Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
28
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 28 KA 942/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zulassung der Beigeladenen zu 7. als zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit streitig. Die Klägerin begehrt, dass die - auf die Hälfte des Versorgungsauftrags beschränkte - Zulassung unter die aufschiebende Bedingung gestellt wird, dass die Beigeladene zu 7. ihre angestellte Tätigkeit im Caritas Förderzentrum St. C. in A-Stadt spätestens drei Monate nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Zulassung aufgibt.
Die Beigeladene zu 7. ist Diplom-Psychologin, seit 09.10.2008 approbiert und seit dem 21.09.2010 in das Arztregister eingetragen. Seit dem 16.09.2010 verfügt sie über den Fachkundenachweis als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Sie ist seit 1994 beim Caritas Förderzentrum St. C. in A-Stadt angestellt. Ihre Wochenarbeitszeit beträgt 19 Stunden; dabei verbringt sie 15 Wochenstunden im Förderzentrum, vier Wochenstunden arbeitet sie von zu Hause aus. Mit Schreiben vom 17.12.2010 beantragte sie die Teilzulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als. Sie beabsichtigt, in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie vertragspsychotherapeutisch tätig zu werden. Ihren Vertrags-arztsitz plant sie in der Stadt D.-Stadt, die ca. 20 km von A-Stadt entfernt im Bayerischen Wald liegt.
Die Beigeladene zu 7. erklärte in einer Stellungnahme vom 12.02.2011, dass eine Inte-essen- und Pflichtenkollision ihrer Angestelltentätigkeit mit ihrer beabsichtigten Praxistätigkeit nicht bestehe. Sie arbeite an einer heilpädagogischen Tagesstätte eines Förderzentrums, in dem ausschließlich geistig und/oder körperbehinderte Kinder pädagogisch und therapeutisch betreut würden. Sie sei dort im Rahmen des psychologischen Fachdienstes für die Beratung der Mitarbeiter sowie die Diagnostik und Psychotherapie der behinderten Kinder und Jugendlichen zuständig. Das Förderzentrum sei eine teilstationäre Einrichtung. Die Kinder und Jugendlichen würden in dieser Einrichtung den ganzen Tag betreut und aufgrund ihrer Behinderung mit Spezialbussen transportiert werden. Da sie einen besonders hohen und sehr spezifischen Therapiebedarf hätten, werde die Therapie (z.B. Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und auch Psychotherapie) vor Ort in der Einrichtung erbracht. Die Kinder und Jugendlichen seien auf die Therapieangebote innerhalb der Einrichtung angewiesen, da sie aufgrund ihrer Behinderung nur dort pflegerisch und pädagogisch adäquat betreut werden könnten. Aufgrund ihrer speziellen Bedürfnisse und ihrer Einschränkungen könnten sie in einer Kinder- und Jugendlichenpsychothera-peutischen Praxis nicht behandelt werden. Im Übrigen würden Anfragen für eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie bei ihr ausschließlich von den Mitarbeitern der Einrichtung ausgehen. Die Eltern seien nie Auftraggeber für eine Therapie ihres Kindes, wie dies in einer Praxis der Fall wäre. Gerade die Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung könne nur im heilpädagogischen Setting (durch die Beratung der Mitarbeiter und Vernetzung der Therapeuten) hinreichend wirksam werden.
Der Zulassungsausschuss ließ mit Beschluss vom 23.02.2011 (Bescheid vom 28.03.2011) die Beigeladene zu 7. als in D.-Stadt im Planungsbereich Kreisregion A-Stadt zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit zu. Der Versorgungsauftrag wurde auf die Hälfte beschränkt. Zur Begründung führte er an, dass der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Bayern mit Beschluss vom 09.11.2010 festgestellt habe, dass im Planungsbereich Kreisregion A-Stadt bei der Arztgruppe der Psychotherapeuten trotz der angeordneten Zulassungsbeschränkungen für Leistungserbringer, die ausschließlich Kin-der und Jugendliche psychotherapeutisch behandeln, die Möglichkeit für fünf Zulassungen, die insgesamt den Anrechnungsfaktor 2,5 nicht überschreiten dürften, bestehe. Die beiden Tätigkeiten der Beigeladenen zu 7. seien nach Ansicht des Zulassungsausschusses hinsichtlich der Aufgabenstellung im Beschäftigungsverhältnis inhaltlich nicht in großem Umfang deckungsgleich mit der angestrebten niedergelassenen Tätigkeit, es könnten sich keine Überschneidungen hinsichtlich der zu behandelnden Patienten und hinsichtlich ihres personellen Umfeldes ergeben. Auch von einer Steuerungsmöglichkeit im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers gehe der Zulassungsausschuss nicht aus.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 28.04.2011 Widerspruch ein. Der Arbeitsplatz der Nebentätigkeit der Beigeladenen zu 7. liege im Einzugsbereich der Praxis. Denkbar sei, dass sich potentielle Patienten aus dem persönlichen Umfeld der Kinder (z.B. Geschwister der behinderten Kinder mit ihren Eltern), mit denen die Beigeladene zu 7. im Förder-zentrum in Kontakt kommen könne, an sie wenden könnten. Auch könnten direkte oder indirekte Steuerungsmöglichkeiten vom Arbeitsplatz (Direktionsrecht des Arbeitgebers) in Richtung auf die Praxis nicht ausgeschlossen werden. Die Beigeladene zu 7. müsse im Rahmen ihrer vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit auch jederzeit für Kriseninterven-tionen zur Verfügung stehen. Dies sei in Zeiträumen, in denen sie ihrer Leistungsverpflichtung im Förderzentrum nachgehe, nicht gewährleistet. Auch wenn der Arbeitgeber z.B. Mehrarbeit anordnen würde, könnte die Beigeladene zu 7. nicht mehr selbst frei über den Einsatz der ihrer Praxis zuzuordnenden sachlichen/personellen/zeitlichen Mittel entscheiden.
