Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 P 4/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 50/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 25/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe I, insbesondere unter Berücksichtigung von Zeiten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung anlässlich Arztbesuche.
I. Auf die Berufung wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. April 2010 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 9. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 sowie des Bescheides vom 2. Juni 2009, geändert in der Gestalt des Bescheides vom 5. Juni 2012, verurteilt, der Klägerin aus der Versicherung des A. Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I für die Zeit vom 10. März bis 31. Dezember 2006, vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2011 sowie für die Zeit vom 1. November 2011 bis 31. März 2012 zu gewähren.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 2/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung bereits für die Zeit ab 10. März 2006 bis 31. März 2012.
Der 1948 geborene Versicherte und damalige Kläger, der 2012 verstorben ist, beantragte am 15. Dezember 2005 bei der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Bayern nach Hausbesuch vom 27. April 2006 ein. Danach bestand ein Zustand nach Apoplex im Januar 2006 mit beinbetonter Parese links, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine Encephalopathie, eine arterielle Hypertonie, eine Psoriasis vulgaris sowie eine unfallbedingte Blindheit des linken Auges. Den Zeitbedarf für den Bereich Grundpflege schätzte der MDK auf 33 Minuten pro Tag (Körperpflege 9 Minuten, Ernährung 0 Minuten, Mobilität 24 Minuten), für hauswirtschaftliche Versorgung auf 45 Minuten pro Tag. Die Pflegestufe I sei nicht zu gewähren.
Mit Bescheid vom 9. Mai 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legte der Versicherte, der von seiner Ehefrau gepflegt wurde, am 22. Juni 2006 ein Pflegetagebuch vor. Die Beklagte holte eine erneute Stellungnahme des MDK nach Hausbesuch vom 5. September 2006 ein. Im Vordergrund der Pflege stünde der Zustand nach Apoplex mit Restparese der rechten Hand. Der Zeitbedarf für die Grundpflege wurde danach auf lediglich 23 Minuten (Körperpflege 10 Minuten, Ernährung 4 Minuten, Mobilität 9 Minuten) geschätzt, für Hauswirtschaft auf 45 Minuten. Insbesondere wurde kein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Vorgutachten: 17 Minuten) angenommen. Es habe keine Begleitung mehr zur Krankengymnastik stattgefunden, die Arztbesuche hätten sich auf zwei bis drei Besuche im Monat beschränkt. Der Kläger sei noch in der Lage, große Teile der Körperpflege selbst durchzuführen. Er benötige lediglich etwas Unterstützung sowie Hilfe beim Duschen und Kleiden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2006 zurück.
Im Rahmen der hiergegen gerichteten Klage zum Sozialgericht München hat das Gericht ein Gutachten der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. N. vom 20. Juli 2007 nach Hausbesuch eingeholt. Als Diagnosen bestünden ein Zustand nach apoplektischem Insult (wohl 01/2006) bei cerebraler Ischämie im Mediastromgebiet rechts, eine beinbetonte sensomotorische (Rest-)Hemiparese links, linksbetonte Koordinationsstörungen sowie Hinweise auf eine durch organische Faktoren bedingte Wesensänderung. Orthopädisch bestehe ferner ein chronisches Schmerzsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Funktionsbeeinträchtigung. Der Zeitbedarf für die Grundpflege betrage 35 Minuten täglich, für Hauswirtschaft 45 Minuten. Auf die Körperpflege entfielen hierbei 24 Minuten, auf die Ernährung zwei Minuten und auf die Mobilität neun Minuten. Als pflegeerschwerend wurde bei der Körperwäsche ein Zeitaufwand von zwei Minuten für Hilfe bei der Behandlung der Hauterkrankung mit berücksichtigt. Hilfebedarf sei insbesondere beim Waschen, beim Duschen, bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung, beim Aufstehen/Zubettgehen, beim An- und Auskleiden und beim Treppensteigen anzunehmen. Ein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei nicht berücksichtigungsfähig, da die Häufigkeit der Arztbesuche bzw. bei anderen therapeutischen Einrichtungen auf Dauer nicht gegeben sei.
Die klägerischen Einwendungen haben sich insbesondere auf die eingeschränkte Mobilität und einen wöchentlichen Arztbesuch bei Dr. C. bezogen. Die Allgemeinärztin Dr. C. hat mit Attest vom 19. November 2007 bescheinigt, dass der Versicherte seit Januar 2004 in ihrer hausärztlichen Behandlung sei und sich regelmäßig mindestens einmal wöchentlich in der Praxis vorstelle.
Zu den Einwendungen hat die Sachverständige am 4. Dezember 2007 ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, dass über den regelmäßigen Praxisbesuch bei Dr. C. im Rahmen der Begutachtung nicht berichtet worden sei. Gegebenenfalls sei ein zusätzlicher Hilfebedarf 18 Minuten für Hilfen beim Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu berücksichtigen. Ein Zeitaufwand von jeweils einer Stunde für den einfachen Weg sei nachvollziehbar. Die Notwendigkeit der Anwesenheit der Pflegeperson während der Behandlung sei nicht erforderlich.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf Abrechnungsunterlagen der Krankenkasse für die Quartale I/2006 bis II/2007 die Ansicht vertreten, dass eine wöchentliche Behandlung bei Frau Dr. C. nicht stattgefunden habe. Der Versicherte hat mit Schriftsatz vom 21. Februar 2008 die Arztbesuche zusammengestellt. Das Sozialgericht hat hierzu die Sach- und Rechtslage in einer mündlichen Verhandlung vom 28. September 2009 erörtert und den Rechtsstreit zur weiteren Beweisaufnahme vertagt. Es hat im Anschluss eine Bescheinigung der Dr. C. vom 30.11.2009, die Abrechnungsunterlagen der Krankenkasse für die Quartale I/2006 bis I/2009, Vorlagen des Versicherten, insb. ein Diabetiker-Tagebuch, sowie eine Aufstellung des Praxisnachfolgers Frau Dr. F. eingeholt.
Ferner stellte der Versicherte am 6. März 2009 bei der Beklagten einen Neuantrag. Der MDK schätzte in einem weiteren Gutachten nach Hausbesuch vom 29. Mai 2009 den Hilfebedarf in der Grundpflege auf 25 Minuten (Körperpflege: 10 Minuten; Ernährung: 5 Minuten; Mobilität: 10 Minuten), für die hauswirtschaftliche Versorgung auf 50 Minuten ein. Die Alltagskompetenz im Sinne des § 45 a des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) sei nicht eingeschränkt. Mit Bescheid vom 2. Juni 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Leistungen ab.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. April 2010 hat das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 9. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 abgewiesen. Die Sachverständige Dr. N. habe jedenfalls dann keinen Zeitaufwand von 90 Minuten täglich für die Pflegeleistungen ermitteln können, wenn medizinisch indizierte Arztbesuche in der Häufigkeit von einmal pro Woche nicht stattgefunden haben. Die weitere Beweisaufnahme habe ergeben, dass 2006 im Schnitt etwa alle vier Wochen ein Arztbesuch bei der Beklagten abgerechnet worden sei, 2007 alle 2,3 Wochen, 2008 alle 2,12 Wochen und im ersten Quartal 2009 alle drei Wochen. Die vom Versicherten darüber hinaus genannten Arzttermine, die sich in der Abrechnung der Beklagten nicht wiederfinden, konnten nicht berücksichtigt werden, da nicht zu klären gewesen sei, um was für Daten es sich dabei handelte.
