Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 4139/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 1003/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der grob fahrlässigen Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit eines Rentenbescheids.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. September 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte erstattet der Klägerin die außergerichtlichen Kosten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Aufhebung des Bescheids vom 2. Juni 2005, mit dem die Beklagte die der Klägerin ab 1. Juli 2004 gewährte große Witwenrente ab 1. Juli 2005 bis 31. Mai 2007 neu berechnet hat, und einer daraus resultierenden Rückforderung in Höhe von 5.177,70 Euro.
Der 1931 geborene und 2004 verstorbene Versicherte war der Ehemann der 1940 geborenen Klägerin. Der Versicherte bezog seit 1. Dezember 1996 Altersrente für langjährig Versicherte von der Beklagten.
Mit Bescheid vom 22. Juli 2004 gewährte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 30. Juni 2004 hin große Witwenrente ab 1. Juli 2004 mit einem laufenden monatlichen Zahlbetrag ab 1. Oktober 2004 in Höhe von 505,50 Euro. Unter "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" ist folgender Hinweis enthalten:
"Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können (auch wenn sie im Ausland erzielt werden) Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen, das sind
- Arbeitsentgelt
- Arbeitseinkommen (Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit),
- vergleichbares Einkommen,
oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen.
Erwerbsersatzeinkommen sind, auch als Kapitalleistung oder Abfindung, folgende Leistungen:
- ...
- Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung".
Ferner ist unter "Hinweise" folgendes ausgeführt:
"Aus der Anlage 1 ergibt sich, dass die Rente wegen Zusammentreffens mit anderen Ansprüchen nur teilweise zu leisten ist. Bitte informieren Sie uns, wenn die anderen Leistungen sich mindern oder wegfallen. Trifft eine Witwenrente oder Witwerrente mit Erwerbs-oder Erwerbsersatzeinkommen des Berechtigten zusammen, so ist auf die Rente Einkommen in Höhe von 40 % des Betrags anzurechnen, um den das monatliche Einkommen einen dynamischen Freibetrag übersteigt."
In der Anlage 8 ist die Anrechnung des von der Klägerin erzielten Einkommens auf die Witwenrente dargestellt. Es ergab sich ein anzurechnendes Einkommen ab 1. Juli 2004 in Höhe von 92,23 Euro. Zu Grunde lag der Berechnung ein Arbeitsentgelt für 2003 aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis in Höhe von 22.275,71 Euro und ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 920,40 Euro.
Mit Bescheid vom 27. April 2005 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin ab 1. Juli 2005 neu. Die Neuberechnung erfolgte aufgrund einer Rentenanpassung, der Änderung des auf die Rente anzurechnenden Einkommens sowie einer Zugrundelegung eines anderen Beitragssatzes zur Krankenversicherung. Es ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag in Höhe von 414,18 Euro ab 1. Juli 2005. Ausweislich der Anlage 8 zum Bescheid betrug das anzurechnende Einkommen ab 1. Juli 2005 190,37 Euro unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgelts für 2004 aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis in Höhe von 23.315,00 Euro.
Mit Schreiben vom 11. April 2005 übersandte die Beklagte der Klägerin den Vordruck R 0250 mit der Bitte, diesen dem Arbeitgeber vorzulegen, von dort ausfüllen und zurücksenden zu lassen. Der Arbeitgeber der Klägerin (Firma F. S.) meldete daraufhin unter dem 3. Mai 2005 ein Arbeitsentgelt für das Jahr 2004 in Höhe von 23.315.- Euro sowie für das Jahr 2005 ein Arbeitseinkommen von voraussichtlich 21.196.- Euro.
Ab 1. Mai 2005 bezog die Klägerin eine Altersrente aus eigener Versicherung.
Die Beklagte berechnete mit Bescheid vom 2. Juni 2005 die große Witwenrente der Klägerin ab 1. Mai 2005 neu. Sie errechnete einen monatlichen Zahlbetrag ab 1. Mai 2005 in Höhe von 589,38 Euro und ab 1. Juli 2005 in Höhe von 586,47 Euro.
In der Anlage 8 ist in Bezug auf die Berechnung für die Zeit ab 1. Mai 2005 festgehalten, dass das zu berücksichtigende Einkommen wegen Änderung in den Bezügen neu festzustellen sei. Das bisher berücksichtigte monatliche Einkommen habe 920,40 Euro betragen. Erwerbsersatzeinkommen sei die Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 385,64 Euro. Die zu berücksichtigende Rente belaufe sich auf 385,64 Euro.
Zu berücksichtigendes Einkommen sei das Einkommen von 385,64 Euro. Das Einkommen übersteige den Freibetrag nicht, ab 1. Mai 2005 erfolgte keine Einkommensanrechnung.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2007 teilte die Firma F. S. monatliche Einkünfte der Klägerin ab Januar bis Mai 2007 in Höhe von brutto 1.534.- Euro sowie eine zu erwartende Zuwendung in August 2007 in Höhe von 256.- Euro, mit Schreiben vom 4. Juni 2007 ein Bruttoarbeitsentgelt für das Jahr 2005 in Höhe von 27.867,28 Euro, für 2006 in Höhe von 28.190,02 Euro und für 2007 in Höhe von 15.345,27 Euro sowie einen steuerfreien Aufstockungsbetrag für den Zeitraum 1. März bis 31. Mai 2007 in Höhe von 111,50 Euro (Sonntags-/Feiertagszuschlag) mit.
Am 1. Juni 2007 wandte sich die Klägerin an eine Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten und legte eine Vereinbarung zwischen der Firma F. S. und der Klägerin vom 8. November 2006 vor, wonach das bestehende Beschäftigungsverhältnis zum 31. Mai 2007 endet. Es wurde um eine Überprüfung der Einkommensanrechnung auf die Witwenrente gebeten.
Die Beklagte hörte daraufhin mit Schreiben vom 14. Juni 2007 die Klägerin zu ihrer Absicht an, den Bescheid vom 2. Juni 2005 mit Wirkung für die Vergangenheit ab 1. Mai 2005 nach § 45 SGB X zurückzunehmen und die Überzahlung für den Zeitraum 1. Mai 2005 bis 31. Mai 2007 in Höhe von 7.396,88 Euro zurückzufordern. Im Bescheid vom 2. Juni 2005 sei als Einkommen lediglich die gezahlte Versichertenrente berücksichtigt worden. Es seien neben der Versichertenrente in Höhe von 385,64 Euro aber auch das laufende Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung in Höhe von 2.546,51 Euro sowie Sonderzuwendungen in Höhe von 640,00 Euro zu berücksichtigen. Erst ab 1. Juni 2007 finde keine Einkommensanrechnung mehr statt. Die Klägerin wurde gebeten, alle Umstände mitzuteilen, die ihrer Meinung nach der beabsichtigten Entscheidung entgegenstehen.
