Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 1997/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2647/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.05.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1954 geborene Kläger (GdB 40) hat nach eigenen Angaben in K. den Beruf des Tischlers erlernt. Von 1982 bis 1984 wurde er auf Kosten der Arbeitsverwaltung zum Berufskraftfahrer umgeschult, als solcher war er bis 2004 versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 18.5.2009 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Zuvor hatte er vom 11.9.2006 bis 2.10.2006 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Rheintalklinik, Bad K., absolviert. Im Entlassungsbericht vom 12.10.2006 sind die Diagnosen degeneratives WS-Syndrom mit Lumboischialgien links, Osteochondrosen L5/S1, Schädigung des sensiblen Anteils der Wurzel S1 links, zunehmende sensible Schädigung auch der L5-Wurzel links (ED 08/05) sowie Polyneuropathie bds. unklarer Genese festgehalten. Der psychische Befund sei unauffällig. Der (seit 10.4.2006 arbeitslose) Kläger könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten.
Die Beklagte veranlasste die mehrfachärztliche Begutachtung des Klägers.
Der Neurologe und Psychiater Dr. B. führte im Gutachten vom 14.9.2009 (u.a.) - zum psychischen Befund - aus, der Kläger sei bewusstseinsklar, sicher in allen Qualitäten orientiert, im Denken formal geordnet. Ungeachtet subjektiver Angaben (keine Konzentration) seien objektiv auch in der recht langen Exploration die Konzentration, Merkfähigkeit, das Gedächtnis und die Aufmerksamkeit bis zuletzt ungestört gewesen. Zumindest über die Dauer der langen Exploration (im Sitzen) werde eine Schmerzbeeinträchtigung nach außen so nicht erkennbar. Eine feste analgetische Medikation erfolge nicht. Die Antriebslage sei ebenfalls normal. Es sei immer wieder der Eindruck eines gewissen "Agierens" entstanden. Der Kläger sei im Grundtenor dysthym-gekränkt (vorrangig im Kontext mit einer Trennung 1999, seitdem im Wesentlichen allein lebend), durchaus aber affektiv wie inhaltlich hieraus auslenkbar. Der Gutachter diagnostizierte eine dysthyme Entwicklung im Kontext mit biografischer Problematik, vorbestehend wohl leicht histrionische, auch narzisstische Persönlichkeitszüge, rezidivierenden Schwindel unklarer Genese, erheblichen Nikotinabusus, LWS-Beschwerden (seit 1978 nach Art und Ausmaß unverändert, damals nach Angaben des Klägers LWK-2-Fraktur), ischialgieforme Beschwerden links mit teils S1-zuortbarer, teils im Querschnitt und auch im Längsschnitt nicht systematisierbarer und inkonsistent angegebener darüber hinausgehender sensibler Symptomatik, ohne motorische Ausfälle und ohne Hinweise für eine Blasen-Mastdarmstörung sowie klinisch jetzt kein Anhalt für eine sozialmedizinisch richtungsweisende polyneuropathische Störung. Aus der berichteten Psychotherapie seien keine näheren Unterlagen vorhanden. Eine eigenständige Antriebsstörung sei aus dem Querschnitt heraus nicht zu beschreiben. Es bestehe durchaus eine ausreichende inhaltliche wie affektive Auslenkbarkeit. Wenn eine Trimipramin-Medikation lediglich bedarfsweise erfolge, seien auch Möglichkeiten etwa einer adjuvanten thymoleptischen Behandlung bei Weitem nicht ausgereizt. Hinsichtlich ischialgieformer Beschwerden finde eine konsequente Schmerztherapie nicht statt. Eine radikuläre Reizsymptomatik sei nicht festzumachen. Der Kläger könne wenigstens leichte, in Spitzen mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig verrichten. Die ambulante Psychotherapie (nur alle 6 Wochen) solle ungeachtet der sozialmedizinischen Beurteilung regelmäßig erfolgen.
Der Chirurg Dr. W. führte im Gutachten vom 1.10.2009 aus, bei dem Motorradunfall des Klägers im Jahr 1978 könne (entgegen anderer Angaben des Klägers) von einer Zertrümmerung der Wirbelkörper mit eventueller Beeinträchtigung der Hinterkante keinesfalls ausgegangen werden. Im Jahr 2004 habe der Kläger eine Strecksehnendurchtrennung in Höhe des Grundgelenkes D III erlitten. Hier liege (abgesehen von einem geringen Streckdefizit) eine weitgehende Wiedergewinnung der Funktion vor. Auf orthopädischem Fachgebiet sei der Kläger nur gering erkrankt. Der Gutachter diagnostizierte einen Z. n. gesicherter LWK-2-Fraktur mit leichter Keilwirbelbildung bei stehender Hinterkante und einen Z. n. Strecksehnenverletzung III. Finger rechts mit weitgehender Wiederherstellung der Funktion. Die gesicherte LWK-2-Fraktur habe röntgenologisch nur geringe pathologische Veränderungen hinterlassen. Trotzdem komme es immer wieder zu Schmerzzuständen des Rückens. Vom Kläger werde wenig im Sinne einer selbst erlernten Wirbelsäulengymnastik durchgeführt. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könne er (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten.
Im zusammenfassenden Gutachten vom 12.10.2009 führte MDir L. (unter Zusammenfassung der Diagnosen: Streckdefizit von 15° am 3. Strahl der rechten Hand und Daumensattelgelenksarthrose rechts mit Kraftminderung, rezidivierende lumboischialgieforme Beschwerden links bei fraglicher Wurzelreizung S 1 links, unter Keilbildung abgeheilte Fraktur des 2. LWK (1978) mit Belastungsbeschwerden ohne wesentliche Funktionsbehinderung, dysthyme Entwicklung, Raumforderung am Oberpol der linken Niere, bekannt seit 12/04, degeneratives Cervikalsyndrom ohne neurologische Ausfälle, chronisch überhöhter Alkoholkonsum ohne nachweisbare Zielorganschäden) aus, eine quantitative Leistungsminderung sei nicht zu begründen, da schwerwiegende Funktionseinschränkungen weder am Bewegungsapparat noch neurologisch-psychiatrisch nachzuweisen seien. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mehr als 6 Stunden täglich verrichten.
Mit Bescheid vom 15.10.2009 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13.4.2010 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei nicht erwerbsgemindert (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) und könne auch Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) nicht beanspruchen, da er als Kraftfahrer eine Tätigkeit des unteren Anlernbereichs verrichtet habe und deshalb auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbar sei.
Am 10.5.2010 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Die Beklagte habe im Widerspruchsverfahren die angeregte Befragung behandelnder Ärzte nicht durchgeführt. Wegen seiner zahlreichen Erkrankungen könne er nicht mehr vollschichtig arbeiten.
Das Sozialgericht zog die Akten des (durch Klagerücknahme beendeten) Schwerbehindertenverfahrens S 12 SB 2503/07 bei (darin u.a. Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 28.5.2008: depressive Anpassungsstörung bei etwas verlangsamtem Antrieb, leicht gedrückter Affektivität und Schwingungsarmut mit bei adäquater Therapie positiver Prognose, Einzel-GdB 20) und befragte behandelnde Ärzte. Der Nervenarzt Dr. H. teilte im Bericht vom 29.10.2010 mit, er behandele den Kläger seit 19.11.2009. Eine Depression des Klägers, die sich nur inkomplett gebessert habe, bedinge Probleme in der Interaktion mit der Umwelt; soziale Kontakte seien erschwert. Auch die Konzentration und Umstellungsfähigkeit seien beeinträchtigt. Der Kläger könne 3 bis 6 Stunden täglich arbeiten. Der Orthopäde Dr. Z. gab eine Leistungseinschränkung im Bericht vom 6.10.2010 nicht ab.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.5.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, da er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Daran hinderten ihn weder Erkrankungen des psychiatrischen noch des orthopädischen Fachgebiets. Das gehe aus den Gutachten des Dr. B. bzw. des Dr. W. überzeugend hervor und folge im Ergebnis auch aus Äußerungen des behandelnden Nervenarztes Dr. H ... Auch Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) stehe dem Kläger nicht zu; Berufsschutz als Facharbeiter bestehe nicht und sei auch nicht geltend gemacht.
Auf den ihm am 3.6.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.6.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung bekräftigt er unter Vorlage weiterer Arztberichte sein bisheriges Vorbringen. Das Sozialgericht habe seinen Hausarzt Dr. L. nicht befragt; dieser halte ihn für erwerbsgemindert. Dr. H. habe ihm bestätigt, dass er im Bericht vom 29.9.2010 eigentlich ein Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden habe mitteilen wollen. Sein Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert. Nach Auffassung des Dr. H. (Atteste vom 7.7.2011 und 21.6.2012) sei wegen der inzwischen chronifizierten Depression auch halbschichtiges Leistungsvermögen nicht mehr zu erwarten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.5.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.4.2010 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und hat (zunächst) die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. H. vom 15.8.2011 und 13.1.2012 (zu den vom Kläger vorgelegten Arztberichten) vorgelegt. In der letztgenannten Stellungnahme wird festgestellt, dass eine arterielle Verschlusskrankheit und (in orthopädischer Hinsicht) eine relevante Spinalkanalstenose oder ein Bandscheibenvorfall ausgeschlossen worden sind; der neurologische, orthopädische bzw. angiologische Zustand sei unverändert.
Im Hinblick auf einen Bericht des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) C. vom 30.3.2012 über stationäre Behandlung des Klägers vom 20.12.2011 bis 31.1.2012 (rezidivierende depressive Störung gegenwärtig schwere Episode, Entlassung mit gebessertem Antrieb und stabil zuversichtlicher Stimmung, Ablehnung einer tagesklinischen Weiterbehandlung; Zuversicht des Klägers, den Alltag wieder selbst gestalten zu können - Bericht vom 30.1.2012) hat der Senat auf Anregung des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. Dr. B. (Klinikum St., Klinik für Spezielle Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie) vom 14.1.2013 (mit ergänzender Stellungnahme vom 27.3.2013) erhoben. Die Beklagte hat beratungsärztliche Stellungnahmen vorgelegt.
