L 4 KR 1635/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 4104/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1635/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. September 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Beitragsbescheid über Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Nachforderungen für den Zeitraum 11. Oktober 2006 bis 4. Mai 2008 in Höhe von EUR 4.840,37.

Der 1969 geborene, im zuvor genannten Zeitraum kinderlose Kläger war vom 1. April 2000 bis 4. Mai 2008 teilweise versicherungspflichtiges, überwiegend freiwillig krankenversichertes und pflegepflichtversichertes Mitglied bei den Beklagten oder bei deren Rechtsvorgängerin (im Folgenden einheitlich: Beklagte) mit einem monatlichen Beitrag ab 1. September 2005 von EUR 107,07 für die Kranken- und EUR 15,70 für die Pflegeversicherung. Er beendete das Studium am 28. Februar 2006. Vom 11. Oktober 2006 bis 31. März 2008 war er bei der Stadt E. mit dem Gewerbe Ingenieurdienstleistungen zur Gewerbekartei angemeldet. Die Anmeldung erfolgte am 19. September 2006. Ab 11. Oktober 2006 war er bei den Beklagten als hauptberuflich Selbstständiger freiwillig krankenversichert und pflegepflichtversichert. Am 5. Mai 2008 nahm er eine versicherungspflichtige Tätigkeit auf.

Gegenüber der Beklagten zu 1) gab er unter dem 24. November 2006 ein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit für das Jahr 2006 von ca. EUR 10.000,00 an und legte den Einkommensteuerbescheid für 2005 vor. Dieser wies Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Bruttoarbeitslohn von EUR 5.570,00 und einen Gesamtbetrag der Einkünfte von EUR 4.070,00 aus. Die Beklagte zu 1) setzte daraufhin mit Bescheid vom 14. Dezember 2006 für die Zeit ab 1. Oktober 2006 monatliche Beiträge zur Krankenversicherung von EUR 237,04 und zur Pflegeversicherung von EUR 35,83, insgesamt EUR 272,87 fest, ausgehend von Jahreseinkünften von EUR 10.000,00, (:12) monatlich EUR 833,33 und einer Einstufungssumme von EUR 1.837,50 (40. Teil der monatlichen Bezugsgröße) sowie Beitragssätzen zur Krankenversicherung von 12,9 v.H. (12,0 v.H. + Zusatzbeitrag von 0,9 v.H.) und zur Pflegeversicherung von 1,95 v.H ... Der Bescheid erging unter Vorbehalt, bis ein aktueller Einkommensteuerbescheid über die Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit vorliege. Ggf. müsse der Beitrag ab 11. Oktober 2006 auf dieser Grundlage berichtigt werden. Der Kläger wurde gebeten, die Beklagte zu 1) zu informieren, sobald der Einkommensteuerbescheid vorliege. Unter dem 27. April 2007 gab der Kläger auf einem Einkommensfragebogen an, die jährlichen Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit seien "unterschiedlich, ca. EUR 20.000,00". Weiterhin gab er auf dem Formular an, der Einkommensteuerbescheid 2005 liege der Beklagten zu 1) bereits vor, ein neuerer sei noch nicht ausgestellt. Mit Bescheid vom 21. Mai 2007 erhob die Beklagte zu 1) daraufhin "vorbehaltlich unverändert" weiterhin monatliche Beiträge von EUR 237,04 für die Kranken- und EUR 35,83 für die Pflegeversicherung. Der Bescheid enthielt die Aufforderung, auch abgesehen von der jährlichen Einkommensanfrage, unaufgefordert mitzuteilen, wenn sich das Einkommen ändere und den Steuerbescheid 2006 zu übersenden, sobald er vorliege, denn dieser sei Grundlage für die Beitragsberechnung - einerseits für die bereits gezahlten Beiträge, andererseits für die künftigen Beiträge. Der Kläger zahlte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von EUR 202,13 im Oktober 2006 (anteilig), EUR 252,66 im November 2006, EUR 272,87 von Dezember 2006 bis Dezember 2007, EUR 276,76 von Januar bis April 2008 und EUR 36.91 im Mai 2008 (anteilig).