Zur Begründung der Berufung hat der damalige Kläger weiter geltend gemacht, dass er in der Zeit ab 2006 weitere medizinisch indizierte Arztbesuche absolviert habe, die aus ihm nicht bekannten Gründen in den Unterlagen der Beklagten nicht verzeichnet seien. Dies betreffe vor allem Behandlungen durch Frau Dr. B., die diese zum einen in der Praxis der Dr. C., zum anderen in Praxisräumen in A-Stadt durchgeführt habe. In Letzterer hätten ab 2006 zahlreiche weitere Behandlungen stattgefunden.
Der Senat hat eine ärztliche Äußerung der Dr. C. zu der Häufigkeit der Praxisbesuche vom 1. März 2011 eingeholt. Diese hat bestätigt, dass vor allem für die Lokalinfiltration als Schmerztherapie (TLA) nach dem EBM 2000 keine gesonderten Abrechnungsziffern mit der Krankenkasse mehr bestünden. Diese Leistungen seien nunmehr in der Grundpauschale enthalten. Die Behandlung sei nur dokumentiert, aber nicht mehr abgerechnet worden. Ab 2008 seien weitere Abrechnungsziffern gestrichen worden, wie z.B. Behandlungsdauer über 10 Minuten. Die Grundpauschale könne pro Patient nur einmal im Quartal abgerechnet werde. Mit Schreiben vom 13. Januar 2012 hat Dr. C. nochmals bestätigt, dass der damalige Kläger seit 2. November 2004 regelmäßig in der ambulanten Behandlung gewesen sei. Daneben hätten mehrmals stationäre Behandlungen stattgefunden, derzeit darüber hinaus psychiatrische, diabetologische und kardiologische Behandlungen. Schließlich hat sie nochmals ihre Auflistung der Praxisbesuche vom 30. November 2009 übersandt.
Auf einen Antrag vom 2. April 2012 gewährt die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juni 2012 kombinierte Pflegeleistungen in der Pflegestufe I ab 1. April 2012. Dem lag ein Gutachten des MDK vom 1. Juni 2012 zugrunde, der den Hilfebedarf in der Grundpflege auf 55 Minuten (Körperpflege: 26 Minuten; Ernährung: 4 Minuten; Mobilität: 25 Minuten), in der Hauswirtschaft auf 50 Minuten einschätzte. Die Alltagskompetenz sei nicht erheblich eingeschränkt. Ein Hilfebedarf für das Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung wurde dabei nicht angesetzt. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I seien seit April 2012 gegeben. Nähere Ausführungen zu den Abweichungen gegenüber den Vorgutachten enthält das Gutachten nicht.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass der MDK gegenüber dem Vorgutachten vom 29. Mai 2009 einen erhöhten bzw. neu aufgetretenen Pflegebedarf in verschiedenen Bereichen festgestellt hat. Dem Gutachten ließen sich jedoch keine Anhaltspunkte entnehmen, seit wann der Pflegebedarf der Pflegestufe I erreicht sei. Vergleichsweise hat die Beklagte die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I ab 1. Januar 2012 angeboten. Die Klägerin hat das Vergleichsangebot nicht angenommen. Sie hat die von ihrem Ehemann wahrgenommenen Arzttermine in Kalenderblättern für die Jahre 2006 bis 2011 vorgelegt.
Ergänzend hat der MDK am 21. Februar 2013 lediglich mitgeteilt, dass 2012 im Vergleich zum Gutachten von 2009 eine Bewegungseinschränkung der Hände und eine eingeschränkte Besteckhandhabung beschrieben würden. Das Gehen sei 2012 nun unsicher gewesen, so dass auch Unterstützung bei den Toilettengängen notwendig gewesen sei. Die Stuhlinkontinenz bei Diarrhoe habe zugenommen. Ferner seien 2012 Unruhezustände beschrieben, das Verhalten sei gelegentlich ablehnend und unkooperativ gewesen.
Die Klägerin hat auf weitere Untersuchungstermine beim Augenarzt Dr. B. in den Jahren 2007 bis 2012 hingewiesen, die Beklagte auf Fehlen von Arztbesuchen in Wochen der Jahre 2008 und vor allem 2009. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2013 hat die Klägerin Unterlagen zu weiteren Zeiten für die Wahrnehmung von Arztterminen übersandt. Es betrifft dies Termine bei Dr. M. (5. August 2010, 12. Mai 2011, 9. März 2012), Dr. S. (22. März 2010), Radiologiegemeinschaft (1. April 2008). Dr. C. (33 Termine im Jahre 2010), Dr. C. (Tagesprotokoll vom 8. März 2007 bis 4. August 2010), Dr. B. (30. Mai 2007; 29. November 2010, 1. Dezember 2010, 4. Januar 2011, 13. Januar 2011, 21. Januar 2011, 23. Mai 2011, 25. Mai 2011, 28. Mai 2011, 8. Dezember 2011, 9. Dezember 2011), Endokrinologikum (einzelne Termine zwischen 2006 und 2012) und Dr. S. (Termine 2006). Ferner lagen stationäre Krankenhausaufenthalte in den Zeiten vom 2. Oktober bis 14. Oktober 2008, 1. Oktober bis 22. Oktober 2009, 7. Mai 2010 bis 26. Mai 2010, 21. Januar bis 26. Januar 2011 und vom 4. Juli bis 11. Juli 2011 vor.
Einen Vergleichsvorschlag des Gerichts vom 15. April 2013 haben die Beteiligten, einen in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2013 hat die Beklagte abgelehnt. Diese hat auch ihr Vergleichsangebot, Leistungen der Pflegestufe I ab 1. Januar 2012 zu gewähren, nicht als Teilanerkenntnis aufrecht erhalten.
Das Amtsgericht A-Stadt hat nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. E. vom 30. März 2012 mit Beschluss vom 12. Juni 2012 die Betreuung für den damaligen Kläger angeordnet und als Betreuerin die Ehefrau bestellt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. April 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 sowie des Bescheides vom 2. Juni 2009 zu verurteilen, aus der Versicherung des am 25. September 2012 verstorbenen A. Leistungen der Pflegestufe I auch für die Zeit vom 10. März 2006 bis 31. März 2012 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und teilweise begründet. Der Klägerin stehen aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemanns Leistungen der Pflegestufe I für die Zeit vom 10. März bis 31. Dezember 2006, vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2011 sowie für die Zeit vom 1. November 2011 bis 31. März 2012 zu. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
Die jetzige Klägerin ist als Ehefrau, die in Gemeinschaft mit dem während des Berufungsverfahrens verstorbenen Kläger lebte, Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I). Sie hat ausdrücklich die Fortführung des Rechtsstreits als Sonderrechtsnachfolgerin erklärt.
