L 6 SB 3292/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 1977/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3292/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Erstfeststellungsverfahren streitig.

Der 1950 geborene Kläger ist Lehrer an einer Hauptschule. Zur Zeit absolviert er ein Sabbat-Jahr und wird im Schuljahr 2013/2014 in den vorgezogenen Ruhestand zu gehen. Er bewohnt mit seiner Ehefrau und seiner Mutter ein Eigenheim mit Garten. In seiner Freizeit nimmt der Kläger unter anderem an einer Gymnastikgruppe teil, spielt Gitarre, unterstützt seine Ehefrau im Haushalt und kümmert sich um seine Mutter und seine Tochter, deren drei Kinder er mit betreut.

Der Kläger beantragte am 02.02.2011 die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB). Zur Begründung seines Antrages gab er an, an einem Tinnitus, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, einer Anpassungsstörung im Sinne eines Burnout-Syndroms, einer depressiven Episode und einer Netzhautdegeneration zu leiden, und legte hierzu Berichte seiner behandelnden Ärzte vor. Der Beklagte befragte den Facharzt für Augenheilkunde M.-K., den Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. A. sowie den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. W ... In Auswertung dieser Befundberichte schlug der Versorgungsarzt Dr. C. in seiner Stellungnahme einen Gesamt-GdB von 30 vor (seelische Störung [Teil-GdB 20], Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung und Gelenkbeschwerden [Teil-GdB 20], Ohrgeräusche sowie Tinnitus nach Hörsturz und eingepflanzte Kunstlinse beidseits [jeweils Teil-GdB 10]). Gestützt auf die Einschätzung von Dr. C. und unter Wiederholung der in der versorgungsärztlichen Stellungnahme angeführten Funktionsbeeinträchtigungen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 17.02.2011 bei dem Kläger einen GdB von 30 seit dem 02.02.2011 fest.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2011 als unbegründet zurück. Die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit der angefochtenen Entscheidung in vollem Umfang erfasst und mit einem GdB von 30 angemessen bewertet seien. Die psychische Erkrankung sei bereits als Behinderung berücksichtigt. Wenn dabei von "leichteren" Störungen im Sinne der geltenden Bestimmungen ausgegangen worden sei, so sei dies nach den aktenkundigen Befundangaben zutreffend. Eine höhere Einstufung des GdB komme nicht in Betracht. Der bei dem Kläger vorliegende Wirbelsäulenschaden entspreche einem solchen mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen und sei daher mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend bewertet.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 04.05.2011 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und vorgetragen, er leide an einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen.

Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie L. hat am 16.08.2011 angegeben, sie habe den Kläger von Oktober 2010 bis Januar 2011 monatlich behandelt. Die letzte Vorstellung sei am 14.03.2011 gewesen. Der Kläger habe sich wegen einer durch eine berufliche Belastungssituation hervorgerufenen Verstärkung von Durchschlafstörungen und innerer Unruhe in ihre Behandlung begeben. Sie habe die Diagnose einer depressiven Symptomatik vor dem Hintergrund einer Anpassungsstörung im Sinne eines Burnout-Syndroms gestellt. Die symptomatische medikamentöse Behandlung habe zu einer Besserung des Schlafprofils geführt. Bei der letzten Vorstellung im März 2011 habe sich insgesamt eine affektive Grundstabilität gefunden. Der Kläger habe mitgeteilt, er könne sich jetzt in den Ferien und an den Wochenenden wieder ausreichend erholen, so dass er sich trotz aller Schwierigkeiten doch in der Lage sehe, seine Arbeit die nächsten Monate bis zu den Sommerferien zu bewältigen. Den GdB auf ihrem Fachgebiet hat sie wegen der mittelgradigen Gesundheitsstörung auf 20 bis 30 geschätzt.

Der Augenarzt Dr. Sch. hat am 12.08.2011 mitgeteilt, der an einer Pseudophakie (Ersatz der natürlichen Linse durch Implantat), einer geringen Glaskörpertrübung und geringen Kapselfibrose leidende Kläger werde seit 1971 in der Praxis behandelt. Bei einer Sehschärfe des schlechteren Auges bis 0,7 sowie einer beidäugigen Gesamtsehschärfe von 1,0 betrage der GdB 0. Der durch intraokulare Kunstlinse korrigierte Linsenverlust sei bei der Sehschärfe von 0,4 und mehr mit einem Teil-GdB von 10 zu berücksichtigen.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. W. hat am 03.09.2011 ausgeführt, der Kläger sei seit 30.07.2010 bei ihm in Behandlung. Seither habe er sich neunmal wegen seiner depressiven Verstimmung und den damit verbundenen psychovegetativen Dysregulationen vorgestellt. Im Wesentlichen leide der Kläger unter einer larvierten Depression und den psychischen Folgen, welche vom Tinnitus überlagert würden (chronische Schlafstörung, innere Unruhe, misstrauende Wahrnehmung seines beruflichen Umfeldes, chronische Erschöpfung, multiple körperliche Missempfindungen). In der Zeit von Dezember 2010 bis April 2011 sei es viermal kurzfristig zu Arbeitsunfähigkeiten gekommen, da der Kläger seinen beruflichen Verpflichtungen in der Hauptschule nicht mehr habe nachkommen können. Dr. W. hat die depressive Erkrankung als schwer eingeschätzt, die orthopädischen Erkrankungen als mittel ebenso wie die otologischen und ophthalmologischen Erkrankungen. Insgesamt hat er den GdB mit 50 bewertet.

Der Facharzt für Orthopädie Dr. T. hat am 05.09.2011 mitgeteilt, er habe den Kläger von 1995 bis zum 11.08.2010 behandelt, wobei 2010 nur eine einmalige und 2011 gar keine Behandlung stattgefunden habe. Diagnostiziert habe er zuletzt ein chronisches Zervikal- und Lumbalsyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen. Den Beschwerden hat er den Schweregrad mittelschwer zugeordnet und einen Teil-GdB von 30, unter Berücksichtigung von prärthrotischen Veränderungen ggf. auch einen Gesamt-GdB von 40 für angemessen erachtet.

Der Facharzt für Augenheilkunde M.-K. hat am 12.09.2011 mitgeteilt, er behandle den Kläger seit dem 01.04.2008. Wegen eines Grauen Stars sei eine Kunstlinse eingepflanzt worden. Er hat den Teil-GdB für diese Funktionsbeeinträchtigung entsprechend der Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes mit 10 bewertet.

Der Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. A. hat am 15.12.2011 ausgeführt, der Kläger leide unter einer leicht- bis mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits und einem schweren Tinnitus beidseits. Die Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes bezüglich des GdB hat der Arzt nicht geteilt, sondern zusätzlich für die Innenohrschwerhörigkeit einen Teil-GdB von 10 sowie für den Tinnitus einen Teil-GdB von 20 vorgeschlagen.

Der Kardiologe Dr. Sch., den das SG im Hinblick auf den vom Kläger vorgelegte Arztbrief vom 25.09.2011 ergänzend gehört hat, hat am 20.01.2012 mitgeteilt, er habe den Kläger in der Zeit zwischen 2004 und 2011 zweimal untersucht. Bei der letzten Vorstellung am 20.09.2011 habe der Verdacht auf eine stenosierende koronare Herzerkrankung bestanden. Er habe die invasive Abklärung dieses Verdachtes vorgeschlagen, könne aber nicht sagen, ob es zu einer solchen Abklärung tatsächlich gekommen sei. Bei der Ergometrie während der letzten Untersuchung habe der Kläger bis 2 min. bei 100 Watt belastet werden können. Die Doppleruntersuchung habe normal große Herzhöhlen bei normaler linksventrikulärer Funktion ohne linksventrikuläre Hypertrophie gezeigt.

Gestützt auf die eingeholte versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. A.-B. (seelische Störung [Teil-GdB 20], Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Gelenkbeschwerden [Teil-GdB 30], Ohrgeräusche und Tinnitus nach Hörsturz [Teil-GdB 20], eingepflanzte Kunstlinse beidseits [Teil-GdB 10]; Gesamt-GdB 40 ab 02.02.2011) hat der Beklagte im Vergleichswege unter dem 07.02.2012 die Feststellung eines GdB von 40 seit dem 02.02.2011 angeboten. Dieses Vergleichsangebot hat der Kläger nicht angenommen.

Der Kläger hat daraufhin noch die Befundberichte der Neurologischen Gemeinschaftspraxis Dres. H. und Kollegen vom 13.04.2012 und 19.03.2012 (Verdacht auf HWS- und LWS-Syndrom, leichtes Karpaltunnel-Syndrom rechts, kein Nachweis einer Polyneuropathie) sowie einen Arztbrief der Diagnostischen Gemeinschaftspraxis Karlstraße über eine MRT-Untersuchung der Wirbelsäule vom 14.03.2012 (leicht vermehrte Brustkyphose und Hyperlordose der LWS, deutliche Osteochondrose, Spondylarthrose C 5 / C 6 und C 6 / C 7 sowie Spondylarthrose beidseits C 3 bis C 8 und L 2 bis L 5, kleiner mediolateraler links betonter BS-Vorfall, Bandscheibenprotrusion C 5 / C 6 mit erheblicher Einengung der Neuroforamina und Nervenwurzelkompression) vorgelegt.

Das SG hat mit Urteil vom 03.07.2012 den Bescheid des Beklagten vom 17.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2011 abgeändert und den Grad der Behinderung ab dem 02.02.2011 mit 40 festgestellt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die bei dem Kläger vorliegende orthopädische Erkrankung im Bereich der Wirbelsäule hat das SG mit einem Teil-GdB von 30 bewertet. Der Kläger leide im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule unter mittelgradigen funktionellen Auswirkungen. Schwere funktionelle Auswirkungen hat das SG verneint. Das Karpaltunnel-Syndrom werde nicht berücksichtigt, da die Behinderung noch nicht 6 Monate und mehr vorliege. Die bei dem Kläger auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Leiden hat das SG entsprechend dem Befundbericht der Psychiaterin L. als depressive Symptomatik vor dem Hintergrund einer Anpassungsstörung im Sinne eines Burnout-Syndroms benannt und mit einem Teil-GdB von 20 bewertet. Eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit hat es in Anbetracht der Aussage der Psychiaterin mit Hinweis auf die Stabilisierung des Zustandes des Klägers und einer Verbesserung verneint. Die Tatsache, dass der Kläger die fachärztliche Behandlung bei der Psychiaterin eingestellt habe, spreche gegen einen höheren Leidensdruck und damit auch gegen eine stärker behindernde seelische Störung. Zudem sei der Kläger weiterhin in der Lage, seinen Beruf als Lehrer auszuüben und führe keine spezielle antidepressive Medikation durch. Den bei dem Kläger auf Hals-Nasen-Ohren-ärztlichem Fachgebiet vorliegenden Tinnitus hat das SG mit einem Teil-GdB von 20 bewertet und sich dabei auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. A.-B. und die sachverständige Zeugenaussage von Dr. A. gestützt. Im Hinblick auf die depressive Störung des Klägers hat das SG erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen des Tinnitus angenommen. Die Innenohrschwerhörigkeit des Klägers hat das SG nicht mit einem Teil-GdB von mindestens 10 bewertet. Gestützt auf die Aussagen der behandelnden Augenärzte Dr. Sch. und M.-K. hat das SG für den Linsenverlust einen Teil-GdB von 10 angenommen. Zur sachverständigen Zeugenaussage des Kardiologen Dr. Sch. hat das SG ausgeführt, auf diesem Fachgebiet sei keine GdB-relevante Einschränkung anzunehmen. Es bestehe keine nachgewiesene koronare Herzerkrankung, denn der Arzt habe lediglich den Verdacht auf eine solche Erkrankung geäußert, eine weitere Abklärung habe der Kläger jedoch nicht durchführen lassen. Zusammenfassend hat das SG bei dem Kläger einen Gesamt-GdB von 40 angenommen und das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft verneint.

Gegen das ihm am 12.07.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.07.2012 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung hat er ausgeführt, er habe nun auch noch eine Knieoperation über sich ergehen lassen müssen. Laut Aussage des behandelnden Arztes würden die starken Beschädigungen in seinem Fall irreparable Bewegungseinschränkungen nach sich ziehen. Er hat den OP-Bericht vom 25.07.2012 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Juli 2012 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 17. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2011 bei ihm einen Grad der Behinderung von 50 seit dem 2. Februar 2011 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung mit einem Gesamt-GdB von 40 seien die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen angemessen berücksichtigt. Ob nach der Knieoperation GdB-relevante Folgen verblieben, müsse abgewartet werden und könne frühestens 6 Monate danach beurteilt werden.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Befragung des behandelnden Orthopäden und Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Amts wegen.

Der behandelnde Orthopäde Dr. T. hat am 22.10.2012 und am 05.11.2012 mitgeteilt, der Kläger leide unter einer Gonarthrose rechts mit chronischem Reizknie und ausgeprägten Bewegungseinschränkungen. Es bestehe ein massiver Bewegungsschmerz und die Beugung und Streckung des Kniegelenkes sei nur noch unter starker Schmerzauslösung durchführbar.

Der Kläger hat einen Befundbericht des behandelnden Neurologen Dr. H. vom 17.12.2012 (rechtsbetontes Karpaltunnel-Syndrom, deutliches degeneratives HWS-Syndrom mit Zervikobrachialgien, multisegmentale breitbasige Bandscheibenprotrusionen und mediolateral, linksbetonter Bandscheibenprolaps C 6/7, erhebliche Einengung der Neuroforamina und Nervenwurzelkompression, Tinnitus, Atheromatose der extrakraniellen Hirnatertien) sowie einen Bericht des HNO-Arztes Dr. A. vom 20.12.2012 (leichte bis mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits, lauter Tinnitus beidseits mit erheblicher depressiver Störung) vorgelegt.

Sodann hat der Senat den Kläger fachorthopädisch durch Dr. J. untersuchen und begutachten lassen. Im Rahmen der ambulanten Untersuchung am 15.03.2013 hat der Kläger über multiple Schmerzen des Bewegungsapparates geklagt, die einmal monatlich aufträten und durch entzündungshemmende Medikamente, einmal jährliche Injektionen sowie tägliche krankengymnastische Übungen behandelt würden. Dr. J. hat eine leichte Fehlstatik der Wirbelsäule mit geringen funktionellen Auswirkungen und ausgeprägtem Wirbelsäulen-Syndrom bei degenerativen Veränderungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie multiplen Bandscheibenvorwölbungen und Bandscheibenvorfällen im unteren Halswirbelsäulenbereich sowie der mittleren Brustwirbelsäule festgestellt und mit einem Teil-GdB von 20 bewertet. Die Verplumpung beider Schultereckgelenke ohne Funktionseinschränkung begründe keinen GdB. Die weiterhin (röntgenologisch) festgestellte initiale Hüftgelenksarthrose ohne Funktionseinschränkungen, einen geringen Reizzustand des rechten Kniegelenkes bei erheblichen Knorpelschäden im innen- und außenseitigen Kniegelenkskom¬partement und Beugeeinschränkung des rechten Kniegelenkes sowie einen Spreizfuß, rechts stärker als links, hat er zusammenfassend mit einem Teil-GdB von 20 bewertet. Den Gesamt-GdB auf orthopädischem Fachgebiet hat er seit dem 02.02.2011 auf 30 geschätzt. Ein Teil-GdB von 30 allein für die Wirbelsäulenbeschwerden, wie vom Versorgungsarzt angenommen, lasse sich aufgrund der vorliegenden Befunde nicht begründen. Andererseits habe die versorgungsärztliche Stellungnahme die Knieschäden nicht berücksichtigt.

Die Sach- und Rechtslage ist mit den Beteiligten am 17.01.2013 sowie am 22.05.2013 ausführlich erörtert worden. Auf die jeweilige Niederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgemäß erhobene sowie auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG ist rechtlich nicht zu beanstanden, denn der Kläger hat in Auswertung auch der zweitinstanzliche Ermittlungen keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40 seit dem 02.02.2011.

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX]). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 4 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe, wobei das Gericht nur bei der Feststellung der einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen (erster Schritt) ausschließlich ärztliches Fachwissen heranziehen muss (BSG, Beschluss vom 09.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - m. w. N.). Bei der Bemessung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB kommt es indessen nach § 69 SGB IX maßgebend auf die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft an. Bei diesem zweiten und dritten Verfahrensschritt hat das Tatsachengericht über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen. Diese Umstände sind in die als sogenannte antizipierte Sachverständigengutachten anzusehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP) in der jeweils gültigen Fassung - zuletzt 2008 - einbezogen worden. Dementsprechend waren die AHP nach der ständigen Rechtsprechung des BSG im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu beachten (BSG a. a. O.). Für die seit dem 01.01.2009 an deren Stelle getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 - (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) gilt das Gleiche (BSG a. a. O.).

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache (also final) bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und alten Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, d. h. für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, d. h. Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (z. B. "Altersdiabetes", "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen - wie im Falle der Klägerin - mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und in wieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein: Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung kann die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber auch nicht verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht auch zur Überzeugung des Senates fest, dass die Gesundheitsschäden des Klägers in Anbetracht der hinzugetretenen Funktionseinschränkungen seitens der Hüfte und der Knie keinen höheren GdB als 40 rechtfertigen.

Im Vordergrund der Funktionsbeurteilungen stehen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet, hier führend seitens der Wirbelsäule und des rechten Knies Die GdB-relevanten Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule im Funktionssystem Rumpf sind nach wie vor mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteili¬gung anderer Organsysteme bestimmt, wobei sich das Funktionsausmaß der Gelenke nach der Neutral-Null-Methode bemisst. Auch bei Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem sogenannten Postdiskotomie-Syndrom) ergibt sich nach den VG, Teil B, Nr. 18.09 der GdB primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und Instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Dementsprechend beträgt der Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulen-Syndrome) der GdB 20 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40, wobei schwere funktionelle Auswirkungen zu messen sind an der Verformung und vorliegender häufig rezidivierenden oder anhaltenden Bewegungseinschränkungen oder Instabilität schweren Grades und häufig rezidivierenden und Wochen andauernden ausgeprägten Wirbelsäulen-Syndromen.

Der Kläger leidet im Bereich der Wirbelsäule lediglich unter geringgradigen funktionellen Auswirkungen und ausgeprägtem Wirbelsäulen-Syndrom bei degenerativen Veränderungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule. Dies entnimmt der Senat den mit den Normalwerten (Messblatt für die Wirbelsäule, abgedruckt im Merhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 12. Aufl., S. 134) zu vergleichenden Untersuchungsergebnissen des Sachverständigen Dr. J ... Dieser hat im Bereich der Halswirbelsäule eine Seitneigung rechts/links mit 55/0/45 Grad (Normalwert 45/0/45 Grad) und eine Rotation rechts/links mit 70/0/70 Grad (Normalwert 60 bis 80/0/60 bis 80 Grad) gemessen. Damit ist die Beweglichkeit der Halswirbelsäule nicht eingeschränkt. Das Gleiche gilt für die Brust- und Lendenwirbelsäule. Dr. J. hat die Rotation mit 45/0/45 Grad (Normalwert 30 bis 40/0/30 bis 40 Grad) und die Seitneigung rechts/links mit 25/0/30 Grad (Normalwert 30 bis 40/0/30 bis 40 Grad) gemessen. Die Rückneigung der Brust- und Lendenwirbelsäule war frei. Der Fingerbodenabstand betrug 30 cm, das Zeichen nach Ott (Entfaltung der Brustwirbelsäule) (30/32 cm) und das Zeichen nach Schober (Entfaltung der Lendenwirbelsäule) (10/14,5 cm) sind im Normbereich. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule ist somit insgesamt frei. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Kläger unter röntgenologisch und kernspintomographisch dokumentierten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule leidet. Es bestehen im Bereich der unteren Halswirbelsäule HWK 5/6 und 6/7 sichtbare degenerative Veränderungen mit Ausziehungen der Grund- und Deckenplatten sowie Bandscheibenvorwölbungen in den Halswirbelsäulensegmenten HWK 3 bis 7, wobei es zu einer mäßigen Einengung der knöchernen Nervenaustrittskanäle kommt. Im Bereich der Brustwirbelsäule liegt ein Bandscheibenvorfall in Höhe des Brustwirbelsegmentes BWK 10/11 und weitere multisegmentale Bandscheibenvorwölbungen ohne relevante Einengung des knöchernen Rückenmarkkanales vor. Im Bereich der Lendenwirbelsäule besteht eine relative Spinalkanalstenose in Höhe des LWK 3/4 mit multisegmentalen Bandscheibenvorwölbungen, jedoch ohne Bandscheibenvorfall und ohne Nervenwurzelkompression (MRT der Wirbelsäule vom 14.03.2012). Aufgrund dieser in den bildgebenden Verfahren festgestellten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sind zwar die vom Kläger geklagten Schmerzen und Wirbelsäulen-Syndrome glaubhaft. Allerdings hat Dr. J. in der funktionellen klinischen Untersuchung keine neurologischen Ausfallerscheinungen feststellen können, auch ist eine dauerhafte Schmerzmedikation oder schmerztherapeutische Behandlung bei dem Kläger nicht dokumentiert. Vielmehr hat der Kläger angegeben, er nehme nur nach Bedarf entzündungshemmende oder schmerzstillende Medikamente. Zusammenfassend ist der Senat daher davon überzeugt, dass die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule zwar alle Wirbelsäulenabschnitte durch degenerative Veränderungen betreffen, die funktionellen Auswirkungen aber noch sehr gering sind und in der Gesamtschau deshalb ein Teil-GdB von 20 für diese Funktionsbeeinträchtigungen mehr als angemessen ist. Der Senat schließt sich deswegen insgesamt der Einschätzung des Gutachters Dr. J. an.

Auf orthopädischem Fachgebiet liegen weiterhin Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Kniegelenkes vor. Diese sind mit einem Teil-GdB von 20 in die Bewertung einzustellen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 ist eine Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis 0/0/90 Grad) einseitig mit einem Teil-GdB von 0 bis 10, mittleren Grades (z.B. Streckung/Beugung 0/10/90 Grad) einseitig mit einem GdB von 20 zu bewerten. Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z.B. Chondromalacia patellae Stadium II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen einseitig sind ohne Bewegungseinschränkung mit einem GdB von 10 bis 30 mit Bewegungseinschränkung mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten.

Entsprechend dem Befund von Dr. J. ist das linke Kniegelenk frei beweglich, das rechte Kniegelenk kann der Kläger in Streckung/Beugung bis 0/0/120 Grad bewegen. Allein mit der Bewegungsfähigkeit des rechten Kniegelenks wäre daher nicht von einem Teil-GdB von mindestens 10 auszugehen, da dieses Bewegungsmaß deutlich über dem in den VG genannten liegt. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass bei dem Kläger ausgeprägte Knorpelschädigungen vorliegen. Dies ergibt sich aus dem Operationsbericht der Arcus-Sportklinik Pforzheim vom 20.07.2012, wo multiple Innenmeniskusrisse rechts bei Reizknie, ein mittelgroßer medialer Tibiaknorpelschaden rechts IV. Grades sowie ein großer lateraler Femor-Knorpelschaden rechts ebenfalls IV. Grades festgestellt wurde. Diese Einschätzung bestätigt Dr. J. in Auswertung der Arthroskopie-Bilder in seinem Gutachten. Anderseits hat der Kläger ein ausreichend flüssiges, in der Schrittlänge seitengleiches Gangbild gezeigt, ein minimales Hinken rechts ist nur zeitweise feststellen, so dass die Bewegungseinschränkung zu vernachlässigen ist. In der klinischen Inspektion des rechten Kniegelenkes hat sich nur ein leichter Reizzustand mit geringer Ergussbildung und geringer Kapselschwellung gezeigt. Dementsprechend ist nach den VG bei den ausgeprägten Knorpelschäden des Klägers und anhaltenden Reizerscheinungen einseitig ohne Bewegungseinschränkung ein GdB von 10 bis 30 angemessen. In Übereinstimmung mit dem Gutachter Dr. J. bewertet der Senat den Teil-GdB mit 20. Der Senat hält es nicht für angezeigt, den Beurteilungsspielraum bis zum oberen Rand auszuschöpfen.

Die bei dem Kläger im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche vorliegenden GdB-relevanten Funktionsbeeinträchtigungen bedingen keinen höheren GdB als 20.

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 beträgt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40.

Eine fachärztliche Behandlung fand zuletzt im März 2011 durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie L. statt. Diese hat eine depressive Symptomatik vor dem Hintergrund einer Anpassungsstörung im Sinne eines Burnout-Syndroms gestellt. In Übereinstimmung mit dem behandelnden Allgemeinarzt Dr. W. (dessen Auskunft vom 03.09.2011 gegenüber dem SG) geht auch sie von einem Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastungssituation und den psychischen Beschwerden des Klägers aus. In ihrer sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG hat die Ärztin L. herausgestellt, dass der Kläger zwar weiterhin über eine innere Unruhe und Gedankenkreisen, vor allem im Hinblick auf die Arbeit geklagt hat, er sich jetzt doch wieder ausreichend an den Wochenenden und in den Ferien erholen kann. Insoweit ist es zu einer glaubhaften deutlichen Besserung des psychischen Beschwerdebildes des Klägers gekommen. Dies zeigt sich auch daran, dass er sich nicht mehr in fachärztlicher Behandlung befindet. Dementsprechend hat der Kläger im zweiten Erörterungstermin dargestellt, dass er sich in der Lage fühlt, die Krise selbst zu bewältigen. Dies belegt keine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Neben der fehlenden fachärztlichen Behandlung spricht auch die fehlende Medikation gegen eine stärker behindernde Störung (ständige Rspr. des Senats, zuletzt Urteil vom 13.12.2012 - L 6 SB 4192/12). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die berufliche Krisensituation, die das psychische Problem ausgelöst hat, nicht mehr besteht, sondern der Kläger ein sogenanntes Sabbat-Jahr absolviert, also dem vermeintlichen Auslöser seiner Krise nicht mehr ausgesetzt ist. Gegen hohen Leidensdruck spricht nicht nur der im zweiten Termin zur Erörterung des Sachverhaltes dargestellte Tagesablauf des Klägers, welcher keinerlei Unauffälligkeiten aufweist sondern auch die Freizeitgestaltung, die seine Erlebnisfähigkeit belegt. Zusätzlich sieht sich der Kläger in der Lage seine Ehefrau im Haushalt zu unterstützen und sich um seine Mutter und seine Enkelkinder regelmäßig zu kümmern, was seine Belastungsfähigkeit zeigt. Die behandelnde Ärztin hat das seelische Leiden zum damaligen Zeitpunkt mit einem Teil-GdB von 20 bis 30 eingeschätzt. Unter Berücksichtigung des unauffälligen Tagesablaufs, der fehlenden fachärztlichen Behandlung und Medikation sowie dem Ende der beruflichen Krisensituation liegt keine über eine leichtere hinausgehende psychische Störung vor. Für das seelische Leiden ist allenfalls ein Teil-GdB von 20 zu berücksichtigen, ein höherer Teil-GdB ist für diese Funktionsbeeinträchtigung nicht angemessen.

An dieser Bewertung ändert auch der bei dem Kläger diagnostizierte Tinnitus nichts. Nach den VG, Teil B, Nr. 5.4 sind Ohrgeräusche (Tinnitus) ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen mit einem Teil-GdB von 0 bis 10 mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten.

Die psychischen Begleiterscheinungen bzw. psychovegetativen Begleiterscheinungen sind anhand des Befundberichtes bzw. der sachverständigen Zeugenaussage der Ärztin L. zum letzten Behandlungstermin mit innerer Unruhe und Gedankenkreisen zu benennen. Inwieweit diese tatsächlich durch den Tinnitus verursacht sind, muss nicht geklärt werden. Es kommt nur darauf an, ob das zusammenfassend die auf psychiatrischem Gebiet vorliegenden Leiden, egal welcher Ursache die die Funktionsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigen (vgl. das Urteil des Senats vom 13.12.2012 - L 6 SB 4838/10). Die funktionellen Auswirkungen sind nach Überzeugung des Senats, wie bereits dargelegt, nicht in dem Maße erheblich, als dass eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliegt. Direkt befragt nach den Begleiterscheinungen des Tinnitus hat der Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes geäußert, er könne mit der Gymnastikgruppe wegen der dortigen Geräuschkulisse nicht nach dem Sport in ein Restaurant gehen und er teilweise auch nicht mehr Gitarre spielen, da ihm sonst der Kopf dröhne. Diese rein körperlichen Begrenzungen durch den Tinnitus sind nach Überzeugung des Senats kein Korrelat der psychischen Beeinträchtigung. Es kann daher nicht von erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen ausgegangen werden. Hierzu ist auf die Einschätzung oben Bezug zu nehmen. Zusammenfassend liegt bei dem Kläger unter Berücksichtigung der psychischen Leiden und des Tinnitus ein Teil-GdB von 20 vor.

Auf kardiologischem Gebiet liegt kein Teil-GdB von mindestens 10 vor, welcher in die Bewertung einzustellen ist.

Der Senat stützt sich auf die sachverständige Zeugenaussage von Dr. Sch ... Dieser konnte den Kläger bei der Untersuchung 2 Minuten bei 100 Watt belasten und hat in der Farbdoppler-Echokardiographie normalgroße Herzhöhlen, bei normaler linksventrikulärer Funktion und ohne eine linksventrikuläre Hypertrophie festgestellt. Bei dem EKG ist zwar einmalig ein persistierendes Vorhofflimmern und -flattern aufgetreten, welches bei dem EKG bei dem nunmehr behandelnden Kardiologen Dr. R. nicht mehr aufgetreten ist. Auch die Implantation eines Stents ist nach Aussage des Klägers durch Dr. R. nicht geplant. An Medikationen nimmt der Kläger von dem Betablocker Bisoprolol 2,5 mg jeweils eine halbe Tablette täglich ein, was einer sehr niedrigen Dosierung entspricht. Nach den VG, Teil B Nr. 9.1 ist ein Teil-GdB somit auf kardiologischem Gebiet nicht feststellbar.

Bezüglich der weiteren bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen auf HNO-fachärztlichem Gebiet (Innenohrschwerhörigkeit) und auf augenärztlichem Fachgebiet (Linsenverlust, korrigiert durch Kunstlinse) sieht der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und macht sich aufgrund eigener Prüfung und Überzeugung die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils zu eigen.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Teil-GdB-Werte (Teil-GdB 20 für das Funktionssystem der Wirbelsäule, Teil-GdB 20 für das rechte Kniegelenk im Funktionssystem unterer Extremitäten, Teil-GdB 20 für das Funktionssystem Psyche unter Einbeziehung des Tinnitus sowie Teil-GdB 10 für die Innenohrschwerhörigkeit und die Versorgung mit der Kunstlinse) beträgt der Gesamt-GdB nicht mehr als 40. Die Überlagerung des Tinnitus und der psychischen Beschwerden wurde in der Bewertung des dafür vorgesehenen Teil-GdB-Werts bereits berücksichtigt. Die auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen sind nicht dergestalt, als dass sie sich gegenseitig verstärken, was Dr. J. dargelegt hat. Unter Berücksichtigung der nicht zur Erhöhung des Gesamt-GdB führenden weiter vorliegenden Teil-GdB 10 ist allenfalls von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen. Den versorgungsärztlichen und vom SG mit 40 angenommenen Gesamt-GdB hält der Senat eher für großzügig bemessen. Die Schwerbehinderteneigenschaft liegt bei dem Kläger nicht vor.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 40 und damit auch keinen Anspruch auf die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.

Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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