Die Beigeladene zu 7. wies in ihrer Stellungnahme vom 07.07.2011 darauf hin, dass sich ihre geplante Praxis in einer stark unterversorgten Region befinde. Als Therapeutin müsse sie deshalb keinen Augenblick Sorge haben, zu wenige Patienten zu haben, sondern im-mer nur zu viele, wie die Wartelisten der niedergelassenen Kollegen in A-Stadt bestätigten.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 12.07.2011 (Bescheid vom 25.08.2011) zurück. Die Gefahr einer Interessenkollision sehe er nicht. Das von der Bei-geladenen zu 7. in der Einrichtung betreute Klientel werde aufgrund der Schwere der Behinderung nicht in einer regulären Vertragspsychotherapeutenpraxis behandelt. Es sei zwar theoretisch denkbar, dass sich Eltern entschlössen, ein Geschwisterkind in der Praxis der Beigeladenen zu 7. behandeln zu lassen oder eine entsprechende Empfehlung auszusprechen. Dies könne aber stets der Fall sein, wenn ein Vertragspsychotherapeut eine weitere Tätigkeit ausübe. Der Gesetzgeber habe durch die Eröffnung der Zuerkennung einer hälftigen Zulassung die Möglichkeit geschaffen, zwei unterschiedliche Tätigkeiten nebeneinander auszuüben. Wenn man nun jegliche weitere psychotherapeutische Tätigkeit verbieten würde, liefe dies faktisch auf ein Unterlaufen einer hälftigen Zulassung hinaus. D.-Stadt sei etwa 20 km von A-Stadt entfernt. 20 km würden von der Rechtsprechung als Grenze dessen angesehen, was für die Fahrt zu einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten noch zumutbar sei. Bereits aus diesem Grund würden kaum Eltern diese Wegstrecke ohne Not auf sich nehmen. Hinzu komme, dass erfahrungsgemäß Vertragsärzte oder –psychotherapeuten von Landbewohnern in der Stadt aufgesucht würden, hingegen selten Stadtbewohner sich Behandler auf dem Land suchten. Zudem seien die Verkehrsverbindungen von A-Stadt nach D.-Stadt nicht sonderlich gut. Da die Beigeladene zu 7. nach der Zulassung die einzige Behandlerin im Umkreis von D.-Stadt sei und nur eine hälftige Zulassung hätte, dürfte es ihr problemlos möglich sein, die Praxis zu füllen. Der Berufungsausschuss sei nach eingehender Diskussion zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gefahr eines Interessenkonflikts im vorliegenden Fall nicht so wahrscheinlich sei, dass von der Beigeladenen zu 7. die Aufgabe ihrer Stelle in der Einrichtung verlangt werden könne. Gleichwohl werde die Beigeladene zu 7. eindringlich darauf hin-gewiesen, dass die Rekrutierung von Klientel aus ihrer Tätigkeit in der Einrichtung eine Verletzung ihrer vertragspsychotherapeutischen Pflichten darstellen könne.
Die Klägerin hat am 26.09.2011 Klage beim Sozialgericht München erhoben. Sie ist der Auffassung, dass jedenfalls die abstrakte Gefahr von Überschneidungen hinsichtlich des personellen Umfeldes der zu behandelnden Personen bestehe. Wenn die Beigeladene zu 7. Behandlungen etwa von Personen aus dem näheren Umfeld der von der Beigeladenen zu 7. in der Einrichtung behandelten Kinder ablehnen müsse, liege hierin eine faktische Beeinträchtigung des Rechts auf freie Arzt- und Therapeutenwahl. Das Fortbestehen des Nebenbeschäftigungsverhältnisses berge die Gefahr eines unrechtmäßigen Wettbewerbsvorteils gegenüber den übrigen niedergelassenen Vertragspsychotherapeuten. Auch könnten direkte oder indirekte Steuerungsmöglichkeiten vom Arbeitsplatz durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers aufgrund der Festanstellung der Beigeladenen zu 7. nicht ausgeschlossen werden. Nach der Rechtsprechung des BSG reiche im Übrigen das Bestehen einer objektiven, generellen Gefährdungslage i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV aus.
Die Klägerin beantragt, den Beschluss des Berufungsausschusses vom 12.07.2011 abzuändern wie folgt: "Frau Dipl.-Psych. A., geb. XX.XX.1965, wird als in D.-Stadt, beschränkt auf die Hälfte des Versorgungsauftrags zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit zu-gelassen, unter der aufschiebenden Bedingung, dass Frau Dipl.-Psych. A. ihre an-gestellte Tätigkeit im Caritas Förderzentrum St. C. in A-Stadt spätestens 3 Monate nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Zulassung aufgibt."
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Das Gericht hat die Beigeladene zu 7. zu ihrer Tätigkeit im Caritas Förderzentrum St. C. im Rahmen der mündlichen Verhandlung angehört.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die der Beigeladenen zu 7. erteilte Zulassung unter die aufschiebende Bedingung gestellt wird, dass die Beigeladene zu 7. ihre angestellte Tätigkeit im Caritas Förderzentrum St. C. in A-Stadt spätestens drei Monate nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Zulassung aufgibt.
