L 9 U 4419/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 4584/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4419/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. August 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Ereignis vom 22.06.2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Die 1964 geborene Klägerin ist bei der Firma E. Service GmbH & Co KG, B., als Sachbearbeiterin beschäftigt. Ihr Arbeitsplatz befand sich am 22.06.2006 in einem Großraumbüro der Firma in H ... Nach den Angaben des Arbeitsgebers vom 10.08.2006 ereignete sich am 22.06.2006 um 9:16 Uhr, während der Pause von 9:15 bis 9:30 Uhr, ein Unfall, als der Fahrer eines Getränkehändlers die Klägerin übersehen und ihr mit seinem Sackkarren von hinten in die Beine gefahren war. Die Klägerin befand sich zu diesem Zeitpunkt im Erdgeschoss unmittelbar vor der Ausgangstür des Betriebsgebäudes.

Der erstbehandelnde Arzt, der Orthopäde Dr. H., stellte im Bereich beider Unterschenkel eine deutliche Schwellung (rechts mehr als links) mit deutlichem Hämatom und deutlichen Druckschmerzen fest. Die Weiterbehandlung erfolgte beim Orthopäden Dr. V., der einen Zustand nach Kontusion der Dorsalseiten beider Unterschenkel mit atypischer persistierender massiver Weichteilreizung feststellte. Arbeitsfähigkeit trat zunächst am 08.07.2006 wieder ein. Eine Kernspintomographie des rechten Unterschenkels vom 04.10.2006 (Radiologische Gemeinschaftspraxis Dres. T./K.) ergab ein geringes Weichteilödem dorsal bei einer ansonsten unauffälligen Kernspintomographie des rechten Unterschenkels.

Am 26.01.2009 beantragte die Klägerin sinngemäß, ihr Rente wegen des Unfalles vom 22.06.2006 zu gewähren. Das Bein heile nicht aus, sie leide weiter unter starken Schmerzen und habe sich bei Dres. J. und V. in U. vorgestellt. Diese hätten zunächst versucht, das Narbengewebe zu entfernen, im April 2008 sei sie operiert worden. Sie habe jedoch auch weiterhin Beschwerden, sie könne nicht lange sitzen oder stehen, Wetterwechsel mache ihr immens zu schaffen, bis heute könne sie keine Stiefel oder "High Heels" tragen, weil der Druck auf das Bein so stark werde, dass sie dann Schmerzen habe.