Die Klägerin erklärte, die Höhe ihres Einkommens sei der Beklagten jederzeit und in vollem Umfang bekannt gewesen. Dies habe eine Nachfrage bei ihrem Arbeitgeber ergeben. Die Korrektur des Bescheides sei daher mittlerweile verjährt.
Mit angefochtenem Bescheid vom 16. Juli 2007 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin ab 1. Mai 2005 neu und nahm den Rentenbescheid vom 2. Juni 2005 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 1. Mai 2005 nach § 45 SGB X zurück. Die entstandene Überzahlung wurde zurückgefordert. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides berufen, da ihr bekannt gewesen sei, dass Einkommen auf die Hinterbliebenenrente anzurechnen sei. Die Fristen des § 45 Abs. 3, 4 SGB X seien nicht abgelaufen. Im Rahmen der Ausübung des Ermessens sei zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt worden, dass der Beklagten die Erzielung von Entgelt bekannt gewesen sei. Der Rückforderungsbetrag werde daher auf 5.347,49 Euro begrenzt.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, sie habe ihre Einkünfte sowohl bei Beantragung der Rente als auch jährlich auf die entsprechenden Anfragen der Beklagten zutreffend angegeben. Trotzdem seien die Rentenzahlungen ohne Abschläge an sie geleistet worden. Sie habe daher davon ausgehen müssen, dass ihr die laufenden Rentenzahlungen trotz ihrer weiteren Einkünfte tatsächlich zustehen. Mangels Reaktion auf die Mitteilung ihrer Einkünfte habe sie annehmen können, dass sich diese bei ihr konkret nicht auf die Höhe der Rente auswirkten. Die Klägerin habe die erbrachten Leistungen auch verbraucht. Auch sei eine Rücknahme nach § 45 Abs. 3 SGB X nur innerhalb von zwei Jahren zulässig. Der ursprüngliche Bescheid datiere aber auf den 2. Juni 2005 und sei erst durch den angegriffenen Bescheid vom 16. Juli 2007 geändert worden. Bösgläubigkeit könne der Klägerin nicht unterstellt werden, so dass die von der Beklagten genannte Zehnjahresfrist nicht gelte. Außerdem dürfe ein Verwaltungsakt nur in Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 S. 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Auch müsse die Rücknahme innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigten. Aufgrund der seit langem bestehenden Kenntnis von den Einkünften der Klägerin komme auch aus diesem Grund die Rücknahme des Verwaltungsaktes nicht in Betracht. Auch sei die Klägerin nicht in der Lage, den geforderten Betrag zu bezahlen.
Mit weiterem angefochtenen Bescheid vom 17. Dezember 2007 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin erneut neu und reduzierte hierbei unter Wiederholung der Begründung im Bescheid vom 16. Juli 2007 den Rückforderungsbetrag auf 5.177,70 Euro.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 17. Dezember 2007 abgeholfen worden ist, zurück. Zur Begründung wurde auf § 97 SGB VI verwiesen, wonach Einkommen im Sinne der §§ 18a bis e SGB IV, das mit einer Witwenrente zusammentreffe, auf diese anzurechnen sei. Dazu zählten neben der Versichertenrente auch die Arbeitsentgelte aus dem abhängigen Beschäftigungsverhältnis der Klägerin. Auf die Einkommensanrechnung sei die Klägerin mit Bescheid vom 2. Juli 2005 hingewiesen worden. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Abs. 3 Nr. 3 SGB X seien erfüllt. Die Klägerin hätte bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage erkennen müssen, dass die Weiterzahlung ihrer Witwenrente ohne Anrechnung der Arbeitsentgelte aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis fehlerhaft und damit rechtswidrig gewesen sei. Auf Gutgläubigkeit beim Empfang der überzahlten Leistungen könne sie sich daher nicht berufen. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte die Klägerin ohne Anstellen rechtlicher Überlegungen den Fehler erkennen und durch einen Hinweis oder eine entsprechende Frage an die Beklagte die gesetzliche Einkommensanrechnung erreichen können. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob bei den ab 1. Mai 2005 überwiesenen Zahlbeträgen tatsächlich eine korrekte Einkommensanrechnung erfolgte. Die Klägerin habe jedoch die überzahlten Rentenbeträge stillschweigend entgegengenommen und sich damit pflichtwidrig verhalten. Die Einjahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X habe ab dem Tag des Bekanntwerdens der Notwendigkeit der Neuberechnung am 6. Juni 2007 und damit ab 7. Juni 2007 begonnen und sei zum Zeitpunkt des Erlasses des Rentenbescheids vom 16. Juli 2007 noch nicht abgelaufen gewesen. Im Rahmen der Ermessensprüfung habe die Beklagte berücksichtigt, dass ihr ein Mitverschulden an der Überzahlung zuzurechnen sei. Aus diesem Grund sei die Forderung auf 70 % reduziert worden.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und erklärt, der Arbeitgeber habe mit Bescheinigung vom 3. Mai 2005 ordnungsgemäß das Arbeitsentgelt nachgewiesen. Dieses habe sich bis Mai 2007 auch nicht verändert. Ihr könne also keine nachträgliche Verletzung der Mitteilungspflichten zur Last gelegt werden. Auch habe sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung nicht erkennen müssen. Die Frage, ob bzw. in welcher Höhe im Rentenbescheid das Arbeitsentgelt zu berücksichtigen gewesen wäre, sei für einen Laien nicht nachvollziehbar. Der Rentenempfänger könne nicht die jeweilige Rentenhöhe überprüfen.
