Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 22 R 942/05
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 682/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 19. Mai 2008 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2005 wird teilweise aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2014 eine Rente wegen teilwei-ser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren. Im Übrigen wird die Beru-fung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.
Die 1959 geborene Klägerin absolvierte vom 1. September 1976 bis 15. Juli 1978 eine Aus-bildung zum Koch Spezialisierung Gemeinschaftsverpflegung und war bis 1991 als Köchin tätig. Von 1991 bis November 1995 arbeitete sie als Küchenleiterin, von Dezember 1995 bis April 1998 als Reinigungskraft und von Mai 1998 bis November 1999 als Maschinenarbeite-rin. Seit dem 1. November 2000 bis Juni 2003 war sie laut Arbeitsvertrag vom 27. Oktober 2000 als Küchenkraft bei der G. Frischwaren- und Dienstleistungshof GmbH & Co. Bewirt-schaftungs KG tätig. Laut Arbeitgeberauskunft vom 5. September 2005 bestand die Tätigkeit in der Zubereitung von Speisen, der Gaststättenbedienung und der Arbeit für den Partyservi-ce. Ein ungelernter Arbeiter hätte drei Tage angelernt werden müssen, um die praktischen und theoretischen Kenntnisse der Klägerin zu erlangen. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Klägerin zum 15. Juni 2003. Danach bezog sie Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.
Im Dezember 2004 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog u.a. den Rehabilitationsentlassungsbericht der M.-Klinik L. vom 8. Juli 2003 bei und holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten der Dr. K. vom 4. März 2005 ein (Di-agnosen: rezidivierendes depressives Syndrom, Anpassungsstörung, Restless-Legs-Syndrom, Bandscheibenschäden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, Adipositas; Leistungs-bild: leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr ohne besondere psychische Belastung und Belastung des Bewegungs- und Haltungsapparates) und lehnte mit Bescheid vom 21. März 2005 eine Rentengewährung ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005).
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) diverse Befundberichte mit entsprechenden medizinischen Anlagen beigezogen sowie ein orthopädisches Gutachten des Dr. R. vom 9. Mai 2006 (Diagnosen: degeneratives Lendenwirbelsäulenleiden, Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts, degeneratives Halswirbelsäulenleiden, Bursitis trochanterica, Coxa valga beidseits, Haglund-Exostose beidseits, Zustand nach Operation links 5/04, Fersensporn beidseits, Zu-stand nach Operation CTS rechts 05/07, CTS links; Leistungsbild: leichte Arbeiten unter Be-achtung von zusätzlichen Einschränkungen vollschichtig möglich) und eine ergänzende Stel-lungnahme vom 24. März 2007 eingeholt.
Mit Urteil vom 19. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. aus-geführt, die Tätigkeit als Küchenhilfe sei im Rahmen des Mehrstufenschemas dem Leitberuf des angelernten Arbeiters im unteren Bereich zuzuordnen. Die Klägerin sei sie auf den all-gemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, ohne dass es der Benennung einer konkreten Verwei-sungstätigkeit bedürfe, denn sie könne nach den medizinischen Ermittlungen weiterhin leich-te Arbeiten sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liege nicht vor. Gegebenenfalls sei sie auch auf die Tätigkeit einer Poststellemitarbeiterin oder Pförtnerin verweisbar.
Im Berufungsverfahren vertritt die Klägerin die Ansicht, bei ihr liege eine Summierung ungewöhnli-cher Leistungseinschränkungen vor. Neben den degenerativen Lenden- und Halswirbelsäulenleiden, leide sie unter beidseitigem Tinnitus sowie einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit. Hinzu kom-me ein depressives Syndrom in Form einer Anpassungsstörung. Dies führe zu einer stark neuroti-schen Verarbeitungstendenz. Eine Tätigkeit als Poststellenmitarbeiterin oder Pförtnerin sei ihr nicht möglich, weil diese Tätigkeiten eine hinreichende Kommunikation erforderten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 19. Mai 2008 abzuändern und die Be-klagte unter Abänderung des Bescheids vom 21. März 2005 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 26. Mai 2005 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. Januar 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchs- und Klageverfahren.
