Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 55/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 31.10.2012 bzw. der Klage vom 15.02.2013 gegen den Bescheid vom 23.10.2012 wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 233,14 festgesetzt.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Antragstellerin im Rahmen der Entleiherhaftung verpflichtet ist, Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen.
Die Antragstellerin hat in der Zeit vom 04.09.2007 bis 30.11.2007 den Arbeitnehmer N. N. in ihrem Unternehmen eingesetzt. Dieser war beschäftigt bei der im Insolvenzverfahren befindlichen Fa. E. Q. ( im Folgenden: Fa. E.), die eine Erlaubnis nach § 1 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) hatte. Bei der Firma wurde im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) in der Zeit vom 19.09.2011 bis zum 20.08.2012 an insgesamt 16 Tagen eine Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund durchgeführt. Bei der Prüfung stellte sich heraus, dass die bei der Fa. E. beschäftigten Leiharbeitnehmer in dem Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.12.2009 Arbeitsverträge unterzeichnet hatten, in denen auf den zwischen der B. Unternehmensgruppe, der die insolvente Firma angehörte, und der CGZP geschlossenen Tarifverträge verwiesen wurde. Auf der Basis der dort vorgesehenen Vergütung hat die Fa. E die Beiträge für den Arbeitnehmer N. entrichtet und die Vergütung gezahlt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund wandte sich sodann an die Antragsgegnerin mit der Bitte um weitere Veranlassung im Hinblick auf § 28 a Abs 1 SGB IV, welche mit Schreiben vom 04.10.2012 die Antragstellerin zur Inanspruchnahme aus der Entleiherhaftung nach § 28 e Abs 2 SGB IV anhörte, wobei der von der Antragstellerin an vergleichbare Mitarbeiter gezahlte Lohn berücksichtigt wurde.
Am 23.10.2012 erging ohne dass sich die Antragstellerin zum weiteren Verfahren äußerte, der Haftungsbescheid, mit dem von der Antragstellerin Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit ab 04.09.2007 bis 30.11.2007 in Höhe von 699,41 Euro gefordert wurden. Trotz Mahnung vom 06.11.2012 erfolgte keine Zahlung, so dass die Antragsgegnerin am 13.11.2012 die Vollstreckung einleitete.
Mit Schreiben vom 31.10.2012 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.10.2012 und berief sich zunächst auf die Einrede der Verjährung. Es sei kaum vorstellbar, dass die Sozialversicherungsbeiträge aus dem Jahr 2007 über einen Zeitraum von ca. vier Jahren nicht beigetrieben werden konnten. Im Übrigen greife die Verjährungshemmung nach § 25 Abs 2 Satz 2 SGB IV nur im Falle einer Prüfung beim Arbeitgeber. Entleiher würden hiervon nicht erfasst. Das Entstehungsprinzip werde im Übrigen ausgehebelt, wenn erst nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Sozialversicherungsbeiträge festgestellt werden. In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht genieße die Antragstellerin Vertrauensschutz und musste nicht damit rechnen, dass eine Nachforderung von Beiträgen erfolgt. Außerdem sei fraglich, ob nicht der betroffene Arbeitnehmer zunächst seinen Anspruch nach dem Equal-Pay-Prinzip geltend machen muss, bevor Beitragsnachforderungen entstehen können.
Mit Schreiben vom 04.12.2012 erläuterte die Antragsgegnerin den Haftungsbescheid vom 23.10.2012 und lehnte den zuvor gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Sie führte zur Begründung aus, es sei davon auszugehen, dass die Insolvenzschuldnerin die höhere Beitragspflicht für die Vergangenheit für möglich gehalten hat, die Nichtabführung der Beiträge jedoch billigend in Kauf genommen wurde. Insoweit seien die 2007 fällig gewordenen Beitragsforderungen noch nicht verjährt. Im Übrigen ergebe sich aus § 28 e Abs 2 S. 1 SGB IV die Haftung des Entleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Auf Vertrauensschutz könne sich die Antragstellerin dabei nicht berufen. Die erstmalige Befassung mit einer Rechtsfrage stelle keine Änderung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung dar, so dass vor der Entscheidung des BAG kein Vertrauensschutztatbestand vorliegen könne. Der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung werde hingegen grundsätzlich nicht geschützt. Da keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides bestünden, überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse, so dass der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt werden müsse.