Das SG hat mit Urteil vom 14. September 2011 den Bescheid vom 16. Juli 2007 in der Fassung des Bescheids vom 17. Dezember 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 aufgehoben, soweit der Rentenbescheid vom 2. Juni 2005 hinsichtlich der Rentenhöhe zurückgenommen und für die Zeit vom 1. Mai 2005 bis zum 31. Mai 2007 eine Überzahlung in Höhe von 5.177,70 Euro zurückgefordert wird. Zur Begründung hat das SG darauf verwiesen, die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X sei bereits abgelaufen gewesen. Die Rücknahme des Rentenbescheids vom 2. Juni 2005 sei erst mit Bescheid vom 16. Juli 2007 erfolgt. Die Ausnahme des § 45 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 SGB X gelte nicht. Die Klägerin habe keine unrichtigen und keine unvollständigen Angaben gemacht, sondern den Vordruck R 250 ihrem Arbeitgeber vorgelegt, der ihn an die Beklagte zurückgesandt habe. Auch sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 2. Juni 2005 positiv kannte. Ihre Unkenntnis sei auch nicht grob fahrlässig. Ein Antragsteller, der zutreffende Angaben gemacht hat, sei nicht zu Gunsten der Behörde verpflichtet, Bewilligungsbescheide des Näheren auf Richtigkeit zu überprüfen. Nur wenn der Fehler im Bewilligungsbescheid dem Antragsteller bei seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten geradezu ins Auge springen müsse, setze der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ein. Anlässlich der Gestaltung des Rentenbescheids vom 2. Juni 2005 springe die Rechtswidrigkeit der Einkommensanrechnung einem rentenrechtlichen Laien keinesfalls ins Auge. Der Bescheid umfasse regelmäßig viele eng bedruckte Seiten, die für einen rentenrechtlichen Laien nicht mehr zu entschlüsseln seien. Die Darstellung der Berechnung des anzurechnenden Einkommens sei eingebettet in die Darlegung zahlreicher Abzüge und Freibeträge. Der Text sei durchsetzt mit rentenrechtlichen Fachbegriffen und Berechnungen, die für die Klägerin in keiner Weise mehr nachvollziehbar seien. Es mag zwar für einen Sachbearbeiter der Beklagten evident sein, dass die Berechnung nicht zutreffend sein könne, die Klägerin treffe hingegen kaum der Vorwurf der einfachen, jedenfalls sicherlich nicht den der groben Fahrlässigkeit. Eine solche ergebe sich auch nicht daraus, dass der Rentenzahlbetrag deutlich höher war als zuvor. Denn Anlass der Neuberechnung zum 1. Mai 2005 sei das Hinzutreten einer Altersrente aus eigener Versicherung neben die Witwenrente gewesen. Die Klägerin als rentenrechtlicher Laie habe ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass die Erhöhung des Rentenzahlbetrages hierin begründet sei. Ergäben sich aus einem Bescheid selbst keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, von welchen Berechnungsgrundlagen die Beklagte bei der Rentenberechnung ausgegangen sei, habe ein Versicherter nicht nachzufragen, weshalb die Rente in einer bestimmten Höhe gezahlt werde. Dies gelte umso mehr, wenn es sich nicht um einen über Jahre feststehenden Betrag handele, sondern Einkommen auf eine Rente angerechnet werde.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und auf die Hinweise unter der Überschrift "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" im Bescheid vom 22. Juli 2004 hingewiesen. Anlässlich des Bescheids vom 27. April 2005 habe die Klägerin erkennen können, dass ein höheres Jahresarbeitsentgelt (23.315,00 Euro statt 22.275,71 Euro) zu einer niedrigeren Rente führe. Nur einen Monat später sei der Klägerin mit Bescheid vom 24. Mai 2005 Regelaltersrente ab 1. Mai 2005 bewilligt worden. In dem Bescheid vom 2. Juni 2005 sei versehentlich nur die Altersrente der Klägerin und nicht mehr das Arbeitseinkommen aus der unselbstständigen Beschäftigung berücksichtigt worden. Der Rentenbetrag habe sich dadurch um 172,29 Euro von 414,18 Euro auf 586,47 Euro und damit um rund 42 % erhöht. Allein dieser Umstand der Erhöhung der Rente trotz Erhöhung des anzurechnenden Einkommens hätte der Klägerin zeigen müssen, dass dies nicht richtig sein könne. Da sie gewusst habe, dass die Erhöhung ihres Einkommens zu einer Minderung der Rente führe, hätte sie wissen müssen, dass sich durch den Hinzutritt ihrer Regelaltersrente die Witwenrente mindere. Die Beklagte hat darüber hinaus Bezug auf ein Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25. Februar 2011, Az. L 17 R 725/07, genommen. Bereits allein aufgrund der auffallenden Steigerung der Rentenhöhe sei die Klägerin verpflichtet gewesen, bei der Beklagten nachzufragen.
Die Klägerin hat ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte nochmals auf die erteilten Hinweise verweise. Es sei unstrittig, dass sie ihren Mitteilungspflichten nachgekommen sei. Als juristischer Laie habe sie darauf vertrauen müssen, dass die von der Beklagten erteilten Bescheide rechtmäßig seien. Eine vollständige Überprüfung, wie von der Beklagten gefordert, könne nicht verlangt werden und sei auch nicht möglich. Die Klägerin habe auch bei der Absenkung der Rentenhöhe auf 414,18 Euro auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertraut. Die dann ab 1. August 2005 erfolgte Erhöhung auf 586,47 Euro habe seitens der Klägerin im Einzelnen nicht nachvollzogen werden können. Zur Überprüfung des Auszahlungsbetrags hätte sie den gesamten Rentenbescheid einer Überprüfung unterziehen müssen. Sie habe aber nicht ahnen können, dass die Beklagte in der Anlage 8, obwohl eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nur in Bezug auf die Zuerkennung der Altersrente eingetreten sei, das Einkommen unzutreffend angerechnet habe.
Die Klägerin hat auf Anfrage des Senats folgenden Lebenslauf mitgeteilt:
1946-1954 Volksschule A-Stadt
1954-1956 Mittelschule zwei Jahre mit Abschluss
1956-1957 Hauswirtschaftliche Berufsschule
1957-1959 Lehre zur Zahnarzthelferin
1959-1971 Zahnarzthelferin
1972 (Januar-Juli) Halbtagstätigkeit der Klägerin nach der Geburt der Tochter
Ab August 1972 Hausfrau mit 2 Kindern.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, ist der angefochtene Bescheid vom 16. Juli 2007 in der Fassung des Bescheids vom 17. Dezember 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da die Beklagte den Bescheid vom 2. Juni 2005 jedenfalls nicht fristgerecht zurückgenommen hat.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X).
Der Bescheid vom 2. Juni 2005 war von Anfang an rechtswidrig. Die Klägerin hat unstrittig neben ihrer Rente aus eigener Versicherung ein Arbeitseinkommen im Sinne des § 18 a Abs. 2 SGB IV erzielt. Dieses ist gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI auf die von ihr bezogene Witwenrente grundsätzlich anzurechnen, sobald der Rentenartfaktor nicht mehr mindestens 1,0 beträgt. Anrechenbar ist jedoch nur das Einkommen, das monatlich das 26,4 fache des aktuellen Rentenwert übersteigt (§ 97 Abs. 2 SGB VI). Im Rentenbescheid vom 2. Juni 2005 berücksichtigte die Beklagte ausschließlich die Rente der Klägerin aus eigener Versicherung. Die Klägerin hatte aber bereits zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Rentenbescheids und darüber hinaus ein Arbeitsentgelt aus einer unselbständigen Beschäftigung bei der Firma S. erzielt. Ab 1. Mai 1995 ergab sich damit bei der gebotenen Mitberücksichtigung des Arbeitseinkommens in der vom Arbeitgeber gemeldeten Höhe neben der Rente der Klägerin aus eigener Versicherung ein Einkommen, das den Freibetrag überschritten hat. Durch diese Überschreitung des Freibetrags wären die Rentenansprüche der Klägerin ab diesem Zeitpunkt bis zum 31. Mai 2007 um insgesamt 7.396,88 Euro zu mindern gewesen. Dies ist jedoch nicht erfolgt.
Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (S. 1). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Dispositionen getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (S. 2). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (S. 3).
Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 45 Abs. 2 SGB X nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden.
Jedenfalls wurde diese Frist nicht eingehalten, da die Beklagte den Rentenbescheid vom 2. Juni 2005 erst durch den angefochtenen Bescheid vom 16. Juli 2007 und damit nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X zurückgenommen hat.
Gemäß § 45 Abs. 3 S. 2 SGB X gilt § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 Zivilprozessordnung vorliegen. Ein Wiederaufnahmegrund ist jedoch nicht ersichtlich; auch von der Beklagten wird ein solcher nicht behauptet.
Schließlich ist auch nicht die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 S. 3 SGB X eröffnet. Nach dieser Bestimmung kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn
1. die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 oder 3 SGB X gegeben sind oder
2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
Der Bescheid vom 2. Juni 2005 wurde nicht mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen.
Auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 S. Nr. 2 oder 3 SGB X sind nicht gegeben. Der Bescheid vom 2. Juni 2005 beruht nicht auf Angaben, die die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Klägerin hat vielmehr alle Angaben zutreffend gemacht.
Die Klägerin kannte nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 2. Juni 2005. Ein Nachweis hierfür liegt nicht vor.
Schließlich beruht die Unkenntnis der Klägerin von der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 2. Juni 2005 auch nicht auf grober Fahrlässigkeit. Der Senat verweist insoweit zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des SG, denen er sich anschließt, und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend weist er auf folgendes hin:
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (sog. subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; KassKomm-Steinwedel, § 45 SGB X Rn. 39).
Die Beklagte hat zwar in den Rentenbescheiden an mehreren Stellen deutlich gemacht, dass die Erzielung von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen sowie der Bezug einer Rentenleistung für die Rentengewährung bedeutsam sind. Es ist der Klägerin aber nicht im Sinne eines Vorwurfs der groben Fahrlässigkeit zur Last zu legen, wenn sie angesichts des Umstands, dass sie nunmehr selbst rentenberechtigt ist, keinen Argwohn geschöpft hat, wenn die Beklagte ausweislich der Anlage 8 des Bescheids vom 13. Juni 2007 ab Mai 2005 bei der Prüfung des Hinzuverdiensts im Ergebnis nur noch die eigene Rentenleistung berücksichtigt hat. Bei einer unbefangenen Lektüre der Anlage 8 ergibt sich, dass der Beklagten die Erzielung von Einkünften aus unselbstständiger Tätigkeit durch die Klägerin offensichtlich bekannt war. Denn hierin ist formuliert, dass bisher bei der Prüfung des Hinzuverdiensts ein monatliches Einkommen von 920,40 Euro berücksichtigt worden ist. In unmittelbarem Anschluss daran hat die Beklagte das Einkommen aus der Versichertenrente der Klägerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgeführt und dargestellt, dass dieses um wenigstens 10 % geringer sei als das bisher berücksichtigte Einkommen. Der Frage, warum dies die Beklagte getan hat, musste die Klägerin nicht nachgehen. Dafür sind aus Laiensicht durchaus Gründe vorstellbar, etwa, dass bei Bezug einer eigenen Altersrente unbeschränkte Hinzuverdienstmöglichkeiten aus Beschäftigung bestehen könnten. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach ihrem Lebenslauf keinerlei Verwaltungserfahrung hat.
Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Arbeitgeber eine erneute Meldung ihrer Bruttoarbeitsentgelte abgegeben hatte, ist die Annahme der Klägerin, dass es mit der Nichtberücksichtigung dieser Entgelte schon seine Richtigkeit habe, nicht als grob fahrlässig anzusehen. Deshalb kann hier auch der Tatsache, dass es trotz des Hinzutretens eines Erwerbsersatzeinkommens zu einer Erhöhung der Rente und nicht zu einer rentenmindernden Anrechnung gekommen ist, keine durchschlagende Bedeutung zugemessen werden. Die Klägerin musste angesichts der Formulierungen in Anlage 8 zum Rentenbescheid und der erst kurz zuvor erfolgten Einholung von Auskünften bei ihrem Arbeitgeber nicht damit rechnen, dass der Beklagten ein Fehler in Form des Außeransatzlassens der gemeldeten Entgelte unterläuft. Vielmehr ist jedenfalls aus Laiensicht die Annahme nachvollziehbar, die Beklagte werde unter Berücksichtigung der ihr offensichtlich bekannten Tatsachen schon alles korrekt berechnet haben und die Nichtberücksichtigung des Hinzuverdiensts aus unselbstständiger Tätigkeit habe seine gesetzlichen Gründe.
Anders wäre es etwa, wenn eine offensichtlich lückenhafte Tatsachenkenntnis der Behörde erkennbar gewesen wäre. Dies war jedoch nicht der Fall. Aus der Bescheidbegründung war nicht erkennbar, dass die Beklagte vom Fortfall des Erwerbseinkommens ausging. Die Klägerin hätte vielmehr erkennen müssen, dass trotz der richtigen Angaben und der einzeln korrekt aufgeführten Berechnungsschritte rechtliche Vorgaben außer Acht gelassen wurden. Dies konnte nicht erwartet werden.
Der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25. Februar 2011, Az. L 17 R 725/07, kann an diesem Ergebnis ebenfalls nichts ändern, weil es sich bei der dortigen Klägerin um eine Beamtin im mittleren nichttechnischen Dienst gehandelt hatte, die mit der Bearbeitung und Berechnung von Sozialgeld betraut war. Sie war nach den Feststellungen des LSG Berlin-Brandenburg im Umgang mit Zahlen und Verwaltungsakten vertraut. Davon kann bei der Klägerin in dem hier vorliegenden Verfahren, die nie in einer Verwaltung tätig war, keine Rede sein. Bei der gebotenen Anlegung des subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstabs kann also durchaus das Nichterkennen der Rechtswidrigkeit eines Rentenbescheids bei einem verwaltungserfahrenen Versicherten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen, nicht hingegen bei einem insoweit unkundigen Versicherten. Der Senat ordnet die Klägerin nach ihrem Lebenslauf dem letzteren Typus zu.
