L 4 P 2187/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 P 3336/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2187/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. April 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Leistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe I.

Die 1949 geborene Klägerin ist bei der beklagten Pflegekasse gesetzlich pflegeversichert. Sie leidet an einer paranoiden Psychose, einer psychogenen Essstörung mit grenzwertig niedrigem Gewicht und seit ihrer Kindheit an einer ausgeprägten Hörminderung beidseits sowie einer Sprachstörung. Seit 1999 bezieht sie Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 anerkannt. Vom 16. Juni bis 6. Oktober 2008, vom 17. Oktober bis 11. November 2008, vom 2. August bis 22. September 2011, vom 11. bis 30. November 2011 und vom 6. Dezember 2011 bis 12. Januar 2012 wurde sie stationär im Zentrum für Psychiatrie (zfp) Klinikum N., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Süd, behandelt. Seit dem 11. November 2008 lebt sie in der Seniorenpflegeeinrichtung für Dauer- und Kurzzeitpflege Dr. G. M. OHG, einer zugelassenen Pflegeeinrichtung. Nach dem vorgelegten Dauerpflegevertrag über vollstationäre Pflege vom 7. Januar 2009 beträgt das Gesamtentgelt täglich EUR 55,79, bestehend aus einem Entgelt für Unterkunft und Verpflegung von EUR 16,80; dem Pflegesatz unter Zugrundelegung von "Pflegestufe 0" von EUR 25,50; einer Ausbildungsumlage von EUR 0,86 und einem Entgelt für nicht geförderte Investitionskosten von EUR 12,63. Der Vertrag über Verhinderungspflege vom 10. Dezember 2008 für die Zeit vom 11. Dezember 2008 bis 8. Januar 2009 sah - ebenfalls unter Zugrundelegung von Pflegestufe 0 - ein tägliches Entgelt von EUR 55,73 vor. Die Klägerin ist in regelmäßiger fachpsychiatrischer Behandlung durch die psychiatrische Institutsambulanz des ZfP Klinikum Nordschwarzwald.