Auch hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und führte aus, es müsse berücksichtigt werden, dass es sich bei den im Haftungswege geltend gemachten Beträgen nicht um originäre Beitragspflichten nach § 86 a Abs 2 Nr 1 SGG handele.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2013 wurde der Widerspruch der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung wiederholte die Antragsgegnerin ihre zuvor geäußerte Argumentation und erläuterte die jeweiligen Punkte nochmals im Einzelnen.
Mit am 15.02.2013 bei Gericht eingegangenen Schreiben begehrt die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf den erteilten Haftungsbescheid. Gleichzeitig hat sie Klage erhoben. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 5 KR 56/13 bei dem erkennenden Gericht anhängig.
Zur Begründung ihres Antrags trägt sie vor: Zunächst sei § 86 Abs 2 SGG nicht einschlägig, da die Antragstellerin nicht wegen einer originären Beitragspflicht, sondern wegen einer angeblichen Drittschuldnerhaftung in Anspruch genommen worden. Wenn die Anwendung des § 86 a Abs 2 Nr 1 SGG in Betracht komme, so müsse auch für die Frage der Verjährungsfrist allein auf die Gutgläubigkeit der Antragstellerin und nicht die der Insolvenzschuldnerin abgestellt werden. Vor Ablauf der Verjährungsfrist von 4 Jahren sei nämlich unstreitig bei der Antragstellerin selbst kein Vorsatz zu bejahen. Auf etwaige Equal-Pay-Ansprüche sei die Antragsgegnerin erst mit Schreiben vom 08.03.2012 hingewiesen worden. Die vierjährige Verjährungsfrist sei jedenfalls teilweise verstrichen, so dass eine Inanspruchnahme nach den Haftungsgrundsätzen ausscheide. Ferner wiederholte sie ihre Ausführungen zur Aushebelung des Entstehungsprinzips im Recht der Sozialversicherung und zum sozialversicherungsrechtlichen Vertrauensschutz. Gerade vor dem Hintergrund, dass obergerichtliche Entscheidungen zur grundsätzlichen Inanspruchnahme von Entleihfirmen für die Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen noch nicht vorlägen, sei einstweiliger Rechtsschutz notwendig.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 31.10.2012 bzw. der Klage vom 15.02.2013 gegen den Bescheid vom 23.10.2012 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie führt zur Begründung aus, die Inanspruchnahme der Antragstellerin stütze sich ausschließlich auf § 28 e Abs 2 SGB IV. Die Prüfung und das Ergebnis seien in dem Bescheid vom 04.12.2012 und im Widerspruchsbescheid vom 11.01.2013 ausführlich dargestellt worden. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides seien nicht erkennbar. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass die Feststellung der Zahlungspflicht der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Antragstellerin mit besonderen Härten verbunden sei. Es sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der inzwischen erhobenen Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 23.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2013 ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86 b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86 a Abs 2 Nr 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt auf Grund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen zu rechtfertigende Härte zur Folge hätte.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt ein Fall des § 86 a Abs 2 Nr 1 SGG vor. Denn die Antragsgegnerin macht gegenüber der Antragstellerin eine Beitragsforderung geltend. Dass sie lediglich aufgrund des Umstandes in Anspruch genommen wird, weil die Fa. E. insolvent ist, führt zu keiner anderen rechtlichen Einordnung der Forderung. Nach wie vor handelt es sich um eine Beitragsschuld, die anstelle der Insolvenzschuldnerin nunmehr von der Entleiherfirma zu begleichen ist.
Nach § 86 a Abs 2 Nr 1 SGG wird im Grundsatz das Vollzugsrisiko auf den Beitragsschuldner verlagert. So können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides zum Überwiegen des Aufschubinteresses führen, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Maßgebend ist dabei, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 07.01.2011, L 8 R 864/10 B ER).
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 23.10.2012. Die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin stützt sich zunächst auf §§ 28 d Satz 1 und 28 h Abs. 1 Satz 1 u. 3 SGB IV. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Antragstellerin beruht in der Folge auf § 28 e Abs 2 Satz 1 SGB IV.
Zunächst bestehen keine überwiegenden Zweifel, dass die Insolvenzschuldnerin dem Grund nach verpflichtet wäre, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nachzuentrichten.
