S 8 U 120/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 120/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 180/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Aufschlüsselung von Unternehmenszweigen in dem jeweiligen Strukturschlüssel zu einem Gefahrtarif kann zur Interpretation und Konkretisierung dieses Gefahrtarifs herangezogen werden.
1. Die Klage wird abgewiesen

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Veranlagung der Klägerin in den Gefahrtarif der Beklagten aus dem Jahr 2010.

Im März 2005 teilte die Klägerin der Edel- und Unedelmetall Berufsgenossenschaft mit, dass sich ihr Unternehmen mit der Vermessung von Verbrennungsmotoren auf Prüfständen beschäftige. In abgeschlossenen, schall- und mediendichten Räumen würden die Verbrennungsmotoren von automatisierten Steuerungsanlagen gefahren und vermessen. Die Tätigkeit der Mitarbeiter beschränke sich auf den Motoraufbau, das Auswerten der Messdaten, den Motorabbau und ggf. die Motorzerlegung. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 veranlagte die Edel- und Unedelmetall Berufsgenossenschaft die Klägerin zur Tarifstelle 070901 "Spanabhebende Bearbeitung von Nichteisenmetallen" mit der Gefahrklasse 1,56. Gegen diesen Bescheid legte die Kläger mit Schreiben vom 3. Januar 2006 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass eine Einordnung zur Tarifstelle 08 "Herstellung von Kraftwagen einschließlich Motoren" erfolgen solle, da die Beschreibung dieses Unternehmenszweiges exakt auf ihre Tätigkeiten passe. Die Klägerin sei als Dienstleistungsunternehmen im Bereich Automobile mit dem Testen von Motoren auf Motorprüfständen tätig. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2006 beantwortete die Klägerin ihr gestellte Fragen dahingehend, dass Serienmotoren mit Modifikationen getestet, aber keine Produkte hergestellt würden. Die Tätigkeiten umfassten die Pflege und die Wartung von Motoren und Prüfstände sowie die Programmierung der Prüfabläufe. Im Unternähmen gäbe es nicht mehrere Bereiche oder Betriebsteile. Mit Schreiben vom 17. November 2006 nahm die Klägerin schließlich ihren Widerspruch zurück.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 2009 veranlagte die Beklagte die Klägerin zum 1. Januar 2010 zur Tarifstelle 032002 "Material- und Funktionsprüfung von Teilen und Baugruppen" ihres Gefahrtarifs mit der Gefahrklasse 1,78. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Januar 2010 Widerspruch ein. Sie begründete diesen damit, dass sie kein Unternehmen zur Herstellung von Maschinen oder Maschinenteilen, sondern ein Unternehmen aus der Automobilindustrie sei und fertige Motoren und technische Systeme zur Abgasnachbehandlung entwickele und erprobe. Deshalb werde die Eingruppierung in die Tarifstelle 05 beantragt.

In einem Vermerk vom 1. Juni 2010 über Gespräch mit der Klägerin hielt die Beklagte fest, dass Herr CC von der Klägerin mitgeteilt habe, dass es sich bei dem Unternehmen nicht um einen Herstellungsbetrieb, sondern um einen Dienstleistungsbetrieb handele. Das Unternehmen prüfe Motoren und Abgasanlagen für die Kfz-Industrie. Bei den Prüfungen würden die Motoren bzw. Abgasanlagen in den vorhandenen Prüfständen aufgebaut und betrieben. Während des Betriebes würden die verschiedenen Bedingungen vorgegeben und die dabei entstehenden Belastungen, Kräfte, Abgaswerte etc. ermittelt. Ein großer Teil der Arbeitszeit entfalle auf die Einrichtung der Prüfstände und den Aufbau der Motoren.

Mit Schreiben vom 24. September 2010 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass der Schwerpunkt des Unternehmens ausschließlich im Testen, Erforschen, Erproben von Motoren liege. In diesem Forschungsinstitut würden unter anderem Produkte der HZ. AG, schwerpunktmäßig aber Motoren für die Automobilindustrie auf ihre Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit hin auf Prüfständen getestet. Die künftige Veranlagung in die Gefahrtarifstelle 03 "Material- und Funktionsprüfungen von Teilen und Baugruppen" mit der Gefahrenklasse 1,78 sei nicht zutreffend. Richtig sei vielmehr die Einstufung in die Tarifstelle 50101 "Forschungsinstitut für Kfz-Wesen" mit der Gefahrklasse 0,87.