Die – ohne die von der Klägerin beantragte aufschiebende Bedingung – erteilte Zulassung, mit der die Beigeladene zu 7. zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen worden ist, ist rechtmäßig. Die Beigeladene zu 7. ist zur Ausübung vertragspsychotherapeutischer Tätigkeit geeignet. Ein Fall des § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 Ärzte-ZV (in der Fassung vom 26.03.2007), wonach für die Ausübung vertragspsychotherapeutischer Tätigkeit ein Psychotherapeut nicht geeignet ist, der eine psychotherapeutische Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragspsychotherapeuten an dessen Sitz nicht zu vereinbaren ist, liegt nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.01.2002, Az. B 6 KA 20/01 R, Rn. 34 - juris) "liegt eine Nichtvereinbarkeit im Sinne der vorgenannten Vorschriften bei einer Interessen- und Pflichtenkollision vor, der der Arzt/Psychotherapeut auf Grund der verschiedenen von ihm ausgeübten ärztlichen/psychotherapeutischen Tätigkeiten ausgesetzt ist. Das ist z.B. der Fall, wenn sich die anderweitige ärztliche/psychotherapeutische Tätigkeit und die vertragsärztliche/-psychotherapeutische Tätigkeit vermischen können und dies sich zum einen zum Nachteil der Versicherten u.a. wegen einer faktischen Beschränkung des Rechts auf freie Arztwahl/Psychotherapeutenwahl (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und zum anderen zum Nachteil der Kostenträger auswirken kann, weil insoweit je nach persönlichem Interesse des Arztes/Psychologischen Psychotherapeuten Leistungen aus nicht sachgerechten Gründen von dem einen in den anderen Arbeitsbereich verlagert werden könnten. Eine derartige Kollision ist auch anzunehmen, wenn nicht gewährleistet ist, dass der Betroffene auf Grund seiner anderweitigen ärztlichen/psychotherapeutischen Tätigkeit Inhalt und Umfang einer vertragsärztlichen/-psychotherapeutischen Tätigkeit sowie den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen und persönlichen Mittel selbst bestimmen kann."
Das BSG schätzt die Berufsgruppe der Psychotherapeuten wegen des typischerweise engen, gerade ein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzenden Dauerkontaktes zwischen Therapeut und Patient, in dem vielfach sensible, höchstpersönliche Umstände aus der Biografie des Patienten offenbart werden, als eine Gruppe mit besonders ho-hem Konfliktpotenzial ein. Zwei psychotherapeutische Tätigkeiten sind nach der Rechtsprechung des BSG im Sinne des § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV nicht vereinbar, wenn sich Überschneidungen hinsichtlich der zu behandelnden Patienten und hinsichtlich ihres personellen Umfeldes nicht mit Gewissheit ausschließen lassen und die Überschneidungsmöglichkeiten nicht nur rein theoretischer Natur sind. Verstärkt bestünde die Möglichkeit von Inte-ressen- und Pflichtenkollisionen im Bereich der Psychotherapie vor allem auch dadurch, dass in besonderem Maße Beziehungspersonen aus dem engeren Umfeld (Partner, Familie) in die Behandlung einzubeziehen sein könnten (vgl. A Nr. 5 der PsychothRL). Auch hieraus könne die Gefahr entstehen, dass sich die bei-den Tätigkeitsbereiche im Sinne des Auftretens von Interessenkollisionen überschnitten bzw. vermischten und dass die vertragspsychotherapeutisch behandelten Patienten daraus Schaden nähmen (BSG, ebenda, Rn. 35 - juris). Bei der Frage des Vorliegens etwaiger Interessen- und Pflichtenkollisionen kommt es nach dem BSG auf das Bestehen einer objektiven Gefährdungslage an (BSG, ebenda, Rn. 36 - juris). Letztlich ist entscheidend, ob auf Grund der besonderen tatsächlichen Gegebenheiten im Zusammenhang mit der (geplanten) zweifachen beruflichen Betätigung eine objektive Gefährdungssituation in Bezug auf rechtlich geschützte Interessen der Patienten sowie der Kostenträger nicht gänz-lich ausgeschlossen werden kann (vgl. BSG, ebenda, Rn. 37 - juris).
Diese Rechtsprechung beansprucht auch nach der Ergänzung des § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV um Satz 2, wonach die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus nach § 108 SGB V oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 111 SGB V mit der Tätigkeit des Vertragsarztes vereinbar ist, außerhalb zugelas-sener Krankenhäuser und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen ihre Gültigkeit. Denn "gerade in psychologischen Beratungsstellen und solchen zur Ehe-, Lebens- und Familien- bzw. Sexualitätsberatung besteht regelmäßig die Gefahr, dass die Beraterinnen aus Beratungsfällen Behandlungsfälle im Sinne der Krankenversicherung machen und so mittels einer möglichst in der Nähe zur Beratungsstelle oder sogar in deren Räumen geführten eigenen Praxis zur Refinanzierung der Beratungsstellen beitragen" (Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 16 Rn. 16).
Vorliegend ist die Kammer insbesondere aufgrund der Anhörung der Beigeladenen zu 7. in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine objektive Gefährdungssituation in Bezug auf rechtlich geschützte Interessen der Patienten sowie der Kostenträger infolge der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht besteht.
