L 1 KR 228/13 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1 R 123/13 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 228/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1.
Bescheide nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV gehören auch dann zu den von § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG erfassten, sofort vollziehbaren Anforderungsbescheiden, wenn der Träger der Rentenversicherung inzident über den Status von Beschäftigten entschieden hat.

2.
§ 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV ist auf Bescheide nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV nicht anwendbar.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 3. Juni 2013 aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 7. März 2013 abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 4.263,66 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen. Streitig ist, ob der Widerspruch der Antragstellerin gegen einen nach Betriebsprüfung ergangenen Beitragsbescheid aufschiebende Wirkung entfaltet.

Die Antragstellerin ist Inhaberin eines Beherbergungs- und Gastronomiebetriebs für Autoreisende (Motel). Zur Reinigung war u.a. Frau C. eingesetzt; in der Küche war Herr D. beratend tätig; beide Auftragnehmer waren nicht als sozialversicherungspflichtig gemeldet.
Das Finanzamt Hersfeld-Rotenburg führte im Frühjahr 2012 bei der Antragstellerin eine Lohnsteueraußenprüfung durch und übermittelte der Antragsgegnerin nach den Vorgaben des Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetzes verschiedene Unterlagen wie z.B. Dienstpläne und Rechungen betr. Frau C. und Herrn D ... Die Antragsgegnerin führte daraufhin in der Zeit vom 22. bis 25. Mai 2012 eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2011 durch. Nach Anhörung mit Schreiben vom 19. November 2012 forderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 7. März 2013 Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie die Umlage U 2 für die Beschäftigten C. und D. in Höhe von 17.054,65 EUR nach. In der Begründung führte sie aus, dass sowohl Herr D. als auch Frau C. abhängig beschäftigt seien; beide seien im Hinblick auf Arbeitszeit und Arbeitsort in den Betrieb der Antragstellerin eingegliedert und hätten deren Weisungen unterlegen. Auch die vereinbarte Stundenvergütung sowie ein fehlendes wirtschaftliches Risiko sprächen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung.
Die Antragstellerin widersprach dem Bescheid mit Schreiben vom 8. April 2013 und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Sie vertrat die Auffassung, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung entfalte. Gemäß § 7a Abs. 7 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) hätten Klage und Widerspruch gegen Statusentscheidungen aufschiebende Wirkung. Dies gelte jedoch nicht nur für Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV, sondern auch für Beitragsbescheide nach § 28p SGB IV, wie durch verschiedene Landessozialgerichte bestätigt worden sei (Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. November 2012, L 1 R 304/11 B ER; Sozialgericht –SG- Landshut, Beschluss vom 25. Mai 2010, S 7 R 5024/10 ER; LSG Rheinland-Pfalz vom 21. September 2009, L 4 R 196/09 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen vom 7. Juli 2008, L 16 B 30/08 KR ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 12. Januar 2005, L 8/14 KR 110/04 ER; LSG Hamburg, Beschluss vom 25. Oktober 2000, L 1 B 80/00 ER). Dem angefochtenen Bescheid lägen auch Statusentscheidungen zugrunde.
Die Antragsgegnerin lehnte mit Schreiben vom 16. April 2013 die Aussetzung der Vollziehung ab und vertrat in einem nachfolgenden Schreiben vom 6. Mai 2013 unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 11. Mai 2010, L 11 R 1125/10 ER-B) die Auffassung, dass die Vorschrift des § 7a Abs. 7 SGB IV nur auf Statusentscheidungen gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 SGB IV Anwendung finde.

