L 3 SF 1135/12 EK

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 7 KA 3535/07
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 3 SF 1135/12 EK
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der - sinngemäße - Antrag des Beklagten, nach Trennung des Verfahrens eine Amtshaftungsklage an das zuständige Landgericht zu verweisen, wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt eine Entschädigung wegen einer überlangen Verfahrensdauer. Der beklagte Freistaat hat im Rahmen des Verfahrens beantragt, "die zurückgenommene Klage abzutrennen und gemäß § 102 Abs. 3 SGG zu bescheiden."

Mit Schriftsatz vom 08. Juli 2013 hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die Klägerin habe mit Schreiben vom 7. September 2012 mitgeteilt, dass sie keine Amtshaftungsansprüche mehr geltend machen möchte. Bei den Amtshaftungsansprüchen gehe es im Verhältnis zu den Entschädigungsansprüchen nach §§ 198 ff. GVG um einen anderen Streitgegenstand, weil die Anspruchsgrundlage unterschiedliche tatsächliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen hätte. Deshalb liege eine teilweise Klagerücknahme vor. Der Beklagte erklärte ferner, er stelle insoweit Kostenantrag.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2013 hat der Senat den Beklagten um Erläuterung des Kostenantrages gebeten. Es wurde angefragt, ob dieser so zu verstehen sei, dass bei der Kostenentscheidung im Zusammenhang mit der Klage der Aspekt einer teilweisen Klagerücknahme berücksichtigt werden oder der Senat bereits jetzt vor Abschluss des Entschädigungsverfahrens insoweit eine Kostenentscheidung treffen solle.

Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2013 hat der Beklagte auf diese Anfrage wie folgt Stellung genommen:

"Die Klägerin hatte ursprünglich im vorliegenden Verfahren sowohl Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG als auch Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer nach §§ 198 ff. GVG geltend gemacht. Dem vorliegenden Verfahren lagen also zwei ganz unterschiedliche Klagegegenstände zugrunde. Mit Schreiben vom 7. September 2012 hat die Klägerin die Klage wegen Amtshaftungsansprüchen zurückgenommen. Die Klage wegen Entschädigungsansprüchen wurde aufrechterhalten. Der Antrag nach § 102 Abs. 3 SGG im Schriftsatz des Beklagten vom 8. Juli 2013 auf Einstellung des Verfahrens durch Beschluss sowie auf Entscheidung über die Kosten des Verfahrens, soweit diese entstanden sind, bezieht sich ausschließlich auf die zurückgenommene Klage wegen der Amtshaftungsansprüche. Wäre die Klage wegen Amtshaftungsansprüchen nicht zurückgenommen worden, wäre der Amtshaftungsansprüche betreffende Teil des Klageverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 202 SGG i.V.m. § 145 Abs. 1 ZPO abzutrennen und an das nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG sachlich zuständige Landgericht zu verweisen gewesen. Insoweit sind auch etwaige Bedenken gegen eine "Teilverweisung" offensichtlich unbegründet (vgl. z.B. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. März 2013 - L 19 AS 2091/12 - zitiert nach Juris). Infolge der zwischenzeitlichen Klagerücknahme erübrigt sich naturgemäß eine Verweisung. Gleichwohl erscheint es nach wie vor sachdienlich und verfahrensrechtlich unbedenklich, die zurückgenommene Klage, die einen rechtswegfremden Anspruch und einen klar abgrenzbaren Klagegegenstand betrifft, nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 202 SGG i.V.m. § 145 Abs. 1 ZPO abzutrennen und sodann auf den Antrag des Beklagten vom 8. Juli 2013 hin das Verfahren gemäß § 102 Abs. 3 SGG durch Beschluss einzustellen und die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen. Kosten des Verfahrens sind im Sinne von § 102 Abs. 3 SGG entstanden, und zwar - mindestens - in Gestalt der Pauschale nach §§ 183 Satz 4, 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO. Eine Verfahrenseinstellung und Kostenentscheidung erst im Rahmen des abschließenden Urteils wegen der Entschädigungsansprüche würde hingegen den Kostenausgleich des Beklagten bzw. die Kostenfestsetzung unvertretbar lang hinausschieben und dürfte im Übrigen zu einer sachlich nicht gebotenen verfahrens- und kostenrechtlichen Komplizierung der eigentlichen Entschädigungsklage führen. Daher wird gebeten, die zurückgenommene Klage abzutrennen und gemäß § 102 Abs. 3 SGG zu bescheiden."

II

Der Antrag des Beklagten vom 22. Juli 2013 bedarf der Auslegung, weil er ansonsten bereits unzulässig wäre. Ziel des Beklagten ist eine Kostenentscheidung durch das Landessozialgericht in einer "erledigten" Amtshaftungsklage.