Der Senat hat diverse Befundberichte beigezogen und mehrere Gutachten eingeholt: • Dr. U. hat in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 20. Januar 2009 ei-ne Dysthymie, eine Anpassungsstörung, ein Karpaltunnelsyndrom, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom bei Bandscheibenvorfall L5/S1 und Adipositas per magna diag-nostiziert. Die Klägerin könne vollschichtig leichte Arbeiten in wechselnder Körper-haltung unter Beachtung zusätzlicher Einschränkungen ausüben, auch als Pförtnerin oder Produktionshelferin • In seinem orthopädischen Gutachten vom 8. März 2011 hat Dr. Sch. geringgradige Verschleißveränderungen der unteren Lendenwirbelsäule, vordergründig im Sinne ei-ner leichten Spondylarthrose ohne funktionelles oder neurogenes Defizit, Residuen ei-ner Scheuermann&8242;schen Erkrankung vorwiegend im Brustwirbelsäulenbereich mit Rundrückenbildung, eine hochgradige Adipositas mit so genannten "myostatischen" Beschwerden am Haltungs- und Bewegungsapparat festgestellt. Die Klägerin könne nur noch leichtere, punktuell im Arbeitsalltag verteilt auch mittelschwere Tätigkeiten, unter Beachtung zusätzlicher Einschränkungen sechs Stunden und mehr an fünf Ta-gen in der Woche ausüben. • Im orthopädischen Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vom 19. Juni 2012 hat Dr. St. folgende Diagnosen genannt: mittelgradige Bewegungsein-schränkungen der HWS bei ansonsten nur diskreten degenerativen Veränderungen, Bewegungseinschränkungen der BWS mit mittelgradigen Myalgien und Verspan-nungszuständen der gesamten BWS bei röntgenologisch nachweisbarer skoliotischer Fehlhaltung und rechtsbetonten mindestens mittelgradigen degenerativen Veränderun-gen teils mit ventralen Höhenminderungen bei ausgeprägter BWS-Kyphose von 55°, mittelgradige Bewegungseinschränkung der LWS bei altersentsprechend eher ge-ringgradigen degenerativen Veränderungen, jedoch deutlicher Spondylarthrose bei skoliotischer Fehlhaltung, geringer ISG-Arthrose bei kernspinntomografischen Be-fund, Epicondylitis beidseits bei freier Beweglichkeit beider Ellenbogengelenke, eher geringgradig, rezidivierende Reizzustände bei eingeschränkter Dorsalflexion beide OSG mit lokalem Reizzustand im Bereich beider Achillessehnenansätze, rechts diskret am Fersenbein, links im Bereich der Achillessehne, deutliche Weichteilschwellung, Zustand nach Operation links bei geringem Senk-Spreizfuß beidseits, geringe Bewe-gungseinschränkung beider Hüften bei röntgenologisch regelrechten Verhältnissen. Die Klägerin könne sein Fachgebiet betreffend noch leichte Arbeiten unter Berück-sichtigung zusätzlicher Einschränkungen ausüben. Unter Berücksichtigung der massi-ven Adipositas und der psychischen Erkrankungen sei ihr Leistungsvermögen auf drei bis unter sechs Stunden limitiert; allein auf orthopädischem Fachgebiet sei eine leichte Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich möglich. In seiner ergänzenden Stel-lungnahme vom 19. Dezember 2012 vertritt der Sachverständige die Auffassung, die Leistungseinschätzung bezüglich des orthopädischen Krankheitsbildes sei nicht strei-tig. Eine Verschlechterung der psychischen Symptomatik habe sich anamnestisch nicht ergeben.
Der Senat hat den Beteiligten eine anonymisierte Kopie des Gutachten der berufskundlichen Sachverständigen J. zur Tätigkeit einer Produktionshelferin vom 6. Juni 2004 (Az.: L 6 RJ 301/02) zur Kenntnisnahme übersandt und in der Sitzung vom 27. Mai 2013 die Zeugin G. L. vernommen. Hinsichtlich ihrer Aussage wird auf die Niederschrift verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhand-lung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewäh-rung dieser Rente ab dem 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2014. Insoweit ist das erstinstanzliche Ur-teil abzuändern. Der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2005 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 26. Mai 2005 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Soweit die Klägerin die Gewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsmin-derung bei Berufsunfähigkeit vor diesem Zeitpunkt und auf Dauer begehrt, ist die Berufung unbegründet.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Er-werbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelal-tersgrenze, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten nach denen ihre Erwerbsfähigkeit zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Be-rücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden kön-nen. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin erfüllt unstreitig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Ren-te wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Sie ist auch berufsunfähig im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI.