Prof. Dr. Dr. B. hat in seinem Gutachten (u.a.) ausgeführt, der Kläger besuche ungefähr einmal im Monat die Tagesstätte in Pforzheim; mehr brauche er nicht und wolle er auch nicht. Hinsichtlich einer psychiatrischen Behandlung könne er sich derzeit nur vorstellen, weiterhin regelmäßig zu Dr. H. als Gesprächspartner zu gehen. Der Kläger wirke affektiv deutlich depressiv, niedergeschlagen, in sich gekehrt und grübelnd. Er beschreibe eine ausgeprägten Antriebs- und Motivationsverlust, ausgeprägte Schlafstörungen und Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus. Der Gutachter hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode (mit Chronifizierung und bei chronischer psychosozialer Belastungssituation) ohne psychotische Symptome, Agoraphobie mit Panikstörung und Nikotinabhängigkeit (40 bis 60 Zigaretten/Tag) diagnostiziert. Beim Kläger bestehe seit Jahren eine rezidivierende depressive Störung, die sich im Rahmen verschiedener biografischer Belastungen entwickelt habe und aktuell ein schweres depressives klinisches Bild mit Chronifizierungszeichen aufweise. Außerdem habe der Kläger im Lauf der letzten 3 bis 4 Jahren eine Agoraphobie mit Panikattacken, wenn er unter mehreren Menschen sei und im Zusammenhang mit Fahrern in Verkehrsmitteln, entwickelt. Die depressive Erkrankung habe im Lauf der letzten Jahre eine zunehmende Chronifizierungstendenz bei nur eingeschränkten Bewältigungsmöglichkeiten u.a. bei geringem Bildungsausgangsniveau und bei fehlender sozialer Unterstützung und Integration gezeigt. Neben einer längerfristig durchgeführten medikamentösen antidepressiven Behandlung habe nur einmal eine stationäre psychiatrische Behandlung im ZfP C. stattgefunden. Dort habe man ebenfalls eine rezidivierende depressive Störung, seinerzeit schwere Episode, diagnostiziert. Nach der stationären Behandlung sei es dem Kläger kurzfristig, jedoch nur für einige Wochen, besser gegangen. Eine weiterführende tagesklinische Behandlung habe der Kläger damals abgelehnt. Er besuche nur etwa einmal im Monat ein niederschwelligeres Tageszentrum. Es sei zu einem raschen Rückfall in die vorbestehende schwere depressive Symptomatik mit weiterer Chronifizierung gekommen. Die klinische Präsentation des Klägers und seine Angaben über den Zwischenverlauf sprächen dafür, dass er seit dem Frühjahr 2012 wieder eine schwere depressive Symptomatik entwickelt habe mit (u.a.) ausgeprägter Antriebsverminderung, einem ausgeprägten sozialen Rückzug und großen Schwierigkeiten, den basalen Tagesablauf zu strukturieren.
Die psychischen Erkrankungen des Klägers seien grundsätzlich durch medikamentöse, psychotherapeutische und psychosoziale Maßnahmen behandelbar. Auch die leichte vorübergehende Besserung der Symptomatik während der stationären Behandlung im ZfP C. spreche dafür, dass die erheblichen psychischen Symptome durch eine Behandlung verbessert werden könnten. Auf der anderen Seite sei einschränkend zu berücksichtigen, dass die depressive Symptomatik und Angstsymptomatik mit den beschriebenen psychischen und sozialen Einschränkungen seit Jahren zunehmend chronifiziert sei, der Kläger in ausgesprochener Weise zurückgezogen und isoliert lebe, erhebliche Schwierigkeiten bei der basalen Alltagsgestaltung oder mit geringsten sozialen Anforderungen und Kontakten habe und schon bei niederschwelligen Anforderungen mit Angst und Überforderungsgefühlen reagiere. Im Hinblick darauf werde es nicht für möglich gehalten, die einschränkenden psychischen Symptome innerhalb eines halben Jahres ganz oder teilweise zu überwinden. Der Kläger befinde sich in prekärer finanzieller Situation, da er als starker Raucher nur wenig Geld für Lebensmittel zur Verfügung habe. Dies begünstige die soziale Vereinsamung und die gedankliche Einengung auf das finanzielle Durchkommen. Durch diese angespannte Situation seien die Ausgangsvoraussetzungen für eine indizierte längerfristige psychiatrische Behandlung zusätzlich eingeschränkt. Die Gewährung einer Rente (für 2 bis 3 Jahre) könnte den Kläger sozial und psychisch entlasten und damit die Voraussetzungen für eine längerfristige intensivierte psychiatrische Behandlung begünstigen. Der Kläger sei derzeit nur unter 3 Stunden täglich arbeitsfähig. Die festgestellte Leistungseinschränkung bestehe seit ca. Herbst 2011. Hinsichtlich einer Therapie bestehe aufgrund des mittlerweile langjährigen Erkrankungsverlaufs eine ungünstige Prognose. Es sei von einer deutlichen Verschlechterung und Chronifizierung der klinischen Symptomatik seit der Begutachtung durch Dr. B. auszugehen.
Die Beklagte hat hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme der Neurologin und Psychiaterin Dr. E. vom 18.2.2013 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, aus der Medikamentenanamnese mit fehlender Chronologisierung könne nicht entnommen werden, ob hinsichtlich der später diagnostizierten Depression eine leitliniengerechte antidepressive Therapie mit adäquaten Switches (Umstellungen) und Augmentationen (Ergänzungen) erfolgt sei. Erstaunlich sei, dass der Hausarzt Dr. L. den Kläger erst neun Jahre nach bestehender psychischer Problematik einem Psychiater und damit einer adäquaten Therapie zugeführt habe. Eine psychische Befindlichkeitsstörung depressiver Art sei letztendlich erst seit 2009 (Begutachtung durch Dr. B.) ärztlich dokumentiert und auch behandlungsbedürftig geworden. Das decke sich mit den Ausführungen des Prof. Dr. Dr. B., wonach der Kläger bei Dr. H. seit 2009 in Behandlung sei. Vor 2009 habe eine behandlungsbedürftige depressive Symptomatik nicht bestanden. Schlüssig sei die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung. Der Ausprägungsgrad einer schweren depressiven Episode bei der Begutachtung durch Prof. Dr. Dr. B. könne jedoch nicht nachvollzogen werden und erschließe sich anhand des psychischen Befundes nicht, da insgesamt nur zwei Kernsymptome, nämlich Erschöpfbarkeit und gedrückte Stimmung, objektivierbar dokumentiert seien. Alle weiteren Kernsymptome würden nur im Rahmen subjektiver Äußerungen des Klägers beschrieben. Der Ausprägungsgrad entspreche danach einer mittelgradig depressiven Episode mit zwei Kernsymptomen und 3 bis 4 Zusatzsymptomen (Hoffnungslosigkeit, Schlafstörungen, fluktuierende Suizidalität und zunehmende Konzentrationsprobleme). Hinsichtlich der Chronifizierung sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger während eines einzigen stationären psychiatrischen Aufenthalts im ZfP C. vom 20.12.2011 bis 31.1.2012 mit gebessertem Antrieb und stabil zuversichtlicher Stimmung entlassen worden sei. Damit ergäben sich im Rahmen der seit 2009 dokumentierten Erkrankung Phasen der Remission und somit der deutlichen Besserung der depressiven Symptomatik. Die zweite psychiatrische Diagnose des Prof. Dr. Dr. B. - Agoraphobie mit Panikstörung - sei anhand der aktuellen Anamnese schlüssig und nachvollziehbar.
Der Kläger sei offensichtlich bislang einer leitliniengerechten antidepressiven Therapie mit adäquaten Switches und Augmentationen nicht zugeführt worden. Anhand des Gutachtens des Prof. Dr. Dr. B. sei auch nicht ersichtlich, ob der zweite Pfeiler einer leitliniengerechten antidepressiven Therapie, nämlich eine Psychotherapie, jemals stattgefunden habe. Durch eine einzige akut-psychiatrische stationäre Behandlung habe sich eine Besserung der Symptomatik ergeben. Letztendlich bestehe beim Kläger eine dringende therapeutische Option mit nicht abzuschätzender Prognose hinsichtlich der depressiven Erkrankung. Entgegen der Auffassung des Gutachters dürfte die angespannte finanzielle Situation bei Nikotinabhängigkeit (tägliche Ausgaben für Zigaretten 20 EUR - für Lebensmittel noch 4 EUR verfügbar -) eher motivierend hinsichtlich einer Therapie wirken können, da eine entsprechende Entgiftungstherapie bei Abhängigkeit im psychiatrisch stationären Rahmen erfolgen könne.
Die Leistungseinschätzung des Prof. Dr. Dr. B. (unter 3 Stunden täglich) sei nicht nachvollziehbar, da die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung nach den einschlägigen Begutachtungsleitlinien zwar zu wiederholten, teilweise längeren Phasen der Arbeitsunfähigkeit führe, aber aufgrund der Remissionen (nach Abschluss einer adäquaten verhaltenstherapeutischen Therapie bei Agoraphobie) nicht zu einer erheblichen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit. Insgesamt könne das Gutachten aufgrund einiger struktureller Mängel, der unzutreffenden Einschätzung des Ausprägungsgrades der depressiven Episode und fehlender Beweisführung hinsichtlich der Chronifizierung nicht überzeugen. Insbesondere lasse sich eine längerfristige depressive Symptomatik nicht verfolgen. Es bleibe bei einem sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten. Dringend notwendig sei eine leitliniengerechte Antidepressionsbehandlung einschließlich einer adäquaten (wegen der Agoraphobie verhaltenstherapeutisch ausgerichteten) Psychotherapie.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27.3.2013 hat Prof. Dr. Dr. B. ausgeführt, er habe die Medikamentenanamnese aufgrund der Angaben des Klägers wiedergegeben. Der Kläger habe mitgeteilt, er nehme die angeführten Medikamente seit drei Jahren ein; sie seien ihm von Dr. H. verordnet worden. Weitere Antidepressiva habe der Kläger nicht angegeben. Auch nach seiner gutachterlichen Auffassung seien damit die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten der schweren depressiven Symptomatik bislang noch nicht ausgereizt worden. Gleichzeitig halte er aber an seiner prognostischen Einschränkung fest. Er finde es ebenfalls erstaunlich, dass der Hausarzt den Kläger erst nach neun Jahren an einen Psychiater verwiesen habe. Der Hausarzt habe die depressive Entwicklung möglicherweise zunächst nicht ausreichend erkannt. Dass vor 2009 eine depressive Erkrankung nicht ärztlich dokumentiert sei, müsse seine diagnostische Einschätzung nicht grundsätzlich infrage stellen. Er gehe weiterhin davon aus, dass der Kläger spätestens seit 2004 (Verlust des Arbeitsplatzes und Entscheidung der Partnerin, nicht zu ihm zurückzukehren) in eine psychiatrische Behandlung hätte überwiesen werden müssen. In diagnostischer Hinsicht liege eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mit schwerer depressiver Episode, vor. Bei der gutachterlichen Untersuchung und aufgrund der Angaben des Klägers habe neben den Kernsymptomen der Erschöpfbarkeit und depressiven Stimmung ein Verlust von Interesse und Freude als drittes Kernsymptom vorgelegen. Das ergebe sich klar aus den Schilderungen des Klägers. Insgesamt werde an der diagnostischen Einschätzung festgehalten. Es treffe zu, dass bisher eine ausreichende leitliniengerechte antidepressive medikamentöse Therapie nicht stattgefunden habe. Auch hinsichtlich einer psychotherapeutischen Behandlung sei nicht bekannt, dass der Kläger bisher einer regelmäßigen langfristigen ambulanten oder einer stationären Behandlung zugeführt worden wäre. Er sehe jedoch den Kläger aufgrund der mehrjährigen Chronifizierung und aufgrund des ausgeprägten chronifizierten Rückzugsverhaltens sowie der verschiedenen psychosozialen Belastungen einer psychotherapeutischen Behandlung erschwert zugänglich. Der Kläger werde dafür eine längere Zeit brauchen, bevor er in einer späteren Behandlungsphase langsam und schrittweise aufbauend über berufliche Rehabilitationsmaßnahmen wieder an eine Arbeitstätigkeit herangeführt werden könne. Dabei sei die zusätzliche Angsterkrankung erschwerend zu berücksichtigen. Prognostisch gehe er von einer längerfristigen Behandlungs- und Rehabilitationsnotwendigkeit aus, die zu einer langsamen Verbesserung der psychischen Situation führen könne und dem Kläger auch zumutbar sei. Für diesen längerfristigen therapeutischen Prozess halte er die Gewährung einer Zeitrente für medizinisch begründet und therapeutisch zur Unterstützung für sinnvoll. Er halte an seiner Leistungseinschätzung fest. Symptomfreie Remissionen habe er im Rahmen der Exploration nicht erheben können.