Der Senat hat bereits entschieden, dass auch in Verfahren, die eine Entschädigung wegen einer überlangen Verfahrensdauer zum Gegenstand haben und für die die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist, die sich aus dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergebenden Grundsätze, insbesondere die im sozialrechtlichen Verfahren geltenden Fürsorge- und Hinweispflichten der Sozialgerichte gegenüber den Beteiligten, gelten (vgl. Urteil des Senates vom 18. Juni 2013, Az.: L 3 SF 1759/12 EK). Diese Fürsorge kann auch der beklagte Freistaat in Anspruch nehmen mit der Folge, dass ein unzulässiger Antrag in einen zulässigen, wenn auch unbegründeten Antrag ausgelegt werden kann.

Der vom beklagten Freistaat ausdrücklich gestellte Antrag, die "zurückgenommene Klage abzutrennen und gemäß § 102 Abs. 3 SGG zu bescheiden" ist unzulässig. Denn dies würde im Ergebnis bedeuten, dass das Thüringer Landessozialgericht eine Kostenentscheidung in einer Amtshaftungsklage treffen müsste. Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind nicht zuständig für Entscheidungen über Amtshaftungsklagen. Dies gilt auch für Kostenentscheidungen. Aus Art. 34 Satz 3 des Grundgesetzes, § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) ergibt sich die alleinige Entscheidungszuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Amthaftungsansprüche; über diese Klagen entscheidet nach § 71 Abs. 2 GVG das zuständige Landgericht. Das gilt auch für Kostenentscheidungen. Das SGG bietet keine Rechtsgrundlage - wie der Beklagte meint - für Entscheidungen über Amtshaftungsklagen. Die Vorschrift des § 102 Abs. 3 SGG gilt - entgegen der Auffassung des Beklagten - nur für sozialgerichtliche Klagen, wie auch die übrigen Bestimmungen des SGG.

Der beklagte Freistaat will allerdings ausdrücklich, dass das Landessozialgericht ohne Verweisung an das Landgericht eine Kostenentscheidung in einer Amtshaftungsklage treffen soll, denn er meint, durch eine zwischenzeitliche Klagerücknahme habe sich eine Verweisung "naturgemäß" erübrigt. Dies wäre zum einen nicht zutreffend, begründet zum anderen aber in keinem Fall eine Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für Kostenentscheidungen in Amtshaftungsklagen. Ferner wirft die Ansicht des beklagten Freistaates, wonach sich anscheinend bei einer erledigten Amtshaftungsklage eine Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für eine Kostenentscheidung ergeben soll, die Frage auf, weshalb die erledigte Amtshaftungsklage abgetrennt werden soll. Es läge mithin auch keine nachvollziehbare Begründung für eine insoweit teilweise Kostenentscheidung des Senates vor Abschluss des Verfahrens vor.

Zulässig wäre mithin allenfalls ein Antrag auf Verweisung an das zuständige Landgericht.

Dieser Antrag ist unbegründet.

Allerdings ergibt sich aus der wörtlich zitierten Begründung des Antrages des Beklagten für den Senat schon nicht, auf Grund welcher Fallkonstellation der Beklagte meint, dass der Senat verpflichtet sein soll, das Verfahren zu trennen bzw. zu verweisen, mithin im Ergebnis eine Kostenentscheidung über eine angebliche Amtshaftungsklage anstrebt, sodass der Antrag unter beiden möglichen Fallkonstellationen zu beleuchten ist.

Meint der beklagte Freistaat, die Klägerin habe einen Lebenssachverhalt vorgetragen, der auch unter dem Gesichtspunkt einer Amtshaftung zu subsumieren wäre, wäre der Senat nicht verpflichtet, den Rechtsstreit teilweise hinsichtlich eines Amtshaftungsanspruches zu trennen und an das Landgericht zu verweisen (in dem Sinne, dass ein Kläger einen Anspruch im sozialgerichtlichen Verfahren geltend macht, für den verschiedene Anspruchsgrundlagen, unter anderem auch eine Amtshaftung, in Betracht kommen, vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012, Az: B 13 R 437/11 B). Der Senat, der über die Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer als erstinstanzliches Gericht entscheidet, muss grundsätzlich prüfen, ob in solchen Verfahren auch ein Amtshaftungsanspruch in Betracht kommt. Zwar obliegt es nach der auch im sozialgerichtlichen Verfahren (und somit auch in den Entschädigungsverfahren wegen überlanger Verfahrensdauer, für die die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit besteht) maßgebenden Dispositionsmaxime einem Kläger oder einer Klägerin, welche "Ansprüche" er oder sie nach § 123 SGG erheben wollte. Damit wird jedoch nicht in sein oder ihr Belieben gestellt, auf welche materiell-rechtlichen Vorschriften der Kläger oder die Klägerin sein oder ihr Begehren stützen wollte, vielmehr ist hier nur gesagt, dass der Kläger oder die Klägerin den jeweiligen Streitgegenstand bestimmt, also den Lebenssachverhalt und dasjenige, was er oder sie auf dessen Grundlage als gerichtliche Entscheidung anstrebt. Der Kläger oder die Klägerin hat die Fakten zu liefern, die rechtliche Subsumtion ist Sache des Gerichts ("da mihi factum dabo tibi ius; jura novit curia, vgl. BSGE 86,78,79). Bei dieser Fallkonstellation könnte die Klägerin keine Rücknahme der Anspruchsgrundlage "Amtshaftung" erklären bzw. die Subsumtion erledigt sich nicht durch eine Erklärung der Klägerin.