Die Beklagte zog einen Bericht der Orthopäden Dres. J. und V. bei und lehnte die Anerkennung des Ereignisses vom 22.06.2006 als Arbeitsunfall mit Bescheid vom 04.02.2010 ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin sei nach den Angaben des Arbeitgebers zum Unfallzeitpunkt kurz nach Beginn der Frühstückspause auf dem Weg nach draußen gewesen, um dort die Sonne zu genießen. Kurz vor der Ausgangstüre sei sie dann von dem Fahrer eines Getränkehändlers mit dessen Sackkarre von hinten in die Beine angefahren worden. Ein Spaziergang stünde während einer Arbeitspause nur dann mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang, wenn er aus besonderen Gründen zur notwendigen Erholung für die weitere betriebliche Tätigkeit erforderlich sei. Dabei sei ein innerer Zusammenhang dann anzunehmen, wenn eine bisherige besonders belastende Betriebsarbeit den Spaziergang erforderlich mache. Verunglücke ein Versicherter während einer Arbeitspause nur, begründe dies dagegen den Versicherungsschutz nicht. Der Umstand, dass ein Unfall auf dem Betriebsgelände eingetreten sei, begründe einen inneren Zusammenhang ebenfalls nicht, denn allein der dortige Aufenthalt eines Arbeitnehmers reiche zur Annahme des Versicherungsschutzes nicht aus. Vielmehr sei stets erforderlich, dass der Arbeitnehmer zum Unfallzeitpunkt einer versicherten Tätigkeit nachgehe. Auch im Falle der Einwirkung einer besonderen Betriebsgefahr seien Unfälle bei einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit nicht versichert, weil es den sogenannten Betriebsbann in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gebe und es für den Versicherungsschutz nicht maßgebend sei, ob betriebliche Gefahren beim Unfall mitgewirkt hätten. Eine Ausnahme liege nur dann vor, wenn eine besondere Betriebsgefahr auf den mit einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit befassten Versicherten ohne dessen Zutun direkt an seinem Arbeitsplatz eingewirkt habe. Ein solcher Ausnahmetatbestand liege aber nicht vor, demzufolge bestehe auch kein Unfallversicherungsschutz.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass sie Raucherin sei und im Betrieb die Weisung bestanden habe, nicht in den Betriebsgebäuden selbst zu rauchen. Dementsprechend seien Rauchertische an den Eingängen aufgestellt gewesen. Sie habe die Pause an einem dieser Rauchertische verbringen wollen und sei auf dem Weg zu einem dieser Rauchertische gewesen, als sie noch innerhalb des Betriebsgebäudes angefahren worden sei. Pausen gehörten grundsätzlich zur versicherten Tätigkeit. Ein Zusammenhang mit dieser könne nicht allein deshalb verneint werden, weil sie während der Pause nicht für den Betrieb gearbeitet habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Vortrag im Widerspruchsverfahren ändere an der Beurteilung nichts. Auch das Rauchen sei der Privatsphäre zuzuordnen, weil es sich um eine Entscheidung handele, die jeder Versicherte für sich ganz persönlich treffe. Die Handlungstendenz, als entscheidendes Kriterium für den Unfallversicherungsschutz, sei damit auf private eigenwirtschaftliche Belange ausgerichtet. Daher sei das Rauchen selbst auch nicht versichert. Auch die dafür erforderlichen Wege seien grundsätzlich unversichert. Daran ändere auch ein Rauchverbot, das den Raucher zwinge, den Arbeitsplatz zu verlassen und im Raucherraum oder im Freien zu rauchen, nichts. Denn diese Wege seien rechtlich anders zu beurteilen, als die Wege zur Essenseinnahme, weil es sich bei der Essenseinnahme um ein jedem Versicherten vorgegebenes, zum Lebenserhalt notwendiges Bedürfnis handele. Daher komme diesen Wegen neben den privaten Bedürfnissen auch der durch die versicherte Tätigkeit vorgegebenen Notwendigkeit, Wege zur Essenseinnahme zurückzulegen, eine den Versicherungsschutz rechtfertigende Bedeutung zu.

Hiergegen hat die Klägerin am 28.07.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages hat sie an dem geltend gemachten Anspruch festgehalten. Insbesondere hat sie die Auffassung vertreten, dass es keinen Unterschied machen könne, ob sich ein Beschäftigter auf dem Weg zur Einnahme einer Mahlzeit befinde oder auf dem Weg zur Absolvierung seiner Pausenzeit, welche betrieblich angeordnet sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Urteil vom 31.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass regelmäßig höchst persönliche oder eigenwirtschaftliche Verrichtungen, wie das Kochen von Kaffee, Essen, Einkaufen, das Holen von Zigaretten oder das Einlegen einer Zigarettenpause mit der versicherten Tätigkeit nicht in einem inneren Zusammenhang stünden. Derartige Verrichtungen seien typischerweise und regelmäßig unversichert, weil es sich um höchstpersönliche Verrichtungen handele. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalles sei, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsverhältnis dienende Verrichtung ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch objektive Umstände bestätigt sei. In Übereinstimmung mit der Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen sei das Holen von Zigaretten und das Einlegen einer Zigarettenpause grundsätzlich dem privaten Bereich zuzuordnen, weil es regelmäßig unabhängig von jeglicher betrieblicher Tätigkeit durchgeführt werde. Dies gelte selbst dann, wenn die Klägerin nach ihren Angaben innerhalb der vorgeschriebenen Pausenzeit das Betriebsgebäude habe verlassen wollen, um sich an der frischen Luft von ihrer Arbeit im Großraumbüro zu erholen und bei dieser Gelegenheit auch eine Zigarette zu rauchen. Nach der Rechtsprechung bestünde Unfallschutz nach dem Grundsatz des Mitwirkens einer gefährlichen Betriebseinrichtung nur dann, wenn eine besondere Betriebsgefahr auf den mit einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit befassten Versicherten im räumlich-zeitlichen Bereich seines Arbeitsplatzes einwirke, ohne dass die private Verrichtung wesentlich zur Bedrohung durch die zum Unfall führende Betriebsgefahr beigetragen habe. In diesem Zusammenhang stelle die Sackkarre, durch die die Klägerin verletzt wurde, keine gefährliche Betriebseinrichtung dar, weil sie von einem betriebsfremden Getränkelieferanten benutzt worden sei, gegen den, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, ein Zivilverfahren vor dem Landgericht anhängig sei.