Die Definition der Berufsunfähigkeit in § 240 Abs. 2 SGB VI entspricht der in § 43 Abs. 2 SGB VI in der Fassung vor dem 1. Januar 2001 mit dem Unterschied, dass nunmehr auf ein Herabsinken auf weniger als sechs Stunden abgestellt wird. Die bisherige Auslegung und Rechtsprechung zur Berufsunfähigkeit gilt bei der Neuregelung weiter (vgl. u.a. Senatsurteil vom 26. Juli 2004 - Az.: L 6 RJ 301/03).
Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit wird grundsätzlich nach der Wertigkeit des bis-herigen Berufes festgestellt, wozu die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das so genannte Mehrstufenschema entwickelt hat. Die verschiedenen Stufen sind nach dem qualita-tiven Wert des bisherigen Berufes - dieser wird nach Dauer und Umfang der im Regelfall er-forderlichen Ausbildung, nicht anhand von Prestige oder Entlohnung bestimmt - hierarchisch geordnet (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 14. Mai 1996 – Az.: 4 RA 60/94 in BSGE 78, 207, 218 und vom 24. März 1998 – Az.: B 4 RA 44/96 R, nach juris). Die Arbei-terberufe werden durch das Mehrstufenschema in Gruppen untergliedert, die durch den Leit-beruf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. November 1994 - Az.: 13 RJ 77/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49). Im Rahmen der sozialen Zumutbarkeit kann auf eine Tätigkeit der jeweils nächst niedrigeren Gruppe verwiesen werden.
Die Einordnung des Berufes in eine bestimmte Stufe des Berufsschemas erfolgt nicht aus-schließlich nach der Dauer der förmlichen Berufsausbildung, sondern auch nach der Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt dem aus der Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnden Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 – Az.: 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt somit auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bishe-rigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird.
Die letzte 2003 ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit der Klägerin bei der G. Frischwa-ren- und Dienstleistungshof GmbH & Co. Bewirtschaftungs KG ist als Facharbeitertätigkeit einzustufen. Die Klägerin absolvierte in der DDR eine knapp zweijährige Berufsausbildung zur Köchin und schloss sie mit dem Facharbeiterbrief am 15. Juli 1978 ab. Nach Art. 37 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokrati-schen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31. August 1990 gelten in der Deutschen Demokratischen Republik erworbene oder staatlich an-erkannte schulische, berufliche und akademische Abschlüsse oder Befähigungsnachweise in dem in Art. 3 genannten Gebiet weiter (Satz 1). In dem in Art. 3 genannten Gebiet oder in den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) abgelegte Prü-fungen oder erworbene Befähigungsnachweise stehen einander gleich und verleihen die glei-chen Berechtigungen, wenn sie gleichwertig sind (Satz 2).