In der abschließenden beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29.7.2013 hat Dr. E. ausgeführt, dass der Hausarzt den Kläger erst neun Jahre nach Bestehen einer psychischen Befindlichkeitsstörung an einen Psychiater verwiesen habe, untermauere ihre Ansicht, wonach bis 2009 offensichtlich eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung, insbesondere eine Depression, nicht vorgelegen habe. Die Kernsymptome für die Beurteilung des Schweregrades einer Depressionserkrankung seien im Gutachten des Prof. Dr. Dr. B. nicht als objektivierbarer Befund festgestellt worden. Es bleibe bei einer mittelgradig ausgeprägten depressiven Episode. Nach Entlassung aus der stationären psychiatrischen Behandlung im ZfP C. vom 20.12.2001 bis 31.1.2012 habe (bei gebessertem Antrieb und stabil zuversichtlicher Stimmung) eine Remission vorgelegen. Von einer Chronifizierung der rezidivierenden depressiven Störung könne daher nicht ausgegangen werden. Die darauf gestützten Folgerungen des Prof. Dr. Dr. B. hätten damit keine hinreichende Grundlage und seien unschlüssig. Auf die Defizite hinsichtlich einer leitliniengerechten Begutachtung gehe Prof. Dr. Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht ein. Eine Änderung der Leistungseinschätzung sei insgesamt nicht veranlasst.
Vom 12.6.2013 bis 3.7.2013 hat der Kläger eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Fachklinik F., Bad H., absolviert (Anschlussheilbehandlung nach Herzinfarkt). Im Entlassungsbericht vom 4.7.2013 sind die Diagnosen akuter Myokardinfarkt, nicht näher bezeichnet, artheriosklerotische Herzkrankheit: Drei-Gefäßerkrankung, psychische Verhaltensstörungen durch Tabak: Abhängigkeitssyndrom, benigne essentielle Hypertonie: ohne Angabe einer hypertensiven Krise und rezidivierende depressive Störung (seit 2009), nicht näher bezeichnet, festgehalten. Aus kardialer Sicht bestehe ein Leistungsbild für leichte körperliche Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) für 6 Stunden täglich und mehr. Mit Rücksicht auf die rezidivierenden depressiven Episoden (bei deutlicher psychischer Belastung durch die familiäre Situation und aufgrund der Erkrankung und deutlich depressiver Stimmungslage) seien Arbeiten mit erhöhtem Konzentrations- und Reaktionsvermögen oder Verantwortung für Personen und Maschinen mit Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge nicht geeignet. Bezüglich der psychischen Situation sollte eine erneute sozialmedizinische Beurteilung gesondert erfolgen. Der Kläger könne als Lkw-Fahrer unter 3 Stunden täglich arbeiten, leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen, u.a. wegen der rezidivierenden depressiven Episoden keine Arbeiten mit erhöhtem Konzentrations- und Reaktionsvermögen oder Verantwortung für Personen und Maschinen mit Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge) aber 6 Stunden täglich und mehr verrichten.
Die Klinikärzte haben während der Rehabilitationsbehandlung auch eine psychologische Befunderhebung und Diagnostik durchgeführt. Bei psychometrischen Testungen (Beck-Depressions-Inventar als Selbstbeurteilungstest) habe sich eine mittelschwere Depression ergeben; beim Beck-Angst-Inventar deute das Ergebnis am ehesten auf eine Sozialphobie hin. Die Ergebnisse der psychologischen Diagnostik zeigten das Bild eines tief in der Stimmung gedrückten, resignierten Patienten. Bis zum Ende der Behandlung habe der Kläger durch die psychologischen Interventionen leicht affektiv stabilisiert werden können. Für die Zeit nach der Entlassung wolle er sich wieder intensiver mit dem behandelnden Psychiater vor Ort in Verbindung setzen. In psychologischer Hinsicht habe man eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, diagnostiziert.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Verfügung vom 20.7.2011 - vorsorglich - darauf hingewiesen, dass, sollte Berufsschutz beansprucht werden, Facharbeiter nach der Rechtsprechung des Senats auf den Beruf des Registrators verweisbar sind. Berufsschutz hat der Kläger nicht geltend gemacht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Er hat darauf keinen Anspruch.
Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist, und weshalb ihm danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren anzumerken:
Auch der Senat ist der Auffassung, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht aus den Verwaltungsgutachten der Dres. B. und Walzel bzw. des MDir L., den beratungsärztlichen Stellungnahmen der Dr. E. vom 18.2.2013 bzw. 29.7.2013 und dem Entlassungsbericht der Fachklinik F., Bad H., über die vom Kläger jüngst im Juni/Juli 2013 absolvierte stationäre Rehabilitationsbehandlung überzeugend hervor. Der abweichenden Auffassung des Prof. Dr. Dr. B. in dessen Gutachten vom 14.1.2013 (ergänzende Stellungnahme vom 27.3.2013) kann sich der Senat nicht anschließen.
In orthopädischer Hinsicht liegen rentenberechtigende Leistungseinschränkungen nicht vor. Das geht aus dem Verwaltungsgutachten des Dr. W. vom 1.10.2009 hervor. Dieser hat auf orthopädischem Fachgebiet nur geringe Erkrankungen ohne Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen gefunden; die im Jahr 2004 erlittene Strecksehnenverletzung am 3. Finger der rechten Hand hat keine ins Gewicht fallende Funktionseinschränkung hinterlassen. Auch die 1978 erlittene LWK-2-Fraktur ist weitgehend folgenlos abgeheilt. Dr. W. hat den Kläger demzufolge zu Recht für fähig erachtet, (jedenfalls) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Dr. H. hat in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.1.2012 (zu vom Kläger vorgelegten Arztberichten) bestätigt, dass sich der neurologische und orthopädische Zustand nicht verändert hat; dagegen wendet sich der Kläger auch nicht. Er stützt sein Rentenbegehren in erster Linie auf Erkrankungen des psychiatrischen Fachgebiets. Rentenberechtigende (zeitliche) Leistungseinschränkungen sind aber auch insoweit nicht festzustellen.
Dr. B. hat im Verwaltungsgutachten vom 14.9.2009 hinsichtlich des psychopathologischen Befunds bei einem gewissen "Agieren" des Klägers, einer normalen Antriebslage und ausreichender inhaltlicher wie affektiver Auslenkbarkeit lediglich eine dysthyme Entwicklung ohne Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers gefunden. Eine adäquate Depressionsbehandlung (ebenso eine adäquate Schmerzbehandlung) hat dementsprechend auch nicht stattgefunden. Zuvor hatte auch Dr. L. (im Schwerbehindertenverfahren S 12 SB 2503/07) nur eine depressive Anpassungsstörung mit etwas verlangsamtem Antrieb, leicht gedrückter Affektivität und Schwingungsarmut diagnostiziert (Gutachten vom 28.5.2008). Während der im September/Oktober 2006 in der Rheintalklinik, Bad K., durchgeführten stationären Rehabilitationsbehandlung war (noch) ein unauffälliger psychischer Befund erhoben worden. Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der behandelnde Psychiater Dr. H. im Bericht vom 29.9.2010 ein bis sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen, nach Angaben des Klägers aber ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen gemeint; weshalb der Kläger aber nur unter 6 Stunden täglich soll arbeiten können (Atteste des Dr. H. vom 7.7.2011 und 21.6.2012), ist aus entsprechenden psychopathologischen Befunden, insbesondere hinsichtlich des zeitlichen Durchhaltevermögens, nicht begründet. Bis Herbst 2010 ist damit eine rentenberechtigende Leistungsminderung wegen einer Depressionserkrankung nicht festzustellen.
Das im Berufungsverfahren erhobene Gutachten des Prof. Dr. Dr. B. bzw. die darin vertretene sozialmedizinische Leistungseinschätzung - unter 3 Stunden täglich seit Herbst 2011 - kann nicht überzeugen.
Hinsichtlich der Diagnostik kann mit Prof. Dr. Dr. B. davon ausgegangen werden, dass beim Kläger (jetzt) über einen dysthymen Verstimmungszustand hinaus eine Depressionserkrankung vorliegt. Allerdings ist das Vorliegen einer chronifizierten und schwerwiegenden Depressionserkrankung mit dauerhaften bzw. i. S. d. § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI auf nicht absehbare Zeit bestehenden (mindestens 6 Monate anhaltenden - vgl. etwa jurisPK-SGB VI/Freudenberg, § 43 Rdnr. 93) Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers nicht nachvollziehbar und schlüssig begründet. Das hat Dr. E. in den beratungsärztlichen Stellungnahmen vom 18.2.2013 und 29.7.2013 überzeugend dargelegt. Die Richtigkeit ihrer Auffassung hat sich im Rahmen der vom Kläger jüngst im Juni/Juli 2013 in der Fachklinik F., Bad H., absolvierten stationären Rehabilitationsbehandlung bestätigt.