In einem Vermerk vom 25. Juli 2011 über ein weiteres Gespräch mit der Klägerin hielt die Beklagte fest, dass das Unternehmen präzise Aufträge, insbesondere von Firmen der Automobilbranche, erhalte und Motoren oder Abgasanlagen getestet und erprobt würden. Um die gewünschten Resultate zu bekommen, müssten auch die eigenen Messgeräte/Prüfstände weiterentwickelt werden. Die "Hardware" (z.B. Motoren ) werde geliefert. Es werde nichts selbst hergestellt. In immer stärkerem Maße sollen auch (Verbessungs-)Vorschläge erforscht und erprobt werden, damit bestimmte Parameter oder Ziele erreicht würden.

In dem Vermerk ist auch festgehalten, dass eine Veranlagung zur Tarifstelle "Forschungsinstitut für Kfz-Wesen" nicht in Betracht komme, weil keine Grundlagenforschung, die bislang unbekannte Mechanismen und Funktionen aufkläre, betrieben werde und weil keine angewandte Zweckforschung betrieben werde, wobei Zweckforschung alle planvollen und systematischen Aktivitäten auf der Basis wissenschaftlicher Methoden umfasse, deren Ziel der Erwerb neuen Wissen sei. Vielmehr seien die Aufträge oder Ziele des Auftrags vom Auftraggeber präzise vorgegeben. Es werde geprüft, ob ggf. auch durch Veränderungen an der Hardware ein Ziel erreicht werde. Die Zuordnung zur Tarifstelle "Material- und Funktionsprüfung von Teilen und Baugruppen" sei insofern korrekt. Die Klägerin sei nicht mit dem einzigen Unternehmen, welches zur Tarifstelle 05101 "Forschungsinstitut für Kfz-Wesen" veranlagt sei, zu vergleichen. Zwar würden die hier beschriebenen Dienstleistungen (auch) dort angeboten, jedoch werde dort vordergründig Grundlagen- und Zweckforschung betrieben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid vom 21. Dezember 2009 als unbegründet zurück. Die Beklagte begründete diese damit, dass nach den vorliegenden Betriebsbeschreibungen und nach den Feststellungen des Beratungs- und Prüfdienstes vor Ort im Unternehmen der Klägerin Verbrennungsmotoren auf eigenen Prüfständen betrieben würden, um deren Betriebsverhalten zu testen. Die Klägerin selbst beschreibe die Abläufe demnach mit dem Montieren und Demontieren der zu prüfenden Motoren auf den Prüfständen und in Ausnahmefällen auch die völlige Motorenzerlegung. Die Klägerin stelle dabei selbst keine Motoren her, sondern pflege und warte die Motoren auf den Prüfständen und programmiere die Testabläufe. Die Prüfstände seien in abgeschlossenen schall- und mediendichten Räumen aufgebaut und würden von außen gesteuert im Testlauf vermessen. Das Erstellen der Auswertungsprotokolle falle in die Zuständigkeit der Klägerin. Die Klägerin prüfe somit Motoren und Abgasanlagen für die Kfz-Industrie. Bei den Prüfungen würden Motoren oder Abgasanlagen in den vorhandenen Prüfständen aufgebaut und betrieben. Während der Tests würden die verschiedensten Bedingungen vorgegeben und die sich einstellenden Belastungen, Kräfte, Abgaswerte, etc. ermittelt und protokolliert. Der arbeitsmäßige Schwerpunkt bilde dabei das Ein-, Aus- und Umrüsten der Prüfstände. Die Klägerin sei außerdem partiell in der Lage, mit vorgegebenen Werten die Ausgangslage auf dem Prüfstand nachvollziehen zu können und damit über unechte Simulationen hinaus Erfahrungen zu Motorlauf, Abgasverhalten und Abnutzung zu erhalten.

Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin unterhalte sie keine eigene Fertigung, sondern bekommen die "Hardware" mit einer konkreten Aufgabenstellung vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Einstellungen und Veränderungen der Parameter würden durchweg durch Messungen und Prüfungen festgestellt.