Streitgegenstand ist zum einen der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006, mit dem diese den ursprünglichen Antrag des Versicherten auf Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung ablehnte. Gemäß § 96 SGG ist jedoch auch der Bescheid vom 2. Juni 2009 Gegenstand des Verfahrens, der die erneute Ablehnung der Leistungsgewährung aufgrund eines Neuantrages vom März 2009 betraf. Insoweit ersetzt dieser Bescheid den vorangegangenen Ablehnungsbescheid; der Antrag auf Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung betrifft ein Dauerschuldverhältnis, beginnend mit Antragstellung. Durch die Ablehnung der Leistungsgewährung tritt das beantragte Dauerschuldverhältnis nicht in Kraft, so dass auch die erneute Ablehnung eines Antrags als ein "Ersetzen" im Sinne des § 96 SGG zu bewerten ist.
Der Leistungen nach der Pflegestufe I zusprechende Bescheid vom 5. Juni 2012 wird zwar von der Klägerin inhaltlich nicht angefochten, ersetzt aber durch die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I für die Zeit ab 1. April 2012 ebenfalls die vorangegangenen Bescheide, so dass er gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens wird. Inhaltlich begrenzt er somit den streitigen Zeitraum für die Gewährung der beantragten Leistungen nach der Pflegestufe I für die Zeit bis 31. März 2012.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 S. 1 bis 3 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) Pflegegeld erhalten, wenn sie die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch eine Pflegeperson (§ 19 S. 1 SGB XI) in geeigneter Weise sowie dem Umfang des Pflegegeldes entsprechend selbst sicherstellen und mindestens die Pflegestufe I vorliegt.
Maßgebend für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen ist der Umfang des Pflegebedarfs bei denjenigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt und dort in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Nrn. 1 bis 3), die zur Grundpflege gehören, sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr. 4) aufgeteilt sind. Der hierin aufgeführte Katalog der Verrichtungen stellt, nach Ergänzung um die im Gesetz offenbar versehentlich nicht ausdrücklich genannten Verrichtungen Sitzen und Liegen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 14), eine abschließende Regelung dar (BSGE 82, 27), die sich am üblichen Tagesablauf eines gesunden bzw. nicht behinderten Menschen orientiert (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 3).
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI muss dazu der Zeitaufwand für die erforderlichen Hilfeleistungen der Grundpflege täglich mehr als 45 Minuten (Grundpflegebedarf), für solche der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung zusammen mindestens 90 Minuten (Gesamtpflegebedarf) betragen. Unter Grundpflege ist die Hilfe bei gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI), unter hauswirtschaftlicher Versorgung die Hilfe bei der Nahrungsbesorgung und -zubereitung, bei der Kleidungspflege sowie bei der Wohnungsreinigung und -beheizung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) zu verstehen.
Zur Grundpflege zählen:
1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung;
2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung;
3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Nach den vorliegenden Gutachten, zunächst des MDK vom 27. April 2006 und 5. September 2006, dann der gerichtlichen Sachverständigen Dr. N. vom 20. Juli 2007 sowie des MDK vom 29. Mai 2009 im Rahmen des Neuantrages lagen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB XI für die Pflegestufe I noch nicht vor. Der zeitliche Hilfebedarf in der Grundpflege belief sich nach den gutachterlichen Feststellungen im Tagesdurchschnitt auf einen Rahmen zwischen 23 und 35 Minuten. Pflege erschwerend wurde die Behandlung der Hauterkrankung des Versicherten mit berücksichtigt. Dabei berücksichtigten die Gutachter jedoch keine Zeiten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. In einer ergänzenden Stellungnahme schätzte die Sachverständige Dr. N. gegebenenfalls den zusätzlichen Hilfebedarf auf 18 Minuten, bezogen auf Praxisbesuche bei der Allgemeinärztin Dr. C ... Die Wartezeiten während des Arztbesuchs sind hierbei nicht anzusetzen. Der Grundpflegebedarf würde dann, ausgehend von dem schlüssigen Gutachten der Dr. N., auf 53 Minuten steigen, so dass die Pflegestufe I anzunehmen wäre.
Allerdings gelangte der MDK erst in dem Gutachten vom 1. Juni 2012 zu einer pflegerelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes bzw. Erhöhung des Pflegebedarfs in der Grundpflege auf 55 Minuten - jedoch erneut ohne Ansetzen eines Hilfebedarfs für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I seien seit April 2012 gegeben. Im Vergleich zur Begutachtung im Jahre 2009 traten, wie der MDK überzeugend ausführte, eine Bewegungseinschränkung der Hände und eine eingeschränkte Besteckhandhabung auf. Das Gehen war nun unsicher, so dass auch Unterstützung bei den Toilettengängen notwendig geworden war. Ferner hatte die Stuhlinkontinenz bei Diarrhoe zugenommen. Schließlich hatten Unruhezustände bestanden, aufgrund derer das Verhalten gelegentlich ablehnend und unkooperativ war.
Aus dem Gutachten ergibt sich allerdings nicht, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt vor dem 1. April 2012 diese Voraussetzungen als gegeben anzusehen waren. Auch in der ergänzenden Stellungnahme vom 21. Februar 2013 hat der MDK lediglich darlegen können, dass und in welchen Bereichen eine Zunahme des Hilfebedarfs in der Grundpflege eingetreten ist. Insgesamt trat die Zunahme des Pflegebedarfs jedenfalls nicht durch ein plötzliches Ereignis, sondern kontinuierlich ein.
Entscheidend ist somit, ob ein Hilfebedarf für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung anzusetzen ist. Auch hierfür ist eine Regelmäßigkeit des Anfalls nach § 14 Abs. 1, 4 SGB XI erforderlich, d.h. es muss mindestens einmal pro Woche (§ 15 Abs. 3 SGB XI) ein Arzt aufgesucht worden sein (hierzu: Udsching, SGB XI, 3. Aufl., § 14 Rdnr. 24; BSG, Urt. vom 29. April 1999, Az.: B 3 P 12/98 R).
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch der MDK in seinem Gutachten vom 27. April 2006 17 Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ansetzte. Mit Widerspruchsgutachten entfielen diese Zeiten zwar, da kein regelmäßiger Besuch der Krankengymnastik mehr erfolgt war, jedoch wurde auch festgehalten, dass der Versicherte damals zwei- bis dreimal die Woche einen Arzt aufgesucht hat. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sind jedoch teilweise weitere Arztbesuche angefallen.
Das Sozialgericht stellte unzutreffend maßgeblich auf die bei der Krankenkasse gemeldeten ambulanten Behandlungen in der Praxis der Dr. C. ab. Die Ärztin hatte bereits mit Attest vom 19. November 2007 wöchentliche Praxisbesuche bestätigt. Mit Bescheinigung vom 30. November 2009 hat sie die Praxisbesuche im Einzelnen aufgelistet. Ergänzend existiert eine Praxiskarteikarte. Die Hausärztin Dr. C. hat in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Senat vom 1. März 2011 die von der Beklagten beanstandeten Differenzen zwischen der Abrechnung gegenüber der Krankenkasse und den tatsächlichen Praxisbesuchen erläutert. Sie hat ausdrücklich die Richtigkeit und Regelmäßigkeit der Praxisbesuche bestätigt. Sie hat für den Senat glaubhaft dargelegt, dass tatsächlich deutlich mehr Praxisbesuche stattfanden als abgerechnet wurden bzw. abgerechnet werden konnten.