Am 15. Mai 2013 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Fulda beantragt festzustellen, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 8. April 2013 gegen den Bescheid vom 7. März 2013 aufschiebende Wirkung entfaltet. Nach der Gesetzesbegründung zu § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV gelte die Vorschrift nicht nur für Statusentscheidungen der Rentenversicherung Bund, sondern auch für Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Antragsverfahrens. Entsprechend sei auch in der Rechtsprechung die Anwendbarkeit des § 7a Abs. 7 SGB IV bei Betriebsprüfungen bejaht worden. Eine teleologische Reduzierung des Gesetzeswortlautes - wie von der Gegenmeinung vertreten - widerspreche dem bekannten Willen des Gesetzgebers. Auch das Hessische LSG habe in einer Entscheidung vom 12. Januar 2005 (L 8/14 KR 110/04 ER) ausdrücklich ausgeführt, dass Widerspruch und Klage gegen einen Bescheid nach § 28p Abs. 1 SGB IV aufschiebende Wirkung entfalteten; § 7a Abs. 7 SGB IV sei auf Entscheidungen der Rentenversicherungsträger im Rahmen von Betriebsprüfungen anwendbar. Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass die Rechtsprechung der Landessozialgerichte nicht einheitlich sei. Eine Anwendbarkeit des § 7a Abs. 7 SGB IV werde verneint durch das Bayerische LSG (Beschlüsse vom 12. Februar 2010, L 5 R 994/09 B ER, vom 16. März 2010, L 5 R 21/10 B ER, vom 7. Oktober 2010, L 5 R 881/09 B ER) und durch das LSG Baden-Württemberg (a.a.O.). Ausschließlich bei Verwaltungsentscheidungen im Rahmen optionaler Statusfragen, die nach § 7a Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 SGB IV erlassen würden, hätten Widerspruch und Klage gemäß § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV aufschiebende Wirkung. Bei § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV handele es sich um eine Ausnahmeregelung, die im Gegensatz zu der bis 1. Januar 2002 gültigen Fassung des § 86 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestanden habe. § 86a Abs. 2 SGG, der mit Wirkung zum 2. Januar 2002 in Kraft getreten sei, stelle klar, dass bei einer Entscheidung über die Versicherungspflicht - wie bei § 28h SGB IV oder auch § 28p SGB IV - die aufschiebende Wirkung entfalle. Diese ausdrückliche Regelung könne nicht im Wege der Auslegung umgangen werden.
Das Sozialgericht Fulda hat mit Beschluss vom 3. Juni 2013 festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 8. April 2013 gegen den Bescheid vom 7. März 2013 aufschiebende Wirkung hat. Gemäß § 7a Abs. 7 SGB IV hätten Widerspruch und Klage hinsichtlich statusrechtlicher Entscheidungen aufschiebende Wirkung. Dieser vorläufige Rechtsschutz könne nicht dadurch entfallen, dass neben der Statusentscheidung auch Beiträge nachgefordert würden. Die Gesetzesbegründung zu § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV sei insoweit eindeutig. Soweit in Literatur und Rechtsprechung zumindest für Bescheide nach § 28p SGB IV die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen abgelehnt werde, weil es sich bei § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV um eine Ausnahmevorschrift handele, überzeuge dies nicht. Dieser teleologischen Reduzierung der Norm gegen den Willen des Gesetzgebers könne sich das Gericht nicht anschließen.