Die Unternehmen mit dem Geschäftsgegenstand der Klägerin würden in dem für die Beurteilung maßgebenden Gefahrtarif der Beklagten ab 1. Januar 2010 regelmäßig unter der Tarifstelle 032002 "Material und Funktionsprüfungen von Teilen und Baugruppen" zu einer Gefahrengemeinschaft zusammengefasst.

Die Veranlagung zur Gefahrklasse 0,87, Tarifstelle 05 "Herstellung von Kraftwagen (PKW, LKW, Omnibusse), Straßenzugmaschinen, Ackerschleppern und Motorrädern einschließlich deren Motoren, Herstellung vollständiger technischer Systeme für Kraftwagen, Straßenzugmaschinen und Ackerschleppern aus mehreren Bauelementen unterschiedlicher Bereiche wie Mechanik, Elektrik, Elektronik und Fluidtechnik (Bremse, Lenkung, Fahrwerk, Motor, Getriebe) in Serie, Gleitlagern und Achsen, Herstellung von Abgasanlagen, Schalldämpfer, und die Herstellung und Zusammenbau von Karosserieteilen zu Modulen" setze voraus, dass nach dem arbeitsmäßigen Schwerpunkt im Unternehmen entweder die in der Tarifstelle genannten Endprodukten oder vollständige technische System für Kraftwagen, Straßenzugmaschinen und Ackerschlepper hergestellt würden.

Die Prüfung der Betriebsverhältnisse habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Unternehmen der Klägerin technische Systeme der Mechanik, Elektrik, Elektronik, Bremse, Fahrwerk oder Achsen nach dem arbeitsmäßigen Schwerpunkt hergestellt würden.

Die Zuordnung zur Tarifstelle 050101 "Forschungsinstitut für Kfz-Wesen" setze voraus, dass im Unternehmen nach dem arbeitsmäßigen Schwerpunkt Forschungsarbeit betrieben werde, d.h. bisher unbekannte, nicht definierte, neue Erkenntnisse gesammelt würden (Forschung), die noch keinem realen Verwendungszweck zugeordnet werden können (Grundlagenforschung).

Diese betrieblichen Verhältnisse lägen nach den Feststellungen vor Ort und den Angaben der Klägerin im Wesentlichen jedoch nicht vor, da zum einen der Aufwand für das Ein-, Aus- und Umrüsten der Prüfstände sehr umfangreich sei und darüber hinaus nach einer präzisen Auftragslage der Kunden deren Waren und Produkte getestet und geprüft würden. Die Ergebnisse würden gemessen und anhand vorgegebener Vorstellungen bewertet. Die Klägerin stelle weder ein Produkt noch eine Ware selbst her.

Dagegen richtet sich die am 27. September 2011 vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhobene Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie dem Bereich "Forschung und Entwicklung" zuzuordnen sei, da die von ihr durchgeführten Material- und Funktionsprüfungen den Zweck hätten, innovative Erkenntnisse zu gewinnen und so die Forschung voranzutreiben. Ihre forschenden Tätigkeiten bildeten den Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten. Sie müsse deshalb von der Beklagten der innerhalb der Tarifstelle 05 gebildeten Gruppe der Forschungsinstitute für Kraftfahrzeugwesen, die nicht auf Institute der Grundlagenforschung beschränkt sei, zugeordnet werden und sei deshalb in die Tarifstelle 05 einzuordnen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 21. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 6. September 2011 zu verurteilen, sie statt in der Tarifstelle 03 in der Tarifstelle 05 des Gefahrtarifes zu veranlagen.

