L 5 KR 3240/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 163/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3240/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.06.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung für eine Versorgung mit Zahnimplantaten.

Der 1964 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Am 24.08.2007 stieß er bei einer Fahrt mit dem Fahrrad durch den Wald mit einem Reh zusammen und fiel dabei mit dem Gesicht auf den Asphalt. Dabei zog sich der Kläger erhebliche Gesichts- und Kieferverletzungen zu, unter anderem ein Unterkiefer-Frontzahntrauma mit Verlust der Zähne 42, 31 und 32.

Der Kläger reichte zunächst einen Heil- und Kostenplan des Facharztes für Mund-, Kiefer- und Gesichts-Chirurgie Dr. P. vom 18.10.2007 bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 05.11.2007 genehmigte die Beklagte diesen in Höhe des Festzuschusses für prothetische Leistungen (836,56 EUR).

In der Folgezeit reichte der Kläger einen ebenfalls durch Dr. P. erstellten Privatkostenplan für Implantate vom 23.10.2007 ein. Dieser enthielt verschiedene Kostenvoranschläge und Kostenaufstellungen über die im Zusammenhang mit den implantologischen Leistungen geplanten Behandlungsmaßnahmen in Höhe von insgesamt 5.059,39 EUR.

Zur Feststellung, ob beim Kläger eine Ausnahmeindikation vorliegt, beauftragte die Beklagte den Zahnarzt Dr. C. mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage. Dieser kam am 25.02.2008 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine Ausnahmeindikation, auch die eines unfallbedingten größeren Kiefer- und Gesichtsdefektes, nicht vorliege und eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate möglich sei. Der von Dr. P. erstellte Behandlungsplan für Implantate werde von ihm nicht befürwortet.

Mit Bescheid vom 03.03.2008 lehnte die Beklagte die Übernahme der Mehrkosten für eine Implantatversorgung unter Hinweis auf das Gutachten des Dr. C. ab.

Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 09.05.2008 Widerspruch. Die Verletzungen im Gesichtsbereich seien eindeutig Folgen eines Unfalles. Es solle eine ganzheitliche Betrachtung durchgeführt werden, die Ober- und Unterkieferbereich berücksichtige und zukunftsweisend sei. Er müsse noch viele Jahre mit der Versorgung leben; deshalb solle nicht nur begutachtet werden, was rein konventionell versorgt werden könne, sondern eine Ausnahmeindikation möglich sein. Der Kläger legte den Entlassungsbericht des Diakonie-Klinikums Sch. G. vom 05.09.2007 über die stationäre Versorgung nach dem Unfall sowie eine Bescheinigung von Dr. P. und Dr. Dr. R. vom 17.04.2008 vor, wonach die Versorgung der Zahnlücken 42, 31 und 32 mit einer Brücke wegen der Kreuzbissstellung der Pfeilerzähne einen erhöhten Aufwand darstelle und sehr wahrscheinlich mit funktionellen und ästhetischen Beeinträchtigungen zu rechnen sei. Für eine optimale Versorgung werde nach wie vor zu einem Implantat-getragenen Ersatz geraten.

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine erneute Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). In seinem Gutachten nach Aktenlage vom 03.06.2008 diagnostizierte der Human- und Zahnmediziner Dr. Dr. U. einen Zustand nach Unterkiefer-Frontzahntrauma. Es liege ein unfallbedingter Zahnverlust ohne größeren Kieferdefekt vor, bei dem eine konventionelle Zahnersatzversorgung mit einer Brücke problemlos möglich sei. Die Kreuzbissstellung der Pfeilerzähne sei dabei unerheblich. Eine Ausnahmeindikation nach den vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) erlassenen Richtlinien liege nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2008 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf die Gutachten des Dr. C. und des Dr. Dr. U. als unbegründet zurück.

Dagegen erhob der Kläger am 16.01.2009 Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Dr. C. angesichts der unfallbedingten Verletzungen einen größeren Kiefer- und Gesichtsdefekt verneine.

Das Sozialgericht holte von Amts wegen ein Gutachten bei Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie des K. St. ein. In seinem Gutachten vom 23.07.2009 kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger ein Kieferdefekt vorliege, der seine Ursache in einem Unfall habe. Bei einem Patienten jüngeren Alters sei nach aktuellsten Gesichtspunkten die Insertion von Implantaten das Mittel der Wahl zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des Gebisszustandes. Eine konventionelle prothetische Versorgung sei bei dem Kläger möglich, jedoch mit erheblichen Einschränkungen in Prognose und Ästhetik. So würden beschliffene Zähne generell einem erhöhten Risiko eines Pulpentraumas unterliegen, die Kreuzbissstellung bedinge eine höhere Belastung des Pfeilerzahnes 43 und wegen mangelnder Belastung des Alveolarfortsatzes komme es zu einer Inaktivitätsatrophie, die den späteren Einsatz festsitzenden Zahnersatzes erschwere. Ergänzend führte er am 18.12.2009 aus, es liege eine Ausnahmeindikation im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 8 SGB V vor, da der Kläger einen Kieferdefekt als Folge eines Unfalls davongetragen habe. Eine konservative Brückenversorgung sei möglich, allerdings mit erheblichen Nachteilen für den Kläger verbunden.