Die Kammer hat keine Zweifel, dass die Beigeladene zu 7. Inhalt und Umfang der (ge-planten) vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit sowie den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen und persönlichen Mittel selbst bestimmen kann. In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene zu 7. mitgeteilt, dass sie in ihrem seit 1994 bestehenden Arbeitsverhältnis im Förderzentrum St. C. noch nie eine Überstunde habe machen müssen. Eine (vorübergehende) Mehrarbeit ist daher auch für die Zukunft nicht zu erwar-ten. Auch etwaige andere Einflussmöglichkeiten des Arbeitgebers der Beigeladenen zu 7. auf ihre (geplante) Praxis sind mangels vorliegender Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
Aufgrund der Anhörung der Beigeladenen zu 7. ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass sich die psychotherapeutische Tätigkeit der Beigeladenen zu 7. im Förderzentrum St. C. in A-Stadt und die (geplante) vertragspsychotherapeutische Tätigkeit in D.-Stadt nicht vermischen können. Zwar sind die Aufgabenstellungen in beiden Tätigkeiten grundsätzlich deckungsgleich, da die Beigeladene zu 7. jeweils tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen durchführt. Auch liegt A-Stadt, der Standort des Förderzentrums St. C., im Einzugsbereich der ca. 20 km entfernt liegenden Praxis in D.-Stadt. Dennoch sind Überschneidungen hinsichtlich der zu behandelnden Patienten und ihres personellen Umfeldes aufgrund der besonderen tatsächlichen Umstände der psychotherapeutischen Tätigkeit der Beigeladenen zu 7. im Förderzentrum St. C. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Wie die Beigeladene zu 7. in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt hat, handelt es sich bei den in der Einrichtung betreuten körperbehinderten Kindern und Jugendlichen um solche mit schwersten körperlichen Behinderungen, die nur mit Spezialbussen transportiert werden können. Unabhängig von dem unverhältnismäßigen Transportaufwand, diese Kinder und Jugendliche wegen einer auch im Förderzentrum St. C. möglichen psychotherapeutischen Betreuung von A-Stadt nach D.-Stadt zu befördern, wäre es ihnen auch nicht möglich, in die (ohne Lift) im 2. Stock gelegenen Praxisräume der Beigeladenen zu 7. zu gelangen. Auch bei den in der Einrichtung betreuten, geistig behinderten Kindern und Jugendlichen (die teilweise zusätzlich auch an körperlichen Behinderungen leiden) bestünde, nicht zuletzt, weil sie im Regelfall auf die Begleitung einer Betreuungsperson angewiesen sind, ein unverhältnismäßiger Transportaufwand, diese von A-Stadt in die Praxis der Beigeladenen zu 7. zu fahren. Unabhängig davon kommt für Kinder und Jugendliche mit schwersten geistigen Behinderungen, die nicht sprechen, nicht reflektieren oder sich nur körperlich ausdrücken können, eine psychotherapeutische Behandlung in den meisten Fällen grundsätzlich nicht in Betracht. Aber auch bei solchen Kindern und Jugendlichen, deren geistige Behinderung als mittelgradig einzustufen ist, kommt eine psychotherapeutische Behandlung außerhalb der Einrichtung nicht in Betracht. Zum einen erfolgt nach den überzeugenden Ausführungen der Beigeladenen zu 7. bei diesen Kindern und Jugendlichen die Diagnostik vor allem durch Beobachtung im Einrichtungsalltag. Vor allem aber muss die psychotherapeutische Behandlung der Kinder und Jugendlichen zusammen mit den Mitgliedern des Betreuungsteams der Einrichtung durchgeführt wer-den, da diese für die Umsetzung der Behandlungsinhalte (mit-)zuständig sind. Die Annahme, die Kinder und Jugendlichen aus der Einrichtung als potentielle Patienten könnten (wie dies in dem vom BSG, ebenda, Rn. 36, entschiedenen Fall zu befürchten war) selbst über den Behandlungsort entscheiden, liegt angesichts dieser Umstände fern.
Es sind deshalb hinsichtlich der von der Beigeladenen zu 7. betreuten Kinder und Jugendlichen des Förderzentrums St. C. keine – mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV unvereinbaren - Überschneidungen zu befürchten. Nach Überzeugung der Kammer können solche Überschneidungen auch hinsichtlich der Beziehungspersonen aus dem engeren Umfeld der im Förderzentrum St. C. betreuten Kinder und Jugendlichen ausgeschlossen werden. Wie die Beigeladene zu 7. in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, werden die Eltern oder die Geschwister der von ihr in der Einrichtung behandelten Kinder und Jugendlichen nicht in die therapeutische Behandlung mit einbezogen. Eine Interessenkollision ist folglich auch insofern ausgeschlossen. Der Austausch mit den Eltern der Kinder und Jugendlichen erfolgt im Übrigen nach den Ausführungen der Beigeladenen zu 7. nur sporadisch. In der überwiegenden Zahl der Fälle sind bei den Treffen mit den Eltern neben der Beigeladenen zu 7. auch Mitglieder aus dem Betreuungsteam anwesend.
Nach Überzeugung der Kammer existiert in diesem konkreten Einzelfall keine objektive Gefährdungssituation in Bezug auf rechtlich geschützte Interessen der Patienten sowie der Kostenträger. Aufgrund der besonderen tatsächlichen Gegebenheiten sind Überschneidungsmöglichkeiten der beiden psychotherapeutischen Tätigkeiten der Beigeladenen zu 7. lediglich theoretischer Natur.
Da die beiden psychotherapeutischen Tätigkeiten keine Überschneidungen hinsichtlich der zu behandelnden Patienten und ihres personellen Umfeldes aufweisen, besteht auch nicht die Gefahr eines Wettbewerbsvorteils zugunsten der Beigeladenen zu 7. (vgl. hierzu LSG Hamburg, Urteil vom 11.08.2004, Az. L 2 KA 4/01).