Die Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält ihre Bescheide für zutreffend. Sie weist darauf hin, dass sie im Gefahrtarif 2010 unter der Tarifstelle 036100 diejenigen Unternehmen nach technologischen Aspekten in einem Gewerbezweig zusammengefasst habe, die nach dem arbeitsmäßigen Schwerpunkt mit der Material- und Funktionsprüfung von Teilen und Baugruppen als Geschäftszweck befasst seien. Unternehmen dieses Gewerbezweiges hätten keine eigenen Produkte und Waren als Hersteller am Markt, sondern träten mit einem Angebot zu technischen Dienstleistungen den Kunden gegenüber auf. Es handele sich um solche Betriebe, die entweder Rohstoffe, Halbzeuge, teilgefertigte oder fertig bearbeitete Produkte und Waren nach Materialeigenschaften oder auf Funktionalität und Maßhaltigkeit mittels zerstörungs- bzw. zerstörungsfreien Prüfmitteln und -methoden (z.B. Prüfstände) für Dritte messen, testen, überprüfen und dokumentieren, um damit geschaffene Potenziale (Wissen, Fähigkeiten oder Prozesse) in konkrete, absatzfähige Produkte und Waren umzusetzen, mit dem Ziel nach Kundenvorgabe die Markteinführung eines neuen oder veränderten, weil überarbeiteten Produktes, zu erreichen. Dagegen seien im Gefahrtarif 2010 unter der Tarifstelle 051700 nur diejenigen Unternehmen nach technologischen Aspekten zusammengefasst, die nach dem arbeitsmäßigen Schwerpunkt mit der (Grundlagen-)Forschung im Kraftfahrzeugwesen befasst seien. Wesentliche Merkmale seinen dabei die wissenschaftlichen Maßstäbe und Grundsätze der Forschung im Allgemeinen und insbesondere bezogen auf alle Gebiete des Kraftfahrzeugwesens. Unternehmen in diesem Gewerbezweig wiesen nach dem arbeitsmäßigen Schwerpunkt eine große Nähe zu Universitäten und vergleichbaren Bildungs- und Forschungsinstituten anderer Fachrichtungen aus, förderten Wissenschaft und Forschung durch im Interesse der Allgemeinheit liegende Forschungsprojekte. Die Unternehmen veröffentlichten dabei ihre Forschungsergebnisse zeitnah, arbeiteten gutachtlich und würden regelmäßig auch mit öffentlichen Mitteln gefördert. Im Gegensatz dazu nehme die Klägerin jedoch Material- und Funktionsprüfung von Teilen und Baugruppen vor und sei kein Unternehmen der Grundlagenforschung im Kraftfahrzeugwesen und daher in die Tarifstelle 03 und nicht in die Tarifstelle 05 einzuordnen.

Die Beklagte weist außerdem darauf hin, dass die einzigen beiden Unternehmen, die in die Tarifstelle 051700 eingruppiert worden seien, das Forschungsinstitut XY. und die Forschungsinstitut XZ. gGmbH, die auch die Namensgeber für diese Tarifstelle seien, möglicherweise zu Unrecht dort eingruppiert worden seien. Derzeit werde eine Umgruppierung dieser beiden Unternehmen geprüft.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 6. September 2011, mit dem die Beklagte die Klägerin in die Tarifstelle 03 veranlagt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist von der Beklagten zu Recht in die Tarifstelle 03 eingeordnet worden. Sie ist nicht der Tarifstelle 05 zuzuordnen.

Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) veranlagt der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Der ab 1. Januar 2010 geltende Gefahrtarif der Beklagten fasst unter der Tarifstelle 03 mit der Gefahrklasse 1,78 folgende Unternehmenszweige zusammen:

- Herstellung von Maschinen aller Art, fahrbaren Maschinen, Hebezeugen und Fördermitteln, Motoren (ohne solche für Kraftwagen, Zugmaschinen und Krafträder), Triebwerken für Luft- und Raumfahrzeuge, Armaturen über 2 kg
- Herstellung und Instandhaltung von Schienenfahrzeugen
- Herstellung von Maschinenteilen
- Herstellung von Werkzeugen, Maschinen- und Präzisionswerkzeugen, Schneidwaren, Bestecken, Gesenkbau und Modellbau
- Mechanische Fertigung (drehen, bohren, fräsen), Automatendreherei
- Herstellung von Metallmöbeln, Heizgeräten, Kochgeräten
- Edelmetallgewinnung mit -Verarbeitung
- Herstellung von Kunststoffprodukten, Bearbeitung von Kunststoff

Der Beschreibung der Unternehmenszweige, die unter der Tarifstelle 03 zusammengefasst werden, liegt ein Strukturschlüssel mit einer weiteren Aufschlüsselung der von der Tarifstelle 03 erfassten Unternehmenszweige zugrunde. Die dort aufgeführte Tarifstelle 32002 lautet: "Material- und Funktionsprüfungsprüfung von Teilen und Baugruppen".