Die Antragsgegnerin hat gegen den ihr am 4. Juni 2013 zugestellten Beschluss am 25. Juni 2013 Beschwerde eingelegt.
Nach ihrer Auffassung verkenne das Gericht, dass es nach Wegfall des - rechtssystematisch an § 7a Abs. 6 SGB IV angelehnten - § 7b SGB IV in der Fassung bis 31. Dezember 2007 keine überzeugenden Argumente für eine Anwendung des § 7 Abs. 7 SGB IV in Fällen von Beitragsforderungen aus Betriebsprüfungen gem. § 28 Abs. 1 SGB IV mehr gebe. Nach § 7b SGB IV in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung sei, wenn ein Versicherungsträger außerhalb des Verfahrens nach § 7a SGB IV festgestellt habe, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorlag, die Versicherungspflicht erst mit dem Tage der Bekanntgabe dieser Entscheidung eingetreten, wenn bestimmte Voraussetzungen (Zustimmung, Kranken- und Rentenversicherungsschutz, Gutgläubigkeit des Arbeitgebers) vorliegen. Durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I. S. 3024) sei § 7b SGB IV mit Wirkung vom 1. Januar 2008 aufgehoben worden. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung habe es sich bei § 7b SGB IV a.F. um eine Übergangsregelung gehandelt, die aufgehoben werden könne. In der Begründung (Bundestags-Drucksache 16/6540 S. 41) heiße es: "Künftig beginnt in allen Fällen der nachträglichen Feststellung der Versicherungspflicht, mit Ausnahme der Fälle nach § 7 Abs. 6 SGB IV, die Beitragspflicht mit der Aufnahme der Beschäftigung." Für die Prüfungen der Rentenversicherungsträger bei den Arbeitgebern nach § 28p SGB IV folge daraus, dass im Fall der Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses, das vom Arbeitgeber als selbstständige Tätigkeit angesehen worden sei, nicht mehr - wie bisher aufgrund des § 7b SGB IV in der Fassung bis zum 31. Dezember 2007 - ein mehrstufiges Verfahren durchgeführt werden müsse. Vielmehr könne als Ergebnis einer Betriebsprüfung, bei der festgestellt werde, dass ein Erwerbstätiger zu Unrecht als selbstständig Tätiger behandelt worden sei, unmittelbar ein abschließender Bescheid erteilt werden. Dieser enthalte sowohl die ausdrückliche Feststellung des Status als Beschäftigter und des Bestehens der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung als auch die sich aufgrund der bisher fehlerhaften Behandlung ergebenden Beitragsnachforderungen. Diese Beitragsnachforderungen würden sofort fällig, da das in § 7a Abs. 6 S. 2 SGB IV und nach § 7b SGB IV a.F. gleichermaßen vorgesehene Hinausschieben der Fälligkeit des Beitrags auf den Zeitpunkt der der Statusentscheidung aufgrund des Wegfalls der Vorschrift des § 7b SGB IV in der Fassung des 31. Dezember 2007 zum 1. Januar 2008 im Rahmen von Betriebsprüfungen gem. § 28p SGB IV nicht mehr in Betracht komme. Daher könne es ab 1. Januar 2008 generell nicht mehr zu einem späteren Beginn der Versicherungspflicht kommen. Für Zeiten bis 31. Dezember 2007 sei die Regelung des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV als Sonderregelung zu § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG auf Statusentscheidungen der Rentenversicherungsträger im Rahmen von Betriebsprüfungen angewandt worden, obwohl im Gesetzestext selbst sich dafür keine Stütze gefunden habe. Nach dem Wegfall des § 7b SGB IV in der Fassung bis 31. Dezember 2007 sei es nicht überzeugend vertretbar, an übergangsweise geregelten Privilegierungen im Zusammenhang mit fehlerhaften Statusentscheidungen außerhalb der Sonderregelungen für das Antragsverfahren nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV weiterhin festzuhalten.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 3. Juni 2013 aufzuheben und festzustellen, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 8. April 2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. März 2013 keine aufschiebende Wirkung hat.

Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung greife das Argument der Antragsgegnerin, nach Wegfall des § 7b SGB IV in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung gebe es keine überzeugenden Argumente für die Anwendbarkeit des §§ 7 Abs. 7 SGB IV in Fällen von Beitragsnachforderungen aus Betriebsprüfungen, nicht. Der Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. 7 S. 1 SGB IV sei eindeutig. Es sei auch ohne jede Bedeutung für den Charakter als Statusentscheidung, ob die Entscheidung separat als Grundentscheidung oder inzident im Rahmen der Beitragsnachforderung erfolge. In beiden Fällen werde eine Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliege, getroffen, auf die § 7 Abs. 7 SGB IV seinem Wortlaut nach eindeutig anzuwenden sei. Unerheblich sei es für die Frage der Versicherungspflicht auch, ob hieraus resultierende Beiträge sofort oder erst nach rechtskräftiger Entscheidung über die Statusfrage zur Zahlung fällig würden. Die Antragstellerin nimmt im Übrigen Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und verweist ausdrücklich auf die nach ihrer Auffassung herrschende Ansicht der Rechtsprechung der Landessozialgerichte zur Anwendbarkeit von § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV auf Rechtsbehelfe gegen Bescheide nach § 28p SGB IV.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte Bezug genommen.

