L 11 KR 1823/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 797/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1823/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28.02.2013 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Übernahme von Fahrkosten für Fahrten mit dem Pkw zu ambulanten Behandlungen in Höhe von 563,60 EUR.

Der 1949 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er beantragte unter Vorlage einer ärztlicher Verordnung vom 06.12.2007 des Arzt für Allgemeinmedizin E. die Übernahme von Fahrkosten zu ambulanten Behandlungen. Nach der Verordnung sei eine Wundbehandlung bei Wundheilungsstörungen nach Bypassoperationen erforderlich mit einer Frequenz von zwei Mal wöchentlich für die Dauer von zwei Monaten.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 08.12.2010, gerichtet an den behandelnden Arzt E., die Kostenübernahme ab. Auf den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers lehnte die Beklagte nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK vom 27.11.2011 den Antrag mit Bescheid vom 03.02.2011 erneut ab.

Hiergegen richtet sich die am 16.02.2011 zum Sozialgericht Freiburg (SG) eingelegte Klage. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2011 zurückgewiesen.

Das SG hat den behandelnden Arzt E. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt und sodann die Klage mit Urteil vom 28.02.2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Übernahme von Fahrkosten nach § 60 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien nicht erfüllt. Die Voraussetzungen nach § 60 Abs 2 Nrn 1-4 SGB V (Fahrkosten zu stationären Behandlungen, Rettungsfahrten, Krankentransporte, Fahrten zur ambulanten Behandlung, wenn dadurch eine stationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird) lägen unzweifelhaft nicht vor. Auch die Voraussetzungen nach § 60 Abs 1 Satz 3 SGB V lägen nicht vor. Voraussetzung sei nach § 8 Abs 2 der Krankentransportrichtlinien, dass der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt werde, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweise und die Behandlung oder der hierzu führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtige, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schäden an Leib und Leben unerlässlich sei. Ausnahmefälle iSd Anlage 2 der Richtlinie seien Dialysebehandlung und onkologische Strahlen- bzw Chemotherapie. Daneben könne nach § 8 Abs 3 Satz 1 der Krankentransportrichtlinie die Fahrt zur ambulanten Behandlung für Versicherte verordnet werden, die einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen "aG", "Bl" oder "H" oder einen Einstufungsbescheid in Pflegestufe 2 oder 3 vorlegten. Zu genehmigen seien auch solche Fahrten, wenn eine den Kriterien des Satzes 1 vergleichbare Einschränkung der Mobilität vorliege. Entsprechende Merkzeichen oder Einstufungen in Pflegestufe 2 oder 3 seien hier nicht gegeben, es liege auch keine vergleichbare Einschränkung der Mobilität vor. Kosten für die insgesamt zurückgelegten 2.818 km seien daher nicht zu erstatten.

Gegen das ihm am 19.03.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.04.2013 eingelegte Berufung des Klägers. Nachdem er das eingelegte Rechtsmittel zunächst nicht weiter bezeichnet hat, hat der Kläger auf den wiederholten Hinweis des Senats auf die Unzulässigkeit der Berufung und die Möglichkeit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ausgeführt, im gesamten Verfahren seien weitere Kosten angefallen durch Einschreiben, Fahrten zur Post, zum behandelnden Arzt wegen der Begründung der Klage; fachärztliche Begutachtungen und Bildmaterial seien auch zu vergüten. Insgesamt verlange er von der Beklagten 1.200 EUR, hierauf bestehe er trotz der Hinweise. Das Urteil des SG sei höchst unsozial, die Fahrten seien medizinisch zwingend notwendig gewesen. Zum Zeitpunkt der Behandlung habe eine erhöhte Mobilitätseinschränkung bestanden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 08.12.2010 und 03.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2011 zu verurteilen, ihm insgesamt 1.200 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 02.07.2013 sind die Beteiligten zur beabsichtigten Verwerfung der Berufung durch Beschluss gehört worden. Die Beklagte hat sich mit der beabsichtigten Verwerfung der Berufung einverstanden erklärt; der Kläger hat ausgeführt, er bestehe auf einer Gesamtsumme von 1.200 EUR.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, sie ist unzulässig.

