L 13 R 3891/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 3228/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3891/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. August 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Der 1952 geborene Kläger ist slowenischer Staatsangehöriger; er hat den Beruf des Malers erlernt, in dem er bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 14. Januar 2009 versicherungspflichtig beschäftigt war.

Auf seinen Antrag vom 20. Juli 2009 gewährte die Beklagte dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der F.Klinik M. B. B. gGmbH vom 13. August bis zum 10. September 2009. Der Kläger wurde ausweislich des Entlassungsberichts vom 17. September 2009 mit den Diagnosen schmerzhafte Bewegungseinschränkung linkes Handgelenk, Status nach Osteosynthese und distaler Radiusfraktur am 6. August 2008, belastungsabhängige Omalgie links, Status nach Frozen shoulder-OP am 2. April 2009, Karpaltunnel-Syndrom-Operation links am 25. Juni 2009, emotional instabile Persönlichkeitsstörung und depressive Episode arbeitsunfähig entlassen. Vollschichtig zumutbar seien noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten. Vermieden werden sollten Überkopfarbeiten, Arbeiten mit Verantwortung für Personen und Maschinen sowie Arbeiten in Stresssituationen. Die Tätigkeit als Maler sei nur noch unter drei Stunden möglich. Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 10. Dezember 2009 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Zeit ab dem 1. Juli 2009 auf Dauer.

Am 12. Juli 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts zog die Beklagte Befundunterlagen der behandelnden Ärzte sowie Entlassungsberichte des SRH-Klinikums K.-L. vom 16. November 2010 und vom 14. Dezember 2010 über stationäre Aufenthalte des Klägers vom 18. Oktober bis zum 19. November 2010 und vom 25. November bis zum 17. Dezember 2010 bei. Als Hauptdiagnosen werden in den Entlassungsberichten eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode (ICD-10 F 33.2) und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vor allem emotional instabilen, impulsiven, aber auch selbstunsicheren und zwanghaften Anteilen (ICD-10 F 61.0) angegeben. Ferner veranlasste die Beklagte sozialmedizinische Begutachtungen durch den Chirurgen Dr. G. und die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E.-D, die den Kläger jeweils am 23. Februar 2011 untersuchten. In ihrem, das Gutachten von Dr. G. integrierenden Gutachten vom 28. Februar 2011 teilte Dr. E.-D folgende Diagnosen mit: 1. Dysthymie, 2. Vorbeschriebene emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit impulsiven Anteilen, 3. Mäßiggradige degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Funktionseinschränkungen, 4. Funktionseinschränkung in beiden Schultergelenken links stärker als rechts bei degenerativen Veränderungen, Zustand nach arthroskopischer partieller Synovektomie und Capsulotomie bei Frozen shoulder 4/09 5. Posttraumatische Handgelenksarthrose links mit Funktionseinschränkung nach osteosynthetisch versorgter distaler Radiusfraktur links, mangelhafter Faustschluss links (privater Unfall 19. Juli 2008) 6. Verdacht auf kardiale mikrovaskuläre Dysfunktion, KHK und Coronarspasmen ausgeschlossen. Dr. E.-D hielt den Kläger aus neurologisch/psychiatrischer Sicht für zumindest leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmark für sechs Stunden und mehr leistungsfähig. Einschränkend seien erhöhter Zeitdruck und Akkord. Isoliert chirurgisch-orthopädisch betrachtet, sei der Kläger für leichte Tätigkeiten vollschichtig leistungsfähig, wobei Einschränkungen für langes Stehen und häufiges Bücken, sowie Knien und Hocken und Überkopfarbeiten beachtet werden sollten. Ferner sollten nur noch Lasten bis maximal fünf bis zehn kg gehoben und getragen werden.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom 23. März 2011 ab. Die Einschränkungen, die sich aus den bei dem Kläger vorliegenden Krankheiten oder Behinderungen ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nach der medizinischen Beurteilung könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Hiergegen erhob der Kläger mit bei der Beklagten am 31. März 2011 eingegangenen Schreiben Widerspruch, zu dessen Begründung er insbesondere auf die stationären Behandlungen in der SRH-Klinik in K.-L. verwies. Aus dem entsprechenden Entlassungsbericht vom 14. Dezember 2010 gehe hervor, dass keine Belastbarkeit für irgendeine Arbeitstätigkeit mehr bestehe und ihm daher empfohlen worden sei, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu beantragen. Der behandelnde Nervenarzt Dr. S. schließe sich dieser Einschätzung in vollem Umfang an und befürworte ebenfalls eine Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer.

Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme bei Dr. Sch. wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2011 zurück. Auch unter Berücksichtigung der im Widerspruchsverfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen bestehe bei dem Kläger nach Auffassung der Beklagten für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ein zeitliches Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich. In qualitativer Hinsicht seien dem Kläger noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Stehen und Bücken, ohne häufiges Knien und Hocken, ohne Überkopfarbeiten, ohne schweres Heben und Bewegen von Lasten sowie ohne besonderen Zeitdruck zumutbar.

Hiergegen hat der Kläger am 27. Mai 2011 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben. Zur Klagebegründung hat er sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und vertieft, insbesondere auf den Entlassungsbericht der SRH-Kliniken über den dortigen stationären Aufenthalt vom 25. November bis zum 17. Dezember 2010 verwiesen. Aufgrund der bestehenden hohen Medikation mit Psychopharmaka sei das Untersuchungsergebnis bei der Begutachtung durch Dr. E.-D verfälscht, so dass es keine Entscheidungsgrundlage sein könne. Der Kläger sei aufgrund seiner Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet nicht mehr in der Lage, drei Stunden und mehr leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben.

Das SG hat im Rahmen der Beweisaufnahme die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt und den Neurologen und Psychiater Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. S. hat unter dem 29. Juli 2011 mitgeteilt, der Kläger leide unter schweren Depressionen bei emotional instabiler Persönlichkeitsstruktur. Darüber hinaus sei während eines arbeitstherapeutischen Belastungstrainings festgestellt worden, dass die kognitive Bearbeitungsgeschwindigkeit, die Reaktionsbereitschaft usw. beeinträchtigt gewesen seien. Er sei daher der Auffassung, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, längerfristig regelmäßig zwei Stunden täglich und mehr zu arbeiten. Der Urologe Dr. Klöpfer hat unter dem 1. August 2011 angegeben, auf urologischem Fachgebiet keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit feststellen zu können. Da das Wasserlassen medikamentös eingestellt sei und Miktionsbeschwerden im Wesentlichen verneint würden, sehe er - außer der Prävention von Verkühlungen - keine Einschränkungen. Der Schwerpunkt der Leiden des Klägers liege auf psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet. Der Orthopäde Dr. V. hat in seiner Stellungnahme vom 24. August 2011 angegeben, aus orthopädischer Sicht seien Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Vermieden werden solle das Heben und Tragen von Lasten sowie Zwangshaltungen und Tätigkeiten ausschließlich im Gehen und Stehen. Aufgrund der Beeinträchtigung des Schultergelenks links sollten keine Überkopfarbeiten ausgeführt werden. Der Internist Prof. Dr. S. hat schließlich unter dem 25. August 2011 ausgeführt, die internistischen und kardiologischen Leiden des Klägers stünden für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht im Vordergrund. Dies begründe sich aus einer Stabilität der kardialen Beschwerdesymptomatik mit gut auszuhaltender und relativ niedriger Beschwerdefrequenz, die lediglich eine Bedarfstherapie erfordere, sowie aus der guten kardialen Belastbarkeit. Aus seiner Sicht bestünden keine maßgebenden Funktionseinschränkungen, zumal der Kläger bei der durchgeführten Ergometrie eine stufenweise Belastung bis 175 Watt toleriert habe. Auch das Ruhe-EKG vom 23. November 2010 habe einen Normalbefund ergeben.