Nach § 28 e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28 d Satz 1 u. 2 SGB IV) zu entrichten. Dabei wird bei der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 226 Abs 1 Satz 1 SGB V, § 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI, § 162 Nr 1 SGB VI, § 342 SGB III zugrunde gelegt. Die Höhe der Beiträge richtet sich vorliegend nach dem Arbeitsentgelt, das vergleichbare Arbeitnehmer in dem Entleiherbetrieb erhalten haben (§ 10 Abs 4 S. 1 AÜG). Dies gilt nur dann nicht, wenn ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen trifft. In diesem Fall hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren (§ 10 Abs 4 Satz 2 AÜG). Die Rechtsfolge des § 10 Abs 4 Satz 1 AÜG tritt auch ein, wenn der Verleiher mit den Leiharbeitnehmern eine nach § 9 Nr 2 AÜG unwirksame Vereinbarung geschlossen hatte.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach den unbestrittenen Feststellungen der Deutschen Rentenversicherung Bund war Grundlage der Arbeitsverhältnisse zwischen der Insolvenzschuldnerin und den Leiharbeitnehmern der Tarifvertrag der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP). Mit Beschluss vom 14.12.2010 hat das BAG die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und ausgeführt, dass die Mitgliedsgewerkschaften der CGZP nach ihrem satzungsmäßigen Geltungsbereich nicht die Tariffähigkeit für die gesamte Zeitarbeitsbranche vermitteln. In der Prüfmitteilung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 07.09.2012 wurde auf diese Umstände hingewiesen und die Anwendung des § 10 Abs 4 AÜG angekündigt. Die Prüfmitteilung ist dem Insolvenzverwalter der Fa. E. zugeleitet worden. Rechtsmittel hiergegen wurden nicht erhoben, so dass insoweit der Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund bestandskräftig ist. Dass eine Inanspruchnahme der Arbeitgeber auch für die Vergangenheit betreffende Beitragszeiträume im Grundsatz erfolgen kann, wurde in verschiedenen Entscheidungen des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bereits bestätigt. Auf die Beschlüsse des 8. Senats (Beschlüsse vom 21.12.2012, L 8 R 690/12 B ER; 15.11.2012, L 8 R 416/12 B ER; 25.06.2012, L 8 R 382/12 B ER; 10.05.2012, L 8 R 164/12 ER, recherchiert bei www.juris.de) wird Bezug genommen.
Es sind auch keine überwiegenden Argumente dafür ersichtlich, dass eine Inanspruchnahme der Antragstellerin ausgeschlossen ist.
Nach § 28 e Abs 2 SGB IV haftet bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers, soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind.
Der Arbeitnehmer N. war in der Zeit vom 04.09.2007 bis 30.11.2007 für die Antragstellerin als Entleiherin tätig. Für ihn wurden lediglich Beiträge auf der Grundlage des unwirksamen Tarifvertrages entrichtet. Unter Berücksichtigung des Equal-Pay-Prinzips ist eine Beitragsnachforderung für den gesamten Zeitraum in Höhe von 699,41 Euro entstanden, wobei die zugrunde gelegten Vergleichszahlen zwischen den Beteiligten unstreitig sind.
Es ist darüber hinaus nicht ersichtlich, dass sich die Antragstellerin auf eine Einrede gegen die Beitragsnachforderung berufen kann. Grundsätzlich stehen ihr als Entleiherin sämtliche Einreden eines selbstschuldnerischen Bürgen zu (§ 28 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Die Vorschriften des BGB sind auf die Entleiherhaftung entsprechend anwendbar. Nach § 768 Abs 1 Satz 1 BGB kann der Bürge die dem Hauptschuldner - der Fa. E.- zustehenden Einreden geltend machen. Insoweit greifen allerdings auch die Ausführungen der Antragstellerin zur Verjährung nicht.
