S 33 AS 1997/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
33
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AS 1997/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1123/13
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 26.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2012 und der dazu ergangenen Änderungsbescheide sowie in Gestalt des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 07.11.2012 verpflichtet, den Klägern für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 30.04.2012 weitere 73,70 EUR monatlich als Bedarf der Unterkunft zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu ½.
Die Berufung wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Kläger für die Zeit vom 01.01.2012 – 30.04.2012 zu übernehmen.

Die Kläger beziehen seit 2008 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten.

Sie bewohnen gemeinsam die 72 qm große 3-Zimmer-Wohnung H.- Str. 372 in E. Hierfür entrichten sie an den Vermieter seit Einzug (2001) 459,65 EUR Grundmiete und 15,35 EUR Betriebskosten sowie 75,00 EUR Heizkostenvorauszahlung.

Mit Schreiben vom 07.10.2009 wies die Beklagte die Kläger auf die von ihr für angemessen erachtete Grundmiete in Höhe von 282,75 EUR hin, die die tatsächliche Grundmiete der Kläger um 176,90 EUR übersteige. Sie kündigte an, die tatsächlichen Unterkunftskosten nur noch sechs weitere Monate zu berücksichtigen und forderte die Kläger auf, ihre Unterkunftskosten zu senken. Seit 01.05.2010 berücksichtigte die Beklagte die Kosten der Unterkunft lediglich in der für angemessen erachteten Höhe von 282,75 EUR für die Grundmiete zuzüglich der tatsächlichen Betriebskosten in Höhe von 15,35 EUR sowie der tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 75,00 EUR.

Mit hier streitigem Bescheid vom 26.11.2011, mit dem der Bewilligungsbescheid vom 20.09.2011 (Bewilligungsabschnitt November 2011 – April 2012) hinsichtlich der gesetzlichen Regelsatzerhöhung für den Zeitraum Januar 2012 – April 2012 angepasst wurde, bewillgte die Beklagte ohne Berücksichtigung des Mehrbedarfs für die Kosten der Warmwasserversorgung wiederum lediglich 282,75 EUR Grundmiete, die tatsächlichen Betriebskosten in Höhe von 15,35 EUR sowie die tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 75,00 EUR.

Gegen den Änderungsbescheid vom 26.11.2011 legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger fristgemäß Widerspruch ein. Er führte an, ein Teil der Betriebskosten sei in der Grundmiete enthalten. Die Beklagte könne nicht lediglich auf die Nettokaltmiete abstellen. Überhaupt fehle es an einem schlüssigen Konzept hinsichtlich der Angemessenheitsberechnung. Seit 01.01.2010 sei für einen 2-Personenhaushalt als angemessene Wohnfläche 65 qm zugrunde zu legen. Für die alleinerziehende Klägerin sei zusätzlich noch ein räumlicher Mehrbedarf von 15 qm anzuerkennen. Deswegen sei die tatsächliche Miete nicht unangemessen und in voller Höhe von der Beklagten zu übernehmen.

Nachdem die Beklagte mit Änderungsbescheiden vom 15.02.2012 und 12.04.2012 den Mehrbedarf für Warmwasser berücksichtig hat, wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2012 als unbegründet zurück. Kriterium für die Angemessenheit der Unterkunftskosten gemäß § 22 SGB II seien die im Rahmen des Zwölften Sozialgesetzbuchs (SGB XII) geltenden Richtlinien der Stadt E. Danach werde bei einem 2-Personen-Haushalt eine Grundmiete von maximal 282,75 EUR anerkannt. Die Angemessenheitskriterien seien vom BSG in seinem Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 4 AS 27/09 R bestätigt worden.