In seinem Gutachten vom 28. November 2011 hat Dr. H. eine rezidivierende depressive Störung festgestellt; gegenwärtig liege eine leichte depressive Episode im Grenzbereich zu einer mittelgradigen depressiven Episode vor. Eine schwere depressive Erkrankung liege nicht (mehr) vor. Des Weiteren würden unter Berücksichtigung des Krankheitsverlaufs die Kriterien für das Vorliegen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend emotional-instabilen und selbstunsicheren Zügen erfüllt. Nicht erfüllt würden hingegen die Kriterien für das Vorliegen einer somatoformen Störung, einer Angsterkrankung oder einer posttraumatischen Belastungsstörung im Sinne des psychiatrischen Klassifikationssystems ICD-10. Es hätten sich keine kognitiven Leistungseinschränkungen gezeigt. Auffassung, Konzentration, Durchhaltevermögen und Gedächtnis hätten keine Einschränkungen aufgewiesen. Über die Lebensgeschichte sei flüssig und konzentriert berichtet worden. Unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde sei der Kläger in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Hierbei seien qualitative Leistungseinschränkungen zu beachten; Akkordarbeit, Nachtarbeit und Arbeiten unter besonderem Zeitdruck seien dem Kläger nicht zumutbar. Gleiches gelte für besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration. Auch Arbeiten, die eine erhöhte Frustrationstoleranz erforderten bzw. besondere Ansprüche an den Aufbau von Strategien zur Konfliktlösung stellten oder besondere soziale Fertigkeiten erforderten, könnten nicht verrichtet werden. Zu den Einschätzungen des SRH-Klinikums K.-L. bestehe insoweit eine Abweichung, als eine schwere depressive Episode nunmehr nicht mehr habe festgestellt werden können. Dies korrespondiere auch mit der Angabe des Klägers, wonach er damals ausgeprägter depressiv gewesen sei. Insofern könne auch der Einschätzung des behandelnden Nervenarztes Dr. S. vom 29. Juli 2011 nicht zugestimmt werden. Eine Abweichung gegenüber der nervenärztlichen Einschätzung von Dr. E.-D bestehe insoweit, als nicht lediglich eine Dysthymie vorliege, sondern vielmehr eine chronische depressive Erkrankung.