Zur Begründung seiner Klage ließ der Kläger daraufhin noch vortragen, dass nach seiner Auffassung eine Ausnahmeindikation vorliege. Wie den mit der Klageschrift eingereichten Fotos zu entnehmen sei, liege bei ihm ein größerer Kiefer- und Gesichtsdefekt, der seine Ursache in einem Unfall habe, vor. Um die Brückenversorgung durchführen zu können, müssten nach den Feststellungen des Gutachters Prof. Dr. W. zwei vollkommen gesunde Zähne abgeschliffen und durch eine Wurzelbehandlung abgetötet werden. Dadurch würden voraussichtlich bis zu seinem sechzigsten Lebensjahr Kieferknochen atrophieren, sodass ein festsitzender Zahnersatz nicht mehr möglich wäre. Ihm sei aber nicht zuzumuten, zwei gesunde Zähne mit daraus resultierender Atrophie für eine Heilbehandlung zu opfern. Sein Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Interesse der Beklagten an der kostengünstigeren Versorgung seien miteinander abzuwägen. Seiner Meinung nach wögen die erforderlichen körperlichen Eingriffe schwerer als eine geringfügig teurere Implantation.

Die Beklagte trat dem entgegen und verwies auf ein mit Dr. C. geführtes Telefonat (Gesprächsnotiz vom 08.09.2009), in dem dieser nochmals bestätigt habe, dass eine Ausnahmeindikation nicht vorliege und eine konventionelle Versorgung des Unterkiefers möglich sei. Die bei einer Brückenversorgung zu beschleifenden Zähne würden nicht "kaputt" gemacht, sondern allenfalls geschädigt, um den notwendigen Zahnersatz herstellen zu können. Bei einer Brückenversorgung könne es immer vorkommen, dass auch vollkommen gesunde Zähne beschliffen werden müssten, um die Brücke zu verankern. Ob tatsächlich Jahre später eine Wurzelbehandlung dieser überkronten Zähne erforderlich werde, könne vorausschauend nicht beurteilt werden.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.06.2011 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Implantatversorgung.

Als Rechtsgrundlage des auf Kostenerstattung gerichteten Anspruchs komme nur § 13 Abs. 3 Alt. 2 SGB V in Betracht, nachdem der Kläger sich die streitige Behandlung mittlerweile selbst beschafft habe. Die Voraussetzungen für eine solche Kostenerstattung seien aber nicht erfüllt. Nach § 13 Abs. 3 Alt. 2 SGB V habe eine Krankenkasse nur dann, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und dadurch dem Versicherten Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden seien, diese Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig gewesen sei. Zwar habe der Kläger mit der Versorgung des Unterkiefers erst nach der Ablehnung der Leistung durch die Beklagte begonnen; der über den von der Beklagten gewährten Festkostenzuschuss hinausgehende Kostenerstattungsanspruch des Klägers scheitere aber, weil ein Anspruch auf eine Versorgung mit implantatgestützter Zahnprothetik nicht bestehe. Nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V umfasse der Anspruch des Versicherten auf zahnärztliche Behandlung die Versorgung mit Zahnersatz. Es bestehe ein Leistungsausschluss für implantologische Leistungen (vgl. § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V) einschließlich Suprakonstruktion, es sei denn, dass eine seltene, vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V festzulegende Ausnahmeindikation für besonders schwere Fälle vorliege, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringe. Der GBA habe in Buchst. B Ziff. VII 2 der Richtlinie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Zahnbehandlungs-RL, zuletzt geändert am 01.03.2006 (Bundesanzeiger 2006, S. 4466)) lediglich folgende Ausnahmeindikationen aufgestellt: a) größere Kiefer- oder Gesichtsdefekte, die ihre Ursache in Tumoroperationen, in Entzündungen des Kiefers, in Operationen infolge von großen Zysten (z.B. große follikuläre Zysten oder Keratozysten), in Operationen infolge von Osteopathien, sofern keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorliege, in angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten) oder in Unfällen hätten, b) dauerhaft bestehende extreme Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung, c) generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen, d) nicht willentlich beeinflussbare muskuläre Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (z.B. Spastiken).