Nach § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 25 Abs 2 Satz 2 SGB IV ist die Verjährung für die Dauer der Prüfung gehemmt. Die Beiträge für die Tätigkeit des Arbeitnehmers N. für das Kalenderjahr 2007 verjähren bei Anwendung der kurzen Verjährungsfrist am 31.12.2011. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die sich die Antragsgegnerin zutreffend stützt, begründet eine anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit keinen Vertrauensschutz, wenn nach Fälligkeit der Beitragsforderung vorsätzliche Vorenthaltung der Beiträge hinzutritt (BSG Urteil vom 30.03.2000, B 12 KR 14/99 R). Das Gericht weist auch darauf hin, dass es in diesem Zusammenhang nach den Grundsätzen der selbstschuldnerischen Bürgenhaftung nur auf den Maßstab der Gutgläubigkeit in der Person des Verleihers ankommt, während die eigene Gutgläubigkeit und das eigene Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der dem Arbeitsverhältnis zugrundeliegenden Vereinbarungen nicht relevant ist.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass mit Beschluss vom 01.04.2009 die Tarifunfähigkeit der CGZP in erster Instanz festgestellt wurde und das BAG mit Beschluss vom 14.12.2010 diese Entscheidung bestätigt hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste sich die Insolvenzschuldnerin darüber im Klaren sein, dass eine Nachforderung von Beiträgen unter Berücksichtigung des Equal-Pay-Prinzips erfolgen kann.
Die Klägerin kann darüber hinaus auch nicht mit dem Argument gehört werden, die nachträgliche Verbeitragung nach dem Equal-Pay-Grundsatz entheble das im Sozialversicherungsrecht geltende Entstehungsprinzip. Grundsätzlich entsteht nämlich der Beitragsanspruch nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV, sobald seine im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag entsteht daher dann, wenn der Arbeitsentgeltanspruch entstanden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt erst später oder gar nicht zahlt. Auf den tatsächlichen Zufluss kommt es daher nicht an (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 11.09.2008, 1 BVR 2007/05, SozR 4-2400 § 22 Nr 3).
Nach Auffassung des Gerichts liegt ein Fall des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV nicht vor. Danach entsteht der Beitragsanspruch bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt erst mit Zufluss. Der Auffassung, dass die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 erst nachträglich eine Lohnerhöhung feststellt, die wie einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu behandeln wäre, schließt sich das Gericht nicht an. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Feststellung der Tarifunfähigkeit deklaratorisch erfolgt (BAG Urt. vom 15.11.2006, 10 AZR 665/05; NZA 2007, 448). Damit ist der Entgeltanspruch ebenso wie der Beitragsanspruch bereits mit Verrichtung der Tätigkeit des Arbeitnehmers entstanden. Ob der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch für die Vergangenheit verwirklicht bzw. dies im Rahmen des noch laufenden Insolvenzverfahrens versucht, ist für die Beitragsentstehung nicht relevant (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 25.06.2012, L 8 R 382/12 B ER).
Aus welchen Gründen die Antragstellerin hier besonderen Vertrauensschutz genießen sollte, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Vielmehr begründet § 28 e Abs 2 Satz 1 SGB V durch die selbstschuldnerische Bürgenhaftung ein umfassendes Haftungsrisiko, von dem die Antragstellerin von Beginn an Kenntnis hatte. Dies begründet u.a. ihre Verpflichtung, stets die Seriosität der Verleihfirma zu überprüfen (BSG, Urteil vom 07.03.2007, B 12 KR 11/06 R). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass die Frage der Tariffähigkeit der CGZP bereits weit vor der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen und öffentlichen Diskussionen gewesen ist. Die nunmehr festgestellte Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft wirkt sich daher für die Entleiherin ebenso aus wie für die Verleiherin selbst, sofern es nach § 28 e Abs 2 SGB IV zum Haftungsfall kommt.
Im Übrigen liegen auch die formellen Voraussetzungen für den Erlass des Haftungsbescheides vor. Die Antragstellerin wurde im Vorfeld nach § 24 SGB X angehört. Ihre Inanspruchnahme ist nach der im Vorfeld erteilten Mahnung nach dem Grundsatz des § 28 e Abs 2 Satz 2 SGB IV möglich.
Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs 1 VwGO.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 52 Abs 1 GKG und berücksichtigt, dass lediglich vorläufig über den rechtlichen Bestand des Haftungsbescheides entschieden wurde.
§ 172 Abs 3 Nr 1 SGG ist nicht anzuwenden, da nicht auszuschließen ist, dass in der Hauptsache die Berufung aus grundsätzlichen Erwägungen zugelassen wird (§ 144 Abs 2 Nr 1 SGG).