Unter dem 8. Oktober 2008 beantragte sie Pflegeleistungen. Sie gab an, grundsätzlich das meiste selbst unter Aufsicht und Motivation zu erledigen, z.B. Essen. Im Auftrag der Beklagten erstattete Pflegefachkraft R. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) während eines Krankenhausaufenthalts der Klägerin im Klinikum N. ihr Gutachten vom 10. November 2008. Die Klägerin sei qualitativ orientiert, depressiv, habe teilweise Wahnideen und lebensmüde Gedanken. Aus der Vergangenheit seien Suizidversuche bekannt. Sie sei selbstständig mobil, zur Ganzkörperwäsche müsse sie motiviert werden, zum Duschen benötige sie teilweise Hilfe. Toilettengänge führe sie selbstständig adäquat durch, es bestehe keine Inkontinenz, An- und Auskleiden erfolge selbstständig, morgens müsse sie zum Aufstehen motiviert werden, die Nahrungsaufnahme müsse überwacht werden, sie sei untergewichtig (40 kg Körpergewicht). Den grundpflegerischen Hilfebedarf schätzte die Gutachterin auf 18 Minuten am Tag, acht Minuten für Körperpflege, acht Minuten für Ernährung und zwei Minuten für Mobilität. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 lehnte die Beklagte stationäre Pflegeleistungen ab. Am 11. Dezember 2008 erhob die Klägerin Widerspruch. Die verantwortliche Pflegekraft O. gab im Selbstauskunftsbogen vom 4. Februar 2009 an, die Klägerin setze einfache Aufforderungen um, sei aber teilweise nicht kooperativ, wasche sich nur zeitweise allein, teilweise werde Duschen und Baden verweigert, bei den Mahlzeiten sei ständige Überwachung erforderlich, bei Bemerkungen über Gewichtszunahme erbreche sie sich, sie gehe dann nach den Mahlzeiten vermehrt zur Toilette. Sie erhalte Zusatznahrung. Die Medikamenteneinnahme werde überwacht, nachts erfolgten drei Kontrollgänge. Pflegefachkraft H. vom MDK erstattete im Widerspruchverfahren nach Untersuchung am 25. Februar 2009 ihr Gutachten vom 26. Februar 2009. Es bestünden keine pflegerelevanten Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie keine Weglauftendenz, jedoch wechselhafte Stimmungslagen. Sie fühle sich dick. Die Sprache sei leicht verwaschen, mit Hörhilfe verstehe sie deutliche Umgangssprache. Sie benötige pflegerische Unterstützung in Form von Motivation und mehrfacher Aufforderung, Durchführungskontrolle zum Duschen und Ganzkörperwäsche. Beim An- und Auskleiden, Kämmen und Zähneputzen seien Aufforderung und Kontrolle erforderlich. Vierzehntägig benötige sie Hilfe beim Haare waschen. Sie benötige Aufforderung zu regelmäßiger und ausreichender Nahrungsaufnahme und Durchführungskontrolle. Die Flüssigkeitszufuhr sei aus eigenem Antrieb ausreichend, sie erhalte hochkalorische Trinknahrung. Die Gutachterin schätzte einen Zeitaufwand für Grundpflege von 20 Minuten am Tag, sechs Minuten für Körperpflege, acht Minuten für Ernährung und sechs Minuten für Mobilität. Der aus konkreten Funktionseinschränkungen resultierende Hilfebedarf in den Verrichtungen der Grundpflege erreiche nicht den erforderlichen Zeitaufwand für die Anerkennung der Pflegebedürftigkeit. Zeiten für psychosoziale Betreuung, allgemeine Beaufsichtigung und Bereitschaft, Hilfe zu leisten, seien nicht pflegestufenrelevant. Die Alltagskompetenz sei seit 1. November 2008 erheblich eingeschränkt. Die Klägerin trat dem Gutachten entgegen. Die notwendigen Aufforderungszeiten seien zu den Pflegezeiten hinzuzurechnen. Dies seien mindestens zusätzliche 30 Minuten täglich. Damit bestehe ein Hilfebedarf von 50 Minuten, also deutlich mehr als für Pflegestufe I erforderlich. Sie legte den Dauerpflegevertrag für die vollstationäre Pflege vor. In einem weiteren MDK-Gutachten vom 30. Juni 2009 schätzte Pflegefachkraft B.-B. aufgrund Untersuchung am 29. Juni 2009 den Zeitaufwand für Grundpflege auf 23 Minuten täglich, acht Minuten Körperpflege, acht Minuten Ernährung, sieben Minuten Mobilität. Die Klägerin benötige hin und wieder Impulsgaben, Hilfe beim Rücken und Füße waschen. Zahn-, Prothesenpflege und Haare kämmen würden zum Teil angeleitet. Hilfe erfolge beim An- und Ausziehen von Socken/Strümpfen. Wegen seit Jahren bestehender Essstörungen benötige sie Anleitung/Impulsgaben beim Essen. Die Pflegepersonen vermuteten, dass sie sich regelmäßig erbreche. Sie werde wöchentlich gewogen, das Gewicht werde aber nicht bekannt gegeben, da sie sonst die Nahrung verweigere. Sie sei im Wahrnehmen verlangsamt, häufig antriebslos. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2009 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Der von der Klägerin genannte Grundpflegebedarf von 50 Minuten sei nach Durchsicht aller Unterlagen nicht nachvollziehbar. Die Klägerin sei ganz überwiegend in der Lage, die Verrichtungen der Grundpflege selbstständig durchzuführen. Aufgrund der erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz bestehe lediglich ein Hilfebedarf zur Aufforderung der Durchführung von Verrichtungen.