Die Diagnose einer schweren depressiven Episode hat Prof. Dr. Dr. B. auf die einschlägigen Kernsymptome gestützt, sich dabei aber - hinsichtlich des Kernsymptoms Interesseverlust und Verlust der Freudefähigkeit - nicht ausreichend auf objektivierbare und entsprechend verifizierte Befunde, sondern auf subjektive Beschwerdeschilderungen des Klägers bezogen. Darauf hat Dr. E. in der ergänzenden beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29.7.2013 zutreffend hingewiesen. Für eine kritische(re) Würdigung des Beschwerdevorbringens hätte aber Anlass bestanden, da Dr. B. bei der Begutachtung des Klägers Inkonsistenzen und ein gewisses "Agieren" konstatiert hatte. So hatte Dr. B. ungeachtet anderslautender subjektiver Angaben des Klägers zu mangelnder Konzentrationsfähigkeit bis zum Ende seiner lange dauernden und eingehenden Exploration Störungen der Konzentration, der Merkfähigkeit, des Gedächtnisses und der Aufmerksamkeit nicht feststellen können; auch eine Schmerzbeeinträchtigung war nicht erkennbar geworden.
Die Ärzte der Fachklinik F., Bad H., haben im Juni/Juli 2013 ebenfalls nur eine mittelgradig ausgeprägte depressive Episode diagnostiziert und damit die Einschätzung der Dr. E. bestätigt (Entlassungsbericht vom 4.7.2013). In der Fachklinik F. hat der Kläger zwar eine internistische Anschlussheilbehandlung (nach Herzinfarkt) absolviert. Allerdings hat man dort auch eine eingehende psychologische Befunderhebung und Diagnostik (einschließlich psychometrischer Testverfahren) durchgeführt und nicht allein die internistische Erkrankung, sondern auch die Depressionserkrankung des Klägers im Zuge der medizinischen Rehabilitation behandelt. In der sozialmedizinischen Epikrise haben die Klinikärzte die Depressionserkrankung des Klägers gewürdigt und - auch gestützt auf die mehrwöchige Beobachtung des Klägers - schlüssig ein sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten angenommen und wegen der psychischen Erkrankung nur qualitative Leistungseinschränkungen (keine Arbeiten mit erhöhtem Konzentrations- und Reaktionsvermögen oder Verantwortung für Personen und Maschinen mit Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge) für erforderlich erachtet. Ihr ergänzender Hinweis, dass bezüglich der psychischen Situation eine erneute gesonderte sozialmedizinische Beurteilung erfolgen sollte, ändert daran nichts. Gründe hierfür werden nicht angegeben und drängen sich auch aus den übrigen Ausführungen des Berichts vom 04.07.2013 nicht auf.
Die Diagnostik von Prof. Dr. Dr. B. ist nicht nur im Hinblick auf den Ausprägungsgrad der Depressionserkrankung, sondern auch im Hinblick auf die Annahme einer (rentenrechtlich beachtlichen) Chronifizierung nicht überzeugend. Das geht ebenfalls aus den beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. E., gestützt durch den Entlassungsbericht der Fachklinik F. vom 4.7.2013, schlüssig hervor. Gegen einen in solchem Maße chronifiziert-verfestigten Krankheitsverlauf, dass (bereits) dauerhafte (mindestens 6 Monate anhaltende) und damit Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI begründende Einschränkungen des zeitlichen Leistungsvermögens und nicht nur Zeiten vorübergehender Arbeitsunfähigkeit nach § 44 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vorliegen würden, spricht zunächst, dass es bei der bislang einzigen und punktuell im Rahmen einer Krisenintervention durchgeführten stationären psychiatrischen Behandlung des Klägers zu einer Besserung im Sinne einer (jedenfalls teilweisen) Remission der Krankheitserscheinungen gekommen ist. Der Kläger ist nämlich - worauf Dr. E. zu Recht hinweist - aus der Behandlung im ZfP C. im Dezember 2011/Januar 2012 mit gebessertem Antrieb und stabil zuversichtlicher Stimmung entlassen worden (Bericht vom 30.3.2012); er hatte Zuversicht, seinen Alltag wieder selbständig gestalten zu können (Bericht vom 30.1.2012). Auch aus der Rehabilitationsbehandlung in der Fachklinik F. im Juni/Juli 2013 hat man den Kläger durch die psychologischen Interventionen leicht affektiv stabilisiert mit sechsstündigem Leistungsvermögen entlassen können (Entlassungsbericht vom 4.7.2013). Das zeigt, dass das von Prof. Dr. Dr. B. angenommene chronifizierte schwere Krankheitsbild so nicht vorliegt. Außerdem besteht unter den Gutachtern und Dr. E. Einigkeit darüber, dass vor dem Jahr 2009 ein (rentenrechtlich) relevantes depressives Krankheitsgeschehen nicht vorgelegen hat; dies wird durch den Entlassungsbericht der Rheintalklinik, Bad K., vom 12.10.2006 bestätigt, wonach bei der im September/Oktober 2006 durchgeführten stationären Rehabilitationsbehandlung ein unauffälliger psychischer Befund festgestellt worden war. Der Hausarzt des Klägers hat auch erst im Jahr 2009 eine psychiatrische Behandlung in die Wege geleitet. Wie dargelegt sind auch im Herbst 2010 rentenberechtigende Leistungseinschränkungen durch eine Depressionserkrankung nicht festzustellen. Die Langzeitbetrachtung unter Einbeziehung der jüngsten Entwicklung bei der Rehabilitationsbehandlung des Klägers im Juni/Juli 2013 spricht damit ebenfalls gegen den von Prof. Dr. Dr. B. angenommenen Krankheitsverlauf mit einem seit Herbst 2011 dauerhaft auf unter 3 Stunden täglich abgesunkenen Leistungsvermögen des Klägers.
Ins Gewicht fällt schließlich, dass eine leitliniengerechte Depressionsbehandlung zu keiner Zeit stattgefunden hat. Das hat bereits Dr. B. im Verwaltungsgutachten vom 14.9.2009 festgestellt. Prof. Dr. Dr. B. hat das in seinem Gutachten und in der ergänzenden Stellungnahme vom 27.3.2013 bestätigt. Er erachtet die psychische Erkrankung des Klägers ebenfalls für behandelbar durch medikamentöse, psychotherapeutische und psychosoziale Maßnahmen, wobei eine entsprechende adäquate Behandlung auch in psychotherapeutischer Hinsicht bislang nicht durchgeführt worden ist. Auch nach der Entlassung aus der stationären (Kriseninterventions-)Behandlung im ZfP C. (im Januar 2012) ist eine adäquate (Weiter-)Behandlung nicht aufgenommen worden. Eine tagesklinische Betreuung hat der Kläger abgelehnt. Auch im Übrigen sind intensivierte (psychopharmakologische oder psychotherapeutische) Behandlungsmaßnahmen nicht dokumentiert. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. Dr. B. hat der Kläger angegeben, er besuche (nur) ungefähr einmal im Monat eine (niederschwelligere) Tagesstätte (ohne fachärztliche Betreuung, keine Tagesklinik) in Pforzheim; mehr benötige er nicht. Das spricht zusätzlich gegen das Vorliegen der von Prof. Dr. Dr. B. angenommenen schwer ausgeprägten und chronifizierten Depressionserkrankung.
Wenn (tatsächlich) eine sozialmedizinisch (rentenrechtlich) beachtliche Erkrankung des depressiven Formenkreises vorliegt, finden - schon wegen des entsprechenden Leidensdrucks - regelmäßig angemessene und multimodale psychopharmakologische, psychotherapeutische bzw. psychiatrische Behandlungen (ambulant bzw. auch teilstationär und stationär) statt. Depressionserkrankungen führen auch nicht unbesehen zur Berentung. Sie sind vielmehr behandelbar und auch zu behandeln, bevor Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI angenommen werden kann (vgl. auch Senatsurteil vom 11.5.2011, - L 5 R 1823/10 -). Wie aus den Leitlinien der Beklagten für die sozialmedizinische Begutachtung (Stand August 2012, Leitlinien) hervorgeht, bedingt eine einzelne mittelgradige oder schwere depressive Episode in den meisten Fällen vorübergehende Arbeitsunfähigkeit und erfordert eine Krankenbehandlung, stellt jedoch in Anbetracht der üblicherweise vollständigen Remission keine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit dar. Eine ungünstige Prognose bezüglich der Erwerbsfähigkeit kommt danach (erst) in Betracht, wenn mehrere der folgenden Faktoren zusammentreffen: Eine mittelschwer bis schwer ausgeprägte depressive Symptomatik, ein qualifizierter Verlauf mit unvollständigen Remissionen, erfolglos ambulante und stationäre, leitliniengerecht durchgeführte Behandlungsversuche, einschließlich medikamentöser Phasenprophylaxe (z.B. Lithium, Carbamazepin, Valproat), eine ungünstige Krankheitsbewältigung, mangelnde soziale Unterstützung, psychische Komorbidität, lange Arbeitsunfähigkeitszeiten und erfolglose Rehabilitationsbehandlung (Leitlinien S. 101 f.). Eine Fallgestaltung dieser Art ist beim Kläger nicht festgestellt.
Die Bedenken des Prof. Dr. Dr. B. an der Zugänglichkeit des Klägers für eine leitliniengerechte Therapie hat Dr. E. in ihren beratungsärztlichen Stellungnahmen zu Recht nicht geteilt. So hat sich auch bei der stationären Rehabilitationsbehandlung in der Fachklinik F. im Juni/Juli 2013 gezeigt, dass Therapiemaßnahmen möglich sind und auch zu einem Erfolg führen können, nachdem man dort jedenfalls eine leichte affektive Stabilisierung hat erreichen können. Außerdem hat der Kläger bei der Entlassung aus der Rehabilitationsbehandlung selbst angegeben, er wolle sich nunmehr wieder intensiver mit dem behandelnden Psychiater vor Ort in Verbindung setzen. Das zeigt, dass der Kläger offenbar über die Motivation und die Fähigkeit zur Behandlung seiner Depressionserkrankung verfügt. Prof. Dr. Dr. B. hat die Gewährung einer Zeitrente schließlich (auch) zur therapeutischen Unterstützung für sinnvoll erachtet (ergänzende Stellungnahme vom 27.3.2013). Die Erwerbsminderungsrente ist freilich kein therapeutisches oder therapiestützendes Instrument, sondern eine Entgeltersatzleistung für Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit zu einer Erwerbstätigkeit außerstande sind.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kommt für den Kläger nicht in Betracht. Mit der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung als Lkw-Fahrer ist der Berufsschutz des Facharbeiters nicht begründet. Der Kläger muss sich vielmehr breit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen. Berufsschutz ist (auch nach dem Hinweis des Berichterstatters auf die Verweisbarkeit von Facharbeitern auf den Beruf des Registrators - Verfügung v. 20.7.2011) nicht geltend gemacht worden.