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Antragstellerin im Rahmen der Entleiherhaftung verpflichtet ist, Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen.
Die Antragstellerin hat in der Zeit vom 04.09.2007 bis 30.11.2007 den Arbeitnehmer N. N. in ihrem Unternehmen eingesetzt. Dieser war beschäftigt bei der im Insolvenzverfahren befindlichen Fa. E. Q. ( im Folgenden: Fa. E.), die eine Erlaubnis nach § 1 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) hatte. Bei der Firma wurde im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) in der Zeit vom 19.09.2011 bis zum 20.08.2012 an insgesamt 16 Tagen eine Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund durchgeführt. Bei der Prüfung stellte sich heraus, dass die bei der Fa. E. beschäftigten Leiharbeitnehmer in dem Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.12.2009 Arbeitsverträge unterzeichnet hatten, in denen auf den zwischen der B. Unternehmensgruppe, der die insolvente Firma angehörte, und der CGZP geschlossenen Tarifverträge verwiesen wurde. Auf der Basis der dort vorgesehenen Vergütung hat die Fa. E die Beiträge für den Arbeitnehmer N. entrichtet und die Vergütung gezahlt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund wandte sich sodann an die Antragsgegnerin mit der Bitte um weitere Veranlassung im Hinblick auf § 28 a Abs 1 SGB IV, welche mit Schreiben vom 04.10.2012 die Antragstellerin zur Inanspruchnahme aus der Entleiherhaftung nach § 28 e Abs 2 SGB IV anhörte, wobei der von der Antragstellerin an vergleichbare Mitarbeiter gezahlte Lohn berücksichtigt wurde.
Am 23.10.2012 erging ohne dass sich die Antragstellerin zum weiteren Verfahren äußerte, der Haftungsbescheid, mit dem von der Antragstellerin Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit ab 04.09.2007 bis 30.11.2007 in Höhe von 699,41 Euro gefordert wurden. Trotz Mahnung vom 06.11.2012 erfolgte keine Zahlung, so dass die Antragsgegnerin am 13.11.2012 die Vollstreckung einleitete.
Mit Schreiben vom 31.10.2012 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.10.2012 und berief sich zunächst auf die Einrede der Verjährung. Es sei kaum vorstellbar, dass die Sozialversicherungsbeiträge aus dem Jahr 2007 über einen Zeitraum von ca. vier Jahren nicht beigetrieben werden konnten. Im Übrigen greife die Verjährungshemmung nach § 25 Abs 2 Satz 2 SGB IV nur im Falle einer Prüfung beim Arbeitgeber. Entleiher würden hiervon nicht erfasst. Das Entstehungsprinzip werde im Übrigen ausgehebelt, wenn erst nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Sozialversicherungsbeiträge festgestellt werden. In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht genieße die Antragstellerin Vertrauensschutz und musste nicht damit rechnen, dass eine Nachforderung von Beiträgen erfolgt. Außerdem sei fraglich, ob nicht der betroffene Arbeitnehmer zunächst seinen Anspruch nach dem Equal-Pay-Prinzip geltend machen muss, bevor Beitragsnachforderungen entstehen können.
Mit Schreiben vom 04.12.2012 erläuterte die Antragsgegnerin den Haftungsbescheid vom 23.10.2012 und lehnte den zuvor gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Sie führte zur Begründung aus, es sei davon auszugehen, dass die Insolvenzschuldnerin die höhere Beitragspflicht für die Vergangenheit für möglich gehalten hat, die Nichtabführung der Beiträge jedoch billigend in Kauf genommen wurde. Insoweit seien die 2007 fällig gewordenen Beitragsforderungen noch nicht verjährt. Im Übrigen ergebe sich aus § 28 e Abs 2 S. 1 SGB IV die Haftung des Entleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Auf Vertrauensschutz könne sich die Antragstellerin dabei nicht berufen. Die erstmalige Befassung mit einer Rechtsfrage stelle keine Änderung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung dar, so dass vor der Entscheidung des BAG kein Vertrauensschutztatbestand vorliegen könne. Der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung werde hingegen grundsätzlich nicht geschützt. Da keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides bestünden, überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse, so dass der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt werden müsse.
