L 15 VS 18/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 15 VS 1/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VS 18/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 V 59/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Ausgleichsanspruch gem. § 85 SVG endet mit dem Ausscheiden aus der Bundeswehr.
2. Die Bundeswehrverwaltung ist für die Gewährung nachdienstlicher Versorgung i.S.d. § 80 SVG nicht zuständig.
3. Bei fehlender Zuständigkeit der beklagten Bundesrepublik als Träger der Bundeswehrverwaltung ist eine Verurteilung des beigeladenen Landes als Träger der Versorgungsverwaltung nicht möglich. Auch ein Beklagtenwechsel scheidet aus.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 25. November 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte dem Kläger Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) für den Zeitraum vom 02.11.1978 bis zum 31.12.1984 zu gewähren hat.

Der Kläger war Soldat auf Zeit; seine Dienstzeit endete am 01.11.1978.

Auf einen Antrag des Klägers vom 27.02.1989 hin gewährt ihm die Beklagte mit Bescheid vom 15.05.1990 Ausgleich nach § 85 SVG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 60 v.H. für die Zeit vom 01.10.1976 bis zum 01.11.1978 (Tag der Beendigung des Wehrdienstes).

Der Beigeladene gewährt dem Kläger seit dem 01.01.1985 in Folge eines vor dem Bayer. Landessozialgericht am 13.05.1997 im Verfahren L 15 V 112/95.SVG geschlossenen Vergleichs Versorgung.

Für den Zeitraum vom 02.11.1978 bis zum 31.12.1984 hat der Kläger keine Versorgung erhalten.

Mit Schreiben vom 14.09.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die rückwirkende Gewährung von Versorgung nach dem SVG für die Zeit ab dem 02.11.1978 (bis zum 31.12.1984). Da der Bescheid der Beklagten erst am 15.05.1990 ausgestellt worden sei - so der Kläger -, sei er zwölf Jahre gehindert gewesen, einen Antrag beim Versorgungsamt zu stellen. Die Beklagte habe ihm daher wegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Leistungen für die Zeit vom 02.11.1978 bis zum 31.12.1984 zu gewähren.

Mit Schreiben vom 10.10.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine rückwirkende Gewährung von Leistungen nach dem SVG für den Zeitraum seit Entlassung aus der Bundeswehr bis zum 31.12.1985 als Schadenersatz nicht möglich sei.

Gegen dieses Schreiben hat der Kläger am 14.01.2009 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben.

Am 19.11.2009 hat die Beklagte einen Widerspruchsbescheid erlassen, mit dem sie den Widerspruch des Klägers gegen ihren Bescheid vom 10.10.2008 zurückgewiesen hat. Der Antrag des Klägers beziehe sich auf Leistungen gemäß § 80 SVG nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr. Für die Zeit nach Ausscheiden aus der Bundeswehr sei aber allein die Versorgungsverwaltung zuständig.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.11.2009 ist die Klage abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass ein Amtshaftungsanspruch wegen einer behaupteten vorsätzlichen unerlaubten Handlung vor der Zivilgerichtsbarkeit geltend zu machen sei und daher insofern eine Klage bereits schon nicht zulässig sei. Im Übrigen sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Ein Ausgleich nach § 85 SVG sei nicht zu erbringen, da für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstes gemäß § 88 Abs. 1 Satz 2 SVG grundsätzlich die Versorgungsverwaltung zuständig sei. Ein Ausgleich nach § 85 SVG könne nur für die Zeit des Wehrdienstes geleistet werden.

Mit Schreiben vom 02.12.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt. Seine damalige Bevollmächtigte hat die Berufung mit Schreiben vom 16.05.2010 damit begründet, dass das Sozialgericht das Begehren des Klägers unzutreffend ausgelegt habe, sofern es die Klage als unzulässig abgewiesen habe. Nicht eindeutige Anträge seien so auszulegen, dass der Antrag Erfolg haben könne. Demnach sei das Begehren des Klägers als Antrag auf Versorgungsleistungen nach dem SVG i.V.m. §§ 60 ff. Bundesversorgungsgesetz (BVG) auszulegen, weil ein Schadensersatzanspruch beim Sozialgericht evident keinen Erfolg haben könne. Ansprüche des Klägers auf Beschädigtenversorgung gegenüber dem Beigeladenen seien nicht verjährt. Der Antrag des Klägers auf Anlage eines WDB-Blatts stelle jedenfalls einen bedingten Antrag auf Versorgung dar. Im Übrigen habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass ihn die Beklagte als beamtenrechtliche Dienstherrin über seinen Zustand und seine möglichen Entschädigungsansprüche unterrichten werde.

Im Rahmen eines Erörterungstermins vom 28.11.2012 ist der Rechtsstreit mit dem Kläger eingehend besprochen worden.

U.a. mit Schreiben vom 06.12.2012 hat der Kläger seine Ansicht zum Ausdruck gebracht, dass der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut als nicht ergangen zu gelten habe, da er am Sozialgericht eine mündliche Verhandlung beantragt habe.

Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 25.11.2009 aufzuheben,
2. den Beigeladenen, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 10.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 zu verurteilen, dem Kläger Beschädigtenversorgung nach dem SVG gegebenenfalls i.V.m. mit §§ 60 ff BVG auch für den Zeitraum vom 02.11.1978 bis zum 31.12.1984 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten, des Beigeladenen, des Sozialgerichts Landshut zu den Az. S 12 AR 547/90, S 12 AR 557/90, S 13 V 158/90, S 9 VS 1/98, S 15 V 69/90, S 13 V 157/90, S 15 VS 5/04, S 15 VS 6/04, S 9 VS 7/04, S 15 VS 10/98, S 15 VS 9/08, S 15 VS 8/08, S 15 VS 4/04, S 15 VS 1/09 und S 15 VS 1/09 sowie des Bayer. Landessozialgerichts mit den Az. L 15 V 112/95.SVG, L 15 VS 18/02, L 15 VS 19/05, L 5 SF 196/08, L 5 SF 197/08, L 5 SF 198/08, L 15 VS 16/09, L 15 SF 234/12 AB, L 15 SF 37/13 AB und L 15 SF 38/12 AB beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1. Verfahrensrechtliche Fragen

1.1. Zulässigkeit der Entscheidung des Sozialgerichts durch Gerichtsbescheid

Bei dem Rechtsstreit handelt es sich um ein Verfahren, das keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und bei dem der Sachverhalt geklärt ist. Insofern hat das Sozialgericht in zulässiger Weise den Weg gewählt, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid im Sinn des § 105 SGG zu entscheiden. Wenn der Kläger meint, das Sozialgericht hätte erst nach mündlicher Verhandlung und nur durch Urteil entscheiden dürfen, weil er die mündliche Verhandlung beantragt habe, und es sich deshalb bei dem Gerichtsbescheid um eine "Nichtentscheidung" gehandelt habe, hat er § 105 Abs. 3, 2. Halbsatz SGG missverstanden. Die Möglichkeit, eine mündliche Verhandlung (vor dem Sozialgericht) zu beantragen, besteht nur dann, wenn nicht das Rechtmittel der Berufung offen steht. Ist hingegen eine Berufung statthaft oder zugelassen, können die Beteiligten nur in Berufung gehen, nicht aber eine mündliche Verhandlung beantragen und sich auf die Vorschrift des § 105 Abs. 3, 2. Halbsatz SGG stützen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 10. Aufl. 2012, § 105, Rdnr. 16)

1.2. Übertragung auf den Berichterstatter des Senats

Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 SGG vom 29.11.2012 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat. Diese Übertragung war zulässig, da es sich bei der angefochtenen Entscheidung um einen Gerichtsbescheid handelt. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Vielmehr sind sowohl Sachverhalt als auch die zugrunde liegenden Rechtsfrage ausgesprochen einfacher Art. Lediglich der Vollständigkeit halber wird der Kläger darauf hingewiesen, dass die Gesetzeslage die von ihm gewünschte Rückübertragung auf den Senat in voller Besetzung nicht zulassen würde (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 153, Rdnr. 25a).

2. Streitgegenstand

Wie sich aus einer Gesamtschau des Schreibens vom 10.10.2008 und des Widerspruchsbescheids vom 19.11.2009 ergibt, hat es die Beklagte abgelehnt, dem Kläger für den Zeitraum vom 02.11.1978 bis zum 31.12.1984 Versorgung nach Regelungen des SVG zu gewähren. Es liegt ein einem sozialgerichtlichen Verfahren im Wege der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zugänglicher Verwaltungsakt vor.

3. Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Bürgerliches Gesetzbuch i.V.m. Art. 34 Grundgesetz

Sofern der Kläger sein Begehren auf einen Amtshaftungsanspruch stützt, ist dem Senat eine inhaltliche Entscheidung darüber verwehrt.

Das Sozialgericht hat zutreffend erläutert, dass ein derartiger Anspruch einer Entscheidung durch die Sozialgerichtsbarkeit entzogen ist. Für eine Entscheidung zuständig sind die Zivilgerichte, dort das Landgericht gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtsverfassungsgesetz.

4. Versorgung gemäß § 80 SVG

Die Beklagte hat der Rechtslage entsprechend darauf hingewiesen, dass sie für die Erbringung von Leitungen gemäß § 80 SVG für die Zeit nach Ausscheiden aus der Bundeswehr nicht zuständig ist.

Für die nachdienstliche Versorgung, d.h. hier ab dem 02.11.1978, besteht gemäß § 88 Abs. 1 Satz 2 SVG eine ausschließliche Zuständigkeit der Behörden der Versorgungsverwaltung, also des beigeladenen Landes. Die Beklagte kann daher nicht verpflichtet werden, die nachdienstliche Versorgung gemäß § 80 SVG zu erbringen.

5. Ausgleich gemäß § 85 SVG

Ein Anspruch gemäß § 85 SVG, der gegen die Beklagte gerichtet ist, endet nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (§ 85 Abs. 1 SVG: "während ihrer Dienstzeit") mit dem Ende der Dienstzeit.

Für die Zeit nach dem 01.11.1978 können daher Leistungen gemäß § 85 SVG durch die Beklagte nicht (mehr) erbracht werden.

6. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegen die Beklagte besteht nicht.

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegen die Beklagte scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil mit einem derartigen Anspruch nur solche Leistungen zugesprochen werden können, für die eine Rechtsgrundlage besteht, deren Geltendmachung aber wegen Verstoßes gegen eine Beratungspflicht nicht rechtzeitig erfolgt ist. Eine derartige Konstellation ist vorliegend nicht gegeben. Wie sich aus den Ausführungen zu 4. und 5. (vgl. oben) ergibt, können durch die Beklagte nach Ende der Dienstzeit des Klägers Leistungen nicht mehr erbracht werden. Insofern ist es auch nicht möglich, im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben für den Versorgungsanspruch über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch dem Kläger Leistungen durch die Beklagte zuzusprechen, die ihm bei einem ordnungsgemäßen Verwaltungshandeln von der Beklagten nicht zu erbringen gewesen wäre. Ob der Beklagten eine fehlerhafte Sachbehandlung bzw. eine unzureichende Beratung des Klägers vorgeworfen werden kann, muss dahingestellt bleiben, da dies im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich ist.

7. Keine Verurteilung des beigeladenen Feistaats Bayern als Träger der Versorgungsverwaltung

Eine Verurteilung des Beigeladenen kann nicht erfolgen, da eine Verurteilung des Freistaats Bayern als Träger der Versorgungsverwaltung weder als Beigeladener noch nach einem Beklagtenwechsel möglich ist.

7.1. Keine Verurteilung des beigeladenen Feistaats Bayern als Beigeladener

Eine Verurteilung des Beigeladenen auf nachdienstliche Versorgung gemäß § 80 SVG kann in einem sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Beklagten, die über die Gewährung von Ausgleich gemäß § 85 SVG entschieden hat, nicht erfolgen, weil die Ansprüche sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern nebeneinander bestehen. Eine Verurteilung des Beigeladenen wäre aber nur dann möglich, wenn sich die Ansprüche gegenseitig ausschließen würden.

Nach den gesetzlichen Regelungen in §§ 85, 88 SVG und den diesbezüglich klarstellenden Festlegungen des BSG im Urteil vom 29.04.2010, Az.: B 8 VS 2/09 R, besteht keine Möglichkeit, in einem Verfahren gegen die Bundeswehr wegen der Ablehnung von Ausgleich gemäß § 85 SVG den beigeladenen Träger der Versorgungsverwaltung zur Leistung von nachdienstlicher Versorgung gemäß § 80 SVG zu verurteilen. Das BSG hat im vorgenannten Urteil Folgendes ausgeführt (Unterstreichungen durch den Senat):

"2. Soweit der Kläger mit der Revision erreichen will, unter Aufhebung des entgegenstehenden Urteils des LSG das beigeladene Land zu verurteilen, ihm wegen der nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses erlittenen Folgen einer WDB Leistungen der Beschädigtenversorgung nach §§ 80 ff SVG in Verbindung mit den Vorschriften des BVG zu gewähren, hat seine Revision im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings hat das LSG zu Unrecht angenommen, dass der Kläger damit eigenständige Klagen erhoben habe, die gesondert abgewiesen werden könnten.

Nach § 75 Abs 5 SGG kann ua in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land nach Beiladung verurteilt werden. Diese Vorschrift gibt den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aus prozessökonomischen Gründen nur die Befugnis, in Fällen, in denen der Kläger einen nicht passiv legitimierten Leistungsträger verklagt, den in Wirklichkeit passiv legitimierten, aber nicht verklagten Leistungsträger nach Beiladung zu verurteilen, um einen neuen Rechtsstreit und damit auch die Möglichkeit sich praktisch widersprechender Urteile verschieden besetzter Spruchkörper zu vermeiden (vgl BSGE 9, 67, 69; BSGE 49, 143, 145 = SozR 5090 § 6 Nr 4; BSGE 57, 1, 2 = SozR 2200 § 1237a Nr 25; BSG, Urteil vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 26). Demnach kommt eine Verurteilung des Beigeladenen nur subsidiär in Betracht. Sie darf erst stattfinden, soweit die Klage gegen den ursprünglich Beklagten keinen Erfolg hat. Zudem muss es sich um Ansprüche handeln, die sich gegenseitig ausschließen, also nicht nebeneinander bestehen (vgl BSGE 49, 143, 146 = SozR 5090 § 6 Nr 4).

Danach ist der Kläger grundsätzlich nicht gehindert - wie hier sowohl im Berufungs- als auch im Revisionsverfahren - Anträge gegen das beigeladene Land zu stellen. Bei diesen Anträgen handelt es sich jedoch nicht, wie das LSG meint, um neue, erstmals vor dem LSG erhobene Klagen, sondern um die ursprünglich gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland erhobenen Klagen, die sich nach Beiladung - hilfsweise - auch gegen das beigeladene Land richten. Bei einer abschlägigen Entscheidung über diese Anträge ist deshalb eine gesonderte Klageabweisung, wie sie hier im Berufungsurteil erfolgt ist, nicht angebracht. Vielmehr hat sich das Gericht in den Entscheidungsgründen auf Ausführungen dazu zu beschränken, warum es eine Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG ablehnt.

Hinsichtlich des gegen den Beigeladenen gerichteten Leistungsbegehrens sind - wie das LSG zutreffend erkannt hat - die Voraussetzungen für eine Verurteilung nach § 75 Abs 5 SGG schon deshalb nicht gegeben, weil es sich bei dem dienstrechtlichen Ausgleich nach § 85 SVG und den entschädigungsrechtlichen Leistungen der Beschädigtenversorgung nach §§ 80 ff SVG iVm den Vorschriften des BVG um verschiedene Ansprüche handelt, die unterschiedliche Zeiträume betreffen und nebeneinander bestehen können. Im Übrigen hat der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt auch deshalb keinen spruchreifen Anspruch auf Leistungen der Beschädigtenversorgung gegen das beigeladene Land, weil nach § 88 Abs 2 Satz 1 Buchst a SVG (im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 88 Abs 3 Satz 1 SVG) zunächst die beklagte Bundesrepublik Deutschland über die Ansprüche des Klägers wegen während der Dienstzeit aufgetretener Folgen einer WDB (§ 85 Abs 1 SVG) entscheiden muss, bevor der Beigeladene über die Leistungen der Beschädigtenversorgung für die Zeit nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses (§§ 80 ff SVG) befinden darf."

7.2. Keine Verurteilung des Beigeladenen nach Beklagtenwechsel

Ein (seltener) Fall, in dem ein Beklagtenwechsel eintritt, liegt nicht vor.

Ein Beklagtenwechsel kommt nur bei Wechsel der Verwaltungszuständigkeit durch Umzug eines Prozessbeteiligten in Betracht. In einem derartigen Fall vollzieht sich der Beklagtenwechsel kraft Gesetzes (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2009, Az.: B 9 SB 4/08 R). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass nur der im Laufe des Verfahrens zuständig gewordene, nicht mehr aber der ursprünglich zuständige Rechtsträger den beanspruchten Verwaltungsakt erlassen kann. Ein derartiger Wechsel der Zuständigkeit ist vorliegend nicht einschlägig. Sowohl die Beklagte als auch der Beigeladene sind jeweils im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben für einen bestimmten Entscheidungsbereich zuständig (vgl. auch Urteil des Senats vom 26.01.2012, Az.: L 15 VS 10/08).

8. Zum Urteil des Hessischen LSG vom 10.05.2006, Az.: L 4 VS 7/05

Dieses Urteil hat keinerlei Bedeutung für den hier zu entscheidenden Fall. Auch wenn der Senat die dort zugrunde gelegte Auslegung der Vorschriften des SVG übernehmen würde, könnte der Berufung nicht stattgegeben werden.

Wenn sich der Kläger auf das Urteil des Hessischen LSG vom 10.05.2006 beruft und daraus ableiten will, dass auch in seinem Fall von einem schon während der Dienstzeit gestellten Antrag auf nachdienstliche Versorgung mit der Konsequenz einer Versorgungsleistung ab dem Tag nach Dienstende auszugehen wäre, hat er einen entscheidenden Gesichtspunkt übersehen: Gegenstand des hier zu entscheidenden Verfahrens ist nicht - anders als in dem vom Hessischen LSG entschiedenen Fall - die Gewährung von Versorgung gemäß § 80 SVG durch die Versorgungsverwaltung. Vielmehr strebt der Kläger eine weitergehende Versorgung durch die Beklagte, also die Bundeswehrverwaltung, an, die der Regelung des § 85 SVG folgt. Für eine Versorgung in der Zeit nach der Entlassung ist aber nach den Zuständigkeitsvorschriften des SVG, wie oben erläutert, eine Zuständigkeit der Beklagten nicht mehr gegeben. Insofern stellt sich die Frage, ob der Kläger einen rechtzeitigen Antrag für die nachdienstliche Versorgung gestellt hat, im hier zu entscheidenden Verfahren gegen die beklagte Bundeswehrverwaltung nicht.

9. Ausblick

Ohne dass es für das hier entschiedene Verfahren von irgendeiner Bedeutung wäre, weist der Senat gleichwohl, um dem Kläger weitergehende Informationen zu der von ihm wiederholt thematisierten Frage zu geben, wie er seine Versorgungslücke ab Ausscheiden aus der Bundeswehr bis zum 31.12.1984 (Beginn der Versorgungsleistungen des Beigeladenen) schließen könnte, auf Folgendes hin:

Es dürfte davon auszugehen sein, dass in der Person des Klägers über den 01.11.1978 (Entlassung aus der Bundeswehr) hinaus die materiellen Voraussetzungen für eine nachdienstliche Versorgung nach einer MdE in Höhe von 60 v.H. oder mehr vorgelegen haben. Allein dies führt aber noch nicht zu einer Versorgungsleistung. Denn die Gewährung von nachdienstlicher Versorgung ist gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 SVG (nur) auf Antrag zu gewähren. Dies bedeutet, dass ohne entsprechenden Antrag eine nachdienstliche Versorgung nicht möglich ist. Der Kläger könnte daher seine Versorgungslücke nur dann schließen, wenn er eine entsprechend frühe Antragstellung nachweisen könnte.

Der Kläger macht diesbezüglich geltend, dass in seinem, an die Beklagte gerichteten "Antrag" vom Herbst 1977 auf Anlegung eines WDB-Blatts auch ein Antrag auf nachdienstliche Versorgung durch die Versorgungsverwaltung enthalten sei. Mit diesem Gesichtspunkt hat sich bereits das Sozialgericht Landshut in seinem Urteil vom 26.09.1995, Az.: S 13 V 157/90, dort auf S. 7, beschäftigt - und einen Antrag des Klägers auf nachdienstliche Versorgung nicht erkennen können. Ein Ansatzpunkt, dem zu widersprechen, könnte sich aus dem vom Kläger mehrfach angeführten Urteil des Hessischen LSG vom 10.05.2006, Az.: L 4 VS 7/05, ergeben. Dort wurde "spätestens" in der Zustellung der Klageschrift im Verfahren gegen die Bundeswehr an die beigeladene Versorgungsverwaltung - zu diesem Zeitpunkt war der damalige Kläger noch Soldat - eine Antragstellung gegenüber der Versorgungsverwaltung gesehen. Warum das Hessische LSG in diesem Zusammenhang auch § 88 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 SVG angeführt hat, erschließt sich dem Senat nicht unbedingt, da das Hessische LSG bereits von einer - durch die Übersendung der Klageschrift an den Beigeladenen erfolgten - Antragstellung bei der Versorgungsverwaltung selbst ausgegangen ist. Eine mögliche Erklärung für den Senat wäre, dass das Hessische LSG mit der Bezugnahme deutlich machen wollte, dass eigentlich schon der Antrag des Soldaten auf Erstellung eines WDB-Blatts, auch wenn er noch während der Wehrdienstzeit gestellt wird, als Antrag auf Leistungen der Versorgungsverwaltung zu sehen sei. Ob einer solchen Argumentation zu folgen wäre, muss offenbleiben. Soweit bei summarischer Prüfung ersichtlich, existiert keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob schon in dem Begehren auf Anlegung eines WDB-Blatts durch einen aktiven Soldaten auch ein Antrag auf nachdienstliche Versorgung gesehen werden kann. Die in der Entscheidung des LSG Hessen angedeutete Tendenz ist aber als ausgesprochen klägerfreundlich zu bezeichnen und würde letztlich dazu führen, dass das Antragserfordernis des § 80 Abs. 1 Satz 1 SVG faktisch in den meisten Fällen ausgehebelt wäre. Ob dies noch vom Willen des Gesetzgebers gedeckt wäre, wäre zu hinterfragen.

Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass dem Kläger der im Verfahren L 15 V 112/95.SVG geschlossene Vergleich entgegen gehalten würde. Denn Gegenstand des Verfahrens L 15 V 112/95.SVG ist die Gewährung von nachdienstlicher Versorgung ab der Entlassung aus der Bundeswehr gewesen, also genau die Frage, die den Kläger heute noch bewegt.

Ob der Kläger eine nachdienstliche Versorgung ab dem 02.11.1978 erreichen kann, kann nur außerhalb des jetzt entschiedenen Verfahrens geklärt werden. Ob dies in Form einer Untätigkeitsklage - wenn der Kläger argumentiert, dass er während der Bundeswehrzeit die Erstellung eines WDB-Blatts bei der Bundeswehr beantragt habe und die Versorgungsverwaltung darüber auch als Antrag auf nachdienstliche Versorgung hätte entscheiden müssen - oder erst nach einem entsprechenden Überprüfungsantrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch oder über die Geltendmachung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (hier würde sich möglicherweise die Frage stellen, ob eine durch die Beklagte erfolgte eventuelle Falsch- oder Nichtberatung des Klägers bei Ausscheiden aus der Bundeswehr dem Beigeladenen zurechenbar wäre) oder auf andere Weise oder überhaupt nicht möglich ist, muss hier offenbleiben.

Der Senat kann dem Kläger im Rahmen der jetzt zu treffenden Entscheidung keine weitergehenden Hinweise geben und weist ausdrücklich darauf hin, dass alle Überlegungen unter Ziff. 9. völlig unverbindlich und nicht im Detail rechtlich geprüft sind. Er legt dem Kläger aber nahe, keine zu weit gehenden Hoffnungen auf einen Erfolg zu hegen.

Die Berufung ist daher unbegründet. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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