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen, nicht auf.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1954 geborene Kläger (GdB 40) hat nach eigenen Angaben in K. den Beruf des Tischlers erlernt. Von 1982 bis 1984 wurde er auf Kosten der Arbeitsverwaltung zum Berufskraftfahrer umgeschult, als solcher war er bis 2004 versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 18.5.2009 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Zuvor hatte er vom 11.9.2006 bis 2.10.2006 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Rheintalklinik, Bad K., absolviert. Im Entlassungsbericht vom 12.10.2006 sind die Diagnosen degeneratives WS-Syndrom mit Lumboischialgien links, Osteochondrosen L5/S1, Schädigung des sensiblen Anteils der Wurzel S1 links, zunehmende sensible Schädigung auch der L5-Wurzel links (ED 08/05) sowie Polyneuropathie bds. unklarer Genese festgehalten. Der psychische Befund sei unauffällig. Der (seit 10.4.2006 arbeitslose) Kläger könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten.
Die Beklagte veranlasste die mehrfachärztliche Begutachtung des Klägers.
Der Neurologe und Psychiater Dr. B. führte im Gutachten vom 14.9.2009 (u.a.) - zum psychischen Befund - aus, der Kläger sei bewusstseinsklar, sicher in allen Qualitäten orientiert, im Denken formal geordnet. Ungeachtet subjektiver Angaben (keine Konzentration) seien objektiv auch in der recht langen Exploration die Konzentration, Merkfähigkeit, das Gedächtnis und die Aufmerksamkeit bis zuletzt ungestört gewesen. Zumindest über die Dauer der langen Exploration (im Sitzen) werde eine Schmerzbeeinträchtigung nach außen so nicht erkennbar. Eine feste analgetische Medikation erfolge nicht. Die Antriebslage sei ebenfalls normal. Es sei immer wieder der Eindruck eines gewissen "Agierens" entstanden. Der Kläger sei im Grundtenor dysthym-gekränkt (vorrangig im Kontext mit einer Trennung 1999, seitdem im Wesentlichen allein lebend), durchaus aber affektiv wie inhaltlich hieraus auslenkbar. Der Gutachter diagnostizierte eine dysthyme Entwicklung im Kontext mit biografischer Problematik, vorbestehend wohl leicht histrionische, auch narzisstische Persönlichkeitszüge, rezidivierenden Schwindel unklarer Genese, erheblichen Nikotinabusus, LWS-Beschwerden (seit 1978 nach Art und Ausmaß unverändert, damals nach Angaben des Klägers LWK-2-Fraktur), ischialgieforme Beschwerden links mit teils S1-zuortbarer, teils im Querschnitt und auch im Längsschnitt nicht systematisierbarer und inkonsistent angegebener darüber hinausgehender sensibler Symptomatik, ohne motorische Ausfälle und ohne Hinweise für eine Blasen-Mastdarmstörung sowie klinisch jetzt kein Anhalt für eine sozialmedizinisch richtungsweisende polyneuropathische Störung. Aus der berichteten Psychotherapie seien keine näheren Unterlagen vorhanden. Eine eigenständige Antriebsstörung sei aus dem Querschnitt heraus nicht zu beschreiben. Es bestehe durchaus eine ausreichende inhaltliche wie affektive Auslenkbarkeit. Wenn eine Trimipramin-Medikation lediglich bedarfsweise erfolge, seien auch Möglichkeiten etwa einer adjuvanten thymoleptischen Behandlung bei Weitem nicht ausgereizt. Hinsichtlich ischialgieformer Beschwerden finde eine konsequente Schmerztherapie nicht statt. Eine radikuläre Reizsymptomatik sei nicht festzumachen. Der Kläger könne wenigstens leichte, in Spitzen mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) vollschichtig verrichten. Die ambulante Psychotherapie (nur alle 6 Wochen) solle ungeachtet der sozialmedizinischen Beurteilung regelmäßig erfolgen.
Der Chirurg Dr. W. führte im Gutachten vom 1.10.2009 aus, bei dem Motorradunfall des Klägers im Jahr 1978 könne (entgegen anderer Angaben des Klägers) von einer Zertrümmerung der Wirbelkörper mit eventueller Beeinträchtigung der Hinterkante keinesfalls ausgegangen werden. Im Jahr 2004 habe der Kläger eine Strecksehnendurchtrennung in Höhe des Grundgelenkes D III erlitten. Hier liege (abgesehen von einem geringen Streckdefizit) eine weitgehende Wiedergewinnung der Funktion vor. Auf orthopädischem Fachgebiet sei der Kläger nur gering erkrankt. Der Gutachter diagnostizierte einen Z. n. gesicherter LWK-2-Fraktur mit leichter Keilwirbelbildung bei stehender Hinterkante und einen Z. n. Strecksehnenverletzung III. Finger rechts mit weitgehender Wiederherstellung der Funktion. Die gesicherte LWK-2-Fraktur habe röntgenologisch nur geringe pathologische Veränderungen hinterlassen. Trotzdem komme es immer wieder zu Schmerzzuständen des Rückens. Vom Kläger werde wenig im Sinne einer selbst erlernten Wirbelsäulengymnastik durchgeführt. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könne er (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten.
Im zusammenfassenden Gutachten vom 12.10.2009 führte MDir L. (unter Zusammenfassung der Diagnosen: Streckdefizit von 15° am 3. Strahl der rechten Hand und Daumensattelgelenksarthrose rechts mit Kraftminderung, rezidivierende lumboischialgieforme Beschwerden links bei fraglicher Wurzelreizung S 1 links, unter Keilbildung abgeheilte Fraktur des 2. LWK (1978) mit Belastungsbeschwerden ohne wesentliche Funktionsbehinderung, dysthyme Entwicklung, Raumforderung am Oberpol der linken Niere, bekannt seit 12/04, degeneratives Cervikalsyndrom ohne neurologische Ausfälle, chronisch überhöhter Alkoholkonsum ohne nachweisbare Zielorganschäden) aus, eine quantitative Leistungsminderung sei nicht zu begründen, da schwerwiegende Funktionseinschränkungen weder am Bewegungsapparat noch neurologisch-psychiatrisch nachzuweisen seien. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mehr als 6 Stunden täglich verrichten.
Mit Bescheid vom 15.10.2009 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13.4.2010 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei nicht erwerbsgemindert (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) und könne auch Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) nicht beanspruchen, da er als Kraftfahrer eine Tätigkeit des unteren Anlernbereichs verrichtet habe und deshalb auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbar sei.
Am 10.5.2010 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Die Beklagte habe im Widerspruchsverfahren die angeregte Befragung behandelnder Ärzte nicht durchgeführt. Wegen seiner zahlreichen Erkrankungen könne er nicht mehr vollschichtig arbeiten.
Das Sozialgericht zog die Akten des (durch Klagerücknahme beendeten) Schwerbehindertenverfahrens S 12 SB 2503/07 bei (darin u.a. Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 28.5.2008: depressive Anpassungsstörung bei etwas verlangsamtem Antrieb, leicht gedrückter Affektivität und Schwingungsarmut mit bei adäquater Therapie positiver Prognose, Einzel-GdB 20) und befragte behandelnde Ärzte. Der Nervenarzt Dr. H. teilte im Bericht vom 29.10.2010 mit, er behandele den Kläger seit 19.11.2009. Eine Depression des Klägers, die sich nur inkomplett gebessert habe, bedinge Probleme in der Interaktion mit der Umwelt; soziale Kontakte seien erschwert. Auch die Konzentration und Umstellungsfähigkeit seien beeinträchtigt. Der Kläger könne 3 bis 6 Stunden täglich arbeiten. Der Orthopäde Dr. Z. gab eine Leistungseinschränkung im Bericht vom 6.10.2010 nicht ab.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.5.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, da er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Daran hinderten ihn weder Erkrankungen des psychiatrischen noch des orthopädischen Fachgebiets. Das gehe aus den Gutachten des Dr. B. bzw. des Dr. W. überzeugend hervor und folge im Ergebnis auch aus Äußerungen des behandelnden Nervenarztes Dr. H ... Auch Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) stehe dem Kläger nicht zu; Berufsschutz als Facharbeiter bestehe nicht und sei auch nicht geltend gemacht.
Auf den ihm am 3.6.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.6.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung bekräftigt er unter Vorlage weiterer Arztberichte sein bisheriges Vorbringen. Das Sozialgericht habe seinen Hausarzt Dr. L. nicht befragt; dieser halte ihn für erwerbsgemindert. Dr. H. habe ihm bestätigt, dass er im Bericht vom 29.9.2010 eigentlich ein Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden habe mitteilen wollen. Sein Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert. Nach Auffassung des Dr. H. (Atteste vom 7.7.2011 und 21.6.2012) sei wegen der inzwischen chronifizierten Depression auch halbschichtiges Leistungsvermögen nicht mehr zu erwarten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31.5.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.4.2010 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und hat (zunächst) die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. H. vom 15.8.2011 und 13.1.2012 (zu den vom Kläger vorgelegten Arztberichten) vorgelegt. In der letztgenannten Stellungnahme wird festgestellt, dass eine arterielle Verschlusskrankheit und (in orthopädischer Hinsicht) eine relevante Spinalkanalstenose oder ein Bandscheibenvorfall ausgeschlossen worden sind; der neurologische, orthopädische bzw. angiologische Zustand sei unverändert.
Im Hinblick auf einen Bericht des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) C. vom 30.3.2012 über stationäre Behandlung des Klägers vom 20.12.2011 bis 31.1.2012 (rezidivierende depressive Störung gegenwärtig schwere Episode, Entlassung mit gebessertem Antrieb und stabil zuversichtlicher Stimmung, Ablehnung einer tagesklinischen Weiterbehandlung; Zuversicht des Klägers, den Alltag wieder selbst gestalten zu können - Bericht vom 30.1.2012) hat der Senat auf Anregung des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. Dr. B. (Klinikum St., Klinik für Spezielle Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie) vom 14.1.2013 (mit ergänzender Stellungnahme vom 27.3.2013) erhoben. Die Beklagte hat beratungsärztliche Stellungnahmen vorgelegt.