Mit der am 15.05.2012 erhobenen Klage halten die Kläger an ihrem Begehren – Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten – fest. Der Prozessbevollmächtigte betont insoweit noch einmal, die isolierte Betrachtung der Grundmiete sei unbillig, da sich die derzeit sehr niedrigen kalten Betriebskosten in Höhe von 15,35 EUR nach einem Umzug der Kläger mit Sicherheit erhöhen würden. Vor diesem Hintergrund sei auch die Zumutbarkeit des Umzugs (§ 22 Abs. 1 S. 3 SGB II) sowie die Wirtschaftlichkeit (§ 22 Abs. 1 S. 4 SGB II) fraglich. Er verweist zudem auf das Urteil des BSG vom 20.12.11, Az.: B 4 AS 19 / 11 R, welches auch auf die Stadt Essen zu übertragen sei. Da der Angemessenheitsermittlung kein schlüssiges Konzept zugrunde liege, sei auf § 12 WoGG zurück zu greifen. Danach sei eine monatliche Brutto-Kaltmiete von 435,00 EUR für 2 Personen zuzüglich eines 10 %igen Aufschlags (= 478,50 EUR) als angemessen zugrunde zu legen. Insoweit sei die von den Klägern tatsächlich zu entrichtende Grundmiete in Höhe von 474,99 EUR angemessen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verpflichten, den streitgegenständlichen Bescheid vom 26.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2012 sowie aller dazu ergangenen Änderungsbescheide dahingehend abzuändern, dass für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 30.04.2012 angemessene Bedarfe der Unterkunft (Mietzins und kalte Betriebskosten) in Höhe von monatlich 474,99 EUR bewilligt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid. Ergänzend hierzu führt sie an, ein erhöhter Wohnraumbedarf für Alleinerziehende sei generell nicht anzuerkennen (BSG Urteil vom 22.08.2012, Az.: B 14 AS 13/12R). Der Kläger zu 2 sei zudem bereits 23 Jahre alt.

Nach Erlaß des BSG-Urteils vom 16.05.2012, Az.: B 4 AS 109/11 R hat die Beklagte im Eröterungstermin vom 07.11.2012 ein Teilanerkenntnis abgegeben und für den streitigen Zeitraum eine Grundmiete von 299,65 EUR monatlich ( = 4,61 EUR x 65 qm) zuzüglich der Betriebskosten von 15,35 EUR und der Heizkosten von 75,00 EUR als angemessen anerkannt. Die Kläger haben das Teilanerkenntnis angenommen, im Übrigen aber an der Klage festgehalten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.04.2013 haben die Beteiligten klargestellt, dass sich der Streitgegenstand ausdrücklich nur auf die Höhe der Kosten der Unterkunft beschränkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten zu den Verfahren S 33 AS 1997/12, S 33 AS 157/13 und S 33 AS 158/13 sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.

II.

