L 3 AS 147/10 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 4534/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 147/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. Dezember 2009 werden zurückgewiesen.

Der Antrag auf Gewährung vorläufiger Leistungen ab 25. Dezember 2009 wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast) begehrt im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Änderungsbescheid der Antragsgegnerin (Ag) vom 23.10.2009 und hilfsweise im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 25.12.2009.

Der 1950 geborene alleinstehende Ast, der unter anderem wegen Anpassungsstörungen und einer beginnenden Demenz bei Alzheimer-Krankheit zwischen dem 17.04. und 19.8.2009 stationär im Klinikum A. behandelt wurde, beantragte, nachdem er zuvor von der damals für ihn zuständigen Arbeitsgemeinschaft Schwäbisch Hall Leistungen nach dem SGB II bezogen hatte, aufgrund des beabsichtigten Umzugs in den Zuständigkeitsbereich der Ag bei dieser am 19.08.2009 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, worauf ihm mit Bescheid vom 26.08.2009 Leistungen für die Zeit vom 19.08.2009 bis 31.10.2009 in Höhe von 155,57 EUR für die Zeit vom 19.08.2009 bis 31.08.2009 und in Höhe von 359 EUR monatlich für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.10.2009 bewilligt wurden.

Auf den vom Ast am 17.09.2009 gestellten Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen bewilligte die Ag dem Ast für die Zeit vom 01.11.2009 bis 30.04.2010 Leistungen in Höhe von monatlich 359 EUR.

Am 25.09.2009 teilte der Ast der Ag mit, dass er von der Süddeutschen Krankenversicherung wegen der Nichtinanspruchnahme von Wahlleistungen während des stationären Aufenthalts einen Scheck über 4.596 EUR erhalten habe. Er werde diesen Betrag zur Schuldentilgung über 3.400 EUR bei der Südwestbank und den Rest zur Schuldenbegleichung bei der Amexbank in Frankfurt verwenden. Er legte in diesem Zusammenhang u.a. ein Schreiben der Süddeutschen Krankenversicherung vom 08.09.2009, in dem eine "Erstattung mit Scheck" erwähnt wird, und einen Kontoauszug der Südwestbank vom 04.09.2009 mit einem Soll in Höhe von 3.427,37 EUR vor. Ausweislich eines Schreibens vom 12.10.2009 bestätigte die Ag dem Ast, dass die Entschädigungszahlung der Süddeutschen Krankenversicherung in Höhe von 4.596 EUR nach § 11 SGB II unabhängig davon, ob er diesen Betrag bereits verbraucht habe oder nicht, als Einkommen angerechnet werde.

Ebenfalls am 12.10.2009 stellte der Ast beim Sozialgericht Heilbronn (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (S 1 AS 3549/09 ER). Zur Begründung gab er an, er habe von der Ag die Auskunft erhalten, dass ihm die Entschädigung, die er von seiner Krankenkasse erhalten habe, als Einkommen angerechnet werde. Er sei insoweit anderer Ansicht. Ausweislich der Niederschrift vom 21.10.2009 über die nichtöffentliche Sitzung der 1. Kammer des SG wurde der Ast darauf hingewiesen, dass der Zugang des Schecks der Süddeutschen Krankenversicherung eine Aufhebung der Leistungsbewilligung rechtfertigen könnte. Durch einen entsprechenden Aufhebungsbescheid wäre er in der Lage, der Bank gegenüber nachzuweisen, dass das Scheckguthaben auf die Leistungen der Grundsicherung angerechnet werde; damit dürfte der Zugriff der Bank auf diese existenzsichernden Leistungen nicht zulässig sein. Für den Fall, dass Vollstreckungsmaßnahmen drohten, könne der Ast, wenn er im Besitz eines entsprechenden Bescheides sei, beim Amtsgericht Vollstreckungsschutz beantragen. Auf Nachfrage der Vorsitzenden erklärte der Ast, dass er weiter geistig beansprucht werden wolle, weshalb er eine Betreuung abgelehnt habe. Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nahm er im weiteren Verlauf zurück.

Mit Änderungsbescheid vom 23.10.2009 hob die Ag die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II teilweise auf und bewilligte dem Ast für die Zeit vom 01.11.2009 bis 30.04.2010 unter Anrechnung von einmaligem Einkommen in der Zeit vom 01.11.2009 bis 31.10.2010 in Höhe von monatlich 353 EUR auf seine Leistungen zum Lebensunterhalt einen monatlichen Betrag in Höhe von 6 EUR.