Da der Kläger keinen Steuerbescheid vorlegte, richtete die Beklagte zu 1) am 5. Juni 2008 ein Amtshilfeersuchen an das Finanzamt Göppingen, das unter dem 13. Juni 2008 mitteilte, der Steuerbescheid vom 4. Februar 2008 weise für das Jahr 2006 Einkünfte aus Gewerbebetrieb von EUR 16.978,00 aus. Mit Bescheid vom 23. Juni 2008 setzte die Beklagte 1) daraufhin rückwirkend ab 11. Oktober 2006, ausgehend von monatlichen Einkünften in Höhe von EUR 6.288,12 (EUR 16.978,00: 81 Tage (11. Oktober bis 31. Dezember 2006) x 30) mit der monatlichen Berechnungsgrundlage von EUR 3.600,00 sowie Beitragssätzen zur Krankenversicherung von 12,9 v.H. (12,0 v.H. + Zusatzbeitrag von 0,9 v.H.) und zur Pflegeversicherung von 2,2 v.H. monatliche Beiträge zur Krankenversicherung von EUR 464,40 und zur Pflegeversicherung von EUR 70,20, insgesamt EUR 534,60 und für den Zeitraum vom 11. Oktober 2006 bis 4. Mai 2008 eine Nachberechnung von EUR 4.840,37 fest. Der Vorbehalt werde aufgrund des Steuerbescheides für das Jahr 2006 vom 4. Februar 2008 für die Zeit ab 11. Oktober 2006 aufgehoben und die Beiträge endgültig festgesetzt. Der Bescheid enthielt als Anlage ein Merkblatt u. a. mit dem Hinweis, der Bescheid ergehe auch im Namen der Beklagten zu 2). Mit Schreiben vom 18. Juli 2008 mahnte die Beklagte zu 1) den Beitrag für Juni 2008 sowie den Gesamtbetrag von EUR 5.080,37, der einen Säumniszuschlag von EUR 240,00 enthalte, an.

Der Kläger erhob Widerspruch. Die Beiträge seien unzutreffend berechnet, da er das Gewerbe bereits im Juni 2006 angemeldet und zu diesem Zeitpunkt auch die selbstständige Tätigkeit aufgenommen habe. Er habe aber die erste Arbeitsabrechnung erst nach Erhalt der Steuernummer stellen können. Im Jahr 2007 errechne sich sein Einkommen realistisch. Er erwarte demnächst die Einkommensteuererklärung 2007, auf deren Grundlage die Beiträge berechnet werden könnten. Er sei auch nicht in der Lage, den eingeforderten Beitrag auf einmal zu überweisen. Die Beiträge für Oktober bis Dezember 2006 werde er kurzfristig nach dem geforderten Beitragssatz bezahlen, für 2007 werde er nach Bemessung durch das Finanzamt erforderlichenfalls Nachzahlungen vornehmen, in 2008 habe er keine Umsätze gehabt, so dass er die Beiträge bereits beglichen habe. Mit Schreiben vom 13. August 2008 erläuterte die Beklagte zu 1) ihre Rechtsansicht. Der Kläger legte am 24. September 2008 die - undatierte - Mitteilung des Finanzamts für 2007 über Umsatzsteuer vor, mit der das Finanzamt seiner Umsatzsteuererklärung vom 5. September 2008 zustimmte und auf den Stichtag 8. September 2008 EUR 5.245,88 abrechnete und einen ebenfalls undatierten Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer, mit dem die Einkommensteuer für 2008 auf EUR 0,00 festgesetzt wurde. Die Bemessungsgrundlage wurde aus Einkünften aus Gewerbebetrieb von EUR 2.000,00 und aus nichtselbstständiger Arbeit von EUR 500,00 berechnet. Er trug vor, aus der Umsatzsteuer ergebe sich rechnerisch, dass er 2007 einen Umsatz von EUR 27.609,90 erzielt habe, so dass sein maximaler Gewinn bei monatlich EUR 2.300,83 gelegen habe. Er sei nach Abzug von sonstigen Ausgaben auf jeden Fall weit unter der von der Beklagten zu 1) veranschlagten Bemessungsgrenze von EUR 3.600,00. Die Beklagte zu 1) wies darauf hin, dass allein der aktuelle Einkommensteuerbescheid maßgeblich sei. Mit Bescheid vom 29. August 2008 stellte die Beklagte zu 1) das Ruhen der Leistungen ab 5. September 2008 fest und nannte einen Beitragsrückstand von insgesamt EUR 5.320,37 (einschließlich Säumniszuschlag von EUR 480,00). Der bei den Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss-Krankenversicherung, der nach § 5 Abs. 2 der Satzung der Beklagten zu 2) auch Widerspruchsausschuss der Pflegekasse ist, wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2008 zurück. Da der Kläger mit seinem Gewerbe seit dem 11. Oktober 2006 angemeldet gewesen sei und seitdem als hauptberuflich Selbstständiger geführt worden sei, seien seine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit für das Jahr 2006 diesem Zeitraum zuzuordnen. Die vorläufige Festsetzung der Beiträge aufgrund des ersten Einkommensteuerbescheides, mit dem Arbeitseinkommen für die Existenzgründung festgestellt worden sei, sei durch einen endgültigen Beitragsbescheid zu ersetzen. Eintretende Einkommensveränderungen würden nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aufgrund der nachfolgenden Einkommensteuerbescheide jeweils mit Wirkung für die Zukunft berücksichtigt. Der vom Kläger für 2007 und 2008 verlangte vorläufige Beitragsbescheid sei nur im engen Rahmen für Existenzgründer zulässig. Mit der Vorlage des ersten Steuerbescheides, der die Einkünfte aus dieser Tätigkeit ausweise, sei eine endgültige Festsetzung vorzunehmen. Dass der Nachweis niedrigerer Einnahmen durch die Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit sich nicht mehr in Zukunft auswirken könne, führe nicht dazu, dass erst mit Vorlage der Steuerbescheide die Beitragsfestsetzung für das jeweilige Veranlagungsjahr korrigiert werde. Sonst würde der enge Rahmen für die vorläufige Festsetzung unterlaufen und eine bindende Festsetzung der Beitragshöhe wäre über Jahre nicht möglich.

Der Kläger erhob am 21. November 2008 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG). Es könne nicht sein, dass er bei einem jährlichen Verdienst von ca. EUR 20.000,00 vor Steuern eine Nachzahlung von ca. EUR 5.000,00 leisten müsse. Der Nachweis des niedrigeren Einkommens sei ihm nicht früher möglich gewesen, weil er den Steuerbescheid erst zu einem späteren Zeitpunkt erhalten habe. Er könne nicht wissen, wie die Einkommenslage ohne Steuerbescheid zu beurteilen sei. Er habe alle Angaben zu seinem Einkommen nach bestem Wissen gemacht und die Beiträge immer nach den ihm bekannten Einkünften bezahlt. Der Kläger übermittelte der Beklagten zu 1) außergerichtlich mit Schreiben vom 25. Februar 2009 den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 2. Oktober 2008 und mit Schreiben vom 3. Juni 2009 den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 4. Mai 2009. Danach erzielte der Kläger im Jahr 2007 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 24.787,00; im Jahr 2008 EUR 0,00.

Die Beklagte zu 1) trat der Klage entgegen, übersandte ihre Satzung in Auszügen und verwies auf §§ 240 und 206 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sowie § 19 ihrer Satzung. Die vorläufige Festsetzung sei nach Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheides, mit dem Arbeitseinkommen für die Existenzgründung festgestellt werde, durch einen endgültigen Beitragsbescheid zu ersetzen. Eintretende Einkommensveränderungen würden aufgrund der nachfolgenden Einkommensteuerbescheide jeweils mit Wirkung für die Zukunft berücksichtigt (BSG, Urteile vom 27. November 1984 - 12 RK 70/82 - und 22. März 2006 - B 12 KR 14/05 und B 12 KR 8/05 -, alle in juris). Die Beiträge für 2007 und 2008 seien zu Recht auf der Grundlage des Steuerbescheides 2006 festgesetzt worden. Die nunmehr vorgelegten Steuerbescheide 2007 und 2008 seien für die vom Kläger beanstandete Beitragsfestsetzung nicht relevant.

Mit Urteil vom 22. September 2009 wies das SG, das nur die Beklagte zu 1) im Rubrum aufgeführt hatte, die Klage ab. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Beiträge rückwirkend neu festzusetzen, obwohl sie bereits mit den bestandskräftigen Bescheiden vom 14. Dezember 2006 und 21. Mai 2007 über die Beitragshöhe entschieden habe, denn die Bescheide hätten keine endgültige Regelung enthalten, sondern ausdrücklich nur eine vorläufige Festsetzung. Die Ausführungen hierzu seien eindeutig und klar. Für die Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahmen habe der Beklagten nur der Einkommensteuerbescheid 2006 zur Verfügung gestanden. Die für die Zeit nach Beendigung der Selbstständigkeit vorgelegten Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 seien für den hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht von Bedeutung. Nach den gesetzlichen Regelungen seien Änderungen der Beitragsbemessungsgrundlage nur für die Zukunft zu berücksichtigen. Während der selbstständigen Tätigkeit erzielte niedrigere Einnahmen hätte der Kläger der Beklagten schnellstmöglich mitteilen müssen. Bei einem beitragsrechtlich gesehen abgeschlossenem Sachverhalt - wie vorliegend aufgrund der Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit - könne durch Vorlage später ergangener Einkommensteuerbescheide keine Änderung der Berechnung erreicht werden. Die Berechnung der Beiträge der Höhe nach sei nicht beanstandet worden, Rechenfehler seien nicht ersichtlich. Hinsichtlich einer moderaten Abwicklung des Beitragszahlungsrückstands möge sich der Kläger an die Beklagte zu 1) wenden.

Gegen das über seinen Bevollmächtigten am 24. September 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, 26. Oktober 2009 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, die unter Az L 4 KR 4921/09 geführt wurde. Grundsätzlich sei dem SG zuzustimmen, dass nach § 240 Abs. 4 Satz 3 (a. F.) SGB V eine rückwirkende Beitragssenkung grundsätzlich nicht möglich sei. Vorliegend sei allerdings eine rückwirkende Beitragssenkung gerechtfertigt. Sinn und Zweck der Regelung sei, dass durch Vorlage entsprechender Unterlagen die Beitragsbemessung für die Zukunft auf der Basis der nach Erlass des Bescheides eingereichten Unterlagen erfolge. Dies möge sachgerecht sein, wenn der Selbstständige seine Selbstständigkeit fortführe und ihm eine weitere Beitragsabsenkung für die Zukunft möglich sei. Vorliegend habe diese Möglichkeit wegen der Aufgabe der Selbstständigkeit nicht bestanden. Leider habe der Einkommensteuerbescheid 2007 erst am 23. Februar 2009 bei den Beklagten vorgelegt werden können. Die Beklagte zu 1) hätte diesen Zeitpunkt abwarten müssen, um ihren Bemessungsbescheid endgültig zu machen. Gerade durch die vorläufige Beitragsfestsetzung habe sie zum Ausdruck gebracht, dass sie bis zur Vorlage weiterer relevanter Unterlagen, hier dem Einkommensteuerbescheid 2007, die endgültige Festsetzung nicht vornehmen werde. Daher sei die Beitragsbemessung auf die vorgelegten Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 vorzunehmen.

Die Beteiligten haben nach Hinweis des ehemaligen Berichterstatters auf ein beim BSG anhängiges Revisionsverfahren (B 12 KR 18/09 R) das Ruhen des Verfahrens beantragt, das mit Beschluss vom 30. Juni 2010 angeordnet worden ist. Nach dem das BSG dieses Revisionsverfahren mit Urteil vom 30. März 2011 (in juris) entschieden hat, hat der Kläger am 19. April 2012 das Verfahren wieder angerufen. Das BSG habe nunmehr - in seinem Sinne - entschieden.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. September 2009 und den Bescheid vom 23. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2008 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und wiederholen ihr bisheriges Vorbringen. Der vorläufige Beitragsbescheid sei nach Vorlage des ersten Einkommensteuerbescheides, mit dem Arbeitseinkommen für die Existenzgründung festgestellt werde, zu ersetzen. Die anschließende Beitragsfestsetzung sei nicht mehr vorläufig, eintretende Einkommensveränderungen würden aufgrund der nachfolgenden Einkommensteuerbescheide jeweils mit Wirkung für die Zukunft berücksichtigt. Das BSG stelle im Urteil vom 30. März 2011 (a.a.O.) für die endgültige Festsetzung des Beitrages auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ab, vorliegend also der des Widerspruchsausschusses vom 15. Oktober 2008. Die Steuerbescheide 2007 und 2008 seien aber vom Kläger erst 2009 vorgelegt worden. Die Beklagte zu 1) hat auf Anfrage des Senats mit Schreiben vom 15. August und 12. September 2013 eine Berechnung der Beitragsforderung übersandt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakten, die SG-Akte und den vorgelegten Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Obwohl der Kläger in der Klageschrift ausdrücklich nur die zu 1) beklagte Krankenkasse als Beklagte nannte, richtete sich die Klage des Klägers von vornherein nicht nur gegen die zu 1) beklagte Krankenkasse, sondern auch gegen die zu 2) beklagte Pflegekasse, weshalb eine Berichtigung des Rubrums auf Beklagtenseite - auch noch im Berufungsverfahren - möglich und keine Klageänderung im Sinne des § 99 Sozialgerichtgesetz (SGG) ist. Der Kläger wandte sich von vornherein gegen die gesamte Beitragsfestsetzung und -nachforderung, die in einem gemeinsamen Bescheid (siehe unten 2.c)) der beiden Beklagten erfolgte, mithin auch soweit es die Beiträge zur Pflegeversicherung betrifft.

2. Die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 151, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und statthaft. Der Beschwerdewert gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten, weil Beitragsnachforderungen von EUR 4.840,37 im Streit sind.

Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid vom 23. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2008, mit dem die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung rückwirkend für die Zeit vom 11. Oktober 2006 bis 4. Mai 2008 festgesetzt und eine Nachforderung in Höhe von EUR 4.840,37 erhoben hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

a) Die Klage war zulässig. Insbesondere ist davon auszugehen, dass der Kläger die einmonatige Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG eingehalten hat. Gegenteiliges lässt sich jedenfalls nicht feststellen, weil der Zugang des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2008 nicht bekannt ist. Die Zustellungsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) greift vorliegend nicht, weil sich der von der Beklagten zu 1) vorgelegten Verwaltungsakte nicht entnehmen lässt, wann der Widerspruchsbescheid zur Post gegeben wurde.

b) Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 23. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2008. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind die weiteren Bescheide vom 18. Juli und 29. August 2008. Diese Bescheide ändern den Bescheid vom 23. Juni 2008 nicht ab und ersetzen ihn auch nicht. Über Säumniszuschläge ist nicht zu entscheiden, weil solche in dem Bescheid vom 23. Juni 2008 nicht festgesetzt sind.

c) Die Beklagte zu 1) war berechtigt, auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festzusetzen. Denn nach § 46 Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die - wie vorliegend - ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Den erforderlichen Hinweis auf den gemeinsamen Bescheid hat die Beklagte zu 1) in dem dem Bescheid vom 23. Juni 2008 beigefügten Merkblatt gegeben. Dieses enthält jeweils den Hinweis, der Bescheid ergehe auch im Namen der Pflegekasse. Der Widerspruchsbescheid wurde von dem gemeinsamen Widerspruchausschuss der Kranken- und Pflegekasse erlassen. Gemäß § 5 Abs. 2 der Satzung der Beklagten zu 2) sind ihre Widerspruchsausschüsse die Widerspruchsausschüsse der Beklagten zu 1).

d) Rechtsgrundlage für die Beitragsbemessung ist § 240 SGB V in der geltenden Fassung bis 31. Dezember 2008 i.V.m. der Satzung. Nach § 240 Abs. 1 (in der von 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes - GRG - vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477)) und 2 SGB V (in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 3a Nr. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706), die ab 1. August 2006 galt) wurde die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkasse geregelt (Abs. 1 Satz 1), wobei sicherzustellen war, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigte (Abs. 1 Satz 2). Die Satzung musste mindestens die Einnahmen des freiwillig versicherten Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen waren (Abs. 2 Satz 1). Nach § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V (in der seit 1. Januar 1993 geltenden Fassung - Satz 2 und 3 angefügt durch Art 1 Nr. 137 Buchst c des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl, I, S. 2266), Änderungen durch Art. 3 Nr. 6 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 3. Dezember 2002 (BGBl. I, S. 4621) und durch Art. 3a Nr. 2 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I 1706), Satz 3 nunmehr Satz 6 - im Folgenden: a. F.) galten für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (Satz 2). Veränderungen der Beitragsbemessung konnten aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (Satz 3). § 19 Abs. 2 Buchst. b) Satz 1 und 5 der Satzung der Beklagten zu 1) enthielt eine inhaltsgleiche Regelung wie § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V. Weiter bestimmte § 19 Abs. 2 Buchst. b) Satz 1 und 5 der Satzung der Beklagten zu 1), der Nachweis ist vom Mitglied zu führen (Satz 3) sowie die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen sind durch amtliche Unterlagen, wie dem letzten Einkommensteuerbescheid nachzuweisen (Satz 4). Für die Höhe der Beiträge zur Pflegeversicherung bestimmt § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI, dass für die Beitragsbemessung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden ist.

Die Beklagte zu 1) durfte die Beiträge danach auf der Grundlage der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (2006 und 2007 EUR 3,562,50; 2008 EUR 3.600,00) festsetzen. Der Einkommensteuerbescheid 2006 vom 4. Februar 2008 ergab Einkünfte aus Gewerbebetrieb von EUR 16.978,00. Diese hat die Beklagte zutreffend auf den Zeitraum vom 11. Oktober 2006 bis 31. Dezember 2006 umgelegt und damit Einkünfte über der Beitragsbemessungsgrenze von EUR 3.562,50 für 2006 und 2007 bzw. EUR 3.600,00 für 2008 ermittelt (EUR 16.978,00: 81 Tage (11. Oktober bis 31. Dezember 2006) x 30 = EUR 6.288,15; nach Rechnung der Beklagten EUR 6.288,12). Der 11. Oktober 2006 war zum einen das Datum der Eintragung in die Gewerbekartei, zum anderen der Beginn der Mitgliedschaft als hauptberuflich Selbstständiger. Auch die - denkbare - Anknüpfung an die Anmeldung des Gewerbes am 19. September 2006 würde zu Einkünften aus Gewerbebetrieb in 2006 über der Beitragsbemessungsgrenze führen (EUR 16.978,00: 103 Tage (19. September bis 31. Dezember 2006) x 30 = EUR 4.945,05). Das Vorbringen des Klägers im Verwaltungsverfahren, die Gewerbeanmeldung und die Arbeitsaufnahme seien bereits im Juni 2006 erfolgt, die "erste Arbeitsabrechnung" habe aber erst nach Erhalt der Steuernummer erfolgen können, ist demgegenüber nicht nachvollziehbar und steht im Widerspruch zu der Auskunft der Stadt E. über die Gewerbeanmeldung.

Die Beklagte zu 1) war berechtigt, die Beitragshöhe für den Zeitraum vom 11. Oktober 2006 bis 4. Mai 2008 neu festzusetzen, ohne an bereits ergangene vorherige Beitragsfestsetzungen für diese Zeit gebunden zu sein. Zuletzt war die Höhe der für diesen Zeitraum zu zahlenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge mit dem für die Beteiligten bindend gewordenen Bescheid vom 21. Mai 2007 - wie auch bereits vorher mit Bescheid vom 14. Dezember 2006 - lediglich vorläufig durch einstweiligen Verwaltungsakt festgesetzt worden. Die Vorläufigkeit der Regelungen ergab sich aus dem Bescheidtext, wonach der Bescheid unter Vorbehalt ergehe, bis der Beklagten zu 1) ein aktueller Einkommensteuerbescheid über die Einnahmen des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit vorliege; auf dieser Grundlage müsse ggf. der Beitrag ab 11. Oktober 2006 berichtigt werden. Solche vorläufigen Festsetzungen entfalten nach der Rechtsprechung des BSG keine Bindungswirkung für die endgültige Beitragsfestsetzung, sondern erledigen sich i.S. von § 39 Abs. 2 SGB X mit der formellen endgültigen Festsetzung (vgl. Urteile vom 22. März 2006 - B 12 KR 14/05 R-, 11. März 2009 - B 12 KR 30/07 R - und 30. März 2011 - B 12 KR 18/09 -; Urteil des Senats vom 2. Dezember 2011 - L 4 KR 4781/09 -; jeweils in juris).

Die Beklagte zu 1) hat für die endgültige Festsetzung zutreffend als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag den dreißigsten Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V) zugrunde gelegt. Damit wurden die für hauptberuflich Selbstständige grundsätzlich geltenden Höchstbeiträge festgesetzt. Der Beklagten zu 1) lagen bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 15. Oktober 2008 keine geeigneten Nachweise über die Einnahmen des Klägers vor, die eine niedrigere Festsetzung rechtfertigten. Der Einkommensteuerbescheid 2007 datierte zwar vom 2. Oktober 2008, wurde aber erst mit Schreiben vom 25. Februar 2009 vorgelegt und war daher nicht zu berücksichtigen.

Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung ist im Rahmen der hier erhobenen Anfechtungsklage regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren durch den Widerspruchsausschuss abzustellen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines endgültigen Beitragsbescheides gilt nichts anderes. Auch hier ist im Widerspruchsverfahren der Ausgangsbescheid in dem Umfang, in dem er mit dem Widerspruch angefochten wurde, zu überprüfen. Der Ausgangsbehörde und bei Nichtabhilfe der Widerspruchsbehörde steht die Kompetenz zu, zu Gunsten des Widerspruchsführers einen rechtswidrigen Bescheid zu ändern, wenn nunmehr aufgrund neuer Tatsachen der Ausgangsbescheid nicht mehr rechtmäßig ergehen könnte. Wird erstmals über die endgültige Beitragsfestsetzung entschieden, nachdem zunächst lediglich eine vorläufige Beitragsfestsetzung durch einstweilige Regelung erfolgte, sind Beiträge gerade auch rückwirkend aufgrund nunmehr vorliegender Nachweise festzusetzen und im Widerspruchsverfahren zu überprüfen, ob solche Nachweise vorliegen (BSG, Urteile vom 11. März 2009 - B 12 KR 30/07 R - und 30. März 2011 - B 12 KR 18/09 -; jeweils in juris).

Zwar wären - entgegen der Auffassung der Beklagten - vor Erlass des Widerspruchsbescheides vorgelegte Einkommensnachweise von der Beklagten zu 1) zu berücksichtigen gewesen. Die Nichtberücksichtigung vorgelegter Einkommensnachweise lässt sich nicht aus § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. entnehmen. Diese Vorschrift regelt, dass Veränderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden können. Damit führt der Nachweis geringerer Einkünfte zur Beitragsänderung nur mit Wirkung für die Zukunft und wirken sich insbesondere Einkommensänderungen sowohl positiv als auch negativ nur zeitverzögert auf die Beitragshöhe aus (BSG, Urteil vom 22. März 2006 - B 12 KR 14/05 R -; in juris). Beitragskorrekturen für die Vergangenheit aufgrund der Vorlage eines Steuerbescheides sollten durch diese Regelung vermieden werden (vgl. BT-Drucks. 12/3937 S 17). Diese Regelung erfasst weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck die erstmalige endgültige Feststellung der Beitragshöhe eines hauptberuflich Selbstständigen, wenn zunächst zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit vorläufig lediglich Mindestbeiträge festgesetzt worden waren, weil ein Nachweis über die Höhe der Einnahmen wegen fehlender Steuerbescheide nicht möglich war, und nunmehr für die Vergangenheit die vorläufige durch eine endgültige Beitragsfestsetzung ersetzt wird. In diesem Fall war gerade auf eine endgültige, bei Nachweis geringerer Einnahmen nur mit Wirkung für die Zukunft abänderbare Beitragsfestsetzung verzichtet worden, weil kein Nachweis über die Höhe der Einnahmen bei Beginn der selbstständigen Tätigkeit geführt werden konnte. Dem würde es widersprechen, bei der endgültigen Beitragsfestsetzung bis zum Tag der Vorlage von Steuerbescheiden dennoch für die Vergangenheit Höchstbeiträge festzusetzen (BSG, Urteile vom 11. März 2009 - B 12 KR 30/07 R - und vom 30. März 2011 - B 12 KR 18/09 R -; in juris).

Die vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen, die Mitteilung über Umsatzsteuer 2007 und der Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer 2008, waren nicht zum Nachweis niedrigerer Einnahmen geeignet. Dieser Nachweis ist nur durch einen Einkommensteuerbescheid möglich (BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 12 KR 21/08 -; in juris).

Die Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit entsprechen dem Arbeitseinkommen i. S. von § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit ist nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts zu ermitteln (BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 12 KR 21/08 R -; in juris). Die Anknüpfung von § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V über § 15 SGB IV an das Steuerrecht hinsichtlich des Begriffs der Einnahmen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit bei freiwillig Versicherten legt es nahe, auch hinsichtlich der Frage, wie die Höhe dieser Einnahmen nachgewiesen und in welchem Umfang Änderungen bei bereits verbindlich festgestellten Einnahmen Rechnung getragen werden kann, möglichst weitgehend mit den Gegebenheiten des Einkommensteuerrechts sowie mit dem Verwaltungsverfahren der Finanzverwaltung und dessen Ergebnissen in Übereinstimmung zu bringen. Das dient auch der kostensparenden Verwaltungsvereinfachung für die Krankenkassen (vgl.BSG, Urteil vom 27. November 1984 - 12 RK 70/82 -; in juris). Die Notwendigkeit, den Einkommensteuerbescheid zugrunde zu legen, folgt hinsichtlich des Nachweises der Höhe der Einnahmen schon aus den Besonderheiten bei der Ermittlung des Gewinns als beitragspflichtiger Einnahme. Bei hauptberuflich Selbstständigen können die tatsächlich erzielten Einnahmen und insbesondere der Gewinn, anders als bei Arbeitnehmern, in der Regel nur zeitversetzt zugrunde gelegt werden. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass der steuerrechtlich maßgebliche Gewinn nicht vor Schluss des Kalenderjahres feststeht, mit dessen Ablauf auch die Einkommensteuer entsteht (§ 36 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG)). Erst nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides bei der Krankenkasse stehen den Krankenversicherungsträgern Daten zu Verfügung, auf deren Grundlage sie ggf. am Beginn der Berufslaufbahn zunächst vorläufig festgesetzte Beiträge (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006 - B 12 KR 14/05 R -; in juris) endgültig feststellen können und auf die ausgehend von einer ihrerseits auf einer verlässlichen Grundlage basierenden Prognose im Regelfall eine endgültige Beitragsfestsetzung für die Zukunft zulässig gestützt werden kann. Der Betrag des Gewinns kann daher verlässlich nur dem jeweils letzten Einkommensteuerbescheid entnommen werden. Auf die Entrichtung des so festgesetzten Beitrags darf und muss sich der Versicherte einrichten, die Krankenkasse damit als Einnahme rechnen (vgl. bereits BSG, Urteil vom 27. November 1984 - 12 RK 70/82 -; in juris). Dann kann für den Nachweis einer Änderung des Gewinns als Grundlage der Beitragsbemessung nichts anderes gelten. Auch eine Änderung ist erst nachgewiesen, wenn sie auf Grund eines neuen Einkommensteuerbescheids feststeht (BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 12 KR 21/08 R -; in juris). Erforderlich ist eine für die Vergangenheit abschließende, verlässliche und von der Finanzverwaltung erstellte Datengrundlage (BSG, a.a.O.). Ist der Nachweis damit geführt, sind die Beiträge endgültig und nicht nur vorläufig festzusetzen. Das Gesetz sieht demgegenüber nicht vor, dass - wie vom Kläger angestrebt - die Beiträge jeweils für den Veranlagungszeitraum nur vorläufig festgesetzt werden und erst nach Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das jeweilige Jahr endgültig festgesetzt werden. Ist der Nachweis nicht geführt, auch wenn eine große Wahrscheinlichkeit für niedrigere Einnahmen besteht, ist nach dieser Regelung kein Raum für eine geänderte Festsetzung.

Die vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegte Mitteilung über Umsatzsteuer 2007 war kein geeigneter Nachweis über seine Einnahmen, weil sie ausgehend von der Umsatzsteuer Berechnungen zur Ermittlung des Gewinns erforderte. Weder der Umsatz noch die Bruttoeinnahmen des Selbstständigen eignen sich als Bemessungsgrundlage, weil dann Betriebsvermögen und Betriebsausgaben außer Ansatz blieben (BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 12 KR 21/08 R -; in juris). Der Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer 2008 (§ 37 EStG) war ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Vorauszahlungsbescheide beruhen auf einer Prognose der voraussichtlichen Einkommensteuerschuld für den laufenden Veranlagungszeitraum (§ 37 Abs. 1 Satz 1 EStG). Soweit die Prognose auf der Einkommensteuer basiert, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) bei der letzten Veranlagung ergeben haben (§ 27 Abs. 3 Satz 2 EStG), beruht sie auf Daten, die bereits für die endgültige Beitragsbemessung im Veranlagungszeitraum genutzt werden konnten (BSG, a.a.O.).

Dass der Kläger wegen der Aufgabe seiner hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit eine niedrigere Beitragsfestsetzung für die Zukunft nunmehr nicht mehr erreichen kann, ändert nichts am Ergebnis. Die Nichtberücksichtigung des Einkommensteuerbescheides 2007 vom 2. Oktober 2008 beruht allein auf seiner verspäteten Vorlage, auf die § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V ausdrücklich abstellt, nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2008, nämlich erst im Februar 2009. Die Zugrundelegung der Beitragsbemessungsgrenze für die Zeit vom 1. Januar bis 4. Mai 2008 hätte der Kläger durch die zeitgerechte Mitteilung der Aufgabe seiner selbstständigen Tätigkeit verhindern können.

Für die Zeit vom 1. April 2008 bis 4. Mai 2008 war der Kläger wegen der Abmeldung des Gewerbes zum 31. März 2008 zwar nicht mehr als hauptberuflich Selbstständiger, aber weiterhin freiwilliges Mitglied bei der Beklagten zu 1) und musste seine Einkünfte darlegen.

e) Der angegriffene Bescheid ist auch hinsichtlich der Höhe der Beitragsnachforderung rechtmäßig. Zwar hat die Beklagte zu 1) in dem Bescheid für die Neufestsetzung der Beiträge auch für die Zeit vom 11. Oktober 2006 bis 31. Dezember 2007 die monatliche Beitragsbemessungsgrenze von EUR 3.600,00 angegeben, die erst ab 1. Januar 2008 galt. Für die Jahre 2006 und 2007 lag diese bei EUR 3.562,50. Ausweislich der von ihr im Berufungsverfahren vorgelegten Berechnungen ist sie jedoch tatsächlich von der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze und den zutreffenden Beitragssätzen zur Kranken- (12,9 v.H.) und zur Pflegeversicherung (1,95 v.H.) ausgegangen. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 der Satzung der Beklagten zu 1) in der ab 1. Oktober 2006, 1. April 2008 und 1. Juli 2008 geltenden Fassung galt im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum für die Krankenversicherung ein ermäßigter Beitragssatz von 12 v.H. für Mitglieder, die - wie der Kläger - keinen Anspruch auf Krankengeld hatten zuzüglich eines Zusatzbeitrages gemäß § 241a SGB V (in der vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14. November 2003 - BGBl. I, S. 2190 -) und § 20 Abs. 4 der Satzung der Beklagten zu 1) von 0,9 v.H ... Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB XI (Abs. 3 in der Fassung des Kinder-Berücksichtigungsgesetz (KiBG) vom 15. Dezember 2004 - BGBl. I, S. 3448 -), beides in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung, galt für die Pflegeversicherung der Beitragssatz von 1,7 v.H. zuzüglich eines Beitragszuschlages für Kinderlose von 0,25 v.H ... Der Betrag der Nachforderung ist zutreffend aus der Differenz zwischen den vom Kläger aufgrund der vorangegangenen vorläufigen Beitragsbescheide bereits gezahlten Beiträgen berechnet. Der Kläger schuldete der Beklagten für die Zeit vom 11. Oktober 2006 bis 4. Mai 2008 Beiträge in Höhe von insgesamt EUR 9.986,42. Gezahlt hat der Kläger für diesen Zeitraum Beiträge in Höhe von insgesamt EUR 5.146,05. Die Differenz beträgt EUR 4.840,37. Der Kläger hat gegen die Berechnung keine Einwände erhoben. Die Angabe der für die Zeit vom 11. Oktober 2006 bis 31. Dezember 2007 unzutreffenden Beitragsbemessungsgrenze und daraus berechneter unzutreffender monatlicher Beiträge ist - da die Neufestsetzung nur für die Vergangenheit erfolgte - ein Fehler der Begründung des Verwaltungsaktes, der nicht zu dessen Rechtswidrigkeit führt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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