Mit ihrer am 30. Juli 2009 an das Sozialgericht Karlsruhe (SG) gerichteten Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Den MDK-Gutachtern sei scheinbar die Bedeutung von Aufforderungszeiten bei Nervenkranken nicht bekannt. Die Gutachter hätten sich den tatsächlichen Zeitaufwand der Verrichtungen nicht demonstrieren lassen. Nicht berücksichtigt worden seien Schwankungen im Tagesverlauf. Ihr Ehemann sei nicht befragt worden. Die Begutachtung hätte durch einen Facharzt für Neurologie/Psychiatrie oder Geriatrie erfolgen müssen.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Das SG zog die Entlassungsberichte des Dr. E. vom 30. Dezember 2008 und 19. Januar 2009 über die stationären Behandlungen im Klinikum N. bei. Der vom SG befragte Hausarzt Dr. R. gab in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 17. Februar 2010 an, die Klägerin zuletzt bei einem Hausbesuch am 17. Oktober 2008 im Bett liegend im abgedunkelten Zimmer mit deutlicher Antriebsstörung, wahnhaftem Verhalten und Suizidgedanken angetroffen und eine stationäre Einweisung veranlasst zu haben. Nach seiner Einschätzung benötige sie bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens Unterstützung, sei es durch Aufforderung oder Hilfestellungen und Handreichungen. Sie könne wohl alles selbst machen, benötige aber Anreiz/Aufforderung.