II.

Die statthafte und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) hat in der Sache Erfolg.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruches der Antragstellerin gegen den nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV ergangenen Prüfbescheid der Antragsgegnerin vom 7. März 2013, durch welchen eine Nachforderung auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag sowie auf Umlagen in Höhe von 17.054,65 EUR festgesetzt wurde, in entsprechender Anwendung von § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG festgestellt. Dem Rechtsbehelf kommt aufschiebende Wirkung nicht zu.

Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben - einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten - keine aufschiebende Wirkung.
Diese durch das 6. SGG-Änderungsgesetz vom 17. August 2001 mit Wirkung vom 2. Januar 2002 eingeführte Regelung entspricht § 80 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und soll wie dort die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger sichern, die - zumal bei einer Umlagefinanzierung ihrer Ausgaben - auf die rechtzeitige und vollständige Erhebung der Abgaben angewiesen sind. Die Vorschrift dokumentiert die durch den Gesetzgeber in Fällen von Abgabenbescheiden getroffene Grundentscheidung, dass dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Vorrang gebührt vor dem durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz aus Gründen effektiven Rechtsschutzes prinzipiell geschützten Interesse des Adressaten, von der Vollziehung des angefochtenen Bescheides bis zu dessen Bestandskraft verschont zu bleiben.

Der nach einer Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV ergangene Prüfbescheid der Antragsgegnerin ist sofort vollziehbar, denn er verfügt eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 17.054,65 EUR und stellt in seiner Begründung die Versicherungspflicht der Beschäftigungen von Frau C. und Herrn D. fest.
§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV ermächtigt die Träger der Rentenversicherung zum Erlass von Verwaltungsakten zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Bescheide nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV, mit denen die Träger der Rentenversicherung nach Durchführung einer Betriebsprüfung Nachforderungen auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für Beschäftigte sowie auf Umlagen erheben, gehören damit grundsätzlich zu den von § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG erfassten, sofort vollziehbaren Anforderungsbescheiden.

Aus dem bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. I 2000) in das SGB IV eingefügten § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV ergibt sich nichts anderes.
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift haben Widerspruch und Klage gegen eine Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung. Ihre Anwendbarkeit ist von ihrem Wortlaut und ihrem systematischen Zusammenhang her auf das Antragsverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV beschränkt, innerhalb dessen die Deutsche Rentenversicherung Bund auf Antrag der an einem Auftragsverhältnis beteiligten Personen oder der zuständigen Einzugsstelle entscheidet, ob eine Beschäftigung vorliegt. Um eine Entscheidung im Antragsverfahren gemäß § 7a Abs. 2 SGB IV handelt es sich aber bei dem betroffenen Bescheid unstreitig nicht.

Unter Hinweis auf die Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit (BT-Drucks. 14/1855, Seite 8: "Die Vorschrift gilt nicht nur für Statusentscheidungen der (damaligen) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, sondern auch für Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Antragsverfahrens") wird allerdings vertreten, dass die Vorschrift auch außerhalb des Antragsverfahrens nach § 7a SGB IV und hier namentlich auf Statusentscheidungen der Rentenversicherungsträger im Rahmen von Betriebsprüfungen nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV Anwendung findet (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - L 3 B 80/00 ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 12. Januar 2005 - L 8/14 KR 110/04 ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. März 2013 - L 1 R 454/12 B ER, LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. September 2009 - L 4 R 196/09 B ER; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008 (Vorauflage) § 86a Rn. 5, 13b; entsprechende Anwendbarkeit ausdrücklich nur für Verfahren nach § 28h SGB IV: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Juli 2008 - L 16 B 30/08 KR ER).