Unter der Tarifstelle 05 mit der Gefahrklasse 0,87 fasst die Beklagte folgende Unternehmenszweige zusammen:

- Herstellung von Kraftwagen (Pkw, Lkw, Omnibusse), Straßenzugmaschinen, Ackerschleppern und Motorrädern einschließlich deren Motoren,
- Herstellung vollständiger technischer Systeme für Kraftwagen, Straßenzugmaschinen und Ackerschlepper aus mehreren Bauelementen unterschiedlicher Bereiche wie Mechanik, Elektronik und Fluidtechnlk (Bremse, Lenkung, Fahrwerk, Motor, Getriebe) in Serie, Gleitlagern und Achsen
- Herstellung von Abgasanlagen, Schalldämpfern
- Herstellung und Zusammenbau von Karosserieteilen zu Modulen

Der Beschreibung der Unternehmenszweige, die unter der Tarifstelle 05 zusammengefasst werden, liegt ein Strukturschlüssel mit einer weiteren Aufschlüsselung der von der Tarifstelle 05 erfassten Unternehmenszweige zugrunde. Die dort aufgeführte Tarifstelle 50101 lautet: "Forschungsinstitut für Kfz-Wesen".

Die Einordnung der Klägerin zu einer der zwischen den Beteiligten streitigen unmittelbar im Gefahrtarif der Beklagten genannten Tarifstellen 03 oder 05 anhand der dort genannten Unternehmenszweige ist vom Wortlaut der beschriebenen Unternehmenszweige nicht möglich. Alle in der Tarifstelle 05 unmittelbar aufgeführten Unternehmenszweige befassen sich mit der Herstellung von Automobilien oder mit bestimmten Teilen von Automobilen. Die Klägerin stellt aber nichts her, sondern bietet Prüf- und Testdienstleistungen an. Sie wird damit vom Wortlaut der unmittelbar in der Tarifstelle 05 genannten Unternehmenszweige nicht erfasst. Die in der Tarifstelle 03 unmittelbar aufgeführten Unternehmenszweige haben alle entweder die Herstellung oder Instandhaltung von Produkten, die Mechanische Fertigung oder die Edelmetallgewinnung oder -verarbeitung zum Gegenstand. Die von der Klägerin durchgeführten Material- und Funktionsprüfungen werden damit auch vom Wortlaut der in dieser Tarifstelle unmittelbar aufgeführten Unternehmenszweige nicht erfasst. Vor Wortlaut der unmittelbar im Gefahrtarif aufgeführten Unternehmenszweige müsste die Klägerin daher der Tarifstelle 07 zugeordnet werden, da dort alle Betriebe erfasst sind, die keiner anderen Tarifstelle zugeordnet werden können, und eine Zuordnung der Tätigkeiten der Klägerin zu einem der in den übrigen Tarifstellen unmittelbar aufgeführten Unternehmenszweigen nicht möglich ist. Dies hätte zur Folge, dass die von der Beklagten erfolgte Veranlagung der Klägerin in der Tarifstelle 03 statt in der Tarifstelle 07 für die Klägerin nicht belastend wäre und sie deshalb keinen Anspruch eine Veranlagung in einer anderen Tarifstelle hätte.

Zur Präzisierung der von den verschiedenen Tarifstellen erfassten Unternehmenszweige lässt sich jedoch der jeweilige Strukturschlüssel heranziehen, der Grundlage für die Bildung des Gefahrtarifs durch die Beklagte war, weil hier differenzierter Unternehmenszweige erfasst werden, die nach der Datenerhebung und der Berechnung der Beklagten jeweils einem vergleichbaren Risiko unterliegen und deshalb den verschiedenen Tarifstellen zugeordnet werden. Die Aufschlüsselung der Unternehmenszweige in dem jeweiligen Strukturschlüssel stellt damit zumindest ein Begründungselement für den Gefahrtarif dar und kann deshalb zur Interpretation und Konkretisierung des Gefahrtarifs herangezogen werden.