Gegen das ihr am 12.09.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.10.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass sie nach wie vor erheblich unter den Unfallfolgen leide. Das SG habe zu Unrecht den Klageantrag abgewiesen. Das SG verkenne, dass sich der Unfall auf dem Weg zur Pause ereignet und nicht beispielsweise im Pausenraum oder an den Rauchertischen. Zudem habe sie sich erst auf dem Weg zu den Rauchertischen befunden, als sich der Unfall ereignet habe. Selbst wenn sie eine Zigarette geraucht hätte, sei das Rauchen einer Zigarette in ca. 2 bis 3 Minuten erledigt. Die Pausenzeit habe jedoch 15 Minuten betragen. Sie habe auch darauf hingewiesen, dass die Pausenzeit üblicherweise genutzt werde, um sich mit Kollegen über betriebliche Belange zu unterhalten. Nach ihrer Auffassung komme es nicht überwiegend darauf an, welche Tätigkeit sie nach Erreichen des für die Pause bestimmten Aufenthaltsortes habe ausüben wollen, sondern darauf, dass sich der Unfall auf dem Weg zu diesem Ort ereignete, und es sich damit um eine mitversicherte Tätigkeit gehandelt habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. Februar 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2010 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Unfall vom 22. Juni 2006 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der vorgelegten Akten, den Vortrag in erster Instanz und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Klägerin, gerichtet auf die - als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässige - Feststellung, dass das Ereignis vom 22.06.2006 ein Arbeitsunfall ist, bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht hat das SG entschieden, dass das Ereignis vom 22.06.2006 kein Arbeitsunfall ist.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2).

Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R m.w.N. in Juris)

Bei einem grundsätzlich unter dem Schutz der Unfallversicherung stehenden Betroffenen sind Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit und stehen mit ihr in dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Dies bedeutet indes nicht, dass alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstelle versichert sind, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind und es einen sogenannten Betriebsbann nur in der Schifffahrt (§ 10 SGB VII), nicht aber in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung gibt (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur BSGE 41, 137, 139). Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen wie zum Beispiel das Essen (vgl. BSGE 11, 267, 268 ff.), oder eigenwirtschaftliche, wie zum Beispiel das Einkaufen (vgl. BSGE SozR 3 - 2200, § 548 Nr. 22). Sie führen in der Regel zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit. Für die wertende Entscheidung, ob die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, kommt der Handlungstendenz des grundsätzlich Versicherten, so wie sie durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird, besondere Bedeutung zu (ständige Rechtsprechung des BSG, BSGE 58, 76, 77; BSGE 91, 293). Denn aufgrund der Handlungstendenz kann beurteilt werden, ob der grundsätzlich versicherte Arbeitnehmer mit seiner konkreten Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine aus seinem Arbeitsvertrag (§ 611 des Bürgerlichen Gesetzbuches) oder einer sonstigen Vereinbarung beruhende, dem Unternehmen dienende und damit unter Versicherungsschutz stehende Tätigkeit ausüben wollte. Unter Berücksichtigung dessen stehen auch nicht alle Wege eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und/oder auf der Arbeitsstätte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern nur solche Wege, bei denen ein sachlicher Zusammenhang zwischen der - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges gegeben ist, weil der Weg durch die Ausübung des Beschäftigungsverhältnisses oder den Aufenthalt auf der Betriebsstätte bedingt ist (BSG, Urt. v. 12.12.2006, B 2 U 1/06 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 21).