Prof. Dr. Dr. B. hat in seinem Gutachten (u.a.) ausgeführt, der Kläger besuche ungefähr einmal im Monat die Tagesstätte in Pforzheim; mehr brauche er nicht und wolle er auch nicht. Hinsichtlich einer psychiatrischen Behandlung könne er sich derzeit nur vorstellen, weiterhin regelmäßig zu Dr. H. als Gesprächspartner zu gehen. Der Kläger wirke affektiv deutlich depressiv, niedergeschlagen, in sich gekehrt und grübelnd. Er beschreibe eine ausgeprägten Antriebs- und Motivationsverlust, ausgeprägte Schlafstörungen und Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus. Der Gutachter hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode (mit Chronifizierung und bei chronischer psychosozialer Belastungssituation) ohne psychotische Symptome, Agoraphobie mit Panikstörung und Nikotinabhängigkeit (40 bis 60 Zigaretten/Tag) diagnostiziert. Beim Kläger bestehe seit Jahren eine rezidivierende depressive Störung, die sich im Rahmen verschiedener biografischer Belastungen entwickelt habe und aktuell ein schweres depressives klinisches Bild mit Chronifizierungszeichen aufweise. Außerdem habe der Kläger im Lauf der letzten 3 bis 4 Jahren eine Agoraphobie mit Panikattacken, wenn er unter mehreren Menschen sei und im Zusammenhang mit Fahrern in Verkehrsmitteln, entwickelt. Die depressive Erkrankung habe im Lauf der letzten Jahre eine zunehmende Chronifizierungstendenz bei nur eingeschränkten Bewältigungsmöglichkeiten u.a. bei geringem Bildungsausgangsniveau und bei fehlender sozialer Unterstützung und Integration gezeigt. Neben einer längerfristig durchgeführten medikamentösen antidepressiven Behandlung habe nur einmal eine stationäre psychiatrische Behandlung im ZfP C. stattgefunden. Dort habe man ebenfalls eine rezidivierende depressive Störung, seinerzeit schwere Episode, diagnostiziert. Nach der stationären Behandlung sei es dem Kläger kurzfristig, jedoch nur für einige Wochen, besser gegangen. Eine weiterführende tagesklinische Behandlung habe der Kläger damals abgelehnt. Er besuche nur etwa einmal im Monat ein niederschwelligeres Tageszentrum. Es sei zu einem raschen Rückfall in die vorbestehende schwere depressive Symptomatik mit weiterer Chronifizierung gekommen. Die klinische Präsentation des Klägers und seine Angaben über den Zwischenverlauf sprächen dafür, dass er seit dem Frühjahr 2012 wieder eine schwere depressive Symptomatik entwickelt habe mit (u.a.) ausgeprägter Antriebsverminderung, einem ausgeprägten sozialen Rückzug und großen Schwierigkeiten, den basalen Tagesablauf zu strukturieren.
Die psychischen Erkrankungen des Klägers seien grundsätzlich durch medikamentöse, psychotherapeutische und psychosoziale Maßnahmen behandelbar. Auch die leichte vorübergehende Besserung der Symptomatik während der stationären Behandlung im ZfP C. spreche dafür, dass die erheblichen psychischen Symptome durch eine Behandlung verbessert werden könnten. Auf der anderen Seite sei einschränkend zu berücksichtigen, dass die depressive Symptomatik und Angstsymptomatik mit den beschriebenen psychischen und sozialen Einschränkungen seit Jahren zunehmend chronifiziert sei, der Kläger in ausgesprochener Weise zurückgezogen und isoliert lebe, erhebliche Schwierigkeiten bei der basalen Alltagsgestaltung oder mit geringsten sozialen Anforderungen und Kontakten habe und schon bei niederschwelligen Anforderungen mit Angst und Überforderungsgefühlen reagiere. Im Hinblick darauf werde es nicht für möglich gehalten, die einschränkenden psychischen Symptome innerhalb eines halben Jahres ganz oder teilweise zu überwinden. Der Kläger befinde sich in prekärer finanzieller Situation, da er als starker Raucher nur wenig Geld für Lebensmittel zur Verfügung habe. Dies begünstige die soziale Vereinsamung und die gedankliche Einengung auf das finanzielle Durchkommen. Durch diese angespannte Situation seien die Ausgangsvoraussetzungen für eine indizierte längerfristige psychiatrische Behandlung zusätzlich eingeschränkt. Die Gewährung einer Rente (für 2 bis 3 Jahre) könnte den Kläger sozial und psychisch entlasten und damit die Voraussetzungen für eine längerfristige intensivierte psychiatrische Behandlung begünstigen. Der Kläger sei derzeit nur unter 3 Stunden täglich arbeitsfähig. Die festgestellte Leistungseinschränkung bestehe seit ca. Herbst 2011. Hinsichtlich einer Therapie bestehe aufgrund des mittlerweile langjährigen Erkrankungsverlaufs eine ungünstige Prognose. Es sei von einer deutlichen Verschlechterung und Chronifizierung der klinischen Symptomatik seit der Begutachtung durch Dr. B. auszugehen.
Die Beklagte hat hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme der Neurologin und Psychiaterin Dr. E. vom 18.2.2013 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, aus der Medikamentenanamnese mit fehlender Chronologisierung könne nicht entnommen werden, ob hinsichtlich der später diagnostizierten Depression eine leitliniengerechte antidepressive Therapie mit adäquaten Switches (Umstellungen) und Augmentationen (Ergänzungen) erfolgt sei. Erstaunlich sei, dass der Hausarzt Dr. L. den Kläger erst neun Jahre nach bestehender psychischer Problematik einem Psychiater und damit einer adäquaten Therapie zugeführt habe. Eine psychische Befindlichkeitsstörung depressiver Art sei letztendlich erst seit 2009 (Begutachtung durch Dr. B.) ärztlich dokumentiert und auch behandlungsbedürftig geworden. Das decke sich mit den Ausführungen des Prof. Dr. Dr. B., wonach der Kläger bei Dr. H. seit 2009 in Behandlung sei. Vor 2009 habe eine behandlungsbedürftige depressive Symptomatik nicht bestanden. Schlüssig sei die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung. Der Ausprägungsgrad einer schweren depressiven Episode bei der Begutachtung durch Prof. Dr. Dr. B. könne jedoch nicht nachvollzogen werden und erschließe sich anhand des psychischen Befundes nicht, da insgesamt nur zwei Kernsymptome, nämlich Erschöpfbarkeit und gedrückte Stimmung, objektivierbar dokumentiert seien. Alle weiteren Kernsymptome würden nur im Rahmen subjektiver Äußerungen des Klägers beschrieben. Der Ausprägungsgrad entspreche danach einer mittelgradig depressiven Episode mit zwei Kernsymptomen und 3 bis 4 Zusatzsymptomen (Hoffnungslosigkeit, Schlafstörungen, fluktuierende Suizidalität und zunehmende Konzentrationsprobleme). Hinsichtlich der Chronifizierung sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger während eines einzigen stationären psychiatrischen Aufenthalts im ZfP C. vom 20.12.2011 bis 31.1.2012 mit gebessertem Antrieb und stabil zuversichtlicher Stimmung entlassen worden sei. Damit ergäben sich im Rahmen der seit 2009 dokumentierten Erkrankung Phasen der Remission und somit der deutlichen Besserung der depressiven Symptomatik. Die zweite psychiatrische Diagnose des Prof. Dr. Dr. B. - Agoraphobie mit Panikstörung - sei anhand der aktuellen Anamnese schlüssig und nachvollziehbar.
Der Kläger sei offensichtlich bislang einer leitliniengerechten antidepressiven Therapie mit adäquaten Switches und Augmentationen nicht zugeführt worden. Anhand des Gutachtens des Prof. Dr. Dr. B. sei auch nicht ersichtlich, ob der zweite Pfeiler einer leitliniengerechten antidepressiven Therapie, nämlich eine Psychotherapie, jemals stattgefunden habe. Durch eine einzige akut-psychiatrische stationäre Behandlung habe sich eine Besserung der Symptomatik ergeben. Letztendlich bestehe beim Kläger eine dringende therapeutische Option mit nicht abzuschätzender Prognose hinsichtlich der depressiven Erkrankung. Entgegen der Auffassung des Gutachters dürfte die angespannte finanzielle Situation bei Nikotinabhängigkeit (tägliche Ausgaben für Zigaretten 20 EUR - für Lebensmittel noch 4 EUR verfügbar -) eher motivierend hinsichtlich einer Therapie wirken können, da eine entsprechende Entgiftungstherapie bei Abhängigkeit im psychiatrisch stationären Rahmen erfolgen könne.
Die Leistungseinschätzung des Prof. Dr. Dr. B. (unter 3 Stunden täglich) sei nicht nachvollziehbar, da die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung nach den einschlägigen Begutachtungsleitlinien zwar zu wiederholten, teilweise längeren Phasen der Arbeitsunfähigkeit führe, aber aufgrund der Remissionen (nach Abschluss einer adäquaten verhaltenstherapeutischen Therapie bei Agoraphobie) nicht zu einer erheblichen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit. Insgesamt könne das Gutachten aufgrund einiger struktureller Mängel, der unzutreffenden Einschätzung des Ausprägungsgrades der depressiven Episode und fehlender Beweisführung hinsichtlich der Chronifizierung nicht überzeugen. Insbesondere lasse sich eine längerfristige depressive Symptomatik nicht verfolgen. Es bleibe bei einem sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten. Dringend notwendig sei eine leitliniengerechte Antidepressionsbehandlung einschließlich einer adäquaten (wegen der Agoraphobie verhaltenstherapeutisch ausgerichteten) Psychotherapie.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27.3.2013 hat Prof. Dr. Dr. B. ausgeführt, er habe die Medikamentenanamnese aufgrund der Angaben des Klägers wiedergegeben. Der Kläger habe mitgeteilt, er nehme die angeführten Medikamente seit drei Jahren ein; sie seien ihm von Dr. H. verordnet worden. Weitere Antidepressiva habe der Kläger nicht angegeben. Auch nach seiner gutachterlichen Auffassung seien damit die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten der schweren depressiven Symptomatik bislang noch nicht ausgereizt worden. Gleichzeitig halte er aber an seiner prognostischen Einschränkung fest. Er finde es ebenfalls erstaunlich, dass der Hausarzt den Kläger erst nach neun Jahren an einen Psychiater verwiesen habe. Der Hausarzt habe die depressive Entwicklung möglicherweise zunächst nicht ausreichend erkannt. Dass vor 2009 eine depressive Erkrankung nicht ärztlich dokumentiert sei, müsse seine diagnostische Einschätzung nicht grundsätzlich infrage stellen. Er gehe weiterhin davon aus, dass der Kläger spätestens seit 2004 (Verlust des Arbeitsplatzes und Entscheidung der Partnerin, nicht zu ihm zurückzukehren) in eine psychiatrische Behandlung hätte überwiesen werden müssen. In diagnostischer Hinsicht liege eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mit schwerer depressiver Episode, vor. Bei der gutachterlichen Untersuchung und aufgrund der Angaben des Klägers habe neben den Kernsymptomen der Erschöpfbarkeit und depressiven Stimmung ein Verlust von Interesse und Freude als drittes Kernsymptom vorgelegen. Das ergebe sich klar aus den Schilderungen des Klägers. Insgesamt werde an der diagnostischen Einschätzung festgehalten. Es treffe zu, dass bisher eine ausreichende leitliniengerechte antidepressive medikamentöse Therapie nicht stattgefunden habe. Auch hinsichtlich einer psychotherapeutischen Behandlung sei nicht bekannt, dass der Kläger bisher einer regelmäßigen langfristigen ambulanten oder einer stationären Behandlung zugeführt worden wäre. Er sehe jedoch den Kläger aufgrund der mehrjährigen Chronifizierung und aufgrund des ausgeprägten chronifizierten Rückzugsverhaltens sowie der verschiedenen psychosozialen Belastungen einer psychotherapeutischen Behandlung erschwert zugänglich. Der Kläger werde dafür eine längere Zeit brauchen, bevor er in einer späteren Behandlungsphase langsam und schrittweise aufbauend über berufliche Rehabilitationsmaßnahmen wieder an eine Arbeitstätigkeit herangeführt werden könne. Dabei sei die zusätzliche Angsterkrankung erschwerend zu berücksichtigen. Prognostisch gehe er von einer längerfristigen Behandlungs- und Rehabilitationsnotwendigkeit aus, die zu einer langsamen Verbesserung der psychischen Situation führen könne und dem Kläger auch zumutbar sei. Für diesen längerfristigen therapeutischen Prozess halte er die Gewährung einer Zeitrente für medizinisch begründet und therapeutisch zur Unterstützung für sinnvoll. Er halte an seiner Leistungseinschätzung fest. Symptomfreie Remissionen habe er im Rahmen der Exploration nicht erheben können.