Im Auftrag des SG erstattete Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. sein Gutachten vom 6. September 2010 aufgrund einer Untersuchung im Pflegeheim in Anwesenheit der Pflegedienstleiterin O. und des Ehemannes der Klägerin am 29. Juli 2010 und - nach Einwendungen der Klägerin - eine ergänzende Stellungnahme vom 12. November 2010. Die Klägerin werde mit drei atypischen Neuroleptika und einem Magenschutzmedikament behandelt. Bei einer Körpergröße von 1,55 m wiege sie 46 kg (BMI 19). Der Sachverständige fand bei unauffälligen neurologischen Befunden und freier Beweglichkeit aller Gelenke ein verlangsamtes etwas kleinschrittiges Gangbild und eine Verlangsamung in den Spontanbewegungen. Die zeitliche und situative Orientierung sei eingeschränkt, der Antrieb gemindert, die affektive Resonanzfähigkeit eingeschränkt. Das formale Denken sei folgerichtig und ohne ausreichenden Anhalt für Ich-Störungen, dissoziative oder somatische Störungen. Es bestehe das auffällige Essverhalten. Der Sachverständige stellte die Diagnosen einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, einer psychogenen Essstörung mit grenzwertig niedrigem Gewicht sowie einer ausgeprägten Hörminderung beidseits seit der Kindheit, mit Hörgeräten korrigiert, und einer Sprachstörung. Bedingt durch die psychischen Leiden bestünden Einschränkungen des gerichteten Antriebs, Einschränkungen der sozialen und der Alltagskompetenz, des Umstellungs- und Anpassungsvermögens sowie der Selbstfürsorge. Einschränkungen der Motorik bestünden nicht. Die Schätzungen für die Zeiten der Grundpflege seien aufgrund der Befragung der Pflegedienstleiterin zur notwendigen pflegerischen Versorgung vorgenommen worden. Der Sachverständige schätzte den Gesamtbedarf für die Grundpflege auf 34 Minuten täglich. Für das Waschen nahm er insgesamt 15 Minuten am Tag an, zehn Minuten für das Waschen an sich, dreimal täglich Anleitung zum Händewaschen, zwei Minuten für Richten der Utensilien zum Gesicht waschen abends. Der tägliche Zeitbedarf für das wöchentliche Duschen bei vollständiger Übernahme liege bei drei Minuten am Tag. Der Zeitbedarf für Zahnpflege liege bei vier Minuten täglich für Beaufsichtigung und Unterstützung, für Kämmen zweimal täglich bei zwei Minnten. Intimhygiene und Richten der Bekleidung erfolgten selbstständig. Der Gesamtbedarf für Körperpflege betrage 24 Minuten am Tag. Die mundgerechte Zubereitung der Nahrung und die Nahrungsaufnahme seien selbstständig möglich. Es erfolge eine Beaufsichtigung der Nahrungsaufnahme. Es müsse aufgepasst werden, dass die Nahrung bei bekannter Essstörung nicht erbrochen werde. Der Zeitaufwand für Ernährung betrage geschätzt sechs Minuten am Tag. Aufstehen und Zubettgehen seien selbstständig möglich. Beim An- und Auskleiden benötige die Klägerin je nach Tagesbefinden Hilfe, vier Minuten am Tag. Gehen und Stehen seien selbstständig möglich. Der Gesamtbedarf für Mobilität betrage vier Minuten am Tag. Die Klägerin sei zeitweise zwar unwillig, es bestehe aber keine völlig fehlende Kooperationsbereitschaft oder gerichtete Eigen- oder Fremdschädigung. Die Klägerin bedürfe der vollstationären Pflege, sie könne ihr Handeln nicht ausreichend überblicken, könne nicht allein zu Hause sein, ohne sich zu gefährden. Die Alltagskompetenz sei erheblich eingeschränkt. Es bestehe keine Weglauftendenz, bei Verlassen des Gebäudes benötige sie Begleitung. Nächtliche Versorgung sei nicht notwendig, es bestehe keine Tag-Nacht-Umkehr. Pflegedienstleiterin Oberle habe den Zeitaufwand für die morgendliche Versorgung mit 20 bis 25 Minuten angegeben, dies beinhalte aber auch Zahnpflege und Kämmen, für das die Klägerin nur Anleitung und Beaufsichtigung benötige. Die Klägerin benötige keine Hilfe bei der Nahrungsaufnahme, sondern es müsse aufgepasst werden, dass sie die Nahrung nicht erbreche. Da die Klägerin sich motorisch gesehen selbstständig an- und auskleiden könne, ggf. Aufforderung und Anleitung benötige, sei der Zeitaufwand hierfür auf vier Minuten täglich zu schätzen.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser erstattete sein Gutachten vom 4. März 2011 aufgrund einer Untersuchung am 1. März 2011. Die Klägerin habe gleichgültig und antriebslos gewirkt. Das psychopathologische Verhalten werde durch die Psychose verursacht, eine Demenz bestehe nicht. Hinsichtlich des Hilfebedarfs habe die Pflegedienstleiterin O. Angaben gemacht. Hinsichtlich der Körperpflege sei für tägliches Waschen von zehn Minuten auszugehen. Das Duschen erfolge zweimal wöchentlich mit mindestens 15 Minuten. Das schulterlange dichte Haar müsse geföhnt werden, was zusätzlich zehn Minuten erfordere. Umgerechnet seien für Duschen fünf Minuten täglich anzusetzen. Für das Zähneputzen seien täglich zehn Minuten anzusetzen, da die Klägerin dies nicht selbst durchführe. Toilettengänge erledige sie selbstständig. Nach dem Essen müssten diese jedoch kontrolliert werden, da provoziertes Erbrechen bekannt sei und Toilettengänge sehr häufig seien, wenn die Klägerin meine, zugenommen zu haben. Die Nahrungsaufnahme erfolge selbstständig, aber es bestehe ein außergewöhnlicher Zeitaufwand, da die Klägerin zum Essen angehalten werden müsse. Als Minimum seien täglich dreimal 15 Minuten anzusehen. Außerdem müsse sie regelmäßig gewogen werden, wobei ihr das ermittelte Gewicht verheimlicht werden müsse, da sie sonst die Nahrung verweigere. Hinsichtlich der Mobilität seien für Aufstehen und Zubettgehen zweimal täglich fünf Minuten anzusetzen. Als besonderes Erschwernis bestehe die Hörminderung bei unregelmäßigem, zum Teil widerwilligem Tragen des Hörgerätes, was die Aufforderung zu Verrichtungen erschwere und zu höherem Zeitaufwand führe. In den Vorgutachten seien die Aufforderungszeiten nicht ausreichend berücksichtigt. Insgesamt bestehe ein Grundpflegebedarf von deutlich über 45 Minuten.