Der Senat stellt zunächst fest, dass die Klägerin als Sachbearbeiterin bei der Firma E. Service GmbH & Co. KG dem Grunde nach gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als angestellte Sachbearbeiterin und damit als Beschäftigte versichert gewesen ist. Es lag zudem durch das Auffahren mit der Sackkarre des Getränkelieferanten in die Beine der Klägerin ein zeitlich begrenztes und von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vor, das zu einer Muskelprellung an beiden Waden mit einem deutlichen Hämatom führte, was der Senat der Unfallanzeige des Arbeitgebers und den Berichten des behandelnden Orthopäden Dr. Hansen entnimmt. Es handelt sich hierbei aber – wie das SG zu Recht festgestellt hat – nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII, weil die Verrichtung der Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalles nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist.

Zum Zeitpunkt des Unfallereignisses um 09:16 Uhr hatte die betrieblich gewährte Erholungspause bereits begonnen. Die Klägerin befand sich nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz, sondern - nach eigenen Angaben - auf dem Weg zu einem Rauchertisch außerhalb des Betriebsgebäudes, schon kurz vor der Außentür zum Eingangsbereich, wo sie eine Zigarette rauchen wollte, nachdem der Arbeitgeber das Rauchen im Gebäude untersagt hatte. Die Klägerin befand sich somit schon nicht auf einem Betriebsweg, einem Weg also, der maßgeblich einem betrieblichen Zweck diente oder dienen sollte. Das Rauchen stellt eine allein eigenen Zwecken dienende Tätigkeit dar, die weder einem Betriebszweck dient noch dienen soll. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG im Vergleich hierzu - wie bereits erwähnt - auch die Essensaufnahme selbst nicht versichert, weil sie regelmäßig und von Ausnahmen im Hinblick auf besondere Arbeitsbedingungen abgesehen, unabhängig von der versicherten Tätigkeit erforderlich ist. Auch der Umstand, dass die Essensaufnahme - auch - der Erhaltung der Arbeitskraft dient, ändert an der maßgeblich privaten Natur der Verrichtung nichts (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 97 und SozR 2200 § 550 Nr. 15, zuletzt: Urt. v. 24.06.2003, B 2 U 24/02 R, in Juris). Soweit nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 24.06.2003, a.a.O.) Wege, auch innerhalb des Betriebes, zur Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit unter Versicherungsschutz stehen, weil sie dadurch gekennzeichnet sind, dass sie regelmäßig unaufschiebbare, notwendige Handlungen sind, um die Arbeitskraft des Versicherten zu erhalten und es ihm zu ermöglichen, die jeweilige betriebliche Tätigkeit fortzusetzen, gilt dies nicht auch im gleichen Maße für das Rauchen. Im Gegensatz zur Essensaufnahme während eines Arbeitstages ist das Rauchen für die Erhaltung der Arbeitskraft nicht erforderlich, sondern entspringt - wie Genussmittel allgemein - im Vergleich zur Einnahme fester und flüssiger Nahrung weit mehr persönlichen Angewohnheiten (BSG, Urt. v. 20.02.2001, B 2 U 6/00 R, in Juris). Besondere Umstände, etwa dass das Rauchen für die Klägerin so unabweisbar notwendig gewesen wäre, wie das Stillen des Hungers, was nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 20.02.2001 a.a.O.) in Ausnahmefällen Versicherungsschutz begründen könnte, sind weder vorgetragen noch nachgewiesen. Damit sind das Verlassen des Arbeitsplatzes wegen einer Rauchpause und der hierfür zurückgelegte Weg nicht versichert.