In der abschließenden beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29.7.2013 hat Dr. E. ausgeführt, dass der Hausarzt den Kläger erst neun Jahre nach Bestehen einer psychischen Befindlichkeitsstörung an einen Psychiater verwiesen habe, untermauere ihre Ansicht, wonach bis 2009 offensichtlich eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung, insbesondere eine Depression, nicht vorgelegen habe. Die Kernsymptome für die Beurteilung des Schweregrades einer Depressionserkrankung seien im Gutachten des Prof. Dr. Dr. B. nicht als objektivierbarer Befund festgestellt worden. Es bleibe bei einer mittelgradig ausgeprägten depressiven Episode. Nach Entlassung aus der stationären psychiatrischen Behandlung im ZfP C. vom 20.12.2001 bis 31.1.2012 habe (bei gebessertem Antrieb und stabil zuversichtlicher Stimmung) eine Remission vorgelegen. Von einer Chronifizierung der rezidivierenden depressiven Störung könne daher nicht ausgegangen werden. Die darauf gestützten Folgerungen des Prof. Dr. Dr. B. hätten damit keine hinreichende Grundlage und seien unschlüssig. Auf die Defizite hinsichtlich einer leitliniengerechten Begutachtung gehe Prof. Dr. Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht ein. Eine Änderung der Leistungseinschätzung sei insgesamt nicht veranlasst.
Vom 12.6.2013 bis 3.7.2013 hat der Kläger eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Fachklinik F., Bad H., absolviert (Anschlussheilbehandlung nach Herzinfarkt). Im Entlassungsbericht vom 4.7.2013 sind die Diagnosen akuter Myokardinfarkt, nicht näher bezeichnet, artheriosklerotische Herzkrankheit: Drei-Gefäßerkrankung, psychische Verhaltensstörungen durch Tabak: Abhängigkeitssyndrom, benigne essentielle Hypertonie: ohne Angabe einer hypertensiven Krise und rezidivierende depressive Störung (seit 2009), nicht näher bezeichnet, festgehalten. Aus kardialer Sicht bestehe ein Leistungsbild für leichte körperliche Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) für 6 Stunden täglich und mehr. Mit Rücksicht auf die rezidivierenden depressiven Episoden (bei deutlicher psychischer Belastung durch die familiäre Situation und aufgrund der Erkrankung und deutlich depressiver Stimmungslage) seien Arbeiten mit erhöhtem Konzentrations- und Reaktionsvermögen oder Verantwortung für Personen und Maschinen mit Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge nicht geeignet. Bezüglich der psychischen Situation sollte eine erneute sozialmedizinische Beurteilung gesondert erfolgen. Der Kläger könne als Lkw-Fahrer unter 3 Stunden täglich arbeiten, leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen, u.a. wegen der rezidivierenden depressiven Episoden keine Arbeiten mit erhöhtem Konzentrations- und Reaktionsvermögen oder Verantwortung für Personen und Maschinen mit Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge) aber 6 Stunden täglich und mehr verrichten.
Die Klinikärzte haben während der Rehabilitationsbehandlung auch eine psychologische Befunderhebung und Diagnostik durchgeführt. Bei psychometrischen Testungen (Beck-Depressions-Inventar als Selbstbeurteilungstest) habe sich eine mittelschwere Depression ergeben; beim Beck-Angst-Inventar deute das Ergebnis am ehesten auf eine Sozialphobie hin. Die Ergebnisse der psychologischen Diagnostik zeigten das Bild eines tief in der Stimmung gedrückten, resignierten Patienten. Bis zum Ende der Behandlung habe der Kläger durch die psychologischen Interventionen leicht affektiv stabilisiert werden können. Für die Zeit nach der Entlassung wolle er sich wieder intensiver mit dem behandelnden Psychiater vor Ort in Verbindung setzen. In psychologischer Hinsicht habe man eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, diagnostiziert.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Verfügung vom 20.7.2011 - vorsorglich - darauf hingewiesen, dass, sollte Berufsschutz beansprucht werden, Facharbeiter nach der Rechtsprechung des Senats auf den Beruf des Registrators verweisbar sind. Berufsschutz hat der Kläger nicht geltend gemacht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Er hat darauf keinen Anspruch.
Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist, und weshalb ihm danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren anzumerken:
Auch der Senat ist der Auffassung, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht aus den Verwaltungsgutachten der Dres. B. und Walzel bzw. des MDir L., den beratungsärztlichen Stellungnahmen der Dr. E. vom 18.2.2013 bzw. 29.7.2013 und dem Entlassungsbericht der Fachklinik F., Bad H., über die vom Kläger jüngst im Juni/Juli 2013 absolvierte stationäre Rehabilitationsbehandlung überzeugend hervor. Der abweichenden Auffassung des Prof. Dr. Dr. B. in dessen Gutachten vom 14.1.2013 (ergänzende Stellungnahme vom 27.3.2013) kann sich der Senat nicht anschließen.
In orthopädischer Hinsicht liegen rentenberechtigende Leistungseinschränkungen nicht vor. Das geht aus dem Verwaltungsgutachten des Dr. W. vom 1.10.2009 hervor. Dieser hat auf orthopädischem Fachgebiet nur geringe Erkrankungen ohne Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen gefunden; die im Jahr 2004 erlittene Strecksehnenverletzung am 3. Finger der rechten Hand hat keine ins Gewicht fallende Funktionseinschränkung hinterlassen. Auch die 1978 erlittene LWK-2-Fraktur ist weitgehend folgenlos abgeheilt. Dr. W. hat den Kläger demzufolge zu Recht für fähig erachtet, (jedenfalls) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Dr. H. hat in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.1.2012 (zu vom Kläger vorgelegten Arztberichten) bestätigt, dass sich der neurologische und orthopädische Zustand nicht verändert hat; dagegen wendet sich der Kläger auch nicht. Er stützt sein Rentenbegehren in erster Linie auf Erkrankungen des psychiatrischen Fachgebiets. Rentenberechtigende (zeitliche) Leistungseinschränkungen sind aber auch insoweit nicht festzustellen.
Dr. B. hat im Verwaltungsgutachten vom 14.9.2009 hinsichtlich des psychopathologischen Befunds bei einem gewissen "Agieren" des Klägers, einer normalen Antriebslage und ausreichender inhaltlicher wie affektiver Auslenkbarkeit lediglich eine dysthyme Entwicklung ohne Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers gefunden. Eine adäquate Depressionsbehandlung (ebenso eine adäquate Schmerzbehandlung) hat dementsprechend auch nicht stattgefunden. Zuvor hatte auch Dr. L. (im Schwerbehindertenverfahren S 12 SB 2503/07) nur eine depressive Anpassungsstörung mit etwas verlangsamtem Antrieb, leicht gedrückter Affektivität und Schwingungsarmut diagnostiziert (Gutachten vom 28.5.2008). Während der im September/Oktober 2006 in der Rheintalklinik, Bad K., durchgeführten stationären Rehabilitationsbehandlung war (noch) ein unauffälliger psychischer Befund erhoben worden. Im sozialgerichtlichen Verfahren hat der behandelnde Psychiater Dr. H. im Bericht vom 29.9.2010 ein bis sechsstündiges Leistungsvermögen angenommen, nach Angaben des Klägers aber ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen gemeint; weshalb der Kläger aber nur unter 6 Stunden täglich soll arbeiten können (Atteste des Dr. H. vom 7.7.2011 und 21.6.2012), ist aus entsprechenden psychopathologischen Befunden, insbesondere hinsichtlich des zeitlichen Durchhaltevermögens, nicht begründet. Bis Herbst 2010 ist damit eine rentenberechtigende Leistungsminderung wegen einer Depressionserkrankung nicht festzustellen.
Das im Berufungsverfahren erhobene Gutachten des Prof. Dr. Dr. B. bzw. die darin vertretene sozialmedizinische Leistungseinschätzung - unter 3 Stunden täglich seit Herbst 2011 - kann nicht überzeugen.
Hinsichtlich der Diagnostik kann mit Prof. Dr. Dr. B. davon ausgegangen werden, dass beim Kläger (jetzt) über einen dysthymen Verstimmungszustand hinaus eine Depressionserkrankung vorliegt. Allerdings ist das Vorliegen einer chronifizierten und schwerwiegenden Depressionserkrankung mit dauerhaften bzw. i. S. d. § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI auf nicht absehbare Zeit bestehenden (mindestens 6 Monate anhaltenden - vgl. etwa jurisPK-SGB VI/Freudenberg, § 43 Rdnr. 93) Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers nicht nachvollziehbar und schlüssig begründet. Das hat Dr. E. in den beratungsärztlichen Stellungnahmen vom 18.2.2013 und 29.7.2013 überzeugend dargelegt. Die Richtigkeit ihrer Auffassung hat sich im Rahmen der vom Kläger jüngst im Juni/Juli 2013 in der Fachklinik F., Bad H., absolvierten stationären Rehabilitationsbehandlung bestätigt.