Auch hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und führte aus, es müsse berücksichtigt werden, dass es sich bei den im Haftungswege geltend gemachten Beträgen nicht um originäre Beitragspflichten nach § 86 a Abs 2 Nr 1 SGG handele.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2013 wurde der Widerspruch der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung wiederholte die Antragsgegnerin ihre zuvor geäußerte Argumentation und erläuterte die jeweiligen Punkte nochmals im Einzelnen.
Mit am 15.02.2013 bei Gericht eingegangenen Schreiben begehrt die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf den erteilten Haftungsbescheid. Gleichzeitig hat sie Klage erhoben. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 5 KR 56/13 bei dem erkennenden Gericht anhängig.
Zur Begründung ihres Antrags trägt sie vor: Zunächst sei § 86 Abs 2 SGG nicht einschlägig, da die Antragstellerin nicht wegen einer originären Beitragspflicht, sondern wegen einer angeblichen Drittschuldnerhaftung in Anspruch genommen worden. Wenn die Anwendung des § 86 a Abs 2 Nr 1 SGG in Betracht komme, so müsse auch für die Frage der Verjährungsfrist allein auf die Gutgläubigkeit der Antragstellerin und nicht die der Insolvenzschuldnerin abgestellt werden. Vor Ablauf der Verjährungsfrist von 4 Jahren sei nämlich unstreitig bei der Antragstellerin selbst kein Vorsatz zu bejahen. Auf etwaige Equal-Pay-Ansprüche sei die Antragsgegnerin erst mit Schreiben vom 08.03.2012 hingewiesen worden. Die vierjährige Verjährungsfrist sei jedenfalls teilweise verstrichen, so dass eine Inanspruchnahme nach den Haftungsgrundsätzen ausscheide. Ferner wiederholte sie ihre Ausführungen zur Aushebelung des Entstehungsprinzips im Recht der Sozialversicherung und zum sozialversicherungsrechtlichen Vertrauensschutz. Gerade vor dem Hintergrund, dass obergerichtliche Entscheidungen zur grundsätzlichen Inanspruchnahme von Entleihfirmen für die Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen noch nicht vorlägen, sei einstweiliger Rechtsschutz notwendig.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 31.10.2012 bzw. der Klage vom 15.02.2013 gegen den Bescheid vom 23.10.2012 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie führt zur Begründung aus, die Inanspruchnahme der Antragstellerin stütze sich ausschließlich auf § 28 e Abs 2 SGB IV. Die Prüfung und das Ergebnis seien in dem Bescheid vom 04.12.2012 und im Widerspruchsbescheid vom 11.01.2013 ausführlich dargestellt worden. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides seien nicht erkennbar. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass die Feststellung der Zahlungspflicht der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Antragstellerin mit besonderen Härten verbunden sei. Es sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der inzwischen erhobenen Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 23.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2013 ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 86 b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86 a Abs 2 Nr 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt auf Grund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen zu rechtfertigende Härte zur Folge hätte.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt ein Fall des § 86 a Abs 2 Nr 1 SGG vor. Denn die Antragsgegnerin macht gegenüber der Antragstellerin eine Beitragsforderung geltend. Dass sie lediglich aufgrund des Umstandes in Anspruch genommen wird, weil die Fa. E. insolvent ist, führt zu keiner anderen rechtlichen Einordnung der Forderung. Nach wie vor handelt es sich um eine Beitragsschuld, die anstelle der Insolvenzschuldnerin nunmehr von der Entleiherfirma zu begleichen ist.
Nach § 86 a Abs 2 Nr 1 SGG wird im Grundsatz das Vollzugsrisiko auf den Beitragsschuldner verlagert. So können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides zum Überwiegen des Aufschubinteresses führen, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Maßgebend ist dabei, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 07.01.2011, L 8 R 864/10 B ER).
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 23.10.2012. Die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin stützt sich zunächst auf §§ 28 d Satz 1 und 28 h Abs. 1 Satz 1 u. 3 SGB IV. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Antragstellerin beruht in der Folge auf § 28 e Abs 2 Satz 1 SGB IV.
Zunächst bestehen keine überwiegenden Zweifel, dass die Insolvenzschuldnerin dem Grund nach verpflichtet wäre, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nachzuentrichten.