Am 19.11.2009 löste der Ast den Scheck auf seinem bei der Deutschen Bank befindlichen Konto ein, das hierauf unter Berücksichtigung einer Gutschrift der Telekom in Höhe von 41,08 EUR ein Guthaben in Höhe von 4.788,59 EUR auswies. Ein Betrag in Höhe von 3.962,61 EUR wurde an die Südwestbank überwiesen, den Rest in Höhe von 825,98 EUR hob der Ast ab. Gegen den ihm am 27.10.2009 zugegangenen Bescheid erhob der Ast am 27.11.2009 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, es sei schon fraglich, ob es sich bei der Erstattungszahlung der Krankenversicherung überhaupt um einzusetzendes Einkommen oder Vermögen handele. Abgesehen davon stehe fest, dass am 19.11.2009 der überwiegende Teil der Scheckvaluta, nämlich 3.926,61 EUR, von seinem Konto bei der Deutschen Bank zur Ablösung seiner Verbindlichkeiten gegenüber der Südwestbank an diese überwiesen worden seien. Die Südwestbank habe ihre diesbezüglichen Forderungen bereits mit Schreiben vom 04.11.2009 fällig gestellt und ihn aufgefordert, seine Verbindlichkeiten "sofort zurückzuzahlen". Von den von der Bank bar abgehobenen 825,98 EUR habe er Barschulden, die er zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bereits seit Oktober 2009 aufzunehmen gezwungen gewesen sei, in Höhe von 190 EUR zurückgezahlt. Unter Berücksichtigung der für Dezember 2009 zu erwartenden SGB II-Leistung in Höhe von 6 EUR verbleibe ein Betrag in Höhe von 641,98 EUR. Diesen Betrag lasse er sich ab 01.11.2009 bedarfsmindernd anrechnen. Bei Zugrundelegung eines monatlichen Bedarfs in Höhe von 359 EUR werde er mit diesen Mitteln bis einschließlich 24.12.2009 auskommen. Ab 25.12.2009 sei er bedürftig. Ergänzend legte der Ast ein Schreiben der Südwestbank AG vom 04.11.2009 vor, wonach er aufgefordert wird, seine Verbindlichkeiten in Höhe von 3.962,61 EUR sofort zurückzuzahlen. Falls der Betrag nicht auf ein Mal gezahlt werden könnte, werde um einen Ratenzahlungsvorschlag gebeten.

Am 17.12.2009 hat sich der Ast mit einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes an das SG gewandt. Ab 25.12.2009 sei er wieder bedürftig.

Mit Beschluss vom 28.12.2009 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Es hat das Rechtsschutzbegehren des Ast als einen Antrag nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 86 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgelegt und dahingehend ausgelegt, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu höheren Zahlungen zu verpflichten. Zur Ablehnung des Antrags hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bewilligung vom 21.09.2009 rechtswidrig gewesen sei, da sie das dem Ast von der Süddeutschen Krankenversicherung zugeflossene Einkommen nicht berücksichtigt habe. Dieses zu berücksichtigende Einkommen hätte der Ast nicht zur Schuldentilgung benutzen dürfen. Spätestens mit der Gutschrift auf seinem Konto bei der Deutschen Bank am 19.11.2009 hätte das Geld vorrangig für den Lebensunterhalt verbraucht werden müssen. Die Anrechnung auf 12 Monate verteilt, wie es die Ag mit dem angefochtenen Bescheid getan habe, sei nicht zu beanstanden. Der Ast könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn er habe im Fortzahlungsantrag nicht auf den Erhalt des Verrechnungsscheckes hingewiesen. Dass dies zumindest grob fahrlässig geschehen sei, sei durch seine Vorsprache am 25.09.2009 belegt, bei der er den Erhalt des Schecks mitgeteilt habe. Im Übrigen sei der Ast und sein Bevollmächtigter durch das Protokoll im Verfahren S 1 AS 3549/09 ER über die Anrechnung der Zahlung als Einkommen informiert gewesen. Die Umsetzung sei mit Bescheid vom 23.10.2009 und damit noch vor dem Zeitpunkt, zu dem der Ast den Verrechnungsscheck am 19.11.2009 trotz des Hinweises des SG und der Entscheidung der Ag auf dem Konto der Deutschen Bank habe gutschreiben lassen und einen Teil dieser Gutschrift auf das im Soll befindende Konto bei der Südwestbank zu dessen Ausgleich überführt haben wolle, erfolgt. Der willentliche und bewusste anderweitige Verbrauch des anzurechnenden Einkommens mache den Bescheid vom 23.10.2009 nicht rechtswidrig. Eine bislang noch nichteinmal belegte "beginnende Alzheimer Erkrankung" könne für dieses Verhalten keine ausreichende Erklärung sein.