Etwas anderes ergibt sich angesichts des gänzlich fehlenden betrieblichen Zusammenhangs auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber - wie hier - das Rauchen im Betrieb untersagt (Ricke in Kasseler Kommentar, Stand März 2013, § 8 SGB VII Rn. 97a; Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII § 8 Rn. 226a). Anderes folgt zudem nicht daraus, dass es sich um eine Regelpause gehandelt hat, denn auch hier gilt im Grundsatz, dass für diesen Zeitraum private Verrichtungen im Vordergrund stehen, nicht aber betriebliche Zwecke (zum Erfordernis einer dem Betrieb dienenden Tätigkeit für den Versicherungsschutz, vgl. BSG 20.02.2001, a.a.O.). Dass solche Pausen (auch) der Erholung dienen (und damit auch der Erhaltung der Arbeitskraft), führt ebenfalls nicht zu einer geänderten Beurteilung. Es lassen sich nämlich keine besonderen betrieblichen Umstände festmachen, die hier ausnahmsweise einen Versicherungsschutz begründen könnten. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Arbeitgeber den Aufenthalt in bestimmten Räumen während der Pause vorgeschrieben hätte oder das Verlassen des Betriebsgebäudes etwa deshalb angezeigt gewesen wäre, weil es sich beim konkreten Arbeitsplatz oder am konkreten Tag um einen sehr staubigen oder heißen Arbeitsplatz gehandelt hätte. Solche Umstände sind weder vorgetragen, noch bei Tätigkeiten in einem Großraumbüro am frühen Morgen zu erwarten. Eine besondere betriebliche Veranlassung für alle Arbeitnehmer (also auch für diejenigen, die die Pause nicht zum Rauchen nutzen wollten), die Pause vor dem Betriebsgebäude zu verbringen, bestand zudem offensichtlich ebenfalls nicht.

Soweit die Klägerin vorträgt, die Pausenzeiten würden auch dazu genutzt, sich mit den Kollegen über betriebliche Belange zu unterhalten, ist jedenfalls für den Morgen des 22.06.2006 keine konkrete Veranlassung dargetan worden, die Rauchertische gerade deshalb aufzusuchen. Die nach ihren Angaben im Verwaltungs- und Klageverfahren feststellbare Handlungstendenz, den gewählten Weg einzuschlagen, war im Wesentlichen dadurch geprägt gewesen, dort eine Zigarette rauchen zu wollen. Er war nicht deswegen eingeschlagen worden, weil sie dort mit einem oder mehreren Kollegen über bestimmte im betrieblichen Zusammenhang stehende Belange sprechen wollte. Ein solches Gespräch sollte sich, was der Senat ihren Einlassungen entnimmt, allenfalls im Einzelfall ergeben.

Befand sich die Klägerin damit nicht auf einem versicherten Weg, kommt Versicherungsschutz aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Mitwirkung von Betriebseinrichtungen und betrieblichen Gefahren in Betracht. Maßgebend ist für den Versicherungsschutz nicht, ob betriebliche Gefahren beim Unfall mitgewirkt haben, sondern ob der Unfall bei der versicherten Tätigkeit (also während einer Verrichtung, die im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht) geschehen ist. Anderes gilt nach der Rechtsprechung nur dann, wenn eine besondere Betriebsgefahr auf den mit einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit befassten Versicherten im räumlich-zeitlichen Bereich seines Arbeitsplatzes eingewirkt hat, ohne dass die private Verrichtung wesentlich zur Bedrohung durch die zum Unfall führende Betriebsgefahr beigetragen hat (Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, § 8 Rz 239, BSG, Urt. v. 20.02.2001, a.a.O.). Stößt der Versicherte durch eine private Tätigkeit auf betriebliche Einrichtungen und daraus resultierende besondere Gefahren, besteht kein Versicherungsschutz (BSG Urt. v. 19.01.1995, 2 RU 3/94, in Juris). Es ist schon fraglich, ob sich durch den durch eine betriebsfremde Person verursachten Unfall eine besondere betriebliche Gefahr verwirklicht hat. Die Sackkarre eines nicht der Firma angehörenden Getränkelieferanten stellt insoweit schon keine zum Betrieb gehörende Einrichtung dar (ein Haftungsprivileg des Schädigers im Sinne der §§ 105 ff. SGB VII ist insoweit ebenfalls nicht ersichtlich). Selbst wenn man dies unterstellen wollte oder die von der Sackkarre ausgehende Gefahr dem Betrieb zurechnen wollte, fehlte es an der räumlichen Nähe zum Arbeitsplatz, also zur dem Betrieb dienenden konkret ausgeübten Tätigkeit, weil sich die Gefahr nicht im Großraumbüro - etwa bei einem privaten Telefonge- spräch -, sondern kurz vor der Ausgangstür im Erdgeschoss verwirklicht hatte (Angaben des Arbeitgebers, Bl. 41 d. Akten). Mit dem Verlassen des Büros hat die Klägerin den räumlich zeitlichen Bereich ihres Arbeitsplatzes in jedem Fall verlassen (BSG, Urt. v. 20.02.2003 a.a.O.).