Die in § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV spezialgesetzlich geregelte aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Statusentscheidungen wurde seinerzeit jedoch mit den besonderen Auswirkungen einer solchen Statusentscheidung für die Betroffenen begründet; von den angefochtenen Entscheidungen sollten zunächst keine Rechtswirkungen ausgehen (vgl. BT-Drucks. 14/1855, Seite 8).
Die von der Antragsgegnerin getroffenen Regelungen gehen jedoch über eine bloße Statusentscheidung hinaus. Anders als § 7a SGB IV ermächtigt § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV - wie bereits dargelegt - die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung zum Erlass von Verwaltungsakten auch zur Beitragshöhe; hierbei handelt es sich um eine klassische Eingriffsverwaltung. Dagegen folgen aus § 7a SGB IV keinerlei beitragsrechtliche Zuständigkeiten (vgl. auch BSG, Urteil vom 4. Juni 2009, B 12 KR 31/07 R, Rz. 29 - zitiert nach juris). Es ist jedoch gerade die Begründung von Zahlungspflichten, die nach dem Willen des Gesetzgebers zur sofortigen Vollziehbarkeit einer Verwaltungsentscheidung nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG führen sollte. Die Regelung dient der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Leistungsträger der Sozialversicherung (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes - 6. SGGÄndG – BT-Drucks. 14/5943, S. 25). Durch die Möglichkeit der sofortigen Vollziehung ist zu gewährleisten, dass der Zahlungsanspruch der Sozialversicherungsträger realisiert und nicht begünstigt durch den weiteren Zeitablauf nach Widerspruch und Klage - gegebenenfalls auch mit Hilfe von Vermögensumschichtungen - vereitelt werden kann (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. November 2008 - L 16 B 7/08 R ER).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV. Antragsverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV sind von einem vorausschauenden Charakter geprägt und deshalb in der Regel zu Beginn einer Tätigkeit eröffnet. Sie sollen nach der Gesetzesbegründung den gutgläubigen Beteiligten schützen (BT-Drucks. 14/1855, Seite 6), der mit der Einleitung des Statusfeststellungsverfahrens bestehende Unsicherheiten beseitigen und Rechtssicherheit herbeiführen will. Anders als in den von § 7a SGB IV geregelten Fällen (vgl. BT-Drucks. 14/1855, S. 6) besteht bei Prüfbescheiden nach § 28p SGB IV kein Bedürfnis, die Position eines gutgläubigen Arbeitgebers zu stärken. Eine Bevorzugung der erst durch eine Betriebsprüfung entdeckten säumigen Arbeitgeber, insbesondere auch der bösgläubigen, ist durch § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV jedenfalls nicht gewollt. Die Bedeutung der von den Beteiligten ausgehenden Initiative zur Klärung des Status wird durch den Umstand bestätigt, dass § 7a Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz SGB IV ein Antragsverfahren ausschließt, wenn bereits eine Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger ein Verfahren zur Feststellung des Status, wie zum Beispiel im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV oder gemäß § 28h SGB IV, eingeleitet hat. Grund hierfür ist, dass bei einer solchen Prüfung von Amts wegen nicht nur über eine Beschäftigung, sondern über den Beitragstatbestand als Ganzes zu befinden ist. In solchen Fällen fehlt es an der eine beitragsrechtliche Honorierung rechtfertigenden Gutgläubigkeit des Beteiligten. Bei einem im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV durch den Rentenversicherungsträger festgestellten Verdacht auf Verletzung der Meldepflichten nach § 28a SGB IV ist für eine derartige beitragsrechtliche Honorierung des in der Regel zumindest fahrlässig handelnden Arbeitgebers daher schlechterdings kein Raum (so auch: LSG Hamburg, Beschluss vom 16. April 2012, L 3 R 19/12 B ER – unter ausdrücklicher Distanzierung vom Beschluss vom 25. Oktober 2000 – L 3 B 80/00 ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. November 2008 – L 16 B 7/08 R ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 16. März 2010 – L 5 R 21/10 B ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Mai 2010 – L 11 KR 1125/10 ER-B sowie in Abweichung zur Vorauflage Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86a Rn. 13b; im Ergebnis auch: Hessisches LSG, Beschluss vom 9. Juli 2013, L 8 KR 167/13 ER).

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch den § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die Entscheidung für eine ausnahmslose sofortige Vollziehbarkeit von Entscheidungen über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie über die Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben in Kenntnis der zu § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV vertretenen Auffassung getroffen und so die aus dem Gesetzeswortlaut des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV sich ergebende - enge - Auslegung der Vorschrift bestätigt (vgl. amtliche Begründung zur Einführung der §§ 86a, 86b SGG durch das 6. SGG-Änderungsgesetz: BT-Drucks. 14/5943, Seite 25).

Auch eine entsprechende Anwendung des § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV kommt nicht in Betracht, denn es fehlt in § 28p SGB IV eine dem § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV vergleichbare Regelung, wonach die nach einem Antragsverfahren nach § 7a SGB IV nachzufordernden Gesamtsozialversicherungsbeiträge erst zu dem Zeitpunkt fällig werden, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist. Jedenfalls seit der Aufhebung des § 7b SGB IV durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3024) sehen auch die Sozialversicherungsträger eine entsprechende Anwendung des § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV im Rahmen von Betriebsprüfungen nicht mehr veranlasst (vgl. die Niederschrift über die Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 7./8. Mai 2008 zu TOP 2, im Internet unter www.aok-business.de). Diese materiell-rechtlichen Vorschriften sind auch maßgeblich für das Verständnis des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV. Würden Beitragsansprüche nämlich erst mit der Bestandskraft der Entscheidung über das Bestehen der Sozialversicherungspflicht fällig, wäre eine sofortige Vollziehung während der Rechtsbehelfsverfahren sinnlos. Für die Anwendung des § 86 Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der nach § 28p Abs. 1 Satz IV getroffenen Entscheidung bliebe kein Raum mehr (Bayerisches LSG a.a.O.).

Im Übrigen ist die Antragstellerin durch den fehlenden Suspensiveffekt ihres Widerspruchs gegen den Prüfbescheid vom 7. März 2013 nicht rechtlos gestellt, vielmehr ist ihr der Weg einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG eröffnet. Zwar hat die Antragstellerin ausdrücklich nur die Feststellung der aufschiebenden Wirkung beantragt, aber ihr Begehren ist jedenfalls auch dahingehend auszulegen, dass sie (hilfsweise) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt.
Ein solcher Antrag nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 8. April 2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. März 2013.
Das Gericht entscheidet über den Antrag in den Fällen des § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG nach summarischer Prüfung unter Abwägung der widerstreitenden Interessen nach den Maßstäben des § 86a Abs. 3 S. 2 SGG (Keller in: a.a.O.; § 86b Rdnr. 12b). Danach soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung bestehen, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfes im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dafür spricht, dass durch § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Abgabebescheiden bewusst auf den Adressaten verlagert worden ist, um die notwendigen Einnahmen der öffentlichen Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben sicherzustellen. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn die Vollziehung bereits dann ausgesetzt würde, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (Keller a.a.O. § 86a, Rdnr. 27a m.w.N.). Eine unbillige Härte liegt vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutgemacht werden können (Keller, a.a.O., § 86a Rdnr. 27b m.w.N.).

Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides bestehen. Dies gilt nach der im einstweiligen Rechtsschutz allein veranlassten summarischen Prüfung sowohl hinsichtlich der Beurteilung des Tätigwerdens der Betroffenen im Rahmen von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen als auch im Bezug auf die Berechnung der nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge. Die Antragsgegnerin durfte zur Beurteilung der Tätigkeiten im Rahmen von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen maßgeblich auf die Ergebnisse der Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes Hersfeld-Rotenburgs und die in diesem Zusammenhang übersandten Unterlagen sowie auf den von Herrn D. ausgefüllten Fragebogen abstellen.
Auch ist nach dem Vortrag der Antragstellerin keine unbillige Härte erkennbar, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung als eine besondere Ausnahme zum gesetzlich angeordneten Sofortvollzug rechtfertigen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in entsprechender Anwendung.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 197a SGG i.V.m. 47, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz. Bei Verfahren nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG beträgt der Streitwert ein Viertel des Hauptsachestreitwertes (Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit 2012, B 11.2; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. Januar 2012 - L 1 KR 350/11 B ER).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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