Die Diagnose einer schweren depressiven Episode hat Prof. Dr. Dr. B. auf die einschlägigen Kernsymptome gestützt, sich dabei aber - hinsichtlich des Kernsymptoms Interesseverlust und Verlust der Freudefähigkeit - nicht ausreichend auf objektivierbare und entsprechend verifizierte Befunde, sondern auf subjektive Beschwerdeschilderungen des Klägers bezogen. Darauf hat Dr. E. in der ergänzenden beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29.7.2013 zutreffend hingewiesen. Für eine kritische(re) Würdigung des Beschwerdevorbringens hätte aber Anlass bestanden, da Dr. B. bei der Begutachtung des Klägers Inkonsistenzen und ein gewisses "Agieren" konstatiert hatte. So hatte Dr. B. ungeachtet anderslautender subjektiver Angaben des Klägers zu mangelnder Konzentrationsfähigkeit bis zum Ende seiner lange dauernden und eingehenden Exploration Störungen der Konzentration, der Merkfähigkeit, des Gedächtnisses und der Aufmerksamkeit nicht feststellen können; auch eine Schmerzbeeinträchtigung war nicht erkennbar geworden.
Die Ärzte der Fachklinik F., Bad H., haben im Juni/Juli 2013 ebenfalls nur eine mittelgradig ausgeprägte depressive Episode diagnostiziert und damit die Einschätzung der Dr. E. bestätigt (Entlassungsbericht vom 4.7.2013). In der Fachklinik F. hat der Kläger zwar eine internistische Anschlussheilbehandlung (nach Herzinfarkt) absolviert. Allerdings hat man dort auch eine eingehende psychologische Befunderhebung und Diagnostik (einschließlich psychometrischer Testverfahren) durchgeführt und nicht allein die internistische Erkrankung, sondern auch die Depressionserkrankung des Klägers im Zuge der medizinischen Rehabilitation behandelt. In der sozialmedizinischen Epikrise haben die Klinikärzte die Depressionserkrankung des Klägers gewürdigt und - auch gestützt auf die mehrwöchige Beobachtung des Klägers - schlüssig ein sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten angenommen und wegen der psychischen Erkrankung nur qualitative Leistungseinschränkungen (keine Arbeiten mit erhöhtem Konzentrations- und Reaktionsvermögen oder Verantwortung für Personen und Maschinen mit Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge) für erforderlich erachtet. Ihr ergänzender Hinweis, dass bezüglich der psychischen Situation eine erneute gesonderte sozialmedizinische Beurteilung erfolgen sollte, ändert daran nichts. Gründe hierfür werden nicht angegeben und drängen sich auch aus den übrigen Ausführungen des Berichts vom 04.07.2013 nicht auf.
Die Diagnostik von Prof. Dr. Dr. B. ist nicht nur im Hinblick auf den Ausprägungsgrad der Depressionserkrankung, sondern auch im Hinblick auf die Annahme einer (rentenrechtlich beachtlichen) Chronifizierung nicht überzeugend. Das geht ebenfalls aus den beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. E., gestützt durch den Entlassungsbericht der Fachklinik F. vom 4.7.2013, schlüssig hervor. Gegen einen in solchem Maße chronifiziert-verfestigten Krankheitsverlauf, dass (bereits) dauerhafte (mindestens 6 Monate anhaltende) und damit Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI begründende Einschränkungen des zeitlichen Leistungsvermögens und nicht nur Zeiten vorübergehender Arbeitsunfähigkeit nach § 44 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vorliegen würden, spricht zunächst, dass es bei der bislang einzigen und punktuell im Rahmen einer Krisenintervention durchgeführten stationären psychiatrischen Behandlung des Klägers zu einer Besserung im Sinne einer (jedenfalls teilweisen) Remission der Krankheitserscheinungen gekommen ist. Der Kläger ist nämlich - worauf Dr. E. zu Recht hinweist - aus der Behandlung im ZfP C. im Dezember 2011/Januar 2012 mit gebessertem Antrieb und stabil zuversichtlicher Stimmung entlassen worden (Bericht vom 30.3.2012); er hatte Zuversicht, seinen Alltag wieder selbständig gestalten zu können (Bericht vom 30.1.2012). Auch aus der Rehabilitationsbehandlung in der Fachklinik F. im Juni/Juli 2013 hat man den Kläger durch die psychologischen Interventionen leicht affektiv stabilisiert mit sechsstündigem Leistungsvermögen entlassen können (Entlassungsbericht vom 4.7.2013). Das zeigt, dass das von Prof. Dr. Dr. B. angenommene chronifizierte schwere Krankheitsbild so nicht vorliegt. Außerdem besteht unter den Gutachtern und Dr. E. Einigkeit darüber, dass vor dem Jahr 2009 ein (rentenrechtlich) relevantes depressives Krankheitsgeschehen nicht vorgelegen hat; dies wird durch den Entlassungsbericht der Rheintalklinik, Bad K., vom 12.10.2006 bestätigt, wonach bei der im September/Oktober 2006 durchgeführten stationären Rehabilitationsbehandlung ein unauffälliger psychischer Befund festgestellt worden war. Der Hausarzt des Klägers hat auch erst im Jahr 2009 eine psychiatrische Behandlung in die Wege geleitet. Wie dargelegt sind auch im Herbst 2010 rentenberechtigende Leistungseinschränkungen durch eine Depressionserkrankung nicht festzustellen. Die Langzeitbetrachtung unter Einbeziehung der jüngsten Entwicklung bei der Rehabilitationsbehandlung des Klägers im Juni/Juli 2013 spricht damit ebenfalls gegen den von Prof. Dr. Dr. B. angenommenen Krankheitsverlauf mit einem seit Herbst 2011 dauerhaft auf unter 3 Stunden täglich abgesunkenen Leistungsvermögen des Klägers.
Ins Gewicht fällt schließlich, dass eine leitliniengerechte Depressionsbehandlung zu keiner Zeit stattgefunden hat. Das hat bereits Dr. B. im Verwaltungsgutachten vom 14.9.2009 festgestellt. Prof. Dr. Dr. B. hat das in seinem Gutachten und in der ergänzenden Stellungnahme vom 27.3.2013 bestätigt. Er erachtet die psychische Erkrankung des Klägers ebenfalls für behandelbar durch medikamentöse, psychotherapeutische und psychosoziale Maßnahmen, wobei eine entsprechende adäquate Behandlung auch in psychotherapeutischer Hinsicht bislang nicht durchgeführt worden ist. Auch nach der Entlassung aus der stationären (Kriseninterventions-)Behandlung im ZfP C. (im Januar 2012) ist eine adäquate (Weiter-)Behandlung nicht aufgenommen worden. Eine tagesklinische Betreuung hat der Kläger abgelehnt. Auch im Übrigen sind intensivierte (psychopharmakologische oder psychotherapeutische) Behandlungsmaßnahmen nicht dokumentiert. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. Dr. B. hat der Kläger angegeben, er besuche (nur) ungefähr einmal im Monat eine (niederschwelligere) Tagesstätte (ohne fachärztliche Betreuung, keine Tagesklinik) in Pforzheim; mehr benötige er nicht. Das spricht zusätzlich gegen das Vorliegen der von Prof. Dr. Dr. B. angenommenen schwer ausgeprägten und chronifizierten Depressionserkrankung.
Wenn (tatsächlich) eine sozialmedizinisch (rentenrechtlich) beachtliche Erkrankung des depressiven Formenkreises vorliegt, finden - schon wegen des entsprechenden Leidensdrucks - regelmäßig angemessene und multimodale psychopharmakologische, psychotherapeutische bzw. psychiatrische Behandlungen (ambulant bzw. auch teilstationär und stationär) statt. Depressionserkrankungen führen auch nicht unbesehen zur Berentung. Sie sind vielmehr behandelbar und auch zu behandeln, bevor Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI angenommen werden kann (vgl. auch Senatsurteil vom 11.5.2011, - L 5 R 1823/10 -). Wie aus den Leitlinien der Beklagten für die sozialmedizinische Begutachtung (Stand August 2012, Leitlinien) hervorgeht, bedingt eine einzelne mittelgradige oder schwere depressive Episode in den meisten Fällen vorübergehende Arbeitsunfähigkeit und erfordert eine Krankenbehandlung, stellt jedoch in Anbetracht der üblicherweise vollständigen Remission keine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit dar. Eine ungünstige Prognose bezüglich der Erwerbsfähigkeit kommt danach (erst) in Betracht, wenn mehrere der folgenden Faktoren zusammentreffen: Eine mittelschwer bis schwer ausgeprägte depressive Symptomatik, ein qualifizierter Verlauf mit unvollständigen Remissionen, erfolglos ambulante und stationäre, leitliniengerecht durchgeführte Behandlungsversuche, einschließlich medikamentöser Phasenprophylaxe (z.B. Lithium, Carbamazepin, Valproat), eine ungünstige Krankheitsbewältigung, mangelnde soziale Unterstützung, psychische Komorbidität, lange Arbeitsunfähigkeitszeiten und erfolglose Rehabilitationsbehandlung (Leitlinien S. 101 f.). Eine Fallgestaltung dieser Art ist beim Kläger nicht festgestellt.
Die Bedenken des Prof. Dr. Dr. B. an der Zugänglichkeit des Klägers für eine leitliniengerechte Therapie hat Dr. E. in ihren beratungsärztlichen Stellungnahmen zu Recht nicht geteilt. So hat sich auch bei der stationären Rehabilitationsbehandlung in der Fachklinik F. im Juni/Juli 2013 gezeigt, dass Therapiemaßnahmen möglich sind und auch zu einem Erfolg führen können, nachdem man dort jedenfalls eine leichte affektive Stabilisierung hat erreichen können. Außerdem hat der Kläger bei der Entlassung aus der Rehabilitationsbehandlung selbst angegeben, er wolle sich nunmehr wieder intensiver mit dem behandelnden Psychiater vor Ort in Verbindung setzen. Das zeigt, dass der Kläger offenbar über die Motivation und die Fähigkeit zur Behandlung seiner Depressionserkrankung verfügt. Prof. Dr. Dr. B. hat die Gewährung einer Zeitrente schließlich (auch) zur therapeutischen Unterstützung für sinnvoll erachtet (ergänzende Stellungnahme vom 27.3.2013). Die Erwerbsminderungsrente ist freilich kein therapeutisches oder therapiestützendes Instrument, sondern eine Entgeltersatzleistung für Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit zu einer Erwerbstätigkeit außerstande sind.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kommt für den Kläger nicht in Betracht. Mit der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung als Lkw-Fahrer ist der Berufsschutz des Facharbeiters nicht begründet. Der Kläger muss sich vielmehr breit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen. Berufsschutz ist (auch nach dem Hinweis des Berichterstatters auf die Verweisbarkeit von Facharbeitern auf den Beruf des Registrators - Verfügung v. 20.7.2011) nicht geltend gemacht worden.
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen, nicht auf.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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