Welches Rechtsmittel eingelegt wird, ist nach dem objektiven Erklärungswert auszulegen. Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 19.04.2013 kein Rechtsmittel bezeichnet ("Hiermit lege ich fristgerecht gegen das Urteil 18.03.2013 zugestellt 20.03.2013 vom Sozialgericht Freiburg ein"). In der Sache bezieht sich der Kläger auf das Urteil vom 28.02.2013, lediglich der Schriftsatz, mit dem ihm das Urteil zugestellt wurde, datiert vom 18.03.2013. In den nachfolgenden Ausführungen rügt der Kläger die Unrichtigkeit des Urteils. Bei der Auslegung von Prozesshandlungen ist Art 19 Abs 4 Grundgesetz zu beachten, der die Effektivität des Rechtsschutzes garantiert und verbietet, den Zugang zum Gericht in unzumutbarer Weise zu erschweren. Dieser Grundsatz wäre verletzt, wenn der Erklärung eine Bedeutung beigemessen wird, die zur Zurückweisung als unzulässig führt, während bei sachdienlicher Auslegung eine Sachentscheidung zu treffen wäre (Bundessozialgericht (BSG) 28.11.2007, B 11a /7a AL 34/07 B, SozR 4-1500 § 151 Nr 3). Dementsprechend wurde mit Schriftsatz vom 14.05.2013 der Kläger darauf hingewiesen, dass eine Berufung hier nicht zulässig sei und daher davon ausgegangen werde, dass er - entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des SG - Nichtzulassungsbeschwerde habe einlegen wollen. Dem hat der Kläger mit Schreiben vom 10.06.2013 vehement widersprochen und sich auf den Standpunkt gestellt, seine Berufung sei zulässig, da sich der Streitwert auf 1.200 EUR belaufe. Auch nach weiterem Hinweis des Senats vom 14.06.2013, dass Kosten des Verfahrens selbst nicht zum Beschwerdewert zu rechnen seien, ist der Kläger bei seiner Auffassung geblieben und verlangt weiter eine inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Urteils. Eine Auslegung des zunächst nicht klar bezeichneten Rechtsmittel gegen die eindeutig von Seiten des Klägers erfolgte Klarstellung, mit welcher er ein Berufungsverfahren anstrebt, ist nicht möglich. Auch wenn in der Sache die Berufung unzulässig ist, kann gegen den erklärten Willen des Klägers hier nicht von einer Nichtzulassungsbeschwerde ausgegangen werden.

Nach § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist. Die Entscheidung kann nach Satz 2 der Bestimmung durch Beschluss ergehen; der Senat hat hiervon nach dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Die Beteiligten sind auf die beabsichtigte Entscheidung durch Beschluss hingewiesen worden.

Die Berufung des Klägers ist mangels Erreichens der Beschwerdesumme unzulässig. Nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG).

Vorliegend begehrte der Kläger ursprünglich die Erstattung von Fahrkosten für insgesamt 2.818 km mit dem Pkw. Danach beläuft sich der Streitgegenstand auf 563,60 EUR (2.818 x 0,20 EUR; vgl BSG 21.05.2010, B 1 KR 6/10 BH, juris). Entgegen der Auffassung des Klägers können Kosten, die durch die Führung des laufenden Verfahrens entstehen (Telefonkosten, Kosten für die Erstellung von Schriftsätzen, Beratungskosten etc), nicht hinzugerechnet werden, ebenso wenig Nebenforderungen wie Zinsen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 144 RdNr 15a mwN). Auch eine nachträgliche Erhöhung der Begehrens während des Berufungsverfahrens macht eine zunächst unzulässige Berufung nicht statthaft (vgl. Leitherer, aaO, RdNr 19). Der erforderliche Beschwerdewert ist nach alledem nicht erreicht. Streitig sind auch nicht Leistungen für die Dauer von mehr als einem Jahr, da sich die Fahrkosten auf die Behandlung einer Wundheilungsstörung beziehen, an der der Kläger im Zeitraum 18.11.2010 bis 23.05.2011 gelitten hatte. Das SG hat in dem angefochtenen Urteil die Berufung auch nicht zugelassen, vielmehr hat es in der Rechtsmittelbelehrung zutreffend ausdrücklich über die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde belehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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