Bei Vorliegen einer dieser Ausnahmeindikationen bestehe ein Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung nur dann, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich sei. In den Fällen der Buchstaben a) bis c) sei dies nur dann der Fall, wenn das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar sei. In Betracht komme hier allenfalls - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig sei - die Ausnahmeindikation eines größeren Kieferdefektes infolge eines Unfalles. Ob hier vom Vorliegen eines solchen auszugehen sei, könne letztlich dahin stehen. Denn beim Kläger sei nach den Ausführungen des Prof. Dr. W. in seinem Gutachten vom 23.07.2009 eine konventionelle Versorgung ohne Implantate möglich. Zwar müssten bei der Durchführung eines Brückenzahnersatzes zunächst gesunde Zähne beschliffen werden, die das Risiko der Entwicklung eines Pulpentraumas bergen und spätere Wurzelbehandlungen erforderlich machen könnten. Dies verringere die Prognose des beschliffenen Zahnes. Auch erfahre der Alveolarfortsatz im Brückengliedbereich keine physiologische Belastung, so dass es zu einer Inaktivitätsatrophie komme, die in einem weiteren Knochenverlust resultiere. Trotz dieser beschriebenen Nachteile sei der Gutachter aufgrund der von ihm erhobenen Befunde zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger eine konventionelle prothetische Versorgung - mit erheblichen Einschränkungen in Prognose und Ästhetik - möglich sei. Diese Einschränkungen würden allerdings jeden betreffen, der sich für eine Brückenversorgung -auch in jungem Alter - entscheide. Die von dem Gutachter geschilderten Risiken seien auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorauszusehen. Entscheidend sei demnach allein, dass eine konventionelle Versorgung beim Kläger grundsätzlich möglich sei. Insoweit bestehe Übereinstimmung mit den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. C. und Dr. Dr. U ... Selbst die den Kläger behandelnden Ärzte Dr. P. und Dr. Dr. R. hätten lediglich ausgeführt, dass die Versorgung mit einer Brücke einen erhöhten Aufwand darstellen würde und sehr wahrscheinlich mit funktionellen und ästhetischen Beeinträchtigungen zu rechnen sei. Sie hielten die Versorgung mit einer Brücke aber nicht für unmöglich. Angesichts dessen und der Tatsache, dass es sich bei den vom GBA festgelegten Ausnahmeindikationen um streng zu handhabende Ausnahmevorschriften handele, sei ein Anspruch auf Kostenerstattung der Versorgung mit Implantaten nicht gegeben. Auch wenn es sich bei der vom Kläger gewünschten Versorgung sicherlich um die insgesamt sinnvollere Lösung handele, stehe einer Kostenerstattung entgegen, dass die Richtlinien des GBA eine Versorgung mit Implantaten aber gerade dann nicht vorsehen würden, wenn eine konventionelle Versorgung möglich sei. Hierzu habe das Bundessozialgericht bereits entschieden, dass § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V und die darauf beruhenden Richtlinien verfassungsrechtlichen Anforderungen sogar in den Fällen entsprechen würden, in denen die gesetzlich ausgeschlossene Art der Zahnersatzversorgung als einzig medizinisch sinnvolle Leistung in Betracht komme (z.B. BSG, Beschluss vom 23.05.2007 - B 1 KR 27/07 B -; s. a. LSG NRW, Urteil vom 04.02.2010 - L 16 KR 202/09 - m.w.N.).

Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 30.06.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 01.08.2011 Berufung eingelegt. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. W. stehe das Vorliegen einer Ausnahmeindikation für eine Implantatversorgung fest. Zu Unrecht gehe das Sozialgericht davon aus, dass dem Kläger die Implantatversorgung deshalb versagt werden könne, weil eine konventionelle Versorgung möglich sei. Dies könne dann nicht gelten, wenn die konservative Versorgung aufgrund der damit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen dem Versicherten nicht zumutbar sei. Der Kläger weise physiologische Besonderheiten auf, die bei einer konservativen prothetischen Versorgung nach den Feststellungen von Prof. Dr. W. zu massiven Folgeproblemen führe. Dieser gehe in jedem Fall davon aus, dass es zu einer Inaktivitätsatrophie kommen werde, also nicht nur dass die bloße Möglichkeit einer solchen negativen Folge bestehe. Der Kläger habe inzwischen die Implantatversorgung vornehmen lassen. Ihm seien dafür Rechnungen über 4.008,10 EUR und 3.123,33 EUR ausgestellt worden. Davon habe die Beklagte einen Betrag von 755,06 EUR als Festzuschuss übernommen, so dass der Kläger 6.376,37 EUR für die Implantate gezahlt habe.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.06.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 03.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für die Implantatversorgung in Höhe von 6.376,37 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 03.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der über den gezahlten Festbetrag hinausgehenden Kosten für die Implantatversorgung.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der hier allein in Betracht kommende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und einen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Leistungsbeschaffung durch den Versicherten voraus. Die rechtswidrige Ablehnung der Leistung scheidet für solche (selbst beschaffte) Leistungen von vornherein aus, die von den Krankenkassen allgemein als Sach- oder Dienstleistung nicht zu erbringen sind. Der Kostenerstattungsanspruch gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB V reicht nämlich nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch.