Die Klägerin legte Entlassungsberichte des Dr. E. vom 23. September 2011 über eine stationäre Behandlung vom 2. August bis 22. September 2011 sowie des Dr. S. vom 30. November 2011 über eine stationäre Behandlung vom 11. bis 30. November 2011 und einen Arztbrief (Kurzbrief) des Dr. S. vom 11. Januar 2012 über eine stationäre Behandlung vom 6. Dezember 2011 bis 12. Januar 2012, jeweils im zfp Klinikum N., vor. Im Behandlungsbericht vom 23. September 2011 berichtete Dr. E. die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme müsse überwacht werden, die Klägerin ziehe sich immer wieder aus. Während des stationären Aufenthalts sei die Medikation umgestellt worden, es sei eine langsame Verbesserung eingetreten, sie sei schwingungsfähiger, entspannter, geordneter, jedoch weiterhin leicht wahnhaft. Es habe weiterhin Situationen gegeben, in denen sie sich ausgezogen habe. Es bestehe Pflegebedürftigkeit. Sie benötige Hilfe bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Im Entlassungsbericht vom 30. November 2011 berichtete Dr. S., die Klägerin habe im Pflegeheim, mehrfach den Wunsch geäußert, sich das Leben zu nehmen. Sie höre Stimmen, die ihr sagten, sie solle sterben. Während des Aufenthalts habe sich die psychotische Problematik gebessert. Suizidalität und Stimmen hören seien bis zum Entlassungstag verneint worden. Sie wolle nicht zurück ins Pflegeheim, sondern bald wiederkommen.

Die Beklagte legte die Gutachten der Pflegefachkraft L. vom MDK vom 20. Februar 2012 und 7. März 2012 vor, in welchem er die von Dr. S. und Dr. H. erstatteten Gutachten, den Kurzbericht des Dr. S. vom 3. August 2011 und die Entlassungsberichte des Dr. E. vom 23. September 2011 und des Dr. S. vom 30. November 2011 bewertete. Eine Änderung im Grundpflegebedarf von 20 Minuten täglich bei der psychotischen Klägerin sei den neuen Gutachten und Entlassungsberichten nicht zu entnehmen.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. April 2012 wies das SG die Klage ab. Anspruchsgrundlage für das begehrte Pflegegeld für selbstbeschaffte Pflegehilfen sei § 37 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Voraussetzung sei, dass der Pflegebedürftige die vorrangige Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstelle. Die Pflegebedürftigen seien einer der drei Pflegestufen zuzuordnen. Bei der Klägerin bestehe kein Pflegebedarf von mindestens 46 Minuten täglich in der Grundpflege. Dies folge vor allem aus den schlüssigen Darlegungen des Sachverständigen Dr. S. im Gutachten vom 6. September 2010 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12. November 2010, aber auch aus den Gutachten der Pflegefachkräfte R., H. und B.-B ... Die Angaben der Pflegeperson O. erschienen demgegenüber überhöht, denn die Klägerin benötige aufgrund ihrer psychischen Erkrankung keine vollständige Übernahme, sondern Aufforderung und Kontrolle, so dass die Zeitorientierungswerte der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) nur anteilig zu berücksichtigen seien. Dem Sachverständigen Dr. H. vermöge es (das SG) nicht zu folgen. Nachvollziehbar seien zwar Aufforderungszeiten bei der Nahrungsaufnahme. Hierfür könne jedoch der Zeitkorridor den Begutachtungs-Richtlinien von 15 bis 20 Minuten für die vollständige Übernahme nur anteilig berücksichtigt werden. Die zuletzt vorgelegten ärztlichen Berichte führten zu keiner anderen Bewertung. Der notwendige Pflegebedarf sei unabhängig von der Schwere der Erkrankung.

Gegen den der Klägerin über ihren Bevollmächtigten am 8. Mai 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 16. Mai 2012 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung bezieht sie sich auf das Gutachten des Dr. H. und die vorgelegten Behandlungsberichte des Klinikums N ...

Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. April 2012 und den Bescheid vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 11. November 2008 die Leistungen für vollstationäre Pflege nach Pflegestufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Insbesondere die zusammenfassenden MDK-Gutachten vom 20. Februar und 7. März 2012 stellten fest, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht vorlägen. Aus dem Berufungsschreiben ergäben sich keine neuen Erkenntnisse.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten, zwei Bände, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten, denn der Anspruch bei vollstationärer Pflege beträgt bei Pflegestufe I monatlich bis zu EUR 1.023,00 (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Ferner begehrt die Klägerin auch Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Senat legt das Klagebegehren sachgerecht dahin aus, dass Leistungen gemäß § 43 Abs. 2 SGB XI beantragt sind. Ein Anspruch auf Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI, wie in der Berufungsschrift begehrt, kommt ebenso wie ein Anspruch auf Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI oder Kombinationsleistungen nach § 38 SGB XI nicht in Betracht, weil die Klägerin in einer vollstationären Einrichtung gepflegt wird. Die Ansprüche aus §§ 36, 37 und 38 SGB XI setzen voraus, dass häusliche Pflege stattfindet. Er ist ausgeschlossen, wenn der Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung nach § 71 Abs. 2 SGB XI gepflegt wird.

Für die Vergangenheit kann nur die Erstattung der für die Pflege in der stationären Pflegeeinrichtung angefallenen pflegebedingten Aufwendungen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 SGB XI) bis zu einem Betrag von EUR 1.023,00 monatlich in Betracht kommen. Soweit der geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung für die Vergangenheit gerichtet ist, ist er an sich unzulässig, weil er nicht beziffert ist, obwohl er aufgrund der pflegebedingten Aufwendungen, die der Klägerin entstanden sind, bezifferbar wäre. Bei einem unbezifferten Antrag besteht nämlich die Gefahr, dass bei einem zusprechenden Urteil der Streit der Beteiligten nicht endgültig ausgeräumt würde. Dem ist durch sachgerechte Antragstellung vorzubeugen (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 24. September 2002 - B 3 P 15/01 R -; in juris). Die Klägerin hat trotz Aufforderung ihre pflegebedingten Aufwendungen nicht beziffert und belegt.

Der Senat lässt die Zulässigkeit des Antrages dahinstehen, weil die Klage unter keinem Gesichtspunkt begründet sein kann, die Berufung mithin zurückzuweisen ist (vgl. BSG, Urteil vom 24. September 2002 - B 3 P 15/01 R -, a.a.O.).

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 43 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 14, 15 Abs. 1 Nr. 1 und § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI. Pflegebedürftige haben gemäß § 43 Abs. 1 SGB XI Anspruch auf Pflege in vollstationären Einrichtungen, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des einzelnen Falles nicht in Betracht kommt. Für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen übernimmt die Pflegekasse gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB XI im Rahmen von pauschalen Leistungsbeträgen die pflegebedingten Aufwendungen sowie die Aufwendungen der sozialen Betreuung und für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Voraussetzung ist das Vorliegen von zumindest Pflegestufe I. Die monatliche Leistungshöhe hängt von der Pflegestufe im Sinne des § 15 SGB XI ab und beträgt gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB XI für Pflegebedürftige der Pflegestufe I bis zu EUR 1.023,00 monatlich.

Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinien zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen, die auch bei Demenzkranken Anwendung finden, beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).

Bei der Klägerin besteht eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, eine psychogene Essstörung mit grenzwertig niedrigem Gewicht, einen ausgeprägte Hörminderung beidseits seit der Kindheit, die mit Hörgeräten korrigiert ist, und eine Sprachstörung. Dies folgt übereinstimmend aus allen im Laufe des Verfahrens erstatteten Gutachten und den Entlassungsberichten des Klinikums N ... Funktionsbeeinträchtigungen der Grob- und Feinmotorik bestehen nicht, die Klägerin ist stuhl- und harnkontinent. Der Senat geht daher von einem täglichen Hilfebedarf von weniger als 45 Minuten aus.