Der Versicherte selber hat im Februar 2008 die Arztbesuche für die Quartale I/06 bis II/07 datumsmäßig aufgelistet und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Auflistung lückenhaft ist, da die Arztbesuche von ihm nicht dokumentiert wurden. Dies betrifft Praxisbesuche bei Dr. F. (Nachfolger: Dr. S.). Bei den Auflistungen der Besuche bei Dr. B. für das Jahr 2006 sind nach Angabe des Versicherten auch Hausbesuche enthalten. Eine detaillierte Auflistung enthält die Bescheinigung der Dr. B. vom Dezember 2009 für das Jahr 2006. Hinzukommen gelegentliche Arztbesuche beim Augenarzt Dr. B. in den Jahren 2007 bis 2012.
Ergänzend zu den vorgelegten verschiedenen ärztlichen Bescheinigungen sind auch die Auflistungen des Versicherten bzw. der Klägerin zu berücksichtigen, sofern diese glaubhaft sind. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren Kalenderausdrucke mit handschriftlichen Ankreuzungen der bei Frau Dr. B. wahrgenommenen Termine vorgelegt. Da diese die ambulante Behandlung nur teilweise in den Räumen der Dr. C., teilweise aber auch in A-Stadt, durchgeführt hat, decken sich die von der Klägerin angekreuzten Termine nicht vollständig mit den Angaben der Dr. C., wie sie sich insbesondere aus dem Tagesprotokoll sowie den Bescheinigungen vom 30. November 2009 und für 2010 ergeben. Diese sind zu ergänzen neben den genannten Angaben der Dr. C. mit denen des Dr. F. bzw. des Dr. S., ferner des Dr. M., Dr. S., der Radiologiegemeinschaft (1. April 2008), des Dr. B. sowie des Endokrinologikums A-Stadt.
Aufgrund der insgesamt vorgelegten Bescheinigungen, der (lückenhaften) Dokumentationen des Versicherten, der Auflistungen der Ehefrau, wie sie in den Kalenderblättern eingetragen wurden, und der Angaben der Dr. C. ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass von einer Regelmäßigkeit der Arztbesuche im Sinne des § 14 Abs. 1, Abs. 4 SGB XI in den Zeiten vom 10. März bis 31. Dezember 2006, vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2011 sowie vom 1. November 2011 bis 31. März 2012, nicht jedoch in den übrigen Zeiten zwischen 10. März 2006 und 31. März 2012 auszugehen ist.
In ersteren Zeiten waren allenfalls gelegentlich Wochen ohne Arztbesuch, oftmals jedoch Wochen mit mehrfachem Arztbesuch, belegt: So für das Jahr 2006 nur zwei Wochen, für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2007 keine Woche, für 2008 drei Wochen, für 2009 fünf Wochen (einschließlich der Neujahrswoche und der Weihnachtswoche, in denen häufig ein Praxisbesuch nicht möglich ist) und 2010 eine Woche (Neujahrswoche). Im Januar 2011 sind die 1., 2. und 3. KW mit Zeiten des Arztbesuchs (Dr. B.) belegt. Es schloss sich ein stationärer Krankenhausaufenthalt vom 21. bis 26. Januar 2011 an, der aufgrund der Kürze von wenigen Tagen die Pflegeleistung nicht ausschließt. Wochen ohne regelmäßigen Arztbesuch finden sich erst ab der 5. KW.
Arztbesuche sind auch vor allem im März 2012 durch das Endokrinologikum A-Stadt und durch Dr. M., im Januar durch Dr. C. belegt. Darüber hinaus listete die Klägerin zahlreiche Arztbesuche im Januar, Februar und März 2012 auf. Im Zeitraum vom 11. Januar bis 30. März 2012 suchte der Versicherte die psychiatrische Institutsambulanz Haar auf. Ferner gelangte der MDK in seinem Gutachten vom 1. Juni 2012 zu dem Ergebnis, dass zumindest seit Antragstellung im April 2012 der Grundpflegebedarf - erneut ohne Berücksichtigung von Zeiten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung - auf 55 Minuten angestiegen war und die Voraussetzungen der Pflegestufe I somit vorlagen. Die Verschlechterung begründete sich - wie dargelegt - mit einem Fortschreiten der Erkrankung bzw. einer stetigen Zunahme des Pflegebedarfs. Da kein plötzliches Ereignis zu einer Zunahme der Pflegebedürftigkeit geführt hat, eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes vor allem durch das Aufsuchen der psychiatrischen Institutsambulanz sowie durch einen stationären Aufenthalt vom 19. Januar bis 15. Februar 2012 belegt ist und weiterhin eine Häufigkeit der Arztbesuche gegeben war, ist auch für die Zeit ab 1. Januar 2012 das Vorliegen der Pflegestufe I, wie von der Beklagten mit Schriftsatz vom
19. Juli 2012 im Rahmen eines Vergleichsvorschlages angeboten, nachgewiesen. Insoweit liegt allerdings kein Teilanerkenntnis vor, da die Beklagte ihr Angebot ausdrücklich nicht aufrecht erhalten hat.
Demgegenüber finden sich beträchtliche Lücken in den Jahren 2007 bis einschließlich Oktober 2007 - 1., 6., 11., 18., 24., 29., 33. und 37. KW - und im Jahre 2011 ab 1. Februar bis einschließlich Oktober 2011. Dies gilt auch nach Auswertung der zuletzt noch mit Schriftsatz vom 21. Juni 2013 übersandten Termine, die im Wesentlichen bereits durch die Auflistung der Dr. C. bekannt waren. Zusätzlich wurden vor allem Zeiten im Endokrinologikum A-Stadt berücksichtigt. Im Jahre 2011 vom 1. Februar bis einschließlich Oktober 2011 sind auch nach Berücksichtigung der Arztbesuche bei Dr. M., Dr. B. und im Endokrinologikum und unter Beachtung des stationären Krankenhausaufenthaltes vom 4. bis 11. Juli 2011 noch einige Wochen ohne Arztbesuch belegt: insbesondere sind - neben einzelnen Wochen - die Monate März und September 2011 nicht belegt, erhebliche Lücken sind für die übrigen Monate zu verzeichnen.
Ausgehend von der überzeugenden gutachterlichen Bewertung des Hilfebedarfs für die Grundpflege durch Dr. N., die den Zeitbedarf auf 35 Minuten täglich einschätzte, sind somit für die Zeit vom 10. März bis 31. Dezember 2006, vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2011 sowie für die Zeit vom 1. November 2011 bis 31. März 2012 weitere
18 Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung anzusetzen - ähnliches gilt unter Zugrundelegung des Gutachtens des MDK vom 27. April 2006, der den Grundpflegebedarf auf 33 Minuten einschätzte. Dies betrifft nach der Ausführung der Sachverständigen Hilfen beim Treppensteigen und beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung. Ein Zeitaufwand von jeweils einer Stunde für den einfachen Weg zu der am häufigsten aufgesuchten Dr. C. bzw. Dr. B., die zum Teil in den Praxisräumen der Dr. C. untersuchte, ist danach nachvollziehbar. Die Notwendigkeit der Anwesenheit der Pflegeperson während der Behandlung war nicht erforderlich. Der Hilfebedarf für die Grundpflege betrug daher in der Zeit vom 10. März bis 31. Dezember 2006, vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2011 sowie in der Zeit vom 1. November 2011 bis 31. März 2012 insgesamt 53 Minuten, für die hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten, so dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I in diesen Zeiträumen vorlagen. Für die übrige Zeit muss es bei einem Hilfebedarf von 35 Minuten täglich verbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 2/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung bereits für die Zeit ab 10. März 2006 bis 31. März 2012.