Soweit die Klägerin auf das Urteil des BSG vom 27.04.2010 (B 2 U 23/09 R) verweist, ergibt sich hieraus nichts anderes. Es bezieht sich zunächst und abweichend von der hier vorliegenden Fallgestaltung auf den Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, wonach das Zurücklegen eines unmittelbaren Weges von und zum Ort der Tätigkeit ein Arbeitsunfall und damit ein Versicherungsfall im Sinne des § 7 SGB VII ist. Die Rechtsprechung hat schon im Rahmen der Vorgängervorschrift (§ 550 Reichsversicherungsordnung) das Zurücklegen eines Weges durch einen in Vollzeit Beschäftigten in der betrieblichen Mittagspause mit der Handlungstendenz, sich an einem vom Ort der Tätigkeit verschiedenen Ort Nahrungsmittel für die Mittagsmahlzeit zu besorgen (oder dort das Mittagessen einzunehmen), um seine Arbeitskraft zu erhalten, als eine regelmäßig unaufschiebbare und notwendige Handlung angesehen, die geeignet sei, die Arbeitskraft des Versicherten zu erhalten und ihm damit zu ermöglichen, die betriebliche Tätigkeit fortzusetzen, weshalb sie daher auch unter Versicherungsschutz steht (BSG Urt. v. 27.04.2010, a.a.O., m.w.N.). Ein Fall des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII liegt aber schon nicht vor, weil die Klägerin das Betriebsgelände und damit den Ort der Tätigkeit nicht verlassen hat und sich auch noch innerhalb des Betriebsgebäudes befunden hat, als es zu dem Unfall gekommen war. Im Rahmen des § 8 Abs. 2 SGB VII endet der Hinweg regelmäßig mit dem Erreichen des Betriebsbereiches und nicht erst mit dem Erreichen des Arbeitsplatzes, d.h. mit der Außentür des Betriebsgebäudes oder mit dem Durchschreiten z.B. eines Werkstores, wenn die Arbeitsstätte auf einem umfriedeten oder wenigstens äußerlich abgegrenzten Gelände liegt. Die Klägerin hatte aber schon keine Absicht, das Werksgelände zu verlassen, weshalb schon deshalb kein vergleichbarer Fall vorliegt. Selbst wenn man die Grundsätze, die für die sog. Wegeunfälle nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII entwickelt wurden, auf die Betriebswege anwenden wollte, ergibt sich im vorliegenden Fall nichts anderes, denn die Klägerin befand sich gerade nicht auf einem Betriebsweg, wie oben bereits festgestellt wurde. Ein solcher Weg kann daher auch nicht nur kurzfristig und unschädlich unterbrochen werden, denn er war selbst schon nicht versichert. Dies ist in den Fällen von Wegen von und zur Arbeitsstätte schon aufgrund der erweiternden Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII anders, weil das Zurücklegen dieser Wege regelmäßig eine versicherte Tätigkeiten ist. Nur hier stellt sich aber die Frage, ob diese - unschädlich - für kurze Zeit unterbrochen werden können.

Damit erweist sich das Urteil des SG als rechtmäßig, weshalb die Berufung zurückzuweisen war.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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