Der Kläger hatte keinen Anspruch auf die durchgeführte Implantatversorgung als Sachleistung. Hierfür reicht eine medizinische Indikation für implantatgestützten Zahnersatz allein nicht aus, sondern es muss zusätzlich zumindest eine der konkreten, eng begrenzten Ausnahmeindikationen aus der Behandlungs-Richtlinie des GBA erfüllt sein, die nicht erweiternd ausgelegt und angewandt werden dürfen. Dies ist beim Kläger nicht der Fall, wie das Sozialgericht mit zutreffender Begründung näher dargelegt hat, weswegen zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen wird.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist ergänzend noch auszuführen, dass entgegen der Auffassung des Klägers auch die Feststellung des Gutachters Prof. Dr. W. in seiner ergänzenden Äußerung vom 18.12.2009, es liege eine Ausnahmeindikation vor, nicht zu einem Anspruch auf Kostenübernahme führt. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinie. Erleiden Versicherte aus Anlass eines Unfalls größere Kiefer- oder Gesichtsdefekte und ist gleichwohl eine konventionelle prothetische Versorgung zahnmedizinisch möglich, bestehen ebenfalls keine Ansprüche auf implantatgestützten Zahnersatz (vgl. VII. Nr. 2 Satz 2 und 3 der Behandlungsrichtlinie, vgl. auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.01.2013 - L 5 KR 95/11 -, in Juris).

Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, dass ihm die Versorgung mit konventionellem Zahnersatz aufgrund damit verbundener gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht zugemutet werden könne. Als eine solche Beeinträchtigung macht der Kläger allein die von Prof. Dr. W. prognostizierte Kieferatrophie geltend, die nach den Ausführungen des Gutachters bei der konventionellen Versorgung mit einer Brücke durch die fehlende Belastung im Brückengliedbereich im Sinne einer Inaktivitätsatrophie auftreten werde. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 19.06.2001 - B 1 KR 23/00 R - Juris Rdnr. 18) stellen bestehende Kieferatrophien schon deshalb keine außergewöhnlichen, für eine Ausnahmeindikation sprechenden Umstände dar, weil sie bei jedem größeren Zahnverlust auftreten, also in der Praxis außerordentlich häufig sind. Unter einer Atrophie ist die allmähliche Rückbildung des zahnlosen Kieferknochens zu verstehen. Hierbei handelt es sich um einen natürlichen Vorgang bei jedem Zahnverlust. Die Erstattungsübernahmeverpflichtung für Implantate aufgrund aufgetretener Kieferatrophien hätte also zur Folge, dass in zahlreichen Situationen Implantate gezahlt werden müssten, was der Zielrichtung der Ermächtigung in § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V, den Anspruch auf seltene Ausnahmeindikationen zu beschränken, zuwider laufen würde (so BSG Urteil vom 19.06.2001 - &61506; 1 KR 4/00 R - Juris Rdnr. 20). Gilt dies bereits für schon bestehende Kieferatrophien, kann die Beurteilung für zunächst lediglich prognostizierte, in der Zukunft erwartete Atrophien nicht zu einem günstigeren Ergebnis führen.

Die Nichteinbeziehung der Kieferatrophien in die Auflistung der Ausnahmeregelungen des § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V durch den GBA verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet werden, unterliegt aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen, denn ein Gebot zu Sozialversicherungsleistungen in einem bestimmten sachlichen Umfang lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen (BSG vom 19.06.2001 - B 1 KR 4/00 R -,in Juris Rdnr. 23 m. w. N.). Einen Verstoß gegen den als alleinigen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab in Betracht kommenden allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hat das BSG verneint. Denn in den Fällen, in denen die Implantatversorgung übernommen wird, reicht die Behandlung über die reine Versorgung mit Zahnersatz hinaus, wie sich aus dem Erfordernis der medizinischen Gesamtbehandlung ergibt. Demgegenüber durfte der Gesetzgeber die Fälle, in denen die implantologische Versorgung allein der Ermöglichung konventionellen Zahnersatzes dient - wie vorliegend bei dem Kläger - von der Versorgung ausnehmen. Die Rechtsprechung des BSG, dass § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V und die darauf beruhenden Richtlinien verfassungsrechtlichen Anforderungen auch in den Fällen entsprechen, in denen die gesetzlich ausgeschlossene Art der Zahnersatzversorgung als einzig medizinisch sinnvolle Leistung in Betracht kommt, ist vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 09.01.2006 - 1 BvR 2344/05 ausdrücklich bestätigt worden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 23.01.2013 - L 5 KR 1100/11 -).

Es bestehen daher keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung der Beklagten. Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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