Bei dem Beruf des Kochs/der Köchin handelt es sich in der Bundesrepublik Deutschland seit 1979 um einen anerkannten Ausbildungsberuf nach dem Berufsausbildungsgesetz mit einer Ausbildungsdauer von drei Jahren (vgl. http://berufenet.arbeitsagentur.de Stichwort: Koch/Köchin - Rückblick). Anhaltspunkte dafür, dass die Ausbildung der Klägerin zur Kö-chin dem Ausbildungsberuf Koch/Köchin nach dem Berufsausbildungsgesetz nicht gleich-wertig war, bestehen nicht. Die Kläger hat diese Tätigkeit auch überwiegend ausgeübt. Sie bereitete das Frühstück für die Besucher und das Essen für den Kindergarten zu. Ebenso ge-hörte die Vorbereitung des Essens für den Partyservice bzw. die Zubereitung des Mittages-sens und im geringeren Umfang des Abendessens nach Karte zu ihren Aufgaben. In der Gaststätte wurden kalte und warme Speisen, die als Hausmannskost qualifiziert werden kön-nen, mit Beilagen angeboten. Die Zeugin L. hat ausgesagt, dass die Kochtätigkeit bei einem Acht- Stunden-Tag ca. sechs Stunden umfasste. Damit überwog diese und nicht die übrigen Tätigkeiten als Reinigungskraft und Bedienung in der Gaststätte. Soweit die Klägerin nicht alle Aufgaben einer Köchin (z.B. Einkauf und Annahme der für die Küche benötigten Waren unter Beachtung von Preis, Qualität, Frische, fachgerechte Lagerung der Waren und Kontrolle der Lagerbestände, Speisekarten und Speisepläne erstellen, Herstellungs- und Verkaufspreise kalkulieren und errechnen - vgl. http://berufenet.arbeitsagentur.de Stichwort: Koch/Köchin) wahrnahm, die angebotenen Gerichte eher einfach waren und die Zeugin Leipold eine An-lernzeit von vier Wochen für Berufsfremde angegeben hat, steht dies aufgrund der Facharbei-terausbildung der Aufrechterhaltung des Berufsschutzes nicht entgegen.
Eine Tätigkeit als Köchin kann die Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkun-gen nicht mehr ausüben, weil sie nach den eingeholten medizinischen Gutachten des Dr. U. vom 20. Januar 2009, des Dr. Sch. vom 8. März 2011 und des Dr. St. vom 19. Juni 2012, de-ren Ausführungen sich der Senat insoweit anschließt, nur noch in der Lage ist leichte Tätig-keiten und allenfalls gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten (sechs Stunden täglich) unter Beachtung zusätzlicher Einschränkungen auszuüben. Dr. U. führt in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 20. Januar 2009 aus, die Klägerin könne noch vollschichtig eine leichte körperliche Erwerbstätigkeit an fünf Tagen in der Woche ausüben. Er hat die von Dipl.-Med. A. in ihrem Befundbericht vom 11. September 2008 genannte Diagnose eines schweren depressiven Syndroms mit Somatisierungsstörungen verneint. Die festgestellte be-handlungsbedürftige Dysthymie stellt keine die Erwerbsfähigkeit einschränkende Erkrankung dar. Das von Dipl.-Med. A. bescheinigte Restless-legs-Syndrom (RLS) wird nicht behandelt und kann zudem nur in Ausnahmefällen eine quantitative Leistungseinschränkung begründen (vgl. Senatsurteil vom 30. April 2013 - Az.: L 6 R 1039/09; Muhl/Timmann, "Extrapyramida-le Syndrome und Ataxien" in Widder/Gaidzig, Begutachtung in der Neurologie, 2. Auflage 2011, S. 354), z.B. bei eingeschränkter kognitiver Leistungsfähigkeit und Beeinträchtigung der Stimmung, des Gedächtnisses, der Geschicklichkeit, der Reaktionszeit, des Konzentrati-onsvermögens und der Ausdauer (vgl. Fietzke, "Schlafstörungen" in Sozialmedizinische Be-gutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, 7. Auflage 2011, S. 637, 640). Für den erforderlichen Vollbeweis gibt es unter Beachtung des erforderlichen strengen Maßstabes (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 1964 - 11/1 RA 158/61, nach juris) keine Anhaltspunkte. Ein Einfluss des Tinnitus auf die Tagesvigilanz war nicht zu verzeichnen und im organischen Be-reich ergab die Untersuchung keinerlei pathologische Befunde. Sowohl die körperliche Unter-suchung als auch die apparative Diagnostik waren unauffällig. Die vorgetragene Schwerhö-rigkeit hat keinen Einfluss auf die Gesprächsführung. Die peripherneurologische Diagnostik war weitgehend unauffällig, insbesondere zeigten sich keine radikulären Symptome. Als Ein-schränkungen sind zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfä-higkeit, ohne Zeitdruck und ohne Personalverantwortung ausgeübt werden soll.