Es besteht kein Hilfebedarf für Toilettengänge und Richten der Bekleidung, bei der Körperpflege nur in Form von Anleitung und Beaufsichtigung sowie Teilübernahme in geringem Umfang (Rücken und Füße waschen). Auch Zähneputzen kann die Klägerin nach Aufforderung aufgrund ihrer nicht beeinträchtigten Feinmotorik selbst. Die Gutachten der Sachverständigen Dr. S. und Dr. H., deren Schätzung hinsichtlich der Körperpflege aufgrund der Angaben der Pflegedienstleiterin O. vorgenommen wurde, wonach die morgendliche pflegerische Versorgung 20 bis 25 Minuten erfordere, ist daher überhöht. Offensichtlich werden die Verrichtungen in größerem Umfang übernommen, als dies angesichts der Fähigkeitsstörungen, hier der unbeeinträchtigten Motorik der Klägerin, erforderlich ist, mithin nicht aktivierend gepflegt. Für das Aufstehen und Zubettgehen benötigt die Klägerin lediglich Aufforderung, weshalb hierfür ein Hilfebedarf von nicht mehr als zweimal täglich einer Minute angemessen erscheint, für das An- und Auskleiden ist je nach Tagesform der Klägerin Hilfe im Umfang von vier Minuten täglich notwendig.

Nach dem Vortrag der Klägerin und den hiermit übereinstimmenden Feststellungen aller Gutachter und Sachverständigen fehlt es bei ihr aufgrund der psychogenen Essstörung an der Einsicht, die notwendige Menge an Nahrungsmitteln aufzunehmen, weshalb entsprechende Aufforderung und Motivation durch die Pflegeperson erforderlich ist. Entgegen der Schätzung des Sachverständigen Dr. H. ergibt sich allein für die Überwachung der Aufnahme der erforderlichen Nahrungsmenge sowie der Anleitung und Aufforderung während der täglichen Mahlzeiten kein pflegerelevanter Hilfebedarf für die Aufnahme der Nahrung im Umfang von mehr als 45 Minuten täglich. Ob ein zur Grundpflege zählender Hilfebedarf bei der Aufnahme der Nahrung besteht, wenn ein psychisch kranker Mensch zum Essen angehalten werden muss, weil bei ihm die Einsichtsfähigkeit dafür fehlt, dass es aus Gesundheitsgründen notwendig ist, Widerwillen erregende Speisen oder Speisen in großen Mengen - über den Appetit hinaus - einzunehmen, lässt der Senat offen (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1999 - B 3 P 12/98 R -, in juris; Urteil des Senats vom 27. April 2012 - L 4 P 3854/11 -; nicht veröffentlicht). Selbst wenn man hiervon ausginge, wäre eine Beaufsichtigung und Kontrolle bei der Nahrungsaufnahme nur als berücksichtigungsfähige Hilfe einzustufen, wenn sie von einer solchen Intensität wäre, dass die Pflegeperson - wie beim Füttern - praktisch an der Erledigung anderer Aufgaben gehindert wäre bzw. diese, wenn auch möglicherweise nur kurzzeitig, unterbrechen müsste, die Hilfe also über das - gewissermaßen "nebenbei" erfolgende - bloße "Im-Auge-Behalten" des Pflegebedürftigen und das nur vereinzelte, gelegentliche Auffordern bzw. Ermahnen hinausginge (BSG, Beschluss vom 8. Mai 2001 - B 3 P 4/01 B - in juris; Urteil vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R - in juris; s.a. D 4.0/II Begutachtungs-Richtlinien). Der Senat geht davon aus, dass es bei der Klägerin um die Beaufsichtigung geht, ob sie die Nahrung im vorgesehenen Maße aufnimmt. Der Senat vermag - dem Sachverständigen Dr. S. und den Gutachtern der Pflegefachkräfte Rauschenberger, Hempel, B.-B. und L. folgend - deshalb nicht festzustellen, dass hier die Pflegeperson durch die Überwachung der Nahrungsaufnahme in solchem Umfang zeitlich und örtlich eingebunden sind, dass sie anderweitigen Tätigkeiten nicht nachgehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 - B 3 P 5/97 R - a.a.O.). Daher ist für die Aufforderung zum Weiteressen allenfalls ein Zeitaufwand von zehn Minuten täglich zu berücksichtigen.