Der 1948 geborene Versicherte und damalige Kläger, der 2012 verstorben ist, beantragte am 15. Dezember 2005 bei der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Bayern nach Hausbesuch vom 27. April 2006 ein. Danach bestand ein Zustand nach Apoplex im Januar 2006 mit beinbetonter Parese links, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine Encephalopathie, eine arterielle Hypertonie, eine Psoriasis vulgaris sowie eine unfallbedingte Blindheit des linken Auges. Den Zeitbedarf für den Bereich Grundpflege schätzte der MDK auf 33 Minuten pro Tag (Körperpflege 9 Minuten, Ernährung 0 Minuten, Mobilität 24 Minuten), für hauswirtschaftliche Versorgung auf 45 Minuten pro Tag. Die Pflegestufe I sei nicht zu gewähren.
Mit Bescheid vom 9. Mai 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legte der Versicherte, der von seiner Ehefrau gepflegt wurde, am 22. Juni 2006 ein Pflegetagebuch vor. Die Beklagte holte eine erneute Stellungnahme des MDK nach Hausbesuch vom 5. September 2006 ein. Im Vordergrund der Pflege stünde der Zustand nach Apoplex mit Restparese der rechten Hand. Der Zeitbedarf für die Grundpflege wurde danach auf lediglich 23 Minuten (Körperpflege 10 Minuten, Ernährung 4 Minuten, Mobilität 9 Minuten) geschätzt, für Hauswirtschaft auf 45 Minuten. Insbesondere wurde kein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Vorgutachten: 17 Minuten) angenommen. Es habe keine Begleitung mehr zur Krankengymnastik stattgefunden, die Arztbesuche hätten sich auf zwei bis drei Besuche im Monat beschränkt. Der Kläger sei noch in der Lage, große Teile der Körperpflege selbst durchzuführen. Er benötige lediglich etwas Unterstützung sowie Hilfe beim Duschen und Kleiden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2006 zurück.
Im Rahmen der hiergegen gerichteten Klage zum Sozialgericht München hat das Gericht ein Gutachten der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. N. vom 20. Juli 2007 nach Hausbesuch eingeholt. Als Diagnosen bestünden ein Zustand nach apoplektischem Insult (wohl 01/2006) bei cerebraler Ischämie im Mediastromgebiet rechts, eine beinbetonte sensomotorische (Rest-)Hemiparese links, linksbetonte Koordinationsstörungen sowie Hinweise auf eine durch organische Faktoren bedingte Wesensänderung. Orthopädisch bestehe ferner ein chronisches Schmerzsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Funktionsbeeinträchtigung. Der Zeitbedarf für die Grundpflege betrage 35 Minuten täglich, für Hauswirtschaft 45 Minuten. Auf die Körperpflege entfielen hierbei 24 Minuten, auf die Ernährung zwei Minuten und auf die Mobilität neun Minuten. Als pflegeerschwerend wurde bei der Körperwäsche ein Zeitaufwand von zwei Minuten für Hilfe bei der Behandlung der Hauterkrankung mit berücksichtigt. Hilfebedarf sei insbesondere beim Waschen, beim Duschen, bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung, beim Aufstehen/Zubettgehen, beim An- und Auskleiden und beim Treppensteigen anzunehmen. Ein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei nicht berücksichtigungsfähig, da die Häufigkeit der Arztbesuche bzw. bei anderen therapeutischen Einrichtungen auf Dauer nicht gegeben sei.
Die klägerischen Einwendungen haben sich insbesondere auf die eingeschränkte Mobilität und einen wöchentlichen Arztbesuch bei Dr. C. bezogen. Die Allgemeinärztin Dr. C. hat mit Attest vom 19. November 2007 bescheinigt, dass der Versicherte seit Januar 2004 in ihrer hausärztlichen Behandlung sei und sich regelmäßig mindestens einmal wöchentlich in der Praxis vorstelle.
Zu den Einwendungen hat die Sachverständige am 4. Dezember 2007 ergänzend Stellung genommen und ausgeführt, dass über den regelmäßigen Praxisbesuch bei Dr. C. im Rahmen der Begutachtung nicht berichtet worden sei. Gegebenenfalls sei ein zusätzlicher Hilfebedarf 18 Minuten für Hilfen beim Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zu berücksichtigen. Ein Zeitaufwand von jeweils einer Stunde für den einfachen Weg sei nachvollziehbar. Die Notwendigkeit der Anwesenheit der Pflegeperson während der Behandlung sei nicht erforderlich.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf Abrechnungsunterlagen der Krankenkasse für die Quartale I/2006 bis II/2007 die Ansicht vertreten, dass eine wöchentliche Behandlung bei Frau Dr. C. nicht stattgefunden habe. Der Versicherte hat mit Schriftsatz vom 21. Februar 2008 die Arztbesuche zusammengestellt. Das Sozialgericht hat hierzu die Sach- und Rechtslage in einer mündlichen Verhandlung vom 28. September 2009 erörtert und den Rechtsstreit zur weiteren Beweisaufnahme vertagt. Es hat im Anschluss eine Bescheinigung der Dr. C. vom 30.11.2009, die Abrechnungsunterlagen der Krankenkasse für die Quartale I/2006 bis I/2009, Vorlagen des Versicherten, insb. ein Diabetiker-Tagebuch, sowie eine Aufstellung des Praxisnachfolgers Frau Dr. F. eingeholt.
Ferner stellte der Versicherte am 6. März 2009 bei der Beklagten einen Neuantrag. Der MDK schätzte in einem weiteren Gutachten nach Hausbesuch vom 29. Mai 2009 den Hilfebedarf in der Grundpflege auf 25 Minuten (Körperpflege: 10 Minuten; Ernährung: 5 Minuten; Mobilität: 10 Minuten), für die hauswirtschaftliche Versorgung auf 50 Minuten ein. Die Alltagskompetenz im Sinne des § 45 a des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) sei nicht eingeschränkt. Mit Bescheid vom 2. Juni 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Leistungen ab.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. April 2010 hat das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 9. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 abgewiesen. Die Sachverständige Dr. N. habe jedenfalls dann keinen Zeitaufwand von 90 Minuten täglich für die Pflegeleistungen ermitteln können, wenn medizinisch indizierte Arztbesuche in der Häufigkeit von einmal pro Woche nicht stattgefunden haben. Die weitere Beweisaufnahme habe ergeben, dass 2006 im Schnitt etwa alle vier Wochen ein Arztbesuch bei der Beklagten abgerechnet worden sei, 2007 alle 2,3 Wochen, 2008 alle 2,12 Wochen und im ersten Quartal 2009 alle drei Wochen. Die vom Versicherten darüber hinaus genannten Arzttermine, die sich in der Abrechnung der Beklagten nicht wiederfinden, konnten nicht berücksichtigt werden, da nicht zu klären gewesen sei, um was für Daten es sich dabei handelte.