Nach Auffassung der Kammer wäre es in diesem besonders gelagerten Einzelfall nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, die der Beigeladenen zu 7. erteilte Zulassung unter die aufschiebende Bedingung zu stellen, dass sie ihre angestellte Tätigkeit im Caritas Förderzentrum St. C. in A-Stadt spätestens drei Monate nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Zulassung aufgibt.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zulassung der Beigeladenen zu 7. als zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit streitig. Die Klägerin begehrt, dass die - auf die Hälfte des Versorgungsauftrags beschränkte - Zulassung unter die aufschiebende Bedingung gestellt wird, dass die Beigeladene zu 7. ihre angestellte Tätigkeit im Caritas Förderzentrum St. C. in A-Stadt spätestens drei Monate nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Zulassung aufgibt.
Die Beigeladene zu 7. ist Diplom-Psychologin, seit 09.10.2008 approbiert und seit dem 21.09.2010 in das Arztregister eingetragen. Seit dem 16.09.2010 verfügt sie über den Fachkundenachweis als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Sie ist seit 1994 beim Caritas Förderzentrum St. C. in A-Stadt angestellt. Ihre Wochenarbeitszeit beträgt 19 Stunden; dabei verbringt sie 15 Wochenstunden im Förderzentrum, vier Wochenstunden arbeitet sie von zu Hause aus. Mit Schreiben vom 17.12.2010 beantragte sie die Teilzulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als. Sie beabsichtigt, in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie vertragspsychotherapeutisch tätig zu werden. Ihren Vertrags-arztsitz plant sie in der Stadt D.-Stadt, die ca. 20 km von A-Stadt entfernt im Bayerischen Wald liegt.
Die Beigeladene zu 7. erklärte in einer Stellungnahme vom 12.02.2011, dass eine Inte-essen- und Pflichtenkollision ihrer Angestelltentätigkeit mit ihrer beabsichtigten Praxistätigkeit nicht bestehe. Sie arbeite an einer heilpädagogischen Tagesstätte eines Förderzentrums, in dem ausschließlich geistig und/oder körperbehinderte Kinder pädagogisch und therapeutisch betreut würden. Sie sei dort im Rahmen des psychologischen Fachdienstes für die Beratung der Mitarbeiter sowie die Diagnostik und Psychotherapie der behinderten Kinder und Jugendlichen zuständig. Das Förderzentrum sei eine teilstationäre Einrichtung. Die Kinder und Jugendlichen würden in dieser Einrichtung den ganzen Tag betreut und aufgrund ihrer Behinderung mit Spezialbussen transportiert werden. Da sie einen besonders hohen und sehr spezifischen Therapiebedarf hätten, werde die Therapie (z.B. Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und auch Psychotherapie) vor Ort in der Einrichtung erbracht. Die Kinder und Jugendlichen seien auf die Therapieangebote innerhalb der Einrichtung angewiesen, da sie aufgrund ihrer Behinderung nur dort pflegerisch und pädagogisch adäquat betreut werden könnten. Aufgrund ihrer speziellen Bedürfnisse und ihrer Einschränkungen könnten sie in einer Kinder- und Jugendlichenpsychothera-peutischen Praxis nicht behandelt werden. Im Übrigen würden Anfragen für eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie bei ihr ausschließlich von den Mitarbeitern der Einrichtung ausgehen. Die Eltern seien nie Auftraggeber für eine Therapie ihres Kindes, wie dies in einer Praxis der Fall wäre. Gerade die Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung könne nur im heilpädagogischen Setting (durch die Beratung der Mitarbeiter und Vernetzung der Therapeuten) hinreichend wirksam werden.
Der Zulassungsausschuss ließ mit Beschluss vom 23.02.2011 (Bescheid vom 28.03.2011) die Beigeladene zu 7. als in D.-Stadt im Planungsbereich Kreisregion A-Stadt zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit zu. Der Versorgungsauftrag wurde auf die Hälfte beschränkt. Zur Begründung führte er an, dass der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Bayern mit Beschluss vom 09.11.2010 festgestellt habe, dass im Planungsbereich Kreisregion A-Stadt bei der Arztgruppe der Psychotherapeuten trotz der angeordneten Zulassungsbeschränkungen für Leistungserbringer, die ausschließlich Kin-der und Jugendliche psychotherapeutisch behandeln, die Möglichkeit für fünf Zulassungen, die insgesamt den Anrechnungsfaktor 2,5 nicht überschreiten dürften, bestehe. Die beiden Tätigkeiten der Beigeladenen zu 7. seien nach Ansicht des Zulassungsausschusses hinsichtlich der Aufgabenstellung im Beschäftigungsverhältnis inhaltlich nicht in großem Umfang deckungsgleich mit der angestrebten niedergelassenen Tätigkeit, es könnten sich keine Überschneidungen hinsichtlich der zu behandelnden Patienten und hinsichtlich ihres personellen Umfeldes ergeben. Auch von einer Steuerungsmöglichkeit im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers gehe der Zulassungsausschuss nicht aus.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 28.04.2011 Widerspruch ein. Der Arbeitsplatz der Nebentätigkeit der Beigeladenen zu 7. liege im Einzugsbereich der Praxis. Denkbar sei, dass sich potentielle Patienten aus dem persönlichen Umfeld der Kinder (z.B. Geschwister der behinderten Kinder mit ihren Eltern), mit denen die Beigeladene zu 7. im Förder-zentrum in Kontakt kommen könne, an sie wenden könnten. Auch könnten direkte oder indirekte Steuerungsmöglichkeiten vom Arbeitsplatz (Direktionsrecht des Arbeitgebers) in Richtung auf die Praxis nicht ausgeschlossen werden. Die Beigeladene zu 7. müsse im Rahmen ihrer vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit auch jederzeit für Kriseninterven-tionen zur Verfügung stehen. Dies sei in Zeiträumen, in denen sie ihrer Leistungsverpflichtung im Förderzentrum nachgehe, nicht gewährleistet. Auch wenn der Arbeitgeber z.B. Mehrarbeit anordnen würde, könnte die Beigeladene zu 7. nicht mehr selbst frei über den Einsatz der ihrer Praxis zuzuordnenden sachlichen/personellen/zeitlichen Mittel entscheiden.