Nach dem orthopädischen Gutachten des Dr. Sch. vom 8. März 2011 ist die Klägerin auf die-sem Fachgebiet nicht gehindert, leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr pro Arbeitstag an fünf Tagen in der Woche ohne Gefährdung ihrer gesundheitlichen Verhältnisse auszuüben. Dies stimmt mit der Leistungseinschätzung des Dr. R. im Gutachten vom 9. Mai 2006 über-ein. Im Bereich der Lendenwirbelsäule hat der Sachverständige nur lebensalterstypische Ver-schleißveränderungen, jedoch mit Bandscheibenvorwölbungen ohne neurogene Raumforde-rungen festgestellt und deshalb eine erhebliche Relativierung der Bildbefunde konstatiert. Hieraus folgt lediglich, dass die Klägerin keine schweren körperlichen Arbeiten mehr verrich-ten sollte. Die Adipositas per magna führt zu Befindlichkeitsstörungen und myostatischen Beschwerden. Eine Verbesserung kann nur durch eine durchgreifende Gewichtsreduktion erreicht werden. Insofern sollte eine berufliche Tätigkeit auch nur mit leichteren, allenfalls gelegentlich mittelschweren Belastungen einhergehen. Funktionelle Einschränkungen hat Dr. Sch. bei der Klägerin nicht festgestellt. Bedingt durch die Adipositas besteht eine eingeengte Mobilität, so dass zum Beispiel Montagetätigkeiten nicht mehr bewältigt werden könnten. Ansonsten kommen alle Tätigkeiten im Sitzen, Stehen und Gehen, auch in wechselnder Kör-perhaltung etc. in Betracht. Wegen der Verschleißveränderung der unteren Lendenwirbelsäule sind keine andauernden oder gehäuften Bückbelastungen sowie das Heben und Tragen von schweren Lasten zumutbar. Auch nach dem Gutachten des Dr. St. vom 19. Juni 2012 und sei-ner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Dezember 2012 ist die Klägerin aus orthopädischer Sicht in der Lage leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Die Ein-schränkungen beschränken die Arbeiten auf solche in wechselnder Körperhaltung, ohne Zwangshaltungen, ohne Hebe- und Bückarbeit, unter Beachtung der durch das Karpaltunnel-syndrom eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit der Hände, ohne Absturzgefahr, nicht auf Lei-tern und Gerüsten, ohne Schicht- und Akkordarbeit, nur in geschlossenen warmen Räumen, ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft, ohne Gefährdung durch Reizstoffe wie Staub, Rauch, Gas und Dampf, ohne besondere Anforderungen an das Hörvermögen, ohne besonde-re Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, ohne besondere nervliche Belastung z.B. besonderen Zeitdruck, Publikumsverkehr und besondere soziale Verantwor-tung.
Dieses Leistungsvermögen der Klägerin steht mit den Arbeitsbedingungen einer Köchin nicht im Einklang, denn diese umfassen u.a. Arbeit im Gehen und Stehen, Handarbeit (z.B. Fleisch bzw. Fisch zerlegen und filettieren), schweres Heben und Tragen (z.B. schwere Gefäße be-sonders in Großküchen heben und bewegen), Arbeiten in der Küche, Arbeit bei Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit, Zugluft (z.B. bei der Arbeit am Herd), Arbeit bei Rauch, Staub, Gasen, Dämpfen (z.B. Dämpfe beim Braten oder Dünsten) (vgl. http://berufenet.arbeitsagentur.de Stichwort: Koch/Köchin). Eine zumutbare Verweisungstätigkeit hat die Beklagte nicht be-nannt und ist für den Senat nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat ab dem 1. Juli 2005 jeweils für drei Jahre befristet Anspruch auf Gewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Sachverständigen bestätigen das Vorliegen der genannten Einschränkungen des Restleistungsvermögens der Klägerin seit der Rentenantragstellung am 23. Dezember 2004. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden u.a. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet und zwar nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbs-fähigkeit (§ 101 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Die Befristung folgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn und kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Ren-tenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfä-higkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Ein Dauerzustand ist hier nicht anzunehmen, denn er liegt erst dann vor, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch danach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Hier führen alle Sachverständigen aus, dass durch eine psycho-therapeutische Behandlung und Gewichtsabnahme eine Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin jedenfalls möglich ist. Ob sie diese Behandlungsoptionen in Anspruch nehmen wird, ändert an der grundsätzlichen Möglichkeit nichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.