Nach alledem sind auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X nicht erfüllt, so dass die Rücknahme des Bescheids vom 2. Juni 2005 nicht fristgerecht erfolgte.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass die Beklagte mit ihrer Berufung erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
II. Die Beklagte erstattet der Klägerin die außergerichtlichen Kosten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Aufhebung des Bescheids vom 2. Juni 2005, mit dem die Beklagte die der Klägerin ab 1. Juli 2004 gewährte große Witwenrente ab 1. Juli 2005 bis 31. Mai 2007 neu berechnet hat, und einer daraus resultierenden Rückforderung in Höhe von 5.177,70 Euro.
Der 1931 geborene und 2004 verstorbene Versicherte war der Ehemann der 1940 geborenen Klägerin. Der Versicherte bezog seit 1. Dezember 1996 Altersrente für langjährig Versicherte von der Beklagten.
Mit Bescheid vom 22. Juli 2004 gewährte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 30. Juni 2004 hin große Witwenrente ab 1. Juli 2004 mit einem laufenden monatlichen Zahlbetrag ab 1. Oktober 2004 in Höhe von 505,50 Euro. Unter "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" ist folgender Hinweis enthalten:
"Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können (auch wenn sie im Ausland erzielt werden) Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen, das sind
- Arbeitsentgelt
- Arbeitseinkommen (Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit),
- vergleichbares Einkommen,
oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen.
Erwerbsersatzeinkommen sind, auch als Kapitalleistung oder Abfindung, folgende Leistungen:
- ...
- Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung".
Ferner ist unter "Hinweise" folgendes ausgeführt:
"Aus der Anlage 1 ergibt sich, dass die Rente wegen Zusammentreffens mit anderen Ansprüchen nur teilweise zu leisten ist. Bitte informieren Sie uns, wenn die anderen Leistungen sich mindern oder wegfallen. Trifft eine Witwenrente oder Witwerrente mit Erwerbs-oder Erwerbsersatzeinkommen des Berechtigten zusammen, so ist auf die Rente Einkommen in Höhe von 40 % des Betrags anzurechnen, um den das monatliche Einkommen einen dynamischen Freibetrag übersteigt."
In der Anlage 8 ist die Anrechnung des von der Klägerin erzielten Einkommens auf die Witwenrente dargestellt. Es ergab sich ein anzurechnendes Einkommen ab 1. Juli 2004 in Höhe von 92,23 Euro. Zu Grunde lag der Berechnung ein Arbeitsentgelt für 2003 aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis in Höhe von 22.275,71 Euro und ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 920,40 Euro.
Mit Bescheid vom 27. April 2005 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin ab 1. Juli 2005 neu. Die Neuberechnung erfolgte aufgrund einer Rentenanpassung, der Änderung des auf die Rente anzurechnenden Einkommens sowie einer Zugrundelegung eines anderen Beitragssatzes zur Krankenversicherung. Es ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag in Höhe von 414,18 Euro ab 1. Juli 2005. Ausweislich der Anlage 8 zum Bescheid betrug das anzurechnende Einkommen ab 1. Juli 2005 190,37 Euro unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgelts für 2004 aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis in Höhe von 23.315,00 Euro.
Mit Schreiben vom 11. April 2005 übersandte die Beklagte der Klägerin den Vordruck R 0250 mit der Bitte, diesen dem Arbeitgeber vorzulegen, von dort ausfüllen und zurücksenden zu lassen. Der Arbeitgeber der Klägerin (Firma F. S.) meldete daraufhin unter dem 3. Mai 2005 ein Arbeitsentgelt für das Jahr 2004 in Höhe von 23.315.- Euro sowie für das Jahr 2005 ein Arbeitseinkommen von voraussichtlich 21.196.- Euro.
Ab 1. Mai 2005 bezog die Klägerin eine Altersrente aus eigener Versicherung.
Die Beklagte berechnete mit Bescheid vom 2. Juni 2005 die große Witwenrente der Klägerin ab 1. Mai 2005 neu. Sie errechnete einen monatlichen Zahlbetrag ab 1. Mai 2005 in Höhe von 589,38 Euro und ab 1. Juli 2005 in Höhe von 586,47 Euro.
In der Anlage 8 ist in Bezug auf die Berechnung für die Zeit ab 1. Mai 2005 festgehalten, dass das zu berücksichtigende Einkommen wegen Änderung in den Bezügen neu festzustellen sei. Das bisher berücksichtigte monatliche Einkommen habe 920,40 Euro betragen. Erwerbsersatzeinkommen sei die Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 385,64 Euro. Die zu berücksichtigende Rente belaufe sich auf 385,64 Euro.
Zu berücksichtigendes Einkommen sei das Einkommen von 385,64 Euro. Das Einkommen übersteige den Freibetrag nicht, ab 1. Mai 2005 erfolgte keine Einkommensanrechnung.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2007 teilte die Firma F. S. monatliche Einkünfte der Klägerin ab Januar bis Mai 2007 in Höhe von brutto 1.534.- Euro sowie eine zu erwartende Zuwendung in August 2007 in Höhe von 256.- Euro, mit Schreiben vom 4. Juni 2007 ein Bruttoarbeitsentgelt für das Jahr 2005 in Höhe von 27.867,28 Euro, für 2006 in Höhe von 28.190,02 Euro und für 2007 in Höhe von 15.345,27 Euro sowie einen steuerfreien Aufstockungsbetrag für den Zeitraum 1. März bis 31. Mai 2007 in Höhe von 111,50 Euro (Sonntags-/Feiertagszuschlag) mit.
Am 1. Juni 2007 wandte sich die Klägerin an eine Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten und legte eine Vereinbarung zwischen der Firma F. S. und der Klägerin vom 8. November 2006 vor, wonach das bestehende Beschäftigungsverhältnis zum 31. Mai 2007 endet. Es wurde um eine Überprüfung der Einkommensanrechnung auf die Witwenrente gebeten.
Die Beklagte hörte daraufhin mit Schreiben vom 14. Juni 2007 die Klägerin zu ihrer Absicht an, den Bescheid vom 2. Juni 2005 mit Wirkung für die Vergangenheit ab 1. Mai 2005 nach § 45 SGB X zurückzunehmen und die Überzahlung für den Zeitraum 1. Mai 2005 bis 31. Mai 2007 in Höhe von 7.396,88 Euro zurückzufordern. Im Bescheid vom 2. Juni 2005 sei als Einkommen lediglich die gezahlte Versichertenrente berücksichtigt worden. Es seien neben der Versichertenrente in Höhe von 385,64 Euro aber auch das laufende Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung in Höhe von 2.546,51 Euro sowie Sonderzuwendungen in Höhe von 640,00 Euro zu berücksichtigen. Erst ab 1. Juni 2007 finde keine Einkommensanrechnung mehr statt. Die Klägerin wurde gebeten, alle Umstände mitzuteilen, die ihrer Meinung nach der beabsichtigten Entscheidung entgegenstehen.