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist sie unbegründet. Die tatsächliche Miete der Kläger ist unangemessen. Sie haben aber zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles Anspruch gegenüber der Beklagten auf Übernahme einer Bruttokaltmiete in Höhe von 388,70 EUR zuzüglich der Heizkosten von 75,00 EUR. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die tatsächliche Grundmiete hier 459,65 EUR und die gesondert berechneten Betriebskostenvorauszahlungen im streitigen Zeitraum 15,35 EUR zuzüglich 75,00 EUR Heizkostenvorauszahlungen betragen. Dies ergibt sich aus der Vermieterbescheinigung vom 18.06.2008. Eine Mieterhöhung oder Anpassung der Vorauszahlungsbeträge hat der Vermieter seit dem ganz offensichtlich nicht vorgenommen. Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 07.11.2006, B 7 b AS 7/07 R; Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 18/06 R; Urteil vom 7.11.2006, B 7b AS 10/06 R) setzt die Prüfung der Angemessenheit von Kosten für Unterkunft eine Einzelfallprüfung voraus: Hierfür ist zunächst die maßgebliche - angemessene - Größe der Wohnung zu bestimmen, und zwar typisierend anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen für die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus. Sodann ist der Wohnstandard festzulegen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht (BSG aaO). Als Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am Wohnort heranzuziehen. In Einzelfällen sind bei kleineren Gemeinden größere, bei Großstädten kleinere räumliche Bereiche denkbar (dazu ausführlich BSG, 17.12.2009, B 4 AS 27/09 R; 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R). Insoweit kommt es letztlich darauf an, ob das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht. Nach Festlegung der abstrakten Angemessenheitsmaßstäbe muss im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung festgestellt werden, ob eine bedarfsgerechte Wohnung konkret verfügbar und zugänglich war. Hinsichtlich der Bestimmung der angemessenen Wohnraumgröße ist von vorliegend von 65 qm auszugehen. Dies hat die Beklagte nach dem Urteil des BSG vom 16.05.2012, Az.: B 4 AS 109/11 R auch bereits anerkannt. Insoweit hat sie im Eröterungstermin vom 07.11.2012 ein Teilanerkenntnis abgegeben und für den streitigen Zeitraum eine Grundmiete von 299,65 EUR monatlich (= 4,61 EUR x 65 qm) als angemessen anerkannt. Ein Wohnflächenzuschlag von 15 qm für die alleinerziehende Klägerin zu 1 kommt nicht in Betracht. Insoweit nimmt die Kammer nach eigener Überzeugungsbildung Bezug auf das Urteil des BSG vom 22.08.2012, Az.: B 14 AS 13/12 R. Hinsichtlich der Berechnungsmethode für die zweite Komponente, den angemessenen Quadratmeterpreis, stützt sich die Kammer nach eigener Prüfung zunächst auf die Vorgehensweise der 27. Kammer des Sozialgerichts Duisburg (Urt.v. 23.04.2008 - S 27 AS 154/07), welche das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 17.12.2009 (B 4 AS 27/09 R) bestätigt hat. Das Sozialgericht hat in der vorgenannten Entscheidung die Angemessenheitsgrenze dem Mietspiegel der Stadt Essen entnommen, der hier in seiner Fassung für die Zeit ab dem 01.12.2009 Anwendung findet. Zwar hat der 14. Senat des BSG mit drei Entscheidungen vom 19.10.2010 (B 14 AS 65/09 R, B 14 AS 2/10 R und B 14 AS 50/10 R) entschieden, dass eine Beschränkung auf Daten bestimmter Baualtersklassen grundsätzlich nicht zulässig sei, solange nicht statistisch valides Material vorliege, welches eine Aussage darüber zulasse, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum prägten. Zudem soll nach der Auffassung des 14. Senats eine (ungewichtete) Mittelwertbildung über mehrere Baualtersklassen unzulässig sein, weil