Mit Schreiben vom 7. März 2012 hat der Kläger eine gutachterliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. J. L. vom 2. Februar 2012, eine fachärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr. P. vom 6. Februar 2012 sowie ein Attest von Dr. S. vom 1. März 2012 vorgelegt. Dr. L. hat angegeben, nach seiner Auffassung sei der Kläger so weitgehend psychisch krank und in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt, dass an die Wiederaufnahme einer geregelten beruflichen Tätigkeit nicht im Entferntesten zu denken sei. Dr. H. habe den Kläger nur extrem kurz gesehen und die psychiatrische Krankheitsgeschichte in Form rezidivierender depressiver Episoden und einer jetzigen Chronifizierung der Depression nicht korrekt erfasst. Die fachärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr. P. vom 6. Februar 2012 hat sich im Wesentlichen auf eine Wiedergabe von Befunden beschränkt. Dr. P. schlägt eine physiotherapeutische und antiphlogistische-medikamentöse Behandlung vor. Aus seiner Sicht sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers erheblich gefährdet und deutlich gemindert. Insgesamt sei die körperliche und psychische Belastbarkeit bei dem Kläger erheblich reduziert. In seinem Attest vom 1. März 2012 hat Dr. S. angegeben, dass er den Kläger seit Februar 2005 regelmäßig ambulant behandle. Die Einschätzung von Dr. H. sei nicht haltbar, da beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung bei gegenwärtig schwerer Episode vorliege. Der Gutachter habe den Kläger nur kurz gesehen und könne daher die Auswirkungen der Erkrankungen nicht vollständig korrekt beurteilen. Nach seiner Auffassung sei der Kläger nicht mehr in der Lage, irgendeiner Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 16. August 2012 die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Der Kläger sei nicht voll erwerbsgemindert, er sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Dies stehe für die Kammer nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen, insbesondere aufgrund der aus den Verwaltungsakten beigezogenen Gutachten von Dr. G. und Dr. E.-D sowie des von Amts wegen beauftragten Dr. H. fest. Nicht zu folgen vermochte das SG den Einschätzungen der behandelnden Nervenärzte Dr. L. und Dr. S ... Der Stellungnahme von Dr. L. ließen sich aktuelle Befunderhebungen nicht entnehmen. Dieser stelle vielmehr lediglich auf den psychischen Zustand des Klägers im September 2011 ab, der dann auch zu den stationären Aufenthalten in der SRH-Klinik K.-L. geführt habe. Auch die von Dr. L. beschriebenen Antriebsstörungen mit einem vollständigen Sistieren der Initiativfähigkeit seien mit den Angaben des Klägers in der Untersuchungssituation hinsichtlich seines Tagesablaufs nicht vereinbar, öffentliche Fußballspiele in großen Stadien zu besuchen und auch kleinere Tätigkeiten, z.B. im Garten zu verrichten. Auch ein sozialer Rückzug unter Meidung von so gut wie allen Kontakten in der Familie, in der Verwandtschaft und im Freundeskreis lasse sich unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. H. nicht bestätigen. Dr. L. teile auch keine aktuellen Befunde oder Therapien mit. Es bleibe offen, in welchen zeitlichen Abständen der Kläger den Nervenarzt Dr. L. kontaktiere und ob gegebenenfalls Therapien durchgeführt würden. Im Ergebnis überzeuge auch die ärztliche Stellungnahme von Dr. S. nicht, auch dieser stütze sich lediglich auf die Ausführungen der SRH-Klinik im Zusammenhang mit dem behandlungsbedürftigen Gesundheitszustand des Klägers Ende 2011. Die bei dem Kläger vorliegenden qualitativen Einschränkungen stellten keine ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen dar. Vielmehr sei der Kläger nach Überzeugung der Kammer noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere Anforderungen an die Konzentration und Konfliktfähigkeit, ohne ständiges Gehen oder Stehen sowie häufiges Bücken, Knien, Hocken und ohne Überkopfarbeiten, mindestens sechs Stunden täglich auszuführen.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 3. September 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 12. September 2012 Berufung eingelegt. Zur Berufungsbegründung ist vorgetragen worden, entgegen der Auffassung des SG sei das Gutachten von Dr. H. keineswegs in sich widerspruchsfrei und überzeugend. Dieses beruhe auf einer Untersuchung am 19. November 2011, am 2. Februar 2012 habe sich der behandelnde Psychiater des Klägers Dr. L. ausführlich mit dem Gutachten auseinandergesetzt. Er habe mitgeteilt, dass der Kläger im September 2011 aufgrund einer wieder aufgebrochenen schweren depressiven Episode behandelt worden sei. Ganz im Vordergrund hätte hierbei die affektive Herabstimmung, die bis zum Fehlen jeglicher emotionaler Erlebnis- und Ausdrucksfähigkeit gehe, gestanden. Dr. L. sei von einer chronifiziert-depressiven Erkrankung ausgegangen mit mehreren schweren depressiven Phasen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass diese ernste Erkrankung bereits zwei Monate später bei der Begutachtung durch Dr. H. nicht mehr vorhanden gewesen sein solle. Auch Dr. S. habe in seinem Attest vom 1. März 2012 mitgeteilt, dass das Ergebnis der Untersuchung von Dr. H. in keiner Weise nachvollziehbar sei. Es falle auf, dass vor und nach der gutachterlichen Untersuchung von den behandelnden Ärzten eine schwere Depression diagnostiziert werde, allein aber Dr. H. eine leichte depressive Episode feststelle. Auch unter Berücksichtigung des Entlassungsbriefs der Psychiatrischen Klinik in K.-L. vom 14. Dezember 2010 sei dieses Ergebnis nicht nachvollziehbar. Im Rahmen der dort durchgeführten testpsychologischen Untersuchung am 4. November 2010 seien die kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit, die Reaktionsbereitschaft, die Aufmerksamkeitsteilung, die allgemeine Konzentration, die räumliche Aufmerksamkeit, die verbale Merkspanne, die verbale Gedächtnisleistung, die verbale Lernleistung, die räumlich-konstruktive Lernleistung, das divergente Problemlösen und das Arbeitsgedächtnis beeinträchtigt gewesen. In der neuro-psychologischen Untersuchung seien die gesetzlichen Voraussetzungen an die geistige Leistungsfähigkeit für die Fahreignung gemäß den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung nicht erreicht gewesen. Die Feststellungen von Dr. H. stünden hierzu in einem unauflösbaren Widerspruch. Dr. H. habe ohne jegliche Begründung auf eine testpsychologische Untersuchung verzichtet, welche sich hätte aufdrängen müssen. Das SG hätte die ausführlichen gutachterlichen Stellungnahmen von Dr. L. und Dr. S. dem Gutachter zur ergänzenden Stellungnahme vorlegen müssen. Weiter werde gerügt, dass kein fachorthopädisches Gutachten eingeholt worden sei. Dies habe sich aufgrund der Stellungnahme von Dr. P. aufgedrängt. Dass bei dem Kläger erhebliche Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet vorlägen, zeige sich auch an der Gewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Dr. P. sei dennoch nicht als Zeuge gehört worden, was nachzuholen sei.