Die 1959 geborene Klägerin absolvierte vom 1. September 1976 bis 15. Juli 1978 eine Aus-bildung zum Koch Spezialisierung Gemeinschaftsverpflegung und war bis 1991 als Köchin tätig. Von 1991 bis November 1995 arbeitete sie als Küchenleiterin, von Dezember 1995 bis April 1998 als Reinigungskraft und von Mai 1998 bis November 1999 als Maschinenarbeite-rin. Seit dem 1. November 2000 bis Juni 2003 war sie laut Arbeitsvertrag vom 27. Oktober 2000 als Küchenkraft bei der G. Frischwaren- und Dienstleistungshof GmbH & Co. Bewirt-schaftungs KG tätig. Laut Arbeitgeberauskunft vom 5. September 2005 bestand die Tätigkeit in der Zubereitung von Speisen, der Gaststättenbedienung und der Arbeit für den Partyservi-ce. Ein ungelernter Arbeiter hätte drei Tage angelernt werden müssen, um die praktischen und theoretischen Kenntnisse der Klägerin zu erlangen. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Klägerin zum 15. Juni 2003. Danach bezog sie Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.
Im Dezember 2004 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog u.a. den Rehabilitationsentlassungsbericht der M.-Klinik L. vom 8. Juli 2003 bei und holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten der Dr. K. vom 4. März 2005 ein (Di-agnosen: rezidivierendes depressives Syndrom, Anpassungsstörung, Restless-Legs-Syndrom, Bandscheibenschäden im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, Adipositas; Leistungs-bild: leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr ohne besondere psychische Belastung und Belastung des Bewegungs- und Haltungsapparates) und lehnte mit Bescheid vom 21. März 2005 eine Rentengewährung ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005).
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) diverse Befundberichte mit entsprechenden medizinischen Anlagen beigezogen sowie ein orthopädisches Gutachten des Dr. R. vom 9. Mai 2006 (Diagnosen: degeneratives Lendenwirbelsäulenleiden, Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts, degeneratives Halswirbelsäulenleiden, Bursitis trochanterica, Coxa valga beidseits, Haglund-Exostose beidseits, Zustand nach Operation links 5/04, Fersensporn beidseits, Zu-stand nach Operation CTS rechts 05/07, CTS links; Leistungsbild: leichte Arbeiten unter Be-achtung von zusätzlichen Einschränkungen vollschichtig möglich) und eine ergänzende Stel-lungnahme vom 24. März 2007 eingeholt.
Mit Urteil vom 19. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. aus-geführt, die Tätigkeit als Küchenhilfe sei im Rahmen des Mehrstufenschemas dem Leitberuf des angelernten Arbeiters im unteren Bereich zuzuordnen. Die Klägerin sei sie auf den all-gemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, ohne dass es der Benennung einer konkreten Verwei-sungstätigkeit bedürfe, denn sie könne nach den medizinischen Ermittlungen weiterhin leich-te Arbeiten sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liege nicht vor. Gegebenenfalls sei sie auch auf die Tätigkeit einer Poststellemitarbeiterin oder Pförtnerin verweisbar.
Im Berufungsverfahren vertritt die Klägerin die Ansicht, bei ihr liege eine Summierung ungewöhnli-cher Leistungseinschränkungen vor. Neben den degenerativen Lenden- und Halswirbelsäulenleiden, leide sie unter beidseitigem Tinnitus sowie einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit. Hinzu kom-me ein depressives Syndrom in Form einer Anpassungsstörung. Dies führe zu einer stark neuroti-schen Verarbeitungstendenz. Eine Tätigkeit als Poststellenmitarbeiterin oder Pförtnerin sei ihr nicht möglich, weil diese Tätigkeiten eine hinreichende Kommunikation erforderten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 19. Mai 2008 abzuändern und die Be-klagte unter Abänderung des Bescheids vom 21. März 2005 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 26. Mai 2005 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. Januar 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchs- und Klageverfahren.