dabei nicht berücksichtigt werde, inwiefern einzelne Felder eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt besäßen. Insoweit wird aber nach Meinung der Kammer nicht hinreichend klar, wonach gewichtet werden soll: nach der Zahl der in dem Tabellenfeld jeweils tatsächlich vorhandenen Wohnungen oder nach der Zahl der Datenrückläufer. Nur ersteres ließe einen unmittelbaren Schluss auf den Gesamtmarkt zu. Zu beachten ist zudem, dass es für die Erstellung eines Mietspiegels gerade nicht erforderlich ist, solche Daten zu erheben. Aus der Erfahrung mit anderen Gemeinden ist daher anzunehmen, dass diese Daten in der Praxis auch nicht vorliegen. Deshalb folgt die Kammer in diesem Aspekt nicht dem 14. Senat des BSG, sondern orientiert sich bezüglich der abstrakten Angemessenheitsermittlung zunächst weiterhin am Mietspiegel der Stadt Essen und der Durchschnittsberechnung des 4. Senats des BSG. Sich hieraus unter Umständen ergebende Härten können im Wege der konkreten Angemessenheitsprüfung ausgeglichen werden. Nach dem Mietspiegel 2009 setzt sich der Mietwert aus dem Mietrichtwert, dem Einfluss der Wohnlage und dem Einfluss sonstiger Ausstattungsmerkmale und Gegebenheiten zusammen. Der Mietwert errechnet sich aus dem Produkt dieser Faktoren (Miete = Mietrichtwert x Wohnlage x Ausstattung), wobei für die Wohnlage und die Ausstattungsmerkmale Punktwerte vergeben werden. Der vom 4. Senat des BSG bestätigten Berechnungsmethode folgend ist der Durchschnitt über alle Richtwerte bis einschließlich 1984 zu bilden, woraus sich ein Grundwert von 5,64 EUR ergibt. Nach Überzeugungsbildung der Kammer ist hinsichtlich des Einflusses der Wohnlage der obere Punktwert für einfache Wohnlagen 94:100=0,94 ausreichend. In Bezug auf die Ausstattungsmerkmale muss sich die Ausstattung nicht zwingend im untersten, sondern (lediglich) im unteren Bereich bewegen, sodass die Möglichkeit eröffnet wird, z.B. auch Wohnungen mit Zentralheizung, Isolierverglasung und Steckdosen mit ausreichender Absicherung (FI-Schutzschalter) anzumieten. Überall dort, wo jedoch Ausstattungsvorteile den Komfort oder gar die Ästhetik betreffen, ist nach Ansicht der Kammer der unterste Wert anzusetzen, weil für die Frage der Grundsicherung unbedeutend ist, ob etwa das Treppenhaus mit Linoleum-PVC-Boden oder anderen Bodenbelägen ausgestattet ist. Die Kammer hat daher der Berechnung folgende Werte zugrunde gelegt: Heizung 25, Außenwände 10, Treppenhaus 7, Fenster 12, Elektroanschlüsse 5, Warmwasserversorgung 5, Sanitäreinrichtungen 11, Wandfliesen 7, Fußbodenbeläge 7. Es ergibt sich somit ein Punktwert von 89. Im Weiteren ist zu berücksichtigen, dass den Klägern eine Wohnung mit einem Wohnflächenrichtwert von 65 qm zusteht. Für Wohnungsgrößen von 50 – 119 qm sieht der Mietspiegel weder Abschläge noch Zuschläge vor. Da den Klägern in Bezug auf die Geschosslage auch Wohnungen im Erdgeschoss (Abzug -3) ebenso wie Wohnungen ohne Balkon (Abzug -4) zumutbar sind, ergibt sich ein Punktwert von 82: 100= 0,82. Weitere Abzüge für Wohnungen in Häusern mit mehr als 12 Wohneinheiten, die von einem Eingang aus erreichbar sind, hat die Kammer nicht vorgenommen, um Widersprüche zu der Rubrik "Aufzug vorhanden" zu vermeiden und der Gefahr einer Ghettoisierung zu begegnen. Hieraus folgt ein abstrakt angemessener Quadratmeterpreis in Höhe von (aufgerundet) 4,35 EUR (= 5,64 x 0,94 x 0,82). Dieser Wert ist als Faktor der Produktberechnung zu berücksichtigen. Allerdings schließt sich die Kammer bezogen auf den hier vorliegenden Einzelfall der Erwägung des 14. Senats in der Entscheidung vom 19.10.2010 (B 14 AS 50/10 R, dort Rz. 33ff nach juris, ebenso im Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 106/10 R, Rn. 17 ff. nach juris) an, dass in das Produkt aus angemessenem Preis pro Quadratmeter und angemessener Quadratmeterzahl nicht die Nettokaltmiete pro Quadratmeter einzustellen ist, sondern die Bruttokaltmiete (teilweise als "erweiterte Produkttheorie" bezeichnet). Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Gesetzes, welcher die Übernahme der tatsächlichen Kosten von "Unterkunft und Heizung" im Rahmen der Angemessenheit vorsieht. Zum anderen kann in Fällen, wie dem Vorliegenden, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der Vermieter ganz offensichtlich einen Teil der Betriebskosten bereits in der Grundmiete eingerechnet hat und deshalb die darüberhinaus ausgewiesenen Betriebskosten vergleichsweise sehr niedrig ausfallen (15,35 EUR für eine 72 qm große Wohnung), nur so ein gerechtes Ergebnis erzielt werden. Diese Erwägung berücksichtigt aus Sicht der Kammer im Weiteren auch, dass der Mieter auf die Höhe der kalten Betriebskosten deutlich weniger Einfluss besitzt als auf die Höhe der Heizkosten. Die kalten Betriebskosten stellen damit eine für den Vermieter deutlich besser kalkulierbare Größe dar, mit der er auf dem Mietmarkt werben kann, und die regelmäßig wesentlicher Aspekt der Entscheidung des Wohnungssuchenden ist. Nach dem Verständnis der Kammer ist die Bruttokaltmiete auf der Grundlage der Entscheidung des 14. Senat des BSG so zu bestimmen, dass wie bisher die angemessene Nettokaltmiete pro Quadratmeter errechnet wird und zu dieser sodann ein der Höhe nach ebenfalls zu bestimmender Betrag an angemessenen kalten Nebenkosten pro Quadratmeter addiert wird. Soweit die Vorauszahlung der kalten Betriebskosten pro Quadratmeter unter der als abstrakt angemessen erachteten Grenze für die kalten Betriebskosten bleibt, ergibt sich damit ein Differenzbetrag, der dem Nettokaltmietenbetrag zugeschlagen werden kann, der also im Ergebnis die Angemessenheitsgrenze für die Nettokaltmiete erhöht. Ohne diese Ausgleichsmöglichkeit wären die Kläger wegen der hohen Differenz zwischen tatsächlicher und angemessener Nettokaltmiete möglicherweise gezwungen, eine andere Wohnung anzumieten, deren Nettokaltmiete der Angemessenheitsgrenze der Beklagten von 299,65 EUR entspricht. Da aber insoweit damit zu rechnen wäre, dass die Kläger im Rahmen eines neuen Mietvertrages die üblichen Betriebskosten zu tragen hätten, die im Bereich um die 100,00 EUR liegen dürften, bestehen Bedenken an der Zumutbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Umzugs, wenn eine große Zahl angemessener Wohnungen annähernd die gleichen Kosten verursachen würden, wie die bislang von den Klägern bewohnte. Da der Allgemeinheit keine höheren Kosten entstehen, wenn eine etwas zu hohe Grundmiete durch günstige kalte Betriebskosten ausgeglichen werden können und umgekehrt, als bei einem Leistungsempfänger der die jeweiligen Angemessenheitsgrenzen voll ausreizt, ist auch aus Gleichheitserwägungen der Bruttokaltmietenberechnung vorliegend der Vorzug einzuräumen. Außerdem wird hierdurch die Anzahl an für Leistungsempfänger zugänglichen Wohnungen erhöht (vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 12.03.2012, Az.: L 19 AS 174/11; SG Frankfurt, Urteil vom 30.05.2012, Az.: S 28 AS 3255/10 und SG Duisburg, Urteil vom 06.04.2011, Az.: S 41 AS 3047/10). Die Kammer teilt zwar die Bedenken der 41. Kammer in ihrem Urteil vom 06.04.2011, Az.: S 41 AS 3047/10, dass die Anwendung der "erweiterten Produkttheorie" zu Folgeproblemen führen kann. Insbesondere ist bislang ungeklärt, wie zu verfahren ist, wenn die Jahresabrechnung der kalten Betriebskosten eine Nachforderung ergibt. Insoweit hat jedoch die 41. Kammer bereits eine zumindest ansatzweise schlüssige