Zur Begründung der Berufung hat der damalige Kläger weiter geltend gemacht, dass er in der Zeit ab 2006 weitere medizinisch indizierte Arztbesuche absolviert habe, die aus ihm nicht bekannten Gründen in den Unterlagen der Beklagten nicht verzeichnet seien. Dies betreffe vor allem Behandlungen durch Frau Dr. B., die diese zum einen in der Praxis der Dr. C., zum anderen in Praxisräumen in A-Stadt durchgeführt habe. In Letzterer hätten ab 2006 zahlreiche weitere Behandlungen stattgefunden.
Der Senat hat eine ärztliche Äußerung der Dr. C. zu der Häufigkeit der Praxisbesuche vom 1. März 2011 eingeholt. Diese hat bestätigt, dass vor allem für die Lokalinfiltration als Schmerztherapie (TLA) nach dem EBM 2000 keine gesonderten Abrechnungsziffern mit der Krankenkasse mehr bestünden. Diese Leistungen seien nunmehr in der Grundpauschale enthalten. Die Behandlung sei nur dokumentiert, aber nicht mehr abgerechnet worden. Ab 2008 seien weitere Abrechnungsziffern gestrichen worden, wie z.B. Behandlungsdauer über 10 Minuten. Die Grundpauschale könne pro Patient nur einmal im Quartal abgerechnet werde. Mit Schreiben vom 13. Januar 2012 hat Dr. C. nochmals bestätigt, dass der damalige Kläger seit 2. November 2004 regelmäßig in der ambulanten Behandlung gewesen sei. Daneben hätten mehrmals stationäre Behandlungen stattgefunden, derzeit darüber hinaus psychiatrische, diabetologische und kardiologische Behandlungen. Schließlich hat sie nochmals ihre Auflistung der Praxisbesuche vom 30. November 2009 übersandt.
Auf einen Antrag vom 2. April 2012 gewährt die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juni 2012 kombinierte Pflegeleistungen in der Pflegestufe I ab 1. April 2012. Dem lag ein Gutachten des MDK vom 1. Juni 2012 zugrunde, der den Hilfebedarf in der Grundpflege auf 55 Minuten (Körperpflege: 26 Minuten; Ernährung: 4 Minuten; Mobilität: 25 Minuten), in der Hauswirtschaft auf 50 Minuten einschätzte. Die Alltagskompetenz sei nicht erheblich eingeschränkt. Ein Hilfebedarf für das Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung wurde dabei nicht angesetzt. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I seien seit April 2012 gegeben. Nähere Ausführungen zu den Abweichungen gegenüber den Vorgutachten enthält das Gutachten nicht.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass der MDK gegenüber dem Vorgutachten vom 29. Mai 2009 einen erhöhten bzw. neu aufgetretenen Pflegebedarf in verschiedenen Bereichen festgestellt hat. Dem Gutachten ließen sich jedoch keine Anhaltspunkte entnehmen, seit wann der Pflegebedarf der Pflegestufe I erreicht sei. Vergleichsweise hat die Beklagte die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I ab 1. Januar 2012 angeboten. Die Klägerin hat das Vergleichsangebot nicht angenommen. Sie hat die von ihrem Ehemann wahrgenommenen Arzttermine in Kalenderblättern für die Jahre 2006 bis 2011 vorgelegt.
Ergänzend hat der MDK am 21. Februar 2013 lediglich mitgeteilt, dass 2012 im Vergleich zum Gutachten von 2009 eine Bewegungseinschränkung der Hände und eine eingeschränkte Besteckhandhabung beschrieben würden. Das Gehen sei 2012 nun unsicher gewesen, so dass auch Unterstützung bei den Toilettengängen notwendig gewesen sei. Die Stuhlinkontinenz bei Diarrhoe habe zugenommen. Ferner seien 2012 Unruhezustände beschrieben, das Verhalten sei gelegentlich ablehnend und unkooperativ gewesen.
Die Klägerin hat auf weitere Untersuchungstermine beim Augenarzt Dr. B. in den Jahren 2007 bis 2012 hingewiesen, die Beklagte auf Fehlen von Arztbesuchen in Wochen der Jahre 2008 und vor allem 2009. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2013 hat die Klägerin Unterlagen zu weiteren Zeiten für die Wahrnehmung von Arztterminen übersandt. Es betrifft dies Termine bei Dr. M. (5. August 2010, 12. Mai 2011, 9. März 2012), Dr. S. (22. März 2010), Radiologiegemeinschaft (1. April 2008). Dr. C. (33 Termine im Jahre 2010), Dr. C. (Tagesprotokoll vom 8. März 2007 bis 4. August 2010), Dr. B. (30. Mai 2007; 29. November 2010, 1. Dezember 2010, 4. Januar 2011, 13. Januar 2011, 21. Januar 2011, 23. Mai 2011, 25. Mai 2011, 28. Mai 2011, 8. Dezember 2011, 9. Dezember 2011), Endokrinologikum (einzelne Termine zwischen 2006 und 2012) und Dr. S. (Termine 2006). Ferner lagen stationäre Krankenhausaufenthalte in den Zeiten vom 2. Oktober bis 14. Oktober 2008, 1. Oktober bis 22. Oktober 2009, 7. Mai 2010 bis 26. Mai 2010, 21. Januar bis 26. Januar 2011 und vom 4. Juli bis 11. Juli 2011 vor.
Einen Vergleichsvorschlag des Gerichts vom 15. April 2013 haben die Beteiligten, einen in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2013 hat die Beklagte abgelehnt. Diese hat auch ihr Vergleichsangebot, Leistungen der Pflegestufe I ab 1. Januar 2012 zu gewähren, nicht als Teilanerkenntnis aufrecht erhalten.
Das Amtsgericht A-Stadt hat nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. E. vom 30. März 2012 mit Beschluss vom 12. Juni 2012 die Betreuung für den damaligen Kläger angeordnet und als Betreuerin die Ehefrau bestellt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. April 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 sowie des Bescheides vom 2. Juni 2009 zu verurteilen, aus der Versicherung des am 25. September 2012 verstorbenen A. Leistungen der Pflegestufe I auch für die Zeit vom 10. März 2006 bis 31. März 2012 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und teilweise begründet. Der Klägerin stehen aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemanns Leistungen der Pflegestufe I für die Zeit vom 10. März bis 31. Dezember 2006, vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2011 sowie für die Zeit vom 1. November 2011 bis 31. März 2012 zu. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
Die jetzige Klägerin ist als Ehefrau, die in Gemeinschaft mit dem während des Berufungsverfahrens verstorbenen Kläger lebte, Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I). Sie hat ausdrücklich die Fortführung des Rechtsstreits als Sonderrechtsnachfolgerin erklärt.
Streitgegenstand ist zum einen der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006, mit dem diese den ursprünglichen Antrag des Versicherten auf Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung ablehnte. Gemäß § 96 SGG ist jedoch auch der Bescheid vom 2. Juni 2009 Gegenstand des Verfahrens, der die erneute Ablehnung der Leistungsgewährung aufgrund eines Neuantrages vom März 2009 betraf. Insoweit ersetzt dieser Bescheid den vorangegangenen Ablehnungsbescheid; der Antrag auf Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung betrifft ein Dauerschuldverhältnis, beginnend mit Antragstellung. Durch die Ablehnung der Leistungsgewährung tritt das beantragte Dauerschuldverhältnis nicht in Kraft, so dass auch die erneute Ablehnung eines Antrags als ein "Ersetzen" im Sinne des § 96 SGG zu bewerten ist.
Der Leistungen nach der Pflegestufe I zusprechende Bescheid vom 5. Juni 2012 wird zwar von der Klägerin inhaltlich nicht angefochten, ersetzt aber durch die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I für die Zeit ab 1. April 2012 ebenfalls die vorangegangenen Bescheide, so dass er gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens wird. Inhaltlich begrenzt er somit den streitigen Zeitraum für die Gewährung der beantragten Leistungen nach der Pflegestufe I für die Zeit bis 31. März 2012.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 S. 1 bis 3 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) Pflegegeld erhalten, wenn sie die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch eine Pflegeperson (§ 19 S. 1 SGB XI) in geeigneter Weise sowie dem Umfang des Pflegegeldes entsprechend selbst sicherstellen und mindestens die Pflegestufe I vorliegt.
Maßgebend für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den einzelnen Pflegestufen ist der Umfang des Pflegebedarfs bei denjenigen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführt und dort in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität (Nrn. 1 bis 3), die zur Grundpflege gehören, sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Nr. 4) aufgeteilt sind. Der hierin aufgeführte Katalog der Verrichtungen stellt, nach Ergänzung um die im Gesetz offenbar versehentlich nicht ausdrücklich genannten Verrichtungen Sitzen und Liegen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 14), eine abschließende Regelung dar (BSGE 82, 27), die sich am üblichen Tagesablauf eines gesunden bzw. nicht behinderten Menschen orientiert (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 3).
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI muss dazu der Zeitaufwand für die erforderlichen Hilfeleistungen der Grundpflege täglich mehr als 45 Minuten (Grundpflegebedarf), für solche der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung zusammen mindestens 90 Minuten (Gesamtpflegebedarf) betragen. Unter Grundpflege ist die Hilfe bei gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI), unter hauswirtschaftlicher Versorgung die Hilfe bei der Nahrungsbesorgung und -zubereitung, bei der Kleidungspflege sowie bei der Wohnungsreinigung und -beheizung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) zu verstehen.
Zur Grundpflege zählen:
1. im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung;
2. im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung;
3. im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Nach den vorliegenden Gutachten, zunächst des MDK vom 27. April 2006 und 5. September 2006, dann der gerichtlichen Sachverständigen Dr. N. vom 20. Juli 2007 sowie des MDK vom 29. Mai 2009 im Rahmen des Neuantrages lagen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB XI für die Pflegestufe I noch nicht vor. Der zeitliche Hilfebedarf in der Grundpflege belief sich nach den gutachterlichen Feststellungen im Tagesdurchschnitt auf einen Rahmen zwischen 23 und 35 Minuten. Pflege erschwerend wurde die Behandlung der Hauterkrankung des Versicherten mit berücksichtigt. Dabei berücksichtigten die Gutachter jedoch keine Zeiten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. In einer ergänzenden Stellungnahme schätzte die Sachverständige Dr. N. gegebenenfalls den zusätzlichen Hilfebedarf auf 18 Minuten, bezogen auf Praxisbesuche bei der Allgemeinärztin Dr. C ... Die Wartezeiten während des Arztbesuchs sind hierbei nicht anzusetzen. Der Grundpflegebedarf würde dann, ausgehend von dem schlüssigen Gutachten der Dr. N., auf 53 Minuten steigen, so dass die Pflegestufe I anzunehmen wäre.
Allerdings gelangte der MDK erst in dem Gutachten vom 1. Juni 2012 zu einer pflegerelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes bzw. Erhöhung des Pflegebedarfs in der Grundpflege auf 55 Minuten - jedoch erneut ohne Ansetzen eines Hilfebedarfs für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I seien seit April 2012 gegeben. Im Vergleich zur Begutachtung im Jahre 2009 traten, wie der MDK überzeugend ausführte, eine Bewegungseinschränkung der Hände und eine eingeschränkte Besteckhandhabung auf. Das Gehen war nun unsicher, so dass auch Unterstützung bei den Toilettengängen notwendig geworden war. Ferner hatte die Stuhlinkontinenz bei Diarrhoe zugenommen. Schließlich hatten Unruhezustände bestanden, aufgrund derer das Verhalten gelegentlich ablehnend und unkooperativ war.
Aus dem Gutachten ergibt sich allerdings nicht, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt vor dem 1. April 2012 diese Voraussetzungen als gegeben anzusehen waren. Auch in der ergänzenden Stellungnahme vom 21. Februar 2013 hat der MDK lediglich darlegen können, dass und in welchen Bereichen eine Zunahme des Hilfebedarfs in der Grundpflege eingetreten ist. Insgesamt trat die Zunahme des Pflegebedarfs jedenfalls nicht durch ein plötzliches Ereignis, sondern kontinuierlich ein.
Entscheidend ist somit, ob ein Hilfebedarf für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung anzusetzen ist. Auch hierfür ist eine Regelmäßigkeit des Anfalls nach § 14 Abs. 1, 4 SGB XI erforderlich, d.h. es muss mindestens einmal pro Woche (§ 15 Abs. 3 SGB XI) ein Arzt aufgesucht worden sein (hierzu: Udsching, SGB XI, 3. Aufl., § 14 Rdnr. 24; BSG, Urt. vom 29. April 1999, Az.: B 3 P 12/98 R).
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch der MDK in seinem Gutachten vom 27. April 2006 17 Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ansetzte. Mit Widerspruchsgutachten entfielen diese Zeiten zwar, da kein regelmäßiger Besuch der Krankengymnastik mehr erfolgt war, jedoch wurde auch festgehalten, dass der Versicherte damals zwei- bis dreimal die Woche einen Arzt aufgesucht hat. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sind jedoch teilweise weitere Arztbesuche angefallen.
Das Sozialgericht stellte unzutreffend maßgeblich auf die bei der Krankenkasse gemeldeten ambulanten Behandlungen in der Praxis der Dr. C. ab. Die Ärztin hatte bereits mit Attest vom 19. November 2007 wöchentliche Praxisbesuche bestätigt. Mit Bescheinigung vom 30. November 2009 hat sie die Praxisbesuche im Einzelnen aufgelistet. Ergänzend existiert eine Praxiskarteikarte. Die Hausärztin Dr. C. hat in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Senat vom 1. März 2011 die von der Beklagten beanstandeten Differenzen zwischen der Abrechnung gegenüber der Krankenkasse und den tatsächlichen Praxisbesuchen erläutert. Sie hat ausdrücklich die Richtigkeit und Regelmäßigkeit der Praxisbesuche bestätigt. Sie hat für den Senat glaubhaft dargelegt, dass tatsächlich deutlich mehr Praxisbesuche stattfanden als abgerechnet wurden bzw. abgerechnet werden konnten.
Der Versicherte selber hat im Februar 2008 die Arztbesuche für die Quartale I/06 bis II/07 datumsmäßig aufgelistet und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Auflistung lückenhaft ist, da die Arztbesuche von ihm nicht dokumentiert wurden. Dies betrifft Praxisbesuche bei Dr. F. (Nachfolger: Dr. S.). Bei den Auflistungen der Besuche bei Dr. B. für das Jahr 2006 sind nach Angabe des Versicherten auch Hausbesuche enthalten. Eine detaillierte Auflistung enthält die Bescheinigung der Dr. B. vom Dezember 2009 für das Jahr 2006. Hinzukommen gelegentliche Arztbesuche beim Augenarzt Dr. B. in den Jahren 2007 bis 2012.