Die Beigeladene zu 7. wies in ihrer Stellungnahme vom 07.07.2011 darauf hin, dass sich ihre geplante Praxis in einer stark unterversorgten Region befinde. Als Therapeutin müsse sie deshalb keinen Augenblick Sorge haben, zu wenige Patienten zu haben, sondern im-mer nur zu viele, wie die Wartelisten der niedergelassenen Kollegen in A-Stadt bestätigten.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 12.07.2011 (Bescheid vom 25.08.2011) zurück. Die Gefahr einer Interessenkollision sehe er nicht. Das von der Bei-geladenen zu 7. in der Einrichtung betreute Klientel werde aufgrund der Schwere der Behinderung nicht in einer regulären Vertragspsychotherapeutenpraxis behandelt. Es sei zwar theoretisch denkbar, dass sich Eltern entschlössen, ein Geschwisterkind in der Praxis der Beigeladenen zu 7. behandeln zu lassen oder eine entsprechende Empfehlung auszusprechen. Dies könne aber stets der Fall sein, wenn ein Vertragspsychotherapeut eine weitere Tätigkeit ausübe. Der Gesetzgeber habe durch die Eröffnung der Zuerkennung einer hälftigen Zulassung die Möglichkeit geschaffen, zwei unterschiedliche Tätigkeiten nebeneinander auszuüben. Wenn man nun jegliche weitere psychotherapeutische Tätigkeit verbieten würde, liefe dies faktisch auf ein Unterlaufen einer hälftigen Zulassung hinaus. D.-Stadt sei etwa 20 km von A-Stadt entfernt. 20 km würden von der Rechtsprechung als Grenze dessen angesehen, was für die Fahrt zu einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten noch zumutbar sei. Bereits aus diesem Grund würden kaum Eltern diese Wegstrecke ohne Not auf sich nehmen. Hinzu komme, dass erfahrungsgemäß Vertragsärzte oder –psychotherapeuten von Landbewohnern in der Stadt aufgesucht würden, hingegen selten Stadtbewohner sich Behandler auf dem Land suchten. Zudem seien die Verkehrsverbindungen von A-Stadt nach D.-Stadt nicht sonderlich gut. Da die Beigeladene zu 7. nach der Zulassung die einzige Behandlerin im Umkreis von D.-Stadt sei und nur eine hälftige Zulassung hätte, dürfte es ihr problemlos möglich sein, die Praxis zu füllen. Der Berufungsausschuss sei nach eingehender Diskussion zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gefahr eines Interessenkonflikts im vorliegenden Fall nicht so wahrscheinlich sei, dass von der Beigeladenen zu 7. die Aufgabe ihrer Stelle in der Einrichtung verlangt werden könne. Gleichwohl werde die Beigeladene zu 7. eindringlich darauf hin-gewiesen, dass die Rekrutierung von Klientel aus ihrer Tätigkeit in der Einrichtung eine Verletzung ihrer vertragspsychotherapeutischen Pflichten darstellen könne.
Die Klägerin hat am 26.09.2011 Klage beim Sozialgericht München erhoben. Sie ist der Auffassung, dass jedenfalls die abstrakte Gefahr von Überschneidungen hinsichtlich des personellen Umfeldes der zu behandelnden Personen bestehe. Wenn die Beigeladene zu 7. Behandlungen etwa von Personen aus dem näheren Umfeld der von der Beigeladenen zu 7. in der Einrichtung behandelten Kinder ablehnen müsse, liege hierin eine faktische Beeinträchtigung des Rechts auf freie Arzt- und Therapeutenwahl. Das Fortbestehen des Nebenbeschäftigungsverhältnisses berge die Gefahr eines unrechtmäßigen Wettbewerbsvorteils gegenüber den übrigen niedergelassenen Vertragspsychotherapeuten. Auch könnten direkte oder indirekte Steuerungsmöglichkeiten vom Arbeitsplatz durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers aufgrund der Festanstellung der Beigeladenen zu 7. nicht ausgeschlossen werden. Nach der Rechtsprechung des BSG reiche im Übrigen das Bestehen einer objektiven, generellen Gefährdungslage i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV aus.
Die Klägerin beantragt, den Beschluss des Berufungsausschusses vom 12.07.2011 abzuändern wie folgt: "Frau Dipl.-Psych. A., geb. XX.XX.1965, wird als in D.-Stadt, beschränkt auf die Hälfte des Versorgungsauftrags zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit zu-gelassen, unter der aufschiebenden Bedingung, dass Frau Dipl.-Psych. A. ihre an-gestellte Tätigkeit im Caritas Förderzentrum St. C. in A-Stadt spätestens 3 Monate nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Zulassung aufgibt."
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Das Gericht hat die Beigeladene zu 7. zu ihrer Tätigkeit im Caritas Förderzentrum St. C. im Rahmen der mündlichen Verhandlung angehört.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die der Beigeladenen zu 7. erteilte Zulassung unter die aufschiebende Bedingung gestellt wird, dass die Beigeladene zu 7. ihre angestellte Tätigkeit im Caritas Förderzentrum St. C. in A-Stadt spätestens drei Monate nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Zulassung aufgibt.