Der Senat hat diverse Befundberichte beigezogen und mehrere Gutachten eingeholt: • Dr. U. hat in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 20. Januar 2009 ei-ne Dysthymie, eine Anpassungsstörung, ein Karpaltunnelsyndrom, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom bei Bandscheibenvorfall L5/S1 und Adipositas per magna diag-nostiziert. Die Klägerin könne vollschichtig leichte Arbeiten in wechselnder Körper-haltung unter Beachtung zusätzlicher Einschränkungen ausüben, auch als Pförtnerin oder Produktionshelferin • In seinem orthopädischen Gutachten vom 8. März 2011 hat Dr. Sch. geringgradige Verschleißveränderungen der unteren Lendenwirbelsäule, vordergründig im Sinne ei-ner leichten Spondylarthrose ohne funktionelles oder neurogenes Defizit, Residuen ei-ner Scheuermann&8242;schen Erkrankung vorwiegend im Brustwirbelsäulenbereich mit Rundrückenbildung, eine hochgradige Adipositas mit so genannten "myostatischen" Beschwerden am Haltungs- und Bewegungsapparat festgestellt. Die Klägerin könne nur noch leichtere, punktuell im Arbeitsalltag verteilt auch mittelschwere Tätigkeiten, unter Beachtung zusätzlicher Einschränkungen sechs Stunden und mehr an fünf Ta-gen in der Woche ausüben. • Im orthopädischen Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vom 19. Juni 2012 hat Dr. St. folgende Diagnosen genannt: mittelgradige Bewegungsein-schränkungen der HWS bei ansonsten nur diskreten degenerativen Veränderungen, Bewegungseinschränkungen der BWS mit mittelgradigen Myalgien und Verspan-nungszuständen der gesamten BWS bei röntgenologisch nachweisbarer skoliotischer Fehlhaltung und rechtsbetonten mindestens mittelgradigen degenerativen Veränderun-gen teils mit ventralen Höhenminderungen bei ausgeprägter BWS-Kyphose von 55°, mittelgradige Bewegungseinschränkung der LWS bei altersentsprechend eher ge-ringgradigen degenerativen Veränderungen, jedoch deutlicher Spondylarthrose bei skoliotischer Fehlhaltung, geringer ISG-Arthrose bei kernspinntomografischen Be-fund, Epicondylitis beidseits bei freier Beweglichkeit beider Ellenbogengelenke, eher geringgradig, rezidivierende Reizzustände bei eingeschränkter Dorsalflexion beide OSG mit lokalem Reizzustand im Bereich beider Achillessehnenansätze, rechts diskret am Fersenbein, links im Bereich der Achillessehne, deutliche Weichteilschwellung, Zustand nach Operation links bei geringem Senk-Spreizfuß beidseits, geringe Bewe-gungseinschränkung beider Hüften bei röntgenologisch regelrechten Verhältnissen. Die Klägerin könne sein Fachgebiet betreffend noch leichte Arbeiten unter Berück-sichtigung zusätzlicher Einschränkungen ausüben. Unter Berücksichtigung der massi-ven Adipositas und der psychischen Erkrankungen sei ihr Leistungsvermögen auf drei bis unter sechs Stunden limitiert; allein auf orthopädischem Fachgebiet sei eine leichte Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich möglich. In seiner ergänzenden Stel-lungnahme vom 19. Dezember 2012 vertritt der Sachverständige die Auffassung, die Leistungseinschätzung bezüglich des orthopädischen Krankheitsbildes sei nicht strei-tig. Eine Verschlechterung der psychischen Symptomatik habe sich anamnestisch nicht ergeben.
Der Senat hat den Beteiligten eine anonymisierte Kopie des Gutachten der berufskundlichen Sachverständigen J. zur Tätigkeit einer Produktionshelferin vom 6. Juni 2004 (Az.: L 6 RJ 301/02) zur Kenntnisnahme übersandt und in der Sitzung vom 27. Mai 2013 die Zeugin G. L. vernommen. Hinsichtlich ihrer Aussage wird auf die Niederschrift verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhand-lung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewäh-rung dieser Rente ab dem 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2014. Insoweit ist das erstinstanzliