L 3 SB 3340/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 493/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3340/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine vermeintliche Untätigkeit des Beklagten, einen Überprüfungsantrag zu verbescheiden.

Bei dem am 12.08.1956 geborenen Kläger stellte das Landratsamt Emmendingen (LRA) mit Bescheid vom 17.05.2010 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 seit dem 01.12.2006 fest. Auf Grundlage der bei den behandelnden Ärzten beigezogenen Befundbeschreibungen berücksichtigte es hierbei, entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Etzold vom 11.05.2010, eine "Schuppenflechte" und eine "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" jeweils mit einem Einzel-GdB von 30 sowie "Knorpelschäden an beiden Kniegelenken" und eine "Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks" jeweils mit einem Einzel-GdB von 10.

Den hiergegen am 20.05.2010 eingelegten Widerspruch, mit dem die Feststellung eines GdB von 60 geltend gemacht wurde, wies der Beklagte nach einer erneuten versorgungsärztlichen Überprüfung mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2010 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 14.12.2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, - S 3 SB 6377/10 -), die wegen Nichtbetreibens als zurückgenommen galt (§ 102 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und abgeschlossen ist.

Am 26.10.2011 stellte der Kläger, vertreten durch den Rentenberater Enenkel (E.), "rein fürsorglich" einen "Überprüfungsantrag im Hinblick auf die klägerisch angefochtenen Bescheide". Auf Anfrage des LRA vom 31.10.2011, ob mit dem Überprüfungsantrag der Bescheid vom 17.05.2010 gemeint sei, ließ sich E. unter dem 21.11.2011 dahingehend ein, dass der Überprüfungsantrag "im Hinblick auf die in der Vergangenheit liegenden Bescheide" gestellt werde. Sachvortrag sei, so E., nicht erforderlich, es sei genug vorgetragen worden. Es seien Ermittlungen zu tätigen, im Falle der Unterlassung derselben werde erneut gerichtlich vorgetragen werden müssen.

Unter dem 19.01.2012 lehnte das LRA den Antrag vom 21.11.2011, den Bescheid vom 17.05.2010 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu überprüfen, ab. Der Bescheid vom 17.05.2010 sei nach unmittelbarer Beendigung des Klageverfahrens bindend, Gründe, die eine erneute Überprüfung erforderten, seien weder vorgetragen noch erkennbar. Hiergegen erhob der Kläger am 31.01.2012 Widerspruch, zu dessen Begründung er vorbrachte, das LRA sei verpflichtet, auf den Antrag hin eine Überprüfung vorzunehmen, ein Entschließungsermessen sei in § 44 SGB X nicht eingeräumt. Die Bezugnahme auf bisherigen Vortrag sei ausreichend.

Gleichfalls am 31.01.2012 hat der Kläger "Untätigkeitsklage" zum SG erhoben, mit der er die Verurteilung der Beklagten, über den am 21.11.2011 gestellten Überprüfungsantrag einen Bescheid bekannt zu geben, geltend gemacht hat. Begründend hat der Kläger vorgebracht, der Beklagte habe nicht lediglich eine negative materiell-rechtliche Entscheidung getroffen, er habe sich geweigert, auf den Überprüfungsantrag überhaupt eine Überprüfung durchzuführen. Dies verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Da die Weigerung endgültig sei, sei eine Sperrfrist für die Erhebung der Klage nicht abzuwarten.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu vorgetragen, das LRA habe, entgegen dem klägerischen Vorbringen, über den Antrag vom 21.11.2011 mit Bescheid vom 19.01.2012 sachlich entschieden, weswegen die Untätigkeitsklage bereits unzulässig sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.07.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zu Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Beklagte habe mit Bescheid vom 19.01.2012 über den Überprüfungsantrag entschieden. Er habe sich hierbei zulässigerweise auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 17.05.2010 berufen. Der Kläger habe sich in seinem Antrag vom 21.11.2011 ausdrücklich geweigert, zur Sache vorzutragen. Er habe erklärt, ein gesonderter Sachvortrag sei nicht erforderlich. Trage jedoch der Antragsteller nichts vor und ergebe sich nichts, was für die Unrichtigkeit der Ausgangsentscheidung sprechen könnte, dürfe sich die Verwaltung ohne jede weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung des Ausgangsverwaltungsaktes berufen. Soweit der Kläger meine, der Beklagte habe Ermittlungen anzustellen, sei dies unzutreffend, weil eine Verpflichtung zu Amtsermittlungen "ins Blaue hinein" nicht bestehe. § 44 SGB X diene nicht dem Zweck, routinemäßige oder anlasslose Überprüfungen bestandskräftiger Bescheide zu fördern. Nicht entscheidungserheblich sei, so das SG, ob die am 31.01.2012 eingereichte Untätigkeitsklage ohnehin nicht zulässig gewesen sei, weil sie vor Ablauf der in § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG vorgesehenen Frist von sechs Monaten beim SG eingereicht worden sei oder ob die Ablehnung einer sachlichen Entscheidung im Bescheid vom 19.01.2012 zur Klage vor Fristablauf berechtige.

Gegen den am 01.08.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger, vertreten durch E., am 03.08.2012 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt er vor, der Beklagte habe unter dem 19.01.2012 seinen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung der in der Vergangenheit liegenden Bescheide abgelehnt. Der Beklagte habe hierbei, wie aus der verwandten Formulierung ersichtlich werde, eine Überprüfung abgelehnt. Hierzu sei der Beklagte jedoch auch dann verpflichtet, wenn der Überprüfungsantrag nicht begründet werde. Überdies seien dem Beklagten aus dem vorangegangenen Gerichtsverfahren sämtliche Unterlagen bekannt gewesen. Durch die endgültige Weigerung, eine Überprüfung durchzuführen, sei er gehalten gewesen, unverzüglich eine Untätigkeitsklage zu erheben. Auf Anfrage des Senats betreffend die Vertretungsbefugnis des E. in Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) hat E. u.a. die Mehrfertigung der Verfügung des Präsidenten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 05.08.1993 vorgelegt, nach dem E., im Rahmen der Erlaubnis des Präsidenten des Landgerichts Freiburg vom 07.05.1993, gestattet werde, gemäß § 7 Abs. 6 i.V.m. § 157 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) und der Verordnung des damaligen Arbeitsministeriums Baden-Württemberg über die Zuständigkeit für die Zulassung zum mündlichen Verhandeln vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit vom 26.06.1963 vor den Sozialgerichten Freiburg, Heilbronn, Karlsruhe, Konstanz, Mannheim, Reutlingen, Stuttgart und Ulm sowie vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg mündlich zu verhandeln. Zuletzt bringt der Kläger vor, der Beklagte sei verpflichtet, über einen Überprüfungsantrag zu entscheiden, ohne dass ihm insofern Ermessen zustehe. Der Überblick über ein Verfahren erschließe sich erst im Laufe desselben, weswegen Anträge nach § 44 SGB X generalklauselartig gestellt werden könnten. Es sei auch zu berücksichtigen, dass im Verfahren vor dem SG - S 3 SB 6377/10 - § 102 SGG, eine "rechtsstaatlich total zweifelhafte Norm" im Stadium von Vergleichsverhandlungen nach Einholung von Befundberichten angewandt worden sei. Dass sich der Bevollmächtigte innerhalb von drei Monaten nicht zu einem Vergleichsvorschlag habe äußern können, sei angesichts der Komplexität nicht verwunderlich.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Juli 2012 aufzuheben,

den Beklagten dazu zu verurteilen, über den am 21. November 2011 gestellten Überprüfungsantrag gem. § 44 SGB X einen Bescheid bekannt zu geben und

das Verfahren an das Sozialgericht Freiburg im Rahmen des § 159 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Nr.2 SGG zurückzuverweisen,

den Termin zur mündlichen Verhandlung am 07. August 2013 wegen der Urlaubsabwesenheit des Klägervertreters aufzuheben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuverweisen.

Zur Begründung seines Antrages verweist der Beklagte auf den Inhalt des angefochtenen Gerichtsbescheides. Die Entscheidung vom 19.01.2012 stelle einen Bescheid dar, mit dem die Erteilung eines Rücknahmebescheides nach § 44 SGB X abgelehnt worden sei. Die als solche erhobene Untätigkeitsklage sei daher abzuweisen gewesen. Der Beklagte hat ergänzend auf den Beschluss des 8. Senats des LSG vom 26.06.2012 - L 8 SB 537/11 - und die Problematik der Vertretungsbefugnis des E. hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 24.07.2013 hat der Kläger, mit solchem vom 27.07.2013 der Beklagte das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung wurden, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) ist zulässig, sie wurde insb. durch einen vertretungsbefugten Bevollmächtigten erhoben. Der 6. Senat des LSG hat mit Urteil vom 20.06.2013 - L 6 SB 1692/12 - (zur Veröffentlichung in juris vorgesehen) entschieden, dass E. auf Grundlage der ihm u.a. unter dem 05.08.1993 erteilten Erlaubnis des Präsidenten des LSG berechtigt ist, in Angelegenheiten auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts auch dann aufzutreten, wenn die konkrete Rechtsstreitigkeit keinen Bezug zur gesetzlichen Rente hat. Der erkennende Senat schließt sich dieser Einschätzung an. Maßgebend hierfür ist, dass die dem E. mit Verfügung des Präsidenten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 05.08.1993 erteilte Erlaubnis zur Rechtsberatung als Rentenberater so auszulegen ist, dass diese jedenfalls auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts keinen konkreten Rentenbezug im Einzelfall erforderte. E. wurde die "Erlaubnis" nach Art. 1 § 1RBerG "nach § 73 Abs. 6 SGG i.V.m. § 157 Abs. 3 ZPO und der Verordnung des damaligen Arbeitsministeriums Baden-Württemberg über die Zuständigkeit für die Zulassung zum mündlichen Verhandeln vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit vom 26.06.1963 zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten Freiburg, Heilbronn, Karlsruhe, Konstanz, Mannheim, Reutlingen, Stuttgart und Ulm sowie vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg" erteilt. Die Erlaubnis ist mit diesem Inhalt auch im Rechtsdienstleistungsregister - wie sich dies aus der Registrierung der Registrierungsbehörde, dem Landgericht Freiburg, ergibt - für den Bereich "Rentenberatung" als "registrierter Erlaubnisinhaber" eingetragen (www.rechtsdienstleistungsregister.de). Zwar enthält die Erlaubnis selbst keine Aussage dazu, in welchem Umfang E. tätig sein darf. Sie verweist diesbezüglich nur auf Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz (RBG). Vorliegend spricht im Rahmen der notwendigen Auslegung der dem E. erteilten Rechtsberatungserlaubnis bereits ein Abgleich mit den Gesetzesmaterialien dafür, den Umfang der erteilten Erlaubnis so zu verstehen, dass ein konkreter Rentenbezug im jeweiligen Einzelfall jedenfalls in Verfahren aus dem Bereich des Schwerbehindertenrechts unter der Geltung des RBG nicht erforderlich ist. Nach diesen war der Begriff des Rentenberaters umfassend zu verstehen (BT-Drucks 8/4277, S. 22). Gestützt wird dies aber auch aus der historischen Zuständigkeit der Rentenberater für das Schwerbehindertenrecht im Kontext mit dem Versorgungsrecht, der engen Verzahnung von Renten- und Schwerbehindertenrecht, dem Umfang der von Rentenberatern abzulegenden Sachkundeprüfung (vgl. hierzu Schreiben des Bundesverbandes der Rentenberater e. V. vom 07.11.2012) sowie des Schutzzwecks des RBG (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.10.2007 - L 6 SB 6134/06 B - veröffentlicht in juris; Beschlüsse vom 16.03.1995 - L 11 Vs 89/95 B - und vom 23.02.1995 - L 11 B 262/94 - Leitsatz jew. veröffentlicht in juris). Die gegenteilige Einschätzung (LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 29.11.2012 - L 8 SB 2721/12 - und vom 26.06.2012 - L 8 SB 537/11 - jew. veröffentlicht in juris), die sich zuvorderst auf den Wortsinn des Begriffs "Rentenberater" stützt, mag nicht zu überzeugen. Dort wird bei der Auslegung der E. erteilten Erlaubnis zur Rechtsberatung als Rentenberater nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt, dass auch seitens der Leitung der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Baden- Württemberg nicht von Einschränkungen der Vertretungsbefugnis E. auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts ausgegangen wurde (vgl. Schreiben der Vizepräsidentin des Landessozialgerichts vom 09.02.1993 und des Präsidenten des Landessozialgerichts vom 17.12.1993, der ausdrücklich ausgeführt hat, dass die Erlaubnis keine "sachgebietsbezogene Einschränkung" beinhalte, sie [die Erlaubnis] vielmehr eine "Vollzulassung" darstelle).

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat die Klage ausdrücklich als Untätigkeitsklage erhoben. Gemäß § 88 Abs. 1 SGG ist die Klage, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden wurde, nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Neben einem Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ist auch die fehlende sachliche Nichtverbescheidung des Antrages Zulässigkeitsvoraussetzung der Untätigkeitsklage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., 2012, § 88, Rn. 4). Da diese nur auf Bescheidung schlechthin, nicht jedoch auf Stattgabe des Antrages gerichtet ist (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1993 - 14a RKa 1/93 - veröffentlicht in juris), ist eine sachliche Bescheidung dann anzunehmen, wenn die Behörde die Angelegenheit mittels Verwaltungsakt abschließend entschieden hat. Vorliegend hat der Beklagte jedoch mit Bescheid vom 19.01.2012 - ein solcher ist vorliegend anzunehmen, da mit ihm eine Entscheidung durch eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wurde, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet war (vgl. § 31 Abs. 1 SGB X) - über den Antrag vom 21.11.2011 entschieden. Weder der Umstand, dass der Bescheid nicht als solcher bezeichnet ist noch, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung angeschlossen war (vgl. hierzu § 66 Abs. 2 SGG), führt insofern zu einer abweichenden Einschätzung. Im Übrigen ist der Begriff der Verbescheidung i.S. einer Entscheidung über einen Antrag nicht identisch mit der Problematik, welchen Inhalt die Entscheidung über den Antrag nach § 44 SGB X hat, ob eine sachliche Prüfung oder ob die Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides nach inhaltlichen Kriterien abgelehnt wird. Lehnt die Behörde, wie vorliegend, unter Bezugnahme auf die bindende Entscheidung eine Entscheidung in der Sache ab, so liegt dennoch eine die Untätigkeit ausschließende Entscheidung vor (vgl. zu § 75 VwGO Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.11.1973 - VI C 42.72 - Leitsatz veröffentlicht in juris).

Da mithin über den Antrag des Klägers entschieden wurde, war die erhobene Untätigkeitsklage bereits unstatthaft.

In Ansehung des klägerischen Antrages im gerichtlichen Verfahren, der sich konkret auf den Erlass eines Bescheides auf den Antrag vom 21.11.2011 bezieht und der Regelung des § 123 SGG, wonach das Gericht nur über die erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein, indes eine Entscheidung über ein anderes Klagebegehren nicht zulässig ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 123, Rn. 4), ist vorliegend nicht zu entscheiden, ob die erhobene Untätigkeitsklage wegen der Nichtentscheidung der Beklagten über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 29.01.2012 zulässig wäre. Ferner ist eine Auslegung des klägerischen Begehren in eine Anfechtungs- Verpflichtungs- und Feststellungsklage des Inhalts, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.01.2012 zu verurteilen, den Bescheid vom 17.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2010 aufzuheben und die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB festzustellen, angesichts des eindeutigen bis zuletzt artikulierten Begehrens (vgl. Schriftsatz vom 24.07.2013) nicht möglich.

Im Übrigen ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der inhaltliche Gegenstand des klägerischen Begehrens die Ablehnung eines Rücknahmeanspruchs aus § 44 SGB X ist. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens hat die Behörde zu entscheiden, ob sie trotz der Bestandskraft des früheren Verwaltungsaktes überhaupt in eine sachliche Prüfung der Voraussetzungen seiner Rücknahme eintreten darf oder dies sogar muss. Im SGB X fehlt hierzu eine ausdrückliche Vorschrift. Die Voraussetzungen eines strikten (Rechts-)Anspruchs auf eine Sachprüfung der Behörde darüber, ob sie einen unanfechtbaren Verwaltungsakt aufhebt oder ändert ("Wiederaufgreifen" des Verfahrens), ergeben sich aus der lückenfüllend anzuwendenden Maßstabsnorm des § 51 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - des Bundes - (VwVfG). Das bedeutet: Bei nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage, beim Vorliegen neuer günstiger Beweismittel oder bei Wiederaufnahmegründen muss die Behörde (nach § 51 Abs. 1 VwVfG - in den Grenzen von Abs. 2 und 3 a.a.O.) die Aufhebbarkeit des früheren Verwaltungsaktes in der Sache prüfen und bescheiden. Im Übrigen steht die Entscheidung, ob in eine Sachprüfung der Rechtswidrigkeit des früheren Verwaltungsaktes eingetreten wird, im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (st.Rspr. des BSG, u.a. Urteil vom 03.04.2001 - B 4 RA 22/00 R - m.w.N. veröffentlicht in juris). Lehnt die Behörde eine Sachprüfung der Rücknahmevoraussetzungen ab, wird das Verfahren abgeschlossen. Im Rahmen ihrer Entscheidung muss sichergestellt werden, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Indes darf in die Entscheidung auch einfließen, dass dem Betroffenen im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens Mitwirkungsverpflichtungen obliegen. Dies gilt insb. dann und deswegen, wenn nicht ein konkreter Bescheid zur Überprüfung der Behörde, sondern ein Überprüfungsantrag bezüglich des "in der Vergangenheit liegenden Bescheides" gestellt wird. Ein derart weitreichendes Überprüfungsbegehren geht mit entsprechenden Mitwirkungserfordernissen beim Berechtigten einher (vgl. BSG, Beschluss vom 14.03.2012 - B 4 AS 239/11 B - veröffentlicht in juris). Da sich der Kläger insofern ausdrücklich darauf zurückgezogen hat, dass Sachvortrag nicht erforderlich sei (vgl. Schriftsatz vom 21.11.2011), hat er seine Mitwirkungsobliegenheit verletzt. Die Entscheidung, auf den Antrag des Klägers nach § 44 SGB X nicht in eine erneute Sachprüfung einzusteigen, ist daher nicht zu beanstanden.

Der Senat vermag die Einschätzung des Bevollmächtigten, das Erfordernis die Überprüfung nach § 44 SGB X auf konkret ergangene Bescheide zu beziehen, stelle eine "Verweigerung der Rechtsweggarantie" dar und es sei "sinnentleert und eine Schikane", wenn man nach einer Klagebegründung und Vorlage einer Schweigepflichtsentbindungserklärung an einer formalen Bagatelle scheitere, nicht nachzuvollziehen. Ungeachtet davon, dass dem Kläger, wie das vorliegende Verfahren zeigt, der Weg zu einer gerichtlichen Überprüfung offen steht, vermittelt der vom Bevollmächtigten zitierte Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes keinen Anspruch darauf, in der Sache erfolgreich prozessieren zu können oder aber von "formalen" Anforderungen frei gestellt zu sein.

Soweit der Bevollmächtigte zur Stützung seiner Rechtsansicht auf das Verfahren vor dem SG - S 3 SB 6377/10 - und die dortige Beendigung im Wege des § 102 Abs. 2 SGG verweist, in dem er in der Norm einen "Todmacher" sieht, die im benannten Verfahren rechtswidrigerweise im Stadium von Vergleichsverhandlungen angewandt worden sei, wird darauf hingewiesen, dass die dortige Vorgehensweise nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist. Indes sieht sich der Senat dazu veranlasst, darauf hinzuweisen, dass zugelassenen Rentenberatern bekannt sein sollte, dass, wenn die Anwendbarkeit des § 102 Abs. 2 SGG in Zweifel gezogen werden soll, beim Sozialgericht die Fortsetzung des als zurückgenommen geltenden Klageverfahrens beantragt werden kann. Ob das vom Bevollmächtige hierzu angeführte "opponieren" i.d.S. erfolgt ist, ist dem Senat nicht bekannt, jedoch vorliegend auch nicht entscheidungserheblich.

Der Rechtsstreit ist nicht, wie klägerseits beantragt, an das SG (zurück-) zu verweisen. Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl. I S.3057) kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens, der zur Zurückverweisung an das SG führen könnte, liegt vor, wenn gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift verstoßen wurde und die Entscheidung des Sozialgerichts hierauf beruhen kann. Das Landessozialgericht entscheidet bei Vorliegen eines Mangels nach seinem pflichtgemäßen Ermessen, ob es in der Sache selbst entscheidet oder zurückverweisen will. Eine Verpflichtung zur Zurückverweisung besteht auch bei Vorliegen eines wesentlichen Mangels des Verfahrens nicht (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1956 - 6 RKa 14/55 - veröffentlicht in juris). Der angefochtene Gerichtsbescheid unterliegt jedoch keinen Verfahrensfehlern. Soweit der Kläger hierzu vorbringt, das SG habe sich erkennbar mit seinem Vorbringen nicht auseinandersetzen wollen und deswegen in der Sache nicht entschieden, verkennt dies, dass die Ausführungen des SG dazu, dass sich der Beklagte berechtigterweise auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 17.05.2010 berufen hat, dem oben dargelegten Prüfungsumfang bei einem Antrag nach § 44 SGB X entspricht.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24.07.2013 die Verlegung der zunächst für den 07.08.2013 geladenen mündlichen Verhandlung wegen der Urlaubsabwesenheit des Bevollmächtigten beantragt hat, ist über diesen Antrag, nachdem gleichzeitig das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündlicher Verhandlung erklärt wurde und der Senat, nachdem auch der Beklagte hierzu sein Einverständnis erteilt hat, nunmehr nach § 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, nicht mehr zu befinden.

Die Berufung ist hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung; sie wirft insb. keine grundsätzlichen Fragen auf, die sich nicht anhand der ergangenen Rechtsprechung beantworten ließen, noch weicht der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG benannten Gerichte ab.
Rechtskraft
Aus
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