Auflösung des Problems vorgeschlagen, der sich die Kammer bei nicht abschließender Betrachtung anschließt: Die Leistungen der Beklagten für die Aufwendungen der kalten Betriebskosten sind, auch nach dem objektiven Empfängerhorizont, nur insoweit auf die Nettokaltmietkosten aufzuschlagen, als sie nicht tatsächlich bereits durch die Aufwendungen für die kalten Betriebskosten aufgezehrt werden. Die tatsächliche Höhe der Betriebskosten ergibt sich erst durch die Jahresabrechnung. Bis dahin sind die Leistungen der Beklagten mit dieser Unsicherheit behaftet. Sie kann daher einem auf höhere Betriebskosten gerichteten Nachzahlungsbegehren des Leistungsempfängers den Erfüllungseinwand entgegen halten. Macht sich ein Leistungsempfänger also den Spielraum der erweiterten Produkttheorie zunutze, um eine von der Nettokaltmiete her an sich unangemessene Wohnung anzumieten, so ist das Risiko einer nachträglich erhöhten Betriebskostenabrechnung in seiner Sphäre angesiedelt. Er wird damit zutreffend demjenigen gleichgestellt, der aufgrund eines von vorn herein höheren Betriebskostenabschlags nicht die Möglichkeit hatte, eine unangemessen hohe Nettokaltmiete zu kompensieren. Für den Leistungsträger ergibt sich allerdings, dass er den Betroffenen frühestens nach Erteilung der Jahresrechnung zur Kostensenkung auffordern kann. Dies wäre nach dem Konzept des 14. Senats hinzunehmen. Die angemessenen kalten Betriebskosten pro Quadratmeter bestimmen sich nach den örtlichen Betriebskostenspiegeln. Insoweit ist vorliegend der Betriebskostenspiegel 2011 für Nordrhein-Westfalen zugrunde zu legen. Dieser beruht auf den Daten für 2010, welche in 2011 und 2012 erhoben wurden. Der Betriebskostenspiegel für Nordrhein-Westfalen ergibt im streitigen Zeitraum einen angemessenen Quadratmeterbetrag von 1,63 EUR. Hierbei hat die Kammer die im Betriebskostenspiegel ausgewiesenen Kosten für Heizung und Warmwasser herausgelassen, da diese Elemente bereits anderweitig erfasst werden. Im Weiteren sind die Werte für Aufzug und Hauswart herausgerechnet worden, da diese Kosten in Anlehnung an die obige Berechnung unter Zugrundelegung des Mietspiegels in Wohnungen des unteren Segments nicht anfallen dürften. Es ergibt sich ein Bruttokaltmietenbetrag pro Quadratmeter von 5,98 EUR (= 4,35 x 1,63 EUR). Multipliziert mit der angemessen Wohnfläche von 65 qm ergibt sich eine angemessene Bruttokaltmiete von 388,70 EUR. Die Angemessenheit der Heizkosten in Höhe von monatlich 75,00 EUR stand nicht in Frage.

Die tatsächlich anfallende Bruttokaltmiete von 474,99 EUR (= 459,65 EUR + 15,35 Betriebskosten) übersteigt diesen von der Kammer für angemessen gehaltenen Betrag um 86,29 EUR. Insoweit ist die Miete unangemessen und daher nicht von der Beklagten zu übernehmen. Soweit die Beklagte jedoch im Rahmen ihres Teilanerkenntnisses vom 07.11.2012 bislang nur eine Bruttokaltmiete von 315,00 EUR (= 299,65 + 15,35 EUR) zuzüglich der 75,00 EUR Heizkosten anerkannt hat, muss sie gemäß dem hier ermittelten Angemessenheitswert von 388,70 EUR für den streitigen Zeitraum 01.01.2012 – 30.04.2012 weitere 73,70 EUR monatlich = 294,80 EUR an die Kläger zahlen. Durch die erstrittene Differenz zwischen den von der Beklagten geleisteten Kosten der Unterkunft und den nunmehr zu tragenden Kosten wird bei einem streitigen Zeitraum von 4 Monaten der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG maßgebliche Beschwerdewert von 750,00 EUR nicht überschritten.

Die Kammer hat deshalb wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit vor allem hinsichtlich der Berechnungsmethode die Berufung zugelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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