Der Kläger beantragt:

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. August 2012 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2011 verurteilt, dem Kläger ab dem 1. August 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Senat bei Dr. H. eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme zu dem klägerischen Vortrag sowie den Stellungnahmen von Dr. L. und Dr. S. eingeholt. In seiner Stellungnahme vom 27. November 2012 hat dieser im Wesentlichen an seiner bisherigen Auffassung festgehalten. Der Entlassbericht der Psychiatrischen Klinik in K.-L. habe ihm vorgelegen. Die Anamnese sei umfassend und im Hinblick auf alle wesentlichen Punkte erhoben worden. Nachdem sich im Rahmen der klinisch-psychiatrischen Untersuchung keinerlei Anhaltspunkte für bestehende kognitive Leistungseinschränkungen ergeben hätten, sei eine testpsychologische Zusatzuntersuchung nicht durchgeführt worden. In Bezug auf die Atteste von Dr. L. vom 2. Februar 2011 und Dr. S. vom 1. März 2012 führt Dr. H. aus, er habe den Kläger nicht nur extrem kurz gesehen und auch nicht nur eine Stunde, wie die behandelnden Ärzte angäben. Nach Kenntnis der weiteren vorliegenden Berichte lasse sich hierzu Folgendes sagen: Zum Zeitpunkt der von ihm vorgenommenen Untersuchung habe definitiv keine schwere depressive Episode im Rahmen der vorliegenden rezidivierenden depressiven Störung vorgelegen. Insoweit habe sich auf dem Boden des von ihm erhobenen Untersuchungsbefundes eine quantitative Leistungsminderung nicht belegen lassen. Dies stimme auch mit der Stellungnahme von Dr. E.-D vom 28. Februar 2011 überein. Es sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der vorliegenden rezidivierenden depressiven Störung um ein phasisch verlaufendes Krankheitsbild handle, bei dem einzelne, abgrenzbare Episoden aufträten, deren Schweregrad auch unterschiedlich sein könne. Es sei auch nicht definitiv auszuschließen, dass der Kläger sich zum Zeitpunkt der Untersuchung in einem weniger depressiven Zustand befunden habe, als dies sonst regelmäßig der Fall gewesen sei. Um eine eindeutige aktuelle Leistungsbeurteilung abgeben zu können, müsse eine erneute Begutachtung erfolgen.

Der Senat hat dann den Chefarzt für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik I des Psychiatrischen Zentrums N.-W. Dr. Sch. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Gutachter hat den Kläger am 12. Juni 2013 untersucht und in seinem Gutachten vom 22. Juli 2013 angegeben, der Kläger leide auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet unter folgenden Gesundheitsstörungen: 1. Dysthymia (ICD-10: F 34.1), 2. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert (ICD-10: F 33.4), 3. Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10: F 60.30). Eigentliche Gesundheitsstörungen auf neurologischem Fachgebiet seien hier nebenbefundlich nicht feststellbar. Es hätten sich Hinweise auf nicht unerhebliche negative Antwortverzerrungen ergeben, die dem klassischen Konzept "Aggravation" zuzuordnen wären. Darüber hinaus hätten sich jedoch auch klare Hinweise auf tatsächliche psychiatrische Gesundheitsstörungen ergeben. Die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen bestünden auch außerhalb von gutachterlichen Untersuchungssituationen. Sie führten zu einer Minderung der Stressbelastbarkeit sowie zu einer Minderung der sozialen Kompetenzen. Berufliche Tätigkeiten, die mit erhöhter Stressbelastung einhergingen, so etwa durch erhöhten Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder durch unphysiologisch psychovegetative Belastung (z.B. Nachtarbeit) kämen für den Kläger nicht in Frage. Tätigkeiten, die mehr als nur durchschnittliche Anforderungen an die sozialen Kompetenzen stellten, seien ebenfalls auszuschließen, somit Tätigkeiten mit unmittelbarem Publikumskontakt oder Tätigkeiten, die die innige Absprache in Arbeitsteams erfordern würden. Weiterhin kämen für den Kläger Tätigkeiten nicht in Frage, die durch Verantwortung für Personen oder hohe Sachwerte oder durch anhaltend hohe Anforderung an Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung zu einer anhaltenden erhöhten psychovegetativen Belastung führten. Die weiterhin vorliegenden orthopädischen Leiden führten zu weiteren relevanten qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens. Die vom behandelnden Orthopäden aufgeführten Leistungseinschränkungen seien insoweit gut nachvollziehbar. Insgesamt führten die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen zu relevanten qualitativen Leistungsdefiziten, in quantitativer Hinsicht sei das Leistungsvermögen jedoch nicht beeinträchtigt. Im Rahmen der Begutachtung hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen basaler Motivations- oder Antriebsstörungen ergeben. Es hätten sich auf psychopathologischer Ebene auch keine Hinweise auf verstärkt ausgeprägte motorische oder kognitive Ermüdungszeichen gezeigt. Vor diesem Hintergrund sei der Kläger dazu in der Lage, berufliche Tätigkeiten, die den genannten qualitativen Leistungsdefiziten entsprächen, vollschichtig, d.h. bis zu acht Stunden pro Tag an fünf Tagen pro Woche auszuüben.

Mit Schriftsatz vom 29. August 2013 hat der Klägervertreter, mit Schriftsatz vom 4. September 2013 die Beklagte das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der den Rentenantrag des Klägers vom 12. Juli 2010 ablehnende Bescheid vom 23. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2011. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Nachdem der Kläger bereits eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bezieht, war streitig allein noch die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI.

Gemäß § 43 Abs. 2 SGBVI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Dass bei dem Kläger das berufliche Leistungsvermögen jedenfalls für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von sechs Stunden täglich gegeben ist, hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der umfassend erhobenen Beweise, insbesondere des gerichtlichen Sachverständigengutachtens von Dr. H. sowie der im Rahmen des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten von Dr. E.-D und Dr. G. festgestellt. Der Senat schließt sich daher den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheides vom 16. August 2012, insbesondere auch der dort vorgenommenen Beweiswürdigung an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch die im Rahmen des Berufungsverfahrens durchgeführten Ermittlungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Durch das bei Dr. Sch. eingeholte Gutachten wird vielmehr das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme bestätigt. Auch der im Berufungsverfahren gehörte Gutachter kommt zu dem Schluss, dass bei dem Kläger eine rentenberechtigende Leistungsminderung im Sinne einer vollen Erwerbsminderung nicht gegeben ist. Die von ihm mitgeteilten Gesundheitsstörungen decken sich im Wesentlichen mit den durch Dr. H. erhobenen. Für den Senat steht fest, dass der Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet unter Dysthymia, einer rezidivierenden depressiven Störung sowie einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ leidet. Diese Diagnosen leitet der Gutachter nachvollziehbar und widerspruchsfrei aus den erhobenen Befunden ab. Der Gutachter hat sich ausführlich mit der Krankheitsgeschichte und den geklagten Beschwerden auseinandergesetzt, hierbei die im vorliegende Aktenlage sowie die Beschwerdeschilderung des Klägers berücksichtigt. Für den Senat steht fest, dass die psychiatrischen Erkrankungen trotz der durch den Gutachter geschilderten massiven Verdeutlichungstendenzen vorliegen. Die Angaben des Klägers zu den gravierenden Beeinträchtigungen in kognitiver Hinsicht, die auch zur Berufungsbegründung vorgetragen werden, konnten aber auch durch Dr. Sch., wie bereits durch Dr. H., nicht mit den erhebbaren Befunden in Einklang gebracht werden. Den geklagten Problemen in Bezug auf Gedächtnis und Konzentration stand eine altersentsprechend durchschnittliche Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung im Rahmen der mehrstündigen Untersuchungssitzung entgegen. Klinisch relevante mnestische Funktionsdefizite in Bezug auf das Kurz- und Langzeitgedächtnis konnte Dr. Sch. ebenfalls nicht feststellen. Widersprüche zeigt Dr. Sch. auch hinsichtlich der geklagten Schmerzen auf. So gab der Kläger im Schmerzevaluationsbogen hohe bis höchste Schmerzintensitäten in verschiedenen Körperbereichen an mit mittleren bis hohen Beeinträchtigungsskalen in verschiedenen Lebensbereichen. Das beobachtbare schmerztypische Verhalten war jedoch nur dezent ausgeprägt. Die im Funktionsfragebogen Hannover-Rücken angegebenen, zum Teil erheblichen Beeinträchtigungen bestätigten sich in der konkreten Funktionsprüfung nicht. Dem im Beck-Depressionsinventar erzielten Ergebnis, das für eine schwerstgradige Depression sprechen würde, stand der klinische Befund gegenüber. Hier zeigte sich eine nur geringgradig herabgeminderte Schwingungsfähigkeit und keine schwergradige Depressivität. Insgesamt zeigte der Gutachter verschiedene Hinweise auf negative Antwortverzerrungen auf, die als massiven Verdeutlichungsverhalten zu interpretieren sind. Trotz dieser Verdeutlichungstendenzen konnte der Gutachter auch Hinweise auf tatsächliche, klinisch relevante Störungen feststellen. Hier zeigten sich insbesondere Besonderheiten des Persönlichkeitsprofils im Sinne einer Impulsivität bis hin zur Tätlichkeit, die durch die seitens des Klägers geschilderten Arbeitsplatzkonflikte bestätigt werden; hieraus leitet der Gutachter nachvollziehbar die Diagnose einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ ab. Wie bereits Dr. H. schloss auch Dr. Sch. eine gravierende Depressivität zum Zeitpunkt der Untersuchung aus. Dies ist aus den erhobenen Befunden ebenfalls nachvollziehbar. Es zeigten sich keine Ich-Störungen, keine relevanten formalgedanklichen Störungen, keine objektivierbaren kognitiven Funktionsdefizite, nicht einmal wesentliche Antriebsstörungen. Bestätigt wird dies durch den insbesondere gegenüber Dr. H. angegebenen Tagesablauf und das Freizeitverhalten. So hatte der Kläger gegenüber Dr. H. angegeben, öffentliche Fußballspiele in großen Stadien zu besuchen und auch kleinere Tätigkeiten im Garten zu verrichten. Zwar werden gegenüber Dr. Sch. keine Hobbys mehr geschildert; der Kläger gibt vielmehr an, im Wesentlichen den ganzen Tag über fernzusehen, wesentliche Rückzugstendenzen ergeben sich aber auch aus dem Gutachten von Dr. Sch. nicht. Der Kläger berichtet von Kontakten mit Freunden und Bekannten sowie mit der in Slowenien lebenden Familie. Die noch durch Dr. H. angenommene depressive Episode im Übergangsbereich der leichten depressiven Episode zur mittelgradigen depressiven Episode konnte durch Dr. Sch. im Schweregrad nicht mehr bestätigt werden. Bei ihm zeigte sich vielmehr nach seiner überzeugenden Einschätzung das typische Bild einer dysthymen Störung. Zusätzlich zu der von Dr. E.-D angenommenen Dysthymie diagnostiziert Dr. Sch. noch – im Sinne einer double-depression – eine rezidivierende depressive Störung. Unter Berücksichtigung der durch Dr. S. und Dr. L. angegebenen Befunde sowie des Entlassungsberichts der SRH-Klinik K.-L. kommt Dr. Sch. überzeugend dazu, dass bei dem Kläger eine langjährig bestehende, eher leichtgradige dysthyme Verstimmung mit darauf quasi auflagernden, vorübergehenden gravierenden depressiven Verstimmungen vorliegen. Dies ist für den Senat auch unter Berücksichtigung der durch Dr. E.-D und Dr. H. erhobenen Befunde überzeugend und schlüssig. Der Senat schließt sich auch hinsichtlich der Leistungseinschätzung Dr. Sch. an. Die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen führen nicht zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es ergaben sich keine Hinweise auf das Vorliegen basaler Motivations- oder Antriebsstörungen oder auf verstärkt ausgeprägte motorische oder kognitive Ermüdungszeichen, wie sich insbesondere auch im durch den Kläger in der mehrstündigen Untersuchungssitzung manifesten Leistungsvermögen zeigte. Für den Senat steht daher fest, dass der Kläger leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann.

Hierbei sind die durch Dr. Sch. angegebenen qualitativen Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen. Berufliche Tätigkeiten, die mit erhöhter Stressbelastung einhergehen, etwa durch erhöhten Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder durch unphysiologisch psychovegetative Belastung (z.B. Nachtarbeit) kommen ebenso wenig in Betracht wie Tätigkeiten, die mehr als nur durchschnittliche Anforderungen an die sozialen Kompetenzen stellen. Tätigkeiten mit unmittelbarem Publikumskontakt oder Tätigkeiten, die die innige Absprache in Arbeitsteams erforderten, sind daher auszuschließen. Weiterhin sind dem Kläger Tätigkeiten, die durch Verantwortung für Personen oder hohe Sachwerte oder durch anhaltend hohe Anforderung an Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung zu einer anhaltenden erhöhten psychovegetativen Belastung führen, nicht leidensgerecht. Weitergehende qualitative Einschränkungen ergeben sich aufgrund der orthopädischen Erkrankungen. So sind das Heben und Tragen von Lasten über fünf kg, Zwangshaltungen, Tätigkeiten ausschließlich im Gehen und Stehen sowie Überkopfarbeiten nicht mehr zumutbar. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. G., welches im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden konnte. Danach leidet der Kläger unter mäßiggradigen degenerativen Veränderungen mit Funktionseinschränkungen, Funktionseinschränkungen in beiden Schultergelenken links stärker als rechts bei degenerativen Veränderungen, posttraumatischer Handgelenksarthrose links mit Funktionseinschränkung nach osteosynthetisch versorgter distaler Radiusfraktur links. Die von Dr. G. erhobenen Befunde sowie dessen Leistungseinschätzung decken sich mit derjenigen des behandelnden Orthopäden Dr. V ... Weitergehende Befunde werden auch durch Dr. P. in seiner fachärztlichen Bescheinigung vom 6. Februar 2012 nicht mitgeteilt. Dass die Erwerbsfähigkeit, wie Dr. P. annimmt, "erheblich gefährdet und deutlich gemindert" ist, wird durch die Beklagte durch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit berücksichtigt; auch die auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen führen aber, wie Dr. G. und Dr. V. nachvollziehbar begründen, nicht zu einer rentenbegründenden Einschränkung des Leistungsvermögens auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Internistisch-kardiologische oder urologische Gesundheitsstörungen, die zu rentenrelevanten Einschränkungen des Leistungsvermögens führen würden, liegen nicht vor. Der Senat stützt sich insoweit auf die Aussagen von Prof. Dr. S. und Dr. K ...

Die vorliegenden Gesundheitsstörungen können damit zwar das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keinen Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden.

Aus den genannten qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ergeben sich weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar (vgl. dazu BSG, Urteil vom 9. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - Juris; BSG, Urteil vom 11. Mai 1999 - B 13 RJ 71/97 - Juris Rdnr. 18 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger im Ergebnis erfolglos geblieben ist und die Beklagte zur Klage und zur Berufung keinen berechtigten Anlass gegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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