Nach § 28 e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28 d Satz 1 u. 2 SGB IV) zu entrichten. Dabei wird bei der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 226 Abs 1 Satz 1 SGB V, § 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI, § 162 Nr 1 SGB VI, § 342 SGB III zugrunde gelegt. Die Höhe der Beiträge richtet sich vorliegend nach dem Arbeitsentgelt, das vergleichbare Arbeitnehmer in dem Entleiherbetrieb erhalten haben (§ 10 Abs 4 S. 1 AÜG). Dies gilt nur dann nicht, wenn ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen trifft. In diesem Fall hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren (§ 10 Abs 4 Satz 2 AÜG). Die Rechtsfolge des § 10 Abs 4 Satz 1 AÜG tritt auch ein, wenn der Verleiher mit den Leiharbeitnehmern eine nach § 9 Nr 2 AÜG unwirksame Vereinbarung geschlossen hatte.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach den unbestrittenen Feststellungen der Deutschen Rentenversicherung Bund war Grundlage der Arbeitsverhältnisse zwischen der Insolvenzschuldnerin und den Leiharbeitnehmern der Tarifvertrag der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP). Mit Beschluss vom 14.12.2010 hat das BAG die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und ausgeführt, dass die Mitgliedsgewerkschaften der CGZP nach ihrem satzungsmäßigen Geltungsbereich nicht die Tariffähigkeit für die gesamte Zeitarbeitsbranche vermitteln. In der Prüfmitteilung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 07.09.2012 wurde auf diese Umstände hingewiesen und die Anwendung des § 10 Abs 4 AÜG angekündigt. Die Prüfmitteilung ist dem Insolvenzverwalter der Fa. E. zugeleitet worden. Rechtsmittel hiergegen wurden nicht erhoben, so dass insoweit der Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund bestandskräftig ist. Dass eine Inanspruchnahme der Arbeitgeber auch für die Vergangenheit betreffende Beitragszeiträume im Grundsatz erfolgen kann, wurde in verschiedenen Entscheidungen des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bereits bestätigt. Auf die Beschlüsse des 8. Senats (Beschlüsse vom 21.12.2012, L 8 R 690/12 B ER; 15.11.2012, L 8 R 416/12 B ER; 25.06.2012, L 8 R 382/12 B ER; 10.05.2012, L 8 R 164/12 ER, recherchiert bei www.juris.de) wird Bezug genommen.
Es sind auch keine überwiegenden Argumente dafür ersichtlich, dass eine Inanspruchnahme der Antragstellerin ausgeschlossen ist.
Nach § 28 e Abs 2 SGB IV haftet bei einem wirksamen Vertrag der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers, soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind.
Der Arbeitnehmer N. war in der Zeit vom 04.09.2007 bis 30.11.2007 für die Antragstellerin als Entleiherin tätig. Für ihn wurden lediglich Beiträge auf der Grundlage des unwirksamen Tarifvertrages entrichtet. Unter Berücksichtigung des Equal-Pay-Prinzips ist eine Beitragsnachforderung für den gesamten Zeitraum in Höhe von 699,41 Euro entstanden, wobei die zugrunde gelegten Vergleichszahlen zwischen den Beteiligten unstreitig sind.
Es ist darüber hinaus nicht ersichtlich, dass sich die Antragstellerin auf eine Einrede gegen die Beitragsnachforderung berufen kann. Grundsätzlich stehen ihr als Entleiherin sämtliche Einreden eines selbstschuldnerischen Bürgen zu (§ 28 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Die Vorschriften des BGB sind auf die Entleiherhaftung entsprechend anwendbar. Nach § 768 Abs 1 Satz 1 BGB kann der Bürge die dem Hauptschuldner - der Fa. E.- zustehenden Einreden geltend machen. Insoweit greifen allerdings auch die Ausführungen der Antragstellerin zur Verjährung nicht.