Nach den im Teil II Nr. 3 des Gefahrtarifs der Beklagten getroffenen Regelungen können zwar Gesamtunternehmen, das sich aus Haupt- und Nebenunternehmen zusammensetzen, gesondert veranlagt werden. Dies setzt jedoch nach den von der Beklagten im Teil II Nr. 3 des Gefahrtarifs getroffenen Regelungen voraus, dass für die verschiedenen Unternehmenszweige jeweils ein besonderer Arbeitnehmerstamm, der nicht wechselseitig eingesetzt wird, tätig wird. Dafür, dass die Klägerin für den Auf- und Abbau der Motoren und die Einrichtung der Prüfstände einerseits und die Auswertung der Messergebnisse andererseits einen nicht wechselseitig eingesetzten besonderen Arbeitnehmerstamm beschäftigt, bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Damit sind die Tätigkeiten der Klägerin insgesamt einem der vom Gefahrtarif erfassten Betriebszweige zuzuordnen und können nicht gesondert veranlagt werden. Dabei kommt entweder eine Zuordnung zur Gruppe der Unternehmen, die die "Material- und Funktionsprüfungsprüfung von Teilen und Baugruppen" durchführen, oder eine Zuordnung zur Gruppe "Forschungsinstitut für Kfz-Wesen" in Betracht.

Die Abgrenzung der Unternehmenszweige in den Tarifstellen 03 und 05 ist ersichtlich so aufgebaut, dass von der Tarifstelle 05 speziell Unternehmenszweige aus dem Bereich der Automobilindustrie erfasst werden, die ohne diese spezielle Tarifstelle in die allgemein formulierte Tarifstelle 03 fallen würden. Hintergrund der Differenzierung zwischen beiden Tarifstellen ist ein signifikanter Risikounterschied für die jeweils in der Tarifstelle erfassten Unternehmensbereiche, der sich aus dem Verhältnis der in dem Unternehmensbereich gezahlten Entgelte zu den von der Berufsgenossenschaft dort gezahlten Leistungen ergibt und der es rechtfertigt, die verschiedenen Unternehmenszweige in unterschiedliche Tarifstellen mit unterschiedlichen Gefahrklassen einzuordnen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Einordnung in die beiden in Rede stehenden Untergruppen, nämlich die Tarifstelle 32002 "Material- und Funktionsprüfungsprüfung von Teilen und Baugruppen" und die Tarifstelle 50101"Forschungsinstitut für Kfz-Wesen", vorzunehmen.

Danach erscheint es gerechtfertigt, die Klägerin in die Gruppe 32002 "Material- und Funktionsprüfungsprüfung von Teilen und Baugruppen" einzuordnen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Kunden technische Dienstleistungen angeboten werden. Daraus dass diese Dienstleistungen mit Hilfe von Prüfständen erbracht werden, ergibt sich eine Risikogleichheit mit anderen technischen Dienstleistungen, die bei den Unternehmen der Gruppe 32002 "Material- und Funktionsprüfungsprüfung von Teilen und Baugruppen" angesiedelt sind. Eine Einstufung in die Gruppe 50101 "Forschungsinstitut für Kfz-Wesen" kann dagegen nur erfolgen, wenn das Risiko entsprechender forschender Tätigkeiten niedriger ist als bei der Erbringung technischer Dienstleistungen und dem Risiko der in der Tarifstelle erfassten Unternehmen, die Automobile oder bestimmte Automobilteile herstellen, entspricht. Davon ist aber bei der Klägerin nicht auszugehen, weil sie ihre Erkenntnisse gerade aus der Anwendung von technischen Geräten, den Prüfständen, ergibt und nicht plausibel ist, dass die Klägerin wegen der möglicherweise unterschiedlichen Zielrichtung der technischen Dienstleistung einem niedrigeren Risiko unterliegt als die Unternehmenszweige, die - ohne einen forschenden Ansatz - entsprechende technische Dienstleistungen zu reinen Überprüfungszwecken anbieten. Damit ist die Einordnung der Klägerin in die Gruppe 32002 "Material- und Funktionsprüfungsprüfung von Teilen und Baugruppen" zutreffend und eine Einordnung der Klägerin in die Gruppe 50101 "Forschungsinstitut für Kfz-Wesen" kann nicht erfolgen. Wenn die Beklagte Zweifel daran hat, ob die einzigen beiden Unternehmen, die der Gruppe 50101 "Forschungsinstitut für Kfz-Wesen" im Gefahrtarif der Beklagten zugeordnet sind, zu Recht in dieser Gruppe einsortiert wurden, und sich nach einer Überprüfung dieser beiden Unternehmen herausstellt, dass kein Unternehmen (mehr) existiert, dass in diese Gruppe einzuordnen ist, wäre diese Gruppe, der die Klägerin zugeordnet werden will, aufzulösen, so dass die Klägerin dort auch in Zukunft nicht zugeordnet werden kann.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin vollständig unterlegen ist.

Die Möglichkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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