Ergänzend zu den vorgelegten verschiedenen ärztlichen Bescheinigungen sind auch die Auflistungen des Versicherten bzw. der Klägerin zu berücksichtigen, sofern diese glaubhaft sind. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren Kalenderausdrucke mit handschriftlichen Ankreuzungen der bei Frau Dr. B. wahrgenommenen Termine vorgelegt. Da diese die ambulante Behandlung nur teilweise in den Räumen der Dr. C., teilweise aber auch in A-Stadt, durchgeführt hat, decken sich die von der Klägerin angekreuzten Termine nicht vollständig mit den Angaben der Dr. C., wie sie sich insbesondere aus dem Tagesprotokoll sowie den Bescheinigungen vom 30. November 2009 und für 2010 ergeben. Diese sind zu ergänzen neben den genannten Angaben der Dr. C. mit denen des Dr. F. bzw. des Dr. S., ferner des Dr. M., Dr. S., der Radiologiegemeinschaft (1. April 2008), des Dr. B. sowie des Endokrinologikums A-Stadt.
Aufgrund der insgesamt vorgelegten Bescheinigungen, der (lückenhaften) Dokumentationen des Versicherten, der Auflistungen der Ehefrau, wie sie in den Kalenderblättern eingetragen wurden, und der Angaben der Dr. C. ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass von einer Regelmäßigkeit der Arztbesuche im Sinne des § 14 Abs. 1, Abs. 4 SGB XI in den Zeiten vom 10. März bis 31. Dezember 2006, vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2011 sowie vom 1. November 2011 bis 31. März 2012, nicht jedoch in den übrigen Zeiten zwischen 10. März 2006 und 31. März 2012 auszugehen ist.
In ersteren Zeiten waren allenfalls gelegentlich Wochen ohne Arztbesuch, oftmals jedoch Wochen mit mehrfachem Arztbesuch, belegt: So für das Jahr 2006 nur zwei Wochen, für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2007 keine Woche, für 2008 drei Wochen, für 2009 fünf Wochen (einschließlich der Neujahrswoche und der Weihnachtswoche, in denen häufig ein Praxisbesuch nicht möglich ist) und 2010 eine Woche (Neujahrswoche). Im Januar 2011 sind die 1., 2. und 3. KW mit Zeiten des Arztbesuchs (Dr. B.) belegt. Es schloss sich ein stationärer Krankenhausaufenthalt vom 21. bis 26. Januar 2011 an, der aufgrund der Kürze von wenigen Tagen die Pflegeleistung nicht ausschließt. Wochen ohne regelmäßigen Arztbesuch finden sich erst ab der 5. KW.
Arztbesuche sind auch vor allem im März 2012 durch das Endokrinologikum A-Stadt und durch Dr. M., im Januar durch Dr. C. belegt. Darüber hinaus listete die Klägerin zahlreiche Arztbesuche im Januar, Februar und März 2012 auf. Im Zeitraum vom 11. Januar bis 30. März 2012 suchte der Versicherte die psychiatrische Institutsambulanz Haar auf. Ferner gelangte der MDK in seinem Gutachten vom 1. Juni 2012 zu dem Ergebnis, dass zumindest seit Antragstellung im April 2012 der Grundpflegebedarf - erneut ohne Berücksichtigung von Zeiten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung - auf 55 Minuten angestiegen war und die Voraussetzungen der Pflegestufe I somit vorlagen. Die Verschlechterung begründete sich - wie dargelegt - mit einem Fortschreiten der Erkrankung bzw. einer stetigen Zunahme des Pflegebedarfs. Da kein plötzliches Ereignis zu einer Zunahme der Pflegebedürftigkeit geführt hat, eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes vor allem durch das Aufsuchen der psychiatrischen Institutsambulanz sowie durch einen stationären Aufenthalt vom 19. Januar bis 15. Februar 2012 belegt ist und weiterhin eine Häufigkeit der Arztbesuche gegeben war, ist auch für die Zeit ab 1. Januar 2012 das Vorliegen der Pflegestufe I, wie von der Beklagten mit Schriftsatz vom
19. Juli 2012 im Rahmen eines Vergleichsvorschlages angeboten, nachgewiesen. Insoweit liegt allerdings kein Teilanerkenntnis vor, da die Beklagte ihr Angebot ausdrücklich nicht aufrecht erhalten hat.
Demgegenüber finden sich beträchtliche Lücken in den Jahren 2007 bis einschließlich Oktober 2007 - 1., 6., 11., 18., 24., 29., 33. und 37. KW - und im Jahre 2011 ab 1. Februar bis einschließlich Oktober 2011. Dies gilt auch nach Auswertung der zuletzt noch mit Schriftsatz vom 21. Juni 2013 übersandten Termine, die im Wesentlichen bereits durch die Auflistung der Dr. C. bekannt waren. Zusätzlich wurden vor allem Zeiten im Endokrinologikum A-Stadt berücksichtigt. Im Jahre 2011 vom 1. Februar bis einschließlich Oktober 2011 sind auch nach Berücksichtigung der Arztbesuche bei Dr. M., Dr. B. und im Endokrinologikum und unter Beachtung des stationären Krankenhausaufenthaltes vom 4. bis 11. Juli 2011 noch einige Wochen ohne Arztbesuch belegt: insbesondere sind - neben einzelnen Wochen - die Monate März und September 2011 nicht belegt, erhebliche Lücken sind für die übrigen Monate zu verzeichnen.
Ausgehend von der überzeugenden gutachterlichen Bewertung des Hilfebedarfs für die Grundpflege durch Dr. N., die den Zeitbedarf auf 35 Minuten täglich einschätzte, sind somit für die Zeit vom 10. März bis 31. Dezember 2006, vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2011 sowie für die Zeit vom 1. November 2011 bis 31. März 2012 weitere
18 Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung anzusetzen - ähnliches gilt unter Zugrundelegung des Gutachtens des MDK vom 27. April 2006, der den Grundpflegebedarf auf 33 Minuten einschätzte. Dies betrifft nach der Ausführung der Sachverständigen Hilfen beim Treppensteigen und beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung. Ein Zeitaufwand von jeweils einer Stunde für den einfachen Weg zu der am häufigsten aufgesuchten Dr. C. bzw. Dr. B., die zum Teil in den Praxisräumen der Dr. C. untersuchte, ist danach nachvollziehbar. Die Notwendigkeit der Anwesenheit der Pflegeperson während der Behandlung war nicht erforderlich. Der Hilfebedarf für die Grundpflege betrug daher in der Zeit vom 10. März bis 31. Dezember 2006, vom 1. November 2007 bis 31. Januar 2011 sowie in der Zeit vom 1. November 2011 bis 31. März 2012 insgesamt 53 Minuten, für die hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten, so dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I in diesen Zeiträumen vorlagen. Für die übrige Zeit muss es bei einem Hilfebedarf von 35 Minuten täglich verbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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