Die Schätzung des Sachverständigen Dr. H. auf dreimal täglich 15 Minuten ist dagegen bei weitem überhöht, weil dieser unzutreffend den Aufwand der vollständigen Übernahme zugrunde legt. Die Überwachung der Toilettengänge, um ein Erbrechen der Nahrung zu verhindern, begründet keinen pflegerelevanten Hilfebedarf. Dies fällt nämlich nicht gewöhnlich im Ablauf des täglichen Lebens an, sondern nur bei - wie im Fall der Klägerin - psychisch Kranken, die unter einer Essstörung leiden. Solche Maßnahmen zählen zu deren allgemeinem Aufsichtsbedarf, den der Gesetzgeber (bislang noch) nicht in den berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf einbezogen hat. Maßnahmen zur Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung sind auch keine Maßnahmen zur Behandlungspflege, da sie keine Krankheit behandeln. Selbst bei notwendigem sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einer Maßnahme der Grundpflege kann die Aufsicht deshalb auch nicht unter diesem Gesichtspunkt als Hilfebedarf berücksichtigt werden (BSG, a.a.O.). Generell gilt, dass ein allgemeiner Aufsichtsbedarf zur Motivation und Kontrolle eines Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen bei der Bemessung des Pflegebedarfs im Sinne der §§ 14 und 15 SGB XI nicht berücksichtigt werden kann, für die Ermittlung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen es allein auf den Hilfebedarf bei den in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen ankommt, die Beaufsichtigung zur Vermeidung einer Selbst- oder Fremdgefährdung ebenso wenig in Ansatz gebracht werden kann wie eine allgemeine Ruf- oder Einsatzbereitschaft einer Pflegeperson sowie der Aufsichtsbedarf, wie er bei bestimmten Erkrankungen anfällt, nach dem Gesetz bei der Bemessung des Grundpflegebedarfs nicht berücksichtigt werden darf (BSG, Beschluss vom 24. Oktober 2008 - B 3 P 23/08 B -, m.w.N., in juris).

Ein höherer Hilfebedarf folgt nicht aus den vorgelegten Entlassungsberichten des Dr. E. vom 23. September 2011 und des Dr. S. vom 30. November 2011, dem Behandlungsbericht des Dr. S. vom 3. August 2011 und der sachverständigen Zeugenauskunft des behandelnden Hausarztes Dr. R. vom 17. Februar 2010. Diesen entnimmt der Senat, dass aufgrund von Schüben der Psychose mehrere stationäre Krankenbehandlungen der Klägerin, gehäuft zwischen August 2011 und Mitte Januar 2012 erforderlich waren. Erkenntnisse hinsichtlich des Grundpflegebedarfs ergeben sich hieraus nicht. Soweit Dr. E. im Entlassungsbericht vom 23. September 2011 berichtete, es bestehe Pflegebedürftigkeit, die Klägerin benötige Hilfe bei den Verrichtungen des täglichen Lebens, besagt dies nicht, dass die Hilfe bei den Verrichtungen der Grundpflege in einem Umfang erforderlich ist, der pflegestufenrelevant ist. Es werden keine neuen Fähigkeitsstörungen genannt. Die genannte Überwachung der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme ist nur in dem oben dargestellten Umfang pflegestufenrelevant, die Suizidgefahr ebenso wie das geschilderte sich Ausziehen bzw. dessen Verhindern oder das wieder Anziehen führen zu einem erhöhten Aufwand für Beaufsichtigung und Betreuung. Dieser unterfällt dem allgemeinen Aufsichtsbedarf, den der Gesetzgeber nicht in den berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf einbezogen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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