Die Klägerin erklärte, die Höhe ihres Einkommens sei der Beklagten jederzeit und in vollem Umfang bekannt gewesen. Dies habe eine Nachfrage bei ihrem Arbeitgeber ergeben. Die Korrektur des Bescheides sei daher mittlerweile verjährt.
Mit angefochtenem Bescheid vom 16. Juli 2007 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin ab 1. Mai 2005 neu und nahm den Rentenbescheid vom 2. Juni 2005 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 1. Mai 2005 nach § 45 SGB X zurück. Die entstandene Überzahlung wurde zurückgefordert. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides berufen, da ihr bekannt gewesen sei, dass Einkommen auf die Hinterbliebenenrente anzurechnen sei. Die Fristen des § 45 Abs. 3, 4 SGB X seien nicht abgelaufen. Im Rahmen der Ausübung des Ermessens sei zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt worden, dass der Beklagten die Erzielung von Entgelt bekannt gewesen sei. Der Rückforderungsbetrag werde daher auf 5.347,49 Euro begrenzt.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, sie habe ihre Einkünfte sowohl bei Beantragung der Rente als auch jährlich auf die entsprechenden Anfragen der Beklagten zutreffend angegeben. Trotzdem seien die Rentenzahlungen ohne Abschläge an sie geleistet worden. Sie habe daher davon ausgehen müssen, dass ihr die laufenden Rentenzahlungen trotz ihrer weiteren Einkünfte tatsächlich zustehen. Mangels Reaktion auf die Mitteilung ihrer Einkünfte habe sie annehmen können, dass sich diese bei ihr konkret nicht auf die Höhe der Rente auswirkten. Die Klägerin habe die erbrachten Leistungen auch verbraucht. Auch sei eine Rücknahme nach § 45 Abs. 3 SGB X nur innerhalb von zwei Jahren zulässig. Der ursprüngliche Bescheid datiere aber auf den 2. Juni 2005 und sei erst durch den angegriffenen Bescheid vom 16. Juli 2007 geändert worden. Bösgläubigkeit könne der Klägerin nicht unterstellt werden, so dass die von der Beklagten genannte Zehnjahresfrist nicht gelte. Außerdem dürfe ein Verwaltungsakt nur in Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 S. 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Auch müsse die Rücknahme innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigten. Aufgrund der seit langem bestehenden Kenntnis von den Einkünften der Klägerin komme auch aus diesem Grund die Rücknahme des Verwaltungsaktes nicht in Betracht. Auch sei die Klägerin nicht in der Lage, den geforderten Betrag zu bezahlen.
Mit weiterem angefochtenen Bescheid vom 17. Dezember 2007 berechnete die Beklagte die große Witwenrente der Klägerin erneut neu und reduzierte hierbei unter Wiederholung der Begründung im Bescheid vom 16. Juli 2007 den Rückforderungsbetrag auf 5.177,70 Euro.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 17. Dezember 2007 abgeholfen worden ist, zurück. Zur Begründung wurde auf § 97 SGB VI verwiesen, wonach Einkommen im Sinne der §§ 18a bis e SGB IV, das mit einer Witwenrente zusammentreffe, auf diese anzurechnen sei. Dazu zählten neben der Versichertenrente auch die Arbeitsentgelte aus dem abhängigen Beschäftigungsverhältnis der Klägerin. Auf die Einkommensanrechnung sei die Klägerin mit Bescheid vom 2. Juli 2005 hingewiesen worden. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Abs. 3 Nr. 3 SGB X seien erfüllt. Die Klägerin hätte bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage erkennen müssen, dass die Weiterzahlung ihrer Witwenrente ohne Anrechnung der Arbeitsentgelte aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis fehlerhaft und damit rechtswidrig gewesen sei. Auf Gutgläubigkeit beim Empfang der überzahlten Leistungen könne sie sich daher nicht berufen. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte die Klägerin ohne Anstellen rechtlicher Überlegungen den Fehler erkennen und durch einen Hinweis oder eine entsprechende Frage an die Beklagte die gesetzliche Einkommensanrechnung erreichen können. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob bei den ab 1. Mai 2005 überwiesenen Zahlbeträgen tatsächlich eine korrekte Einkommensanrechnung erfolgte. Die Klägerin habe jedoch die überzahlten Rentenbeträge stillschweigend entgegengenommen und sich damit pflichtwidrig verhalten. Die Einjahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X habe ab dem Tag des Bekanntwerdens der Notwendigkeit der Neuberechnung am 6. Juni 2007 und damit ab 7. Juni 2007 begonnen und sei zum Zeitpunkt des Erlasses des Rentenbescheids vom 16. Juli 2007 noch nicht abgelaufen gewesen. Im Rahmen der Ermessensprüfung habe die Beklagte berücksichtigt, dass ihr ein Mitverschulden an der Überzahlung zuzurechnen sei. Aus diesem Grund sei die Forderung auf 70 % reduziert worden.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und erklärt, der Arbeitgeber habe mit Bescheinigung vom 3. Mai 2005 ordnungsgemäß das Arbeitsentgelt nachgewiesen. Dieses habe sich bis Mai 2007 auch nicht verändert. Ihr könne also keine nachträgliche Verletzung der Mitteilungspflichten zur Last gelegt werden. Auch habe sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung nicht erkennen müssen. Die Frage, ob bzw. in welcher Höhe im Rentenbescheid das Arbeitsentgelt zu berücksichtigen gewesen wäre, sei für einen Laien nicht nachvollziehbar. Der Rentenempfänger könne nicht die jeweilige Rentenhöhe überprüfen.