Nach § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 25 Abs 2 Satz 2 SGB IV ist die Verjährung für die Dauer der Prüfung gehemmt. Die Beiträge für die Tätigkeit des Arbeitnehmers N. für das Kalenderjahr 2007 verjähren bei Anwendung der kurzen Verjährungsfrist am 31.12.2011. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die sich die Antragsgegnerin zutreffend stützt, begründet eine anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit keinen Vertrauensschutz, wenn nach Fälligkeit der Beitragsforderung vorsätzliche Vorenthaltung der Beiträge hinzutritt (BSG Urteil vom 30.03.2000, B 12 KR 14/99 R). Das Gericht weist auch darauf hin, dass es in diesem Zusammenhang nach den Grundsätzen der selbstschuldnerischen Bürgenhaftung nur auf den Maßstab der Gutgläubigkeit in der Person des Verleihers ankommt, während die eigene Gutgläubigkeit und das eigene Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der dem Arbeitsverhältnis zugrundeliegenden Vereinbarungen nicht relevant ist.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass mit Beschluss vom 01.04.2009 die Tarifunfähigkeit der CGZP in erster Instanz festgestellt wurde und das BAG mit Beschluss vom 14.12.2010 diese Entscheidung bestätigt hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste sich die Insolvenzschuldnerin darüber im Klaren sein, dass eine Nachforderung von Beiträgen unter Berücksichtigung des Equal-Pay-Prinzips erfolgen kann.
Die Klägerin kann darüber hinaus auch nicht mit dem Argument gehört werden, die nachträgliche Verbeitragung nach dem Equal-Pay-Grundsatz entheble das im Sozialversicherungsrecht geltende Entstehungsprinzip. Grundsätzlich entsteht nämlich der Beitragsanspruch nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV, sobald seine im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag entsteht daher dann, wenn der Arbeitsentgeltanspruch entstanden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt erst später oder gar nicht zahlt. Auf den tatsächlichen Zufluss kommt es daher nicht an (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 11.09.2008, 1 BVR 2007/05, SozR 4-2400 § 22 Nr 3).
Nach Auffassung des Gerichts liegt ein Fall des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV nicht vor. Danach entsteht der Beitragsanspruch bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt erst mit Zufluss. Der Auffassung, dass die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 erst nachträglich eine Lohnerhöhung feststellt, die wie einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu behandeln wäre, schließt sich das Gericht nicht an. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Feststellung der Tarifunfähigkeit deklaratorisch erfolgt (BAG Urt. vom 15.11.2006, 10 AZR 665/05; NZA 2007, 448). Damit ist der Entgeltanspruch ebenso wie der Beitragsanspruch bereits mit Verrichtung der Tätigkeit des Arbeitnehmers entstanden. Ob der Arbeitnehmer seinen Lohnanspruch für die Vergangenheit verwirklicht bzw. dies im Rahmen des noch laufenden Insolvenzverfahrens versucht, ist für die Beitragsentstehung nicht relevant (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 25.06.2012, L 8 R 382/12 B ER).
Aus welchen Gründen die Antragstellerin hier besonderen Vertrauensschutz genießen sollte, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Vielmehr begründet § 28 e Abs 2 Satz 1 SGB V durch die selbstschuldnerische Bürgenhaftung ein umfassendes Haftungsrisiko, von dem die Antragstellerin von Beginn an Kenntnis hatte. Dies begründet u.a. ihre Verpflichtung, stets die Seriosität der Verleihfirma zu überprüfen (BSG, Urteil vom 07.03.2007, B 12 KR 11/06 R). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass die Frage der Tariffähigkeit der CGZP bereits weit vor der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen und öffentlichen Diskussionen gewesen ist. Die nunmehr festgestellte Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft wirkt sich daher für die Entleiherin ebenso aus wie für die Verleiherin selbst, sofern es nach § 28 e Abs 2 SGB IV zum Haftungsfall kommt.
Im Übrigen liegen auch die formellen Voraussetzungen für den Erlass des Haftungsbescheides vor. Die Antragstellerin wurde im Vorfeld nach § 24 SGB X angehört. Ihre Inanspruchnahme ist nach der im Vorfeld erteilten Mahnung nach dem Grundsatz des § 28 e Abs 2 Satz 2 SGB IV möglich.
Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs 1 VwGO.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 52 Abs 1 GKG und berücksichtigt, dass lediglich vorläufig über den rechtlichen Bestand des Haftungsbescheides entschieden wurde.
§ 172 Abs 3 Nr 1 SGG ist nicht anzuwenden, da nicht auszuschließen ist, dass in der Hauptsache die Berufung aus grundsätzlichen Erwägungen zugelassen wird (§ 144 Abs 2 Nr 1 SGG).
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