung vorgelegen hätten, aus denen ein Teil-GdB von 20 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen abgeleitet werden konnte. Dies war jedoch nicht der Fall. Ein höherer GdB als 20 ist deshalb nicht festzustellen. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung hierzu vorgetragen hat, er könne kaum noch laufen, sei kurzatmig und schon nach ganz kurzen Wegstrecken völlig erschöpft, beruht dies nicht auf den Gesundheitsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet, sondern auf dem Lungen- und Herzleiden.

6. Beim Kläger besteht weiter eine Adipositas per magna mit einem BMI von im Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung 48,5. Nach Teil B Nr. 15.3 VG bedingt die Adipositas allein allerdings keinen GdB. Nur Folge- und Begleitschäden (insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) können die Annahme eines GdB begründen. Gleiches gilt für die besonderen funktionellen Auswirkungen einer Adipositas per magna. Dem entsprechend ist die Adipositas bei der Bewertung des kardiopulmonalen Systems zu berücksichtigen.

7. Nach Teil B Nr. 3.7 VG bedingen leichtere psychovegetative oder psychische Störungen einen GdB von 0 bis 20. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) bedingen einen GdB von 30 bis 40. Anhaltspunkte für die Feststellung eines höheren GdB als 20 wegen einer seelischen Erkrankung liegen nicht vor. Psychopathologische Befunde hat Dr. F. nicht festgestellt. Er hat sich bei seiner Bewertung im Wesentlichen auf den Bericht der Klinik A. vom 20.10.2010 bezogen. Dort wird eine psychogene und depressive Störung genannt, zum Zeitpunkt der stationären Behandlung allerdings gering ausgeprägt. In den Nachsorgeempfehlungen wird ausgeführt, eine ambulante psychotherapeutische Behandlung werde als dringend indiziert erachtet, um die dort erlernten und erarbeiteten Verhaltensweisen in den Alltag transferieren zu können und den Zustand langfristig zu stabilisieren. Der Kläger sei für eine ambulante Psychotherapie motiviert und wolle sich nahtlos nach der Behandlung um einen Therapieplatz kümmern. Der Kläger habe auch einen zeitnahen Termin bei dem Integrationsfachdienst an seinem Wohnort nach der Entlassung aus der Klinik. Im Rehabilitationsbericht ist eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig leichter Episode beschrieben. Nachdem der Kläger keine nachfolgende Behandlung in Anspruch genommen hat ist hierfür ein GdB von allenfalls 20 gerechtfertigt.

6. Für den allein mit dem Medikament Metformin behandelten Diabetes mellitus ist kein GdB festzustellen. Das Medikament Metformin erhöht nicht die Neigung zu Hypoglykämien. Nach Teil B Nr. 15.1 VG erleiden die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämien auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Der GdB beträgt deshalb 0. Soweit Dr. B. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 21.02.2012 die Auffassung vertreten hat, für den Diabetes mellitus sei ein Teil-GdB von 20 anzusetzen, findet dies in den VG keine Grundlage.

7. Die Bildung des Gesamt-GdB durch die Beklagte ist rechtlich nicht zu beanstanden. Liegen - wie hier - mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind zwar Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB für alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (Teil A Nr. 3 a) VG). Nach Teil A Nr. 3 c) VG ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hier durch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei führen, von Ausnahmefällen (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 d) ee) VG).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes hat der Beklagte den GdB des Klägers zutreffend gebildet. Als höchsten Einzel-GdB ist der Teil-GdB von 40 für die coronare Herzkrankheit mit Herzrhythmusstörungen zu Grunde zu legen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist unter Einbeziehung des Lungenleidens, das unter Berücksichtigung des Schlaf-Apnoe-Syndroms mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten ist, für das Herz-Kreislauf- und Lungensystem ein GdB von knapp 60 festzustellen. Dieser ist unter Berücksichtigung der seelischen Störung auf 70 zu erhöhen, wobei zu berücksichtigen ist, dass sowohl das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom wie auch die chronisch obstruktive Atemwegserkrankung mit allergischem Bronchialasthma und die Adipositas per magna denselben Beschwerdekomplex betreffen und letztlich auch die seelische Störung des Klägers auf dessen Übergewicht und den daraus resultierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen beruht. Ein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 70 besteht deshalb nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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