Die – ohne die von der Klägerin beantragte aufschiebende Bedingung – erteilte Zulassung, mit der die Beigeladene zu 7. zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen worden ist, ist rechtmäßig. Die Beigeladene zu 7. ist zur Ausübung vertragspsychotherapeutischer Tätigkeit geeignet. Ein Fall des § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1 Ärzte-ZV (in der Fassung vom 26.03.2007), wonach für die Ausübung vertragspsychotherapeutischer Tätigkeit ein Psychotherapeut nicht geeignet ist, der eine psychotherapeutische Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragspsychotherapeuten an dessen Sitz nicht zu vereinbaren ist, liegt nicht vor.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.01.2002, Az. B 6 KA 20/01 R, Rn. 34 - juris) "liegt eine Nichtvereinbarkeit im Sinne der vorgenannten Vorschriften bei einer Interessen- und Pflichtenkollision vor, der der Arzt/Psychotherapeut auf Grund der verschiedenen von ihm ausgeübten ärztlichen/psychotherapeutischen Tätigkeiten ausgesetzt ist. Das ist z.B. der Fall, wenn sich die anderweitige ärztliche/psychotherapeutische Tätigkeit und die vertragsärztliche/-psychotherapeutische Tätigkeit vermischen können und dies sich zum einen zum Nachteil der Versicherten u.a. wegen einer faktischen Beschränkung des Rechts auf freie Arztwahl/Psychotherapeutenwahl (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und zum anderen zum Nachteil der Kostenträger auswirken kann, weil insoweit je nach persönlichem Interesse des Arztes/Psychologischen Psychotherapeuten Leistungen aus nicht sachgerechten Gründen von dem einen in den anderen Arbeitsbereich verlagert werden könnten. Eine derartige Kollision ist auch anzunehmen, wenn nicht gewährleistet ist, dass der Betroffene auf Grund seiner anderweitigen ärztlichen/psychotherapeutischen Tätigkeit Inhalt und Umfang einer vertragsärztlichen/-psychotherapeutischen Tätigkeit sowie den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen und persönlichen Mittel selbst bestimmen kann."
Das BSG schätzt die Berufsgruppe der Psychotherapeuten wegen des typischerweise engen, gerade ein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzenden Dauerkontaktes zwischen Therapeut und Patient, in dem vielfach sensible, höchstpersönliche Umstände aus der Biografie des Patienten offenbart werden, als eine Gruppe mit besonders ho-hem Konfliktpotenzial ein. Zwei psychotherapeutische Tätigkeiten sind nach der Rechtsprechung des BSG im Sinne des § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV nicht vereinbar, wenn sich Überschneidungen hinsichtlich der zu behandelnden Patienten und hinsichtlich ihres personellen Umfeldes nicht mit Gewissheit ausschließen lassen und die Überschneidungsmöglichkeiten nicht nur rein theoretischer Natur sind. Verstärkt bestünde die Möglichkeit von Inte-ressen- und Pflichtenkollisionen im Bereich der Psychotherapie vor allem auch dadurch, dass in besonderem Maße Beziehungspersonen aus dem engeren Umfeld (Partner, Familie) in die Behandlung einzubeziehen sein könnten (vgl. A Nr. 5 der PsychothRL). Auch hieraus könne die Gefahr entstehen, dass sich die bei-den Tätigkeitsbereiche im Sinne des Auftretens von Interessenkollisionen überschnitten bzw. vermischten und dass die vertragspsychotherapeutisch behandelten Patienten daraus Schaden nähmen (BSG, ebenda, Rn. 35 - juris). Bei der Frage des Vorliegens etwaiger Interessen- und Pflichtenkollisionen kommt es nach dem BSG auf das Bestehen einer objektiven Gefährdungslage an (BSG, ebenda, Rn. 36 - juris). Letztlich ist entscheidend, ob auf Grund der besonderen tatsächlichen Gegebenheiten im Zusammenhang mit der (geplanten) zweifachen beruflichen Betätigung eine objektive Gefährdungssituation in Bezug auf rechtlich geschützte Interessen der Patienten sowie der Kostenträger nicht gänz-lich ausgeschlossen werden kann (vgl. BSG, ebenda, Rn. 37 - juris).
Diese Rechtsprechung beansprucht auch nach der Ergänzung des § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV um Satz 2, wonach die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus nach § 108 SGB V oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 111 SGB V mit der Tätigkeit des Vertragsarztes vereinbar ist, außerhalb zugelas-sener Krankenhäuser und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen ihre Gültigkeit. Denn "gerade in psychologischen Beratungsstellen und solchen zur Ehe-, Lebens- und Familien- bzw. Sexualitätsberatung besteht regelmäßig die Gefahr, dass die Beraterinnen aus Beratungsfällen Behandlungsfälle im Sinne der Krankenversicherung machen und so mittels einer möglichst in der Nähe zur Beratungsstelle oder sogar in deren Räumen geführten eigenen Praxis zur Refinanzierung der Beratungsstellen beitragen" (Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 16 Rn. 16).
Vorliegend ist die Kammer insbesondere aufgrund der Anhörung der Beigeladenen zu 7. in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine objektive Gefährdungssituation in Bezug auf rechtlich geschützte Interessen der Patienten sowie der Kostenträger infolge der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht besteht.