Das SG hat mit Urteil vom 14. September 2011 den Bescheid vom 16. Juli 2007 in der Fassung des Bescheids vom 17. Dezember 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 aufgehoben, soweit der Rentenbescheid vom 2. Juni 2005 hinsichtlich der Rentenhöhe zurückgenommen und für die Zeit vom 1. Mai 2005 bis zum 31. Mai 2007 eine Überzahlung in Höhe von 5.177,70 Euro zurückgefordert wird. Zur Begründung hat das SG darauf verwiesen, die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X sei bereits abgelaufen gewesen. Die Rücknahme des Rentenbescheids vom 2. Juni 2005 sei erst mit Bescheid vom 16. Juli 2007 erfolgt. Die Ausnahme des § 45 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 SGB X gelte nicht. Die Klägerin habe keine unrichtigen und keine unvollständigen Angaben gemacht, sondern den Vordruck R 250 ihrem Arbeitgeber vorgelegt, der ihn an die Beklagte zurückgesandt habe. Auch sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 2. Juni 2005 positiv kannte. Ihre Unkenntnis sei auch nicht grob fahrlässig. Ein Antragsteller, der zutreffende Angaben gemacht hat, sei nicht zu Gunsten der Behörde verpflichtet, Bewilligungsbescheide des Näheren auf Richtigkeit zu überprüfen. Nur wenn der Fehler im Bewilligungsbescheid dem Antragsteller bei seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten geradezu ins Auge springen müsse, setze der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ein. Anlässlich der Gestaltung des Rentenbescheids vom 2. Juni 2005 springe die Rechtswidrigkeit der Einkommensanrechnung einem rentenrechtlichen Laien keinesfalls ins Auge. Der Bescheid umfasse regelmäßig viele eng bedruckte Seiten, die für einen rentenrechtlichen Laien nicht mehr zu entschlüsseln seien. Die Darstellung der Berechnung des anzurechnenden Einkommens sei eingebettet in die Darlegung zahlreicher Abzüge und Freibeträge. Der Text sei durchsetzt mit rentenrechtlichen Fachbegriffen und Berechnungen, die für die Klägerin in keiner Weise mehr nachvollziehbar seien. Es mag zwar für einen Sachbearbeiter der Beklagten evident sein, dass die Berechnung nicht zutreffend sein könne, die Klägerin treffe hingegen kaum der Vorwurf der einfachen, jedenfalls sicherlich nicht den der groben Fahrlässigkeit. Eine solche ergebe sich auch nicht daraus, dass der Rentenzahlbetrag deutlich höher war als zuvor. Denn Anlass der Neuberechnung zum 1. Mai 2005 sei das Hinzutreten einer Altersrente aus eigener Versicherung neben die Witwenrente gewesen. Die Klägerin als rentenrechtlicher Laie habe ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass die Erhöhung des Rentenzahlbetrages hierin begründet sei. Ergäben sich aus einem Bescheid selbst keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, von welchen Berechnungsgrundlagen die Beklagte bei der Rentenberechnung ausgegangen sei, habe ein Versicherter nicht nachzufragen, weshalb die Rente in einer bestimmten Höhe gezahlt werde. Dies gelte umso mehr, wenn es sich nicht um einen über Jahre feststehenden Betrag handele, sondern Einkommen auf eine Rente angerechnet werde.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und auf die Hinweise unter der Überschrift "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" im Bescheid vom 22. Juli 2004 hingewiesen. Anlässlich des Bescheids vom 27. April 2005 habe die Klägerin erkennen können, dass ein höheres Jahresarbeitsentgelt (23.315,00 Euro statt 22.275,71 Euro) zu einer niedrigeren Rente führe. Nur einen Monat später sei der Klägerin mit Bescheid vom 24. Mai 2005 Regelaltersrente ab 1. Mai 2005 bewilligt worden. In dem Bescheid vom 2. Juni 2005 sei versehentlich nur die Altersrente der Klägerin und nicht mehr das Arbeitseinkommen aus der unselbstständigen Beschäftigung berücksichtigt worden. Der Rentenbetrag habe sich dadurch um 172,29 Euro von 414,18 Euro auf 586,47 Euro und damit um rund 42 % erhöht. Allein dieser Umstand der Erhöhung der Rente trotz Erhöhung des anzurechnenden Einkommens hätte der Klägerin zeigen müssen, dass dies nicht richtig sein könne. Da sie gewusst habe, dass die Erhöhung ihres Einkommens zu einer Minderung der Rente führe, hätte sie wissen müssen, dass sich durch den Hinzutritt ihrer Regelaltersrente die Witwenrente mindere. Die Beklagte hat darüber hinaus Bezug auf ein Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25. Februar 2011, Az. L 17 R 725/07, genommen. Bereits allein aufgrund der auffallenden Steigerung der Rentenhöhe sei die Klägerin verpflichtet gewesen, bei der Beklagten nachzufragen.
Die Klägerin hat ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte nochmals auf die erteilten Hinweise verweise. Es sei unstrittig, dass sie ihren Mitteilungspflichten nachgekommen sei. Als juristischer Laie habe sie darauf vertrauen müssen, dass die von der Beklagten erteilten Bescheide rechtmäßig seien. Eine vollständige Überprüfung, wie von der Beklagten gefordert, könne nicht verlangt werden und sei auch nicht möglich. Die Klägerin habe auch bei der Absenkung der Rentenhöhe auf 414,18 Euro auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertraut. Die dann ab 1. August 2005 erfolgte Erhöhung auf 586,47 Euro habe seitens der Klägerin im Einzelnen nicht nachvollzogen werden können. Zur Überprüfung des Auszahlungsbetrags hätte sie den gesamten Rentenbescheid einer Überprüfung unterziehen müssen. Sie habe aber nicht ahnen können, dass die Beklagte in der Anlage 8, obwohl eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nur in Bezug auf die Zuerkennung der Altersrente eingetreten sei, das Einkommen unzutreffend angerechnet habe.
Die Klägerin hat auf Anfrage des Senats folgenden Lebenslauf mitgeteilt:
1946-1954 Volksschule A-Stadt
1954-1956 Mittelschule zwei Jahre mit Abschluss
1956-1957 Hauswirtschaftliche Berufsschule
1957-1959 Lehre zur Zahnarzthelferin
1959-1971 Zahnarzthelferin
1972 (Januar-Juli) Halbtagstätigkeit der Klägerin nach der Geburt der Tochter
Ab August 1972 Hausfrau mit 2 Kindern.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, ist der angefochtene Bescheid vom 16. Juli 2007 in der Fassung des Bescheids vom 17. Dezember 2007 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da die Beklagte den Bescheid vom 2. Juni 2005 jedenfalls nicht fristgerecht zurückgenommen hat.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X).
Der Bescheid vom 2. Juni 2005 war von Anfang an rechtswidrig. Die Klägerin hat unstrittig neben ihrer Rente aus eigener Versicherung ein Arbeitseinkommen im Sinne des § 18 a Abs. 2 SGB IV erzielt. Dieses ist gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI auf die von ihr bezogene Witwenrente grundsätzlich anzurechnen, sobald der Rentenartfaktor nicht mehr mindestens 1,0 beträgt. Anrechenbar ist jedoch nur das Einkommen, das monatlich das 26,4 fache des aktuellen Rentenwert übersteigt (§ 97 Abs. 2 SGB VI). Im Rentenbescheid vom 2. Juni 2005 berücksichtigte die Beklagte ausschließlich die Rente der Klägerin aus eigener Versicherung. Die Klägerin hatte aber bereits zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Rentenbescheids und darüber hinaus ein Arbeitsentgelt aus einer unselbständigen Beschäftigung bei der Firma S. erzielt. Ab 1. Mai 1995 ergab sich damit bei der gebotenen Mitberücksichtigung des Arbeitseinkommens in der vom Arbeitgeber gemeldeten Höhe neben der Rente der Klägerin aus eigener Versicherung ein Einkommen, das den Freibetrag überschritten hat. Durch diese Überschreitung des Freibetrags wären die Rentenansprüche der Klägerin ab diesem Zeitpunkt bis zum 31. Mai 2007 um insgesamt 7.396,88 Euro zu mindern gewesen. Dies ist jedoch nicht erfolgt.
Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (S. 1). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Dispositionen getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (S. 2). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (S. 3).
Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 45 Abs. 2 SGB X nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden.
Jedenfalls wurde diese Frist nicht eingehalten, da die Beklagte den Rentenbescheid vom 2. Juni 2005 erst durch den angefochtenen Bescheid vom 16. Juli 2007 und damit nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X zurückgenommen hat.
Gemäß § 45 Abs. 3 S. 2 SGB X gilt § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 Zivilprozessordnung vorliegen. Ein Wiederaufnahmegrund ist jedoch nicht ersichtlich; auch von der Beklagten wird ein solcher nicht behauptet.
Schließlich ist auch nicht die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 S. 3 SGB X eröffnet. Nach dieser Bestimmung kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn
1. die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 oder 3 SGB X gegeben sind oder
2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
Der Bescheid vom 2. Juni 2005 wurde nicht mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen.
Auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 S. Nr. 2 oder 3 SGB X sind nicht gegeben. Der Bescheid vom 2. Juni 2005 beruht nicht auf Angaben, die die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Klägerin hat vielmehr alle Angaben zutreffend gemacht.
Die Klägerin kannte nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 2. Juni 2005. Ein Nachweis hierfür liegt nicht vor.
Schließlich beruht die Unkenntnis der Klägerin von der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 2. Juni 2005 auch nicht auf grober Fahrlässigkeit. Der Senat verweist insoweit zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des SG, denen er sich anschließt, und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend weist er auf folgendes hin:
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (sog. subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; KassKomm-Steinwedel, § 45 SGB X Rn. 39).
Die Beklagte hat zwar in den Rentenbescheiden an mehreren Stellen deutlich gemacht, dass die Erzielung von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen sowie der Bezug einer Rentenleistung für die Rentengewährung bedeutsam sind. Es ist der Klägerin aber nicht im Sinne eines Vorwurfs der groben Fahrlässigkeit zur Last zu legen, wenn sie angesichts des Umstands, dass sie nunmehr selbst rentenberechtigt ist, keinen Argwohn geschöpft hat, wenn die Beklagte ausweislich der Anlage 8 des Bescheids vom 13. Juni 2007 ab Mai 2005 bei der Prüfung des Hinzuverdiensts im Ergebnis nur noch die eigene Rentenleistung berücksichtigt hat. Bei einer unbefangenen Lektüre der Anlage 8 ergibt sich, dass der Beklagten die Erzielung von Einkünften aus unselbstständiger Tätigkeit durch die Klägerin offensichtlich bekannt war. Denn hierin ist formuliert, dass bisher bei der Prüfung des Hinzuverdiensts ein monatliches Einkommen von 920,40 Euro berücksichtigt worden ist. In unmittelbarem Anschluss daran hat die Beklagte das Einkommen aus der Versichertenrente der Klägerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgeführt und dargestellt, dass dieses um wenigstens 10 % geringer sei als das bisher berücksichtigte Einkommen. Der Frage, warum dies die Beklagte getan hat, musste die Klägerin nicht nachgehen. Dafür sind aus Laiensicht durchaus Gründe vorstellbar, etwa, dass bei Bezug einer eigenen Altersrente unbeschränkte Hinzuverdienstmöglichkeiten aus Beschäftigung bestehen könnten. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach ihrem Lebenslauf keinerlei Verwaltungserfahrung hat.
Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Arbeitgeber eine erneute Meldung ihrer Bruttoarbeitsentgelte abgegeben hatte, ist die Annahme der Klägerin, dass es mit der Nichtberücksichtigung dieser Entgelte schon seine Richtigkeit habe, nicht als grob fahrlässig anzusehen. Deshalb kann hier auch der Tatsache, dass es trotz des Hinzutretens eines Erwerbsersatzeinkommens zu einer Erhöhung der Rente und nicht zu einer rentenmindernden Anrechnung gekommen ist, keine durchschlagende Bedeutung zugemessen werden. Die Klägerin musste angesichts der Formulierungen in Anlage 8 zum Rentenbescheid und der erst kurz zuvor erfolgten Einholung von Auskünften bei ihrem Arbeitgeber nicht damit rechnen, dass der Beklagten ein Fehler in Form des Außeransatzlassens der gemeldeten Entgelte unterläuft. Vielmehr ist jedenfalls aus Laiensicht die Annahme nachvollziehbar, die Beklagte werde unter Berücksichtigung der ihr offensichtlich bekannten Tatsachen schon alles korrekt berechnet haben und die Nichtberücksichtigung des Hinzuverdiensts aus unselbstständiger Tätigkeit habe seine gesetzlichen Gründe.
Anders wäre es etwa, wenn eine offensichtlich lückenhafte Tatsachenkenntnis der Behörde erkennbar gewesen wäre. Dies war jedoch nicht der Fall. Aus der Bescheidbegründung war nicht erkennbar, dass die Beklagte vom Fortfall des Erwerbseinkommens ausging. Die Klägerin hätte vielmehr erkennen müssen, dass trotz der richtigen Angaben und der einzeln korrekt aufgeführten Berechnungsschritte rechtliche Vorgaben außer Acht gelassen wurden. Dies konnte nicht erwartet werden.
Der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25. Februar 2011, Az. L 17 R 725/07, kann an diesem Ergebnis ebenfalls nichts ändern, weil es sich bei der dortigen Klägerin um eine Beamtin im mittleren nichttechnischen Dienst gehandelt hatte, die mit der Bearbeitung und Berechnung von Sozialgeld betraut war. Sie war nach den Feststellungen des LSG Berlin-Brandenburg im Umgang mit Zahlen und Verwaltungsakten vertraut. Davon kann bei der Klägerin in dem hier vorliegenden Verfahren, die nie in einer Verwaltung tätig war, keine Rede sein. Bei der gebotenen Anlegung des subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstabs kann also durchaus das Nichterkennen der Rechtswidrigkeit eines Rentenbescheids bei einem verwaltungserfahrenen Versicherten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen, nicht hingegen bei einem insoweit unkundigen Versicherten. Der Senat ordnet die Klägerin nach ihrem Lebenslauf dem letzteren Typus zu.
Nach alledem sind auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X nicht erfüllt, so dass die Rücknahme des Bescheids vom 2. Juni 2005 nicht fristgerecht erfolgte.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt den Umstand, dass die Beklagte mit ihrer Berufung erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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