Hiergegen richtet sich die am 08.01.2010 eingelegte Beschwerde des Ast. Er sei nicht bösgläubig gewesen. Bis zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Schuldentilgung sei er auch nicht anwaltlich vertreten gewesen.

Am 29.12.2009 hat der Ast außerdem bei der Ag, nachdem er die ihm unterbreitete Möglichkeit, ihm einen Lebensmittelgutschein zu erstellen, abgelehnt hatte, die Gewährung zusätzlicher Leistungen für die Zeit vom 25.12.2009 bis 31.10.2010 in Höhe von monatlich 353 EUR beantragt. Dies hat die Ag mit Bescheid vom 30.12.2009 abgelehnt. Über den dagegen erhobenen Widerspruch hat die Ag noch nicht entschieden.

Am 08.01.2010 hat sich der Ast auch insoweit mit einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes an das SG gewandt. Diesen Antrag hat das SG dem Senat mit der Bitte um Prüfung vorgelegt, ob über diesen Antrag nicht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden sei.

Der Ast beantragt sinngemäß,

1. die Ag unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. Dezember 2009 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 25. Dezember 2009 bis 30. April 2010 vorläufig weitere Zahlungen in Höhe von 353 EUR monatlich zu gewähren, 2. hilfsweise ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Dezember 2009 ab dem 25. Dezember 2009 vorläufig Leistungen in Höhe von 359 EUR zu gewähren, 3. ihm unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. Dezember 2009 Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 9 AS 4534/09 ER zu bewilligen, 4. ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Grimm für das Beschwerdeverfahren L 3 AS 147/10 ER-B zu bewilligen.

Die Ag beantragt sinngemäß,

die Beschwerden zurückzuweisen und den Antrag abzulehnen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde des Ast ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs in Betracht. Eine solche kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage, wie hier bei einem Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung haben, nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Bei der Prüfung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist eine eigenständige Abwägung zwischen dem öffentlichem Interesse an einer sofortigen Vollziehung und dem privaten Aufschubinteresse vorzunehmen, wobei insbesondere auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs miteinzubeziehen sind.

Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Entscheidungserheblich ist, ob im Rahmen einer offenen Interessenabwägung einem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes Vorrang gegenüber schützenswerten Interessen des Adressaten einzuräumen ist (vgl. Krodel, NZS 2001, 449). Sind Widerspruch oder Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ohne weitere Interessenabwägung grundsätzlich abzulehnen, weil der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts kein schützenswertes Interesse des Betroffenen entgegen steht. Sind dagegen Widerspruch oder Klage in der Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet, ist dem Antrag statt zu geben, weil dann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit besteht. Bei offenem Ausgang des Hauptsachverfahrens, wenn z.B. eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Interesse bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Vorrang einzuräumen ist. Bei der dabei vorzunehmenden Interessenabwägung sind auch wirtschaftliche Verhältnisse der Beteiligten, insbesondere eine unbillige Härte zu beachten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b RandNr. 12 ). In die Interessenabwägung hat einerseits einzufließen, dass der Gesetzgeber für den Regelfall die sofortige Vollziehbarkeit vorgesehen hat, solange das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen unter Beachtung seiner Rechte aus Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz berücksichtigt bleibt, insbesondere mit einer sofortigen Vollziehung keine schwere, unzumutbare Härte für ihn verbunden ist. Andererseits ist dem Aussetzungsinteresse des Ast um so mehr der Vorrang einzuräumen, desto wahrscheinlicher ein Erfolg in der Hauptsache ist.

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist die Beschwerde hinsichtlich des Hauptantrags Nr. 1 nicht begründet. Durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abänderungsbescheides vom 23.10.2009 sind, wie das SG zutreffend festgestellt hat, nicht ersichtlich.

Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme bzw. teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 21.09.2009 ist entweder § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) oder § 48 SGB X. Dies richtet sich danach, ob der Ast bereits vor Antragstellung am 17.09.2009 und Erlass des Bescheids am 21.09.2009 den Scheck erhalten hat. Dies könnte zweifelhaft sein, da es im Schreiben der Süddeutschen Krankenversicherung vom 08.09.2009 nur heißt "Mitgliedsnummer: 159408 Erstattung mit Scheck". Ob der Scheck dem Schreiben beigefügt war, ergibt sich aus diesem Schreiben nicht. Auch die Scheckhöhe geht aus ihm nicht unmittelbar hervor. Dies muss jedoch nicht weiter aufgeklärt werden. Denn wenn der Ast bereits zum Zeitpunkt der Antragsstellung am 17.09.2009 und bei Erlass des Bescheids am 21.09.2009 einen Scheck in einer Höhe von 4.596 EUR erhalten hatte, dies jedoch der Ag bei der Antragstellung - wie geschehen - nicht mitgeteilt hat, dann liegen die Rücknahme-voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vor. Der Ast kann sich nicht auf Vertrauen berufen, weil der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Sollte er den Scheck erst nach Antragstellung und nach Erlass des Bescheides vom 21.09.2009 erhalten haben, wäre Anspruchsgrundlage für die Aufhebung des Bescheids vom 21.09.2009 § 48 SGB X, weil durch den Scheck und den damit verbundenen Einkommenszufluss eine wesentliche Änderung eintrat, die dazu führte, dass der dem Ast zustehende Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gemindert war (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).

Daran, dass es sich bei dem von der Süddeutschen Krankenversicherung für den Ast ausgestellten Scheck in Höhe von 4.596 EUR um im Sinne des § 11 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen handelt, hat der Senat keine Zweifel. Auch ein Geldzufluss wegen Nichtinanspruchnahme von Leistungen ist als Einkommen zu berücksichtigen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Ast Verbindlichkeiten gegenüber der Südwestbank in Höhe von 3.926,61 EUR sowie Barschulden in Höhe von 190 EUR hatte. Die Bedürftigkeitsprüfung im SGB II erfordert keine Saldierung aller Aktiva und Passiva. Dies folgt aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge, welche erst eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige ihm zur Verfügung stehende Mittel verbraucht hat. Einkommen ist zuvorderst zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen, selbst wenn sich der Betreffende dadurch außerstande setzt, vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R - zu Steuererstattung, in juris). Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhandenen Vermögenswerte ist allenfalls dann geboten, wenn eine Verbindlichkeit unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand (z.B. eine auf ein Grundstück eingetragene Hypothek) lastet, da der Vermögensgegenstand in diesem Fall nicht ohne Abzüge veräußert werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7 B AS 52/06 R -, in juris). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Es besteht nur eine vertragliche Verpflichtung des Ast gegenüber der Bank bzw. seinem sonstigen Gläubiger.

Der Einkommenszufluss hat zur Folge, dass der Ast unter Anrechnung dieses Betrags auf zwölf Monate verteilt nur noch in Höhe von 6 EUR monatlich bedürftig ist. Der Bewilligungsbescheid vom 21.09.2009 ist bezüglich des 6 EUR übersteigenden Betrags rechtswidrig. Der Bescheid wurde deshalb mit dem Änderungsbescheid vom 23.10.2009 zu Recht - wie ausgeführt abhängig vom Zeitpunkt des Zuflusses und der Kenntnis des Ast - insoweit entweder zurückgenommen oder aufgehoben.

Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des Senats auch nicht deshalb, weil der Ast den Scheck am 19.11.2009 auf dem im Plus befindlichen Konto bei der Deutschen Bank eingelöst und von dort an die Südwestbank zur Begleichung seiner Schulden in Höhe von 3.926,61 EUR überwiesen und darüber hinaus weitere Barschulden in Höhe von 190 EUR beglichen hat. Damit kann der Ast nachweislich zwar spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über diese Beträge verfügen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Anrechnung ein Ende findet. Eine Schuldentilgung ist grundsätzlich ausgeschlossen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.06.2009 (L 12 AS 2457/09 ER-B), in dem der dortige 12. Senat unter Hinweis auf Rechtsprechung und Kommentierung ausgeführt hat, dass die Regelung zur Anrechnung von Einmalzahlungen in § 2 Abs. 4 Satz 3 Alg II-Verordnung kaum die existenzsichernde Funktion des SGB II verdrängen dürfte und auch der in § 34 SGB II geregelte Erstattungsanspruch voraussetze, dass sogar bei sozialwidrig herbeigeführter Hilfebedürftigkeit gleichwohl ein Leistungsanspruch bestehe, so dass viel dafür spreche, dass die Anrechnung jedenfalls dann ein Ende finde, wenn die entsprechenden Mittel, auf deren Verbrauch der Hilfebedürftige angewiesen sei, tatsächlich nicht mehr vorhanden seien. Dies gelte - so der 12. Senat - umso mehr, als die Ast "gutgläubig" über ihren Erbteil verfügt habe. Es sei ihr bei ihrer Vorsprache beim Ag am 03.12.2008 nicht gesagt worden, dass im Hinblick auf das Erbe keine Leistungen mehr gewährt würden, selbst wenn dieses zur Schuldentilgung direkt an die Schwester ausgezahlt würde. Der von der Gegenansicht für Fälle echter Notlagen vorgeschlagene Weg über eine darlehensweise Hilfegewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II sei insoweit nicht befriedigend, als die Ast dann keinen Krankenversicherungsschutz hätten. Hier stellt sich der Sachverhalt in entscheidenden Punkten anders dar. Insbesondere war der Ast im Gegensatz zur Ast im vom 12. Senat entschiedenen Fall nicht "gutgläubig". Er hat genau gewusst, dass er das Geld nicht zur Schuldentilgung verwenden darf. Dies ergab sich aus dem - einfach gefassten - Schreiben des Ag vom 12.10.2009, der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung vom 21.10.2009 und wurde dem Ast auch besonders deutlich mit den Konsequenzen im Bescheid vom 23.10.2009 dargelegt. Der Ast hat entsprechende Erläuterungen auch mündlich erhalten. Dass er dies verstanden hat, macht auch sein Vorbringen beim SG am 12.10.2009 deutlich. Seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat er damit begründet, dass er von der Agentur die Auskunft erhalten habe, dass ihm die Entschädigung als Einkommen angerechnet werde. Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht auf die Erkrankung des Ast stützen, nachdem es sich nur um eine leichte Demenz handelt und der Ast für den Fall, dass er die Erläuterungen aufgrund seiner Erkrankung vergessen haben sollte, jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, sich an Hand seiner schriftlichen Unterlagen zu informieren und nachzuschauen. Auf Grund der vorgegangenen Erläuterungen hat sich der Ast letztlich bewusst der ihm zur Verfügung stehenden Mittel entledigt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Ast mit Ausnahme der 190 EUR keine Darlehensverbindlichkeiten getilgt hat, die er aufnehmen musste, weil er die Kosten seines Lebensunterhalts nicht bestreiten konnte. Vielmehr handelt es sich bei den Verbindlichkeiten gegenüber der Bank um Schulden aus einer früheren Zeit. Eine Vollstreckung stand noch nicht unmittelbar bevor. Auch verhielt es sich nicht so, dass die Bank den eingereichten Scheck sofort verrechnet hätte, weil auf diesem Konto ein Minus bestand. Vielmehr hat der Ast den Scheck auf seinem sich im Plus befindlichen Konto bei der Deutschen Bank eingelöst. Darüber hinaus fällt auch noch ins Gewicht, dass der Ast weiterhin aufgrund der ihm nach wie vor gewährten Leistungen in Höhe von 6 EUR monatlich krankenversichert ist. Im Hinblick darauf kann sich der Ast im Gegensatz zu dem vom 12. Senat entschiedenen Fall hier nicht darauf berufen, dass er nicht mehr über das Geld verfügt. Die Anrechnung findet mit dem Verbrauch kein Ende.

2. Streitgegenstand des Verfahrens ist, nachdem es sich um die gleiche Leistung und den gleichen Zeitraum handelt, auch der beim SG gestellte weitere Antrag des Ast, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 25.12.2009 zu bewilligen. Dieser Antrag ist als Hilfsantrag im Rahmen der Beschwerde zu überprüfen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ast vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).

Vorliegend käme nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

Dahingestellt bleiben könnte, ob ein Anordnungsanspruch besteht, nachdem der Ast die Ausstellung eines Lebensmittelgutscheins abgelehnt hat.

Denn es fehlte jedenfalls am Bestehen eines Anordnungsanspruches. Wie unter 1. ausgeführt ist der Ast aufgrund des Einkommenszuflusses nur noch in Höhe von 6 EUR monatlich hilfebedürftig. Ein darüberhinausgehender Anspruch besteht unter Bezugnahme auf die Ausführungen unter 1. auch nicht in Folge des Verbrauches des Geldes.

3. Die Beschwerde des Ast gegen den die Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 9 AS 4534/09 ER ablehnendes Beschluss des SG vom 28.12.2009 hat keinen Erfolg. Eine hinreichende Erfolgsaussicht des Begehrens des Ast lag, wie sich aus den Ausführungen unter 1. ergibt, nicht vor.

4. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren ist unter Berücksichtigung der oben gemachten Ausführungen mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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