Die Kammer hat keine Zweifel, dass die Beigeladene zu 7. Inhalt und Umfang der (ge-planten) vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit sowie den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen und persönlichen Mittel selbst bestimmen kann. In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene zu 7. mitgeteilt, dass sie in ihrem seit 1994 bestehenden Arbeitsverhältnis im Förderzentrum St. C. noch nie eine Überstunde habe machen müssen. Eine (vorübergehende) Mehrarbeit ist daher auch für die Zukunft nicht zu erwar-ten. Auch etwaige andere Einflussmöglichkeiten des Arbeitgebers der Beigeladenen zu 7. auf ihre (geplante) Praxis sind mangels vorliegender Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
Aufgrund der Anhörung der Beigeladenen zu 7. ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass sich die psychotherapeutische Tätigkeit der Beigeladenen zu 7. im Förderzentrum St. C. in A-Stadt und die (geplante) vertragspsychotherapeutische Tätigkeit in D.-Stadt nicht vermischen können. Zwar sind die Aufgabenstellungen in beiden Tätigkeiten grundsätzlich deckungsgleich, da die Beigeladene zu 7. jeweils tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen durchführt. Auch liegt A-Stadt, der Standort des Förderzentrums St. C., im Einzugsbereich der ca. 20 km entfernt liegenden Praxis in D.-Stadt. Dennoch sind Überschneidungen hinsichtlich der zu behandelnden Patienten und ihres personellen Umfeldes aufgrund der besonderen tatsächlichen Umstände der psychotherapeutischen Tätigkeit der Beigeladenen zu 7. im Förderzentrum St. C. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Wie die Beigeladene zu 7. in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt hat, handelt es sich bei den in der Einrichtung betreuten körperbehinderten Kindern und Jugendlichen um solche mit schwersten körperlichen Behinderungen, die nur mit Spezialbussen transportiert werden können. Unabhängig von dem unverhältnismäßigen Transportaufwand, diese Kinder und Jugendliche wegen einer auch im Förderzentrum St. C. möglichen psychotherapeutischen Betreuung von A-Stadt nach D.-Stadt zu befördern, wäre es ihnen auch nicht möglich, in die (ohne Lift) im 2. Stock gelegenen Praxisräume der Beigeladenen zu 7. zu gelangen. Auch bei den in der Einrichtung betreuten, geistig behinderten Kindern und Jugendlichen (die teilweise zusätzlich auch an körperlichen Behinderungen leiden) bestünde, nicht zuletzt, weil sie im Regelfall auf die Begleitung einer Betreuungsperson angewiesen sind, ein unverhältnismäßiger Transportaufwand, diese von A-Stadt in die Praxis der Beigeladenen zu 7. zu fahren. Unabhängig davon kommt für Kinder und Jugendliche mit schwersten geistigen Behinderungen, die nicht sprechen, nicht reflektieren oder sich nur körperlich ausdrücken können, eine psychotherapeutische Behandlung in den meisten Fällen grundsätzlich nicht in Betracht. Aber auch bei solchen Kindern und Jugendlichen, deren geistige Behinderung als mittelgradig einzustufen ist, kommt eine psychotherapeutische Behandlung außerhalb der Einrichtung nicht in Betracht. Zum einen erfolgt nach den überzeugenden Ausführungen der Beigeladenen zu 7. bei diesen Kindern und Jugendlichen die Diagnostik vor allem durch Beobachtung im Einrichtungsalltag. Vor allem aber muss die psychotherapeutische Behandlung der Kinder und Jugendlichen zusammen mit den Mitgliedern des Betreuungsteams der Einrichtung durchgeführt wer-den, da diese für die Umsetzung der Behandlungsinhalte (mit-)zuständig sind. Die Annahme, die Kinder und Jugendlichen aus der Einrichtung als potentielle Patienten könnten (wie dies in dem vom BSG, ebenda, Rn. 36, entschiedenen Fall zu befürchten war) selbst über den Behandlungsort entscheiden, liegt angesichts dieser Umstände fern.
Es sind deshalb hinsichtlich der von der Beigeladenen zu 7. betreuten Kinder und Jugendlichen des Förderzentrums St. C. keine – mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV unvereinbaren - Überschneidungen zu befürchten. Nach Überzeugung der Kammer können solche Überschneidungen auch hinsichtlich der Beziehungspersonen aus dem engeren Umfeld der im Förderzentrum St. C. betreuten Kinder und Jugendlichen ausgeschlossen werden. Wie die Beigeladene zu 7. in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, werden die Eltern oder die Geschwister der von ihr in der Einrichtung behandelten Kinder und Jugendlichen nicht in die therapeutische Behandlung mit einbezogen. Eine Interessenkollision ist folglich auch insofern ausgeschlossen. Der Austausch mit den Eltern der Kinder und Jugendlichen erfolgt im Übrigen nach den Ausführungen der Beigeladenen zu 7. nur sporadisch. In der überwiegenden Zahl der Fälle sind bei den Treffen mit den Eltern neben der Beigeladenen zu 7. auch Mitglieder aus dem Betreuungsteam anwesend.
Nach Überzeugung der Kammer existiert in diesem konkreten Einzelfall keine objektive Gefährdungssituation in Bezug auf rechtlich geschützte Interessen der Patienten sowie der Kostenträger. Aufgrund der besonderen tatsächlichen Gegebenheiten sind Überschneidungsmöglichkeiten der beiden psychotherapeutischen Tätigkeiten der Beigeladenen zu 7. lediglich theoretischer Natur.
Da die beiden psychotherapeutischen Tätigkeiten keine Überschneidungen hinsichtlich der zu behandelnden Patienten und ihres personellen Umfeldes aufweisen, besteht auch nicht die Gefahr eines Wettbewerbsvorteils zugunsten der Beigeladenen zu 7. (vgl. hierzu LSG Hamburg, Urteil vom 11.08.2004, Az. L 2 KA 4/01).
Nach Auffassung der Kammer wäre es in diesem besonders gelagerten Einzelfall nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, die der Beigeladenen zu 7. erteilte Zulassung unter die aufschiebende Bedingung zu stellen, dass sie ihre angestellte Tätigkeit im Caritas Förderzentrum St. C. in A-Stadt spätestens drei Monate nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Zulassung aufgibt.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
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