Eine bei einer solchen Fallkonstellation denkbare Teilverweisung ist allerdings nicht zulässig. Das Bundessozialgericht hat zur Behandlung einer auch auf Amtshaftung gestützten Klage im sozialgerichtlichen Verfahren ausgeführt: " Der Senat hat bereits darauf hingewiesen (Senatsbeschluss vom 20. 10. 2012 - SozR 4 - 1500 § 153 Nr. 11 RdNr 23 mwN), dass ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit keine Teilverweisung an das Zivilgericht vornehmen darf. Denn einerseits kennt das GVG keine Teilverweisung, andererseits steht der Verweisung des gesamten Rechtsstreits (Streitgegenstands) der Grundsatz entgegen, dass ein solcher nicht erfolgen darf, wenn das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der einschlägigen materiellen Ansprüche zuständig ist ( ). Deshalb ist auch von dem Ausspruch einer teilweisen Unzulässigkeit des Rechtsweges und einer teilweisen Verweisung des Rechtsstreits an die für Amtshaftungsansprüche zuständigen ordentlichen Gerichte gemäß § 17 a Abs. 2 GVG abzusehen (vgl. BSG, Beschluss vom 31. 10. 2012, Az.: B 13 R 437/11 B). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung auch für Klagen wegen einer überlangen Verfahrensdauer an. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ihre Klage auch nicht auf einen Amtshaftungsanspruch gestützt und auch keinen entsprechenden Lebenssachverhalt vorgetragen hat. Eine solche Fallkonstellation liegt mithin auch tatsächlich nicht vor.

Meint der beklagte Freistaat hingegen, die Klägerin habe von vornherein zwei unterschiedliche Ansprüche geltend gemacht, entweder im Sinne des § 145 der Zivilprozessordnung (ZPO) in einer Klage oder sogar zwei unterschiedliche Klagen erhoben, mithin ein Anspruch auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer und ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung, kann dahinstehen, ob eine Feststellung der Unzulässigkeit des Rechtsweges der Amtshaftungsklage und eine Verweisung an das zuständige Landgericht in Betracht kommt. Die Klägerin hat für den Senat eindeutig und unmissverständlich nur eine einzige Klage erhoben und zwar auf Entschädigung wegen einer überlangen Verfahrensdauer nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlanger Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG vom 24. November 2011, BGBl. I S. 2302), und außerdem in dieser Klage auch nur diesen Anspruch, d. h. daneben keinen Amtshaftungsanspruch, geltend gemacht. Auch wenn dies nicht entscheidend wäre, so hat die Klägerin ihr Begehren ausdrücklich nur auf diese Rechtsgrundlage gestützt. In diesem Zusammenhang ist es nicht einmal erforderlich, die Klageschrift nach den sozialrechtlichen Grundsätzen in diesem Sinne auszulegen. Die Klägerin wollte in diesem Verfahren immer nur eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer und hat dies irrtümlich als "Schadensersatz" bezeichnet.

Die Klägerin hat nicht etwa deshalb zusätzlich eine Amtshaftungsklage erhoben (und muss jetzt nicht zusätzlich einen Amtshaftungsprozess führen), weil sie als juristischer Laie unbedacht in der Klageschrift auch die Worte "Schadensersatzklage" und "entsprechend des Amtshaftungsanspruchs" verwendet und damit auf etwaige Amtshaftungsansprüche hingewiesen hat. Der Beklagte ist der Ansicht, dies allein reiche aus, was allerdings nicht zutrifft. Die Klägerin hat dementsprechend mit Schriftsatz vom 7. September 2012 auch keine Amtshaftungsklage zurückgenommen, sondern ihr Begehren nur klargestellt, was aus der Sicht des Senates ausreichend ist. Wörtlich hat die Klägerin ausgeführt: "Die Schadensersatzforderung bezüglich der Amtshaftungsansprüche ( ) werde ich zu gegebener Zeit dem Landgericht Erfurt selbst überstellen und bitte dies aus der Klageschrift zu streichen. Eine Verweisung bzw. Abtrennung erübrigt sich somit". Schließlich hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2013, unter anderem in dem Verfahren L 3 SF 1759/12 EK, erklärt: "Ich möchte hier nochmals klarstellend zu Protokoll geben, dass ich mit den hier anhängigen Entschädigungsklagen nicht gleichzeitig einen Amtshaftungsanspruch geltend mache" (Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2013, u. a. im Verfahren L 3 SF 1759/12 EK). Die Klägerin hat in allen Verfahren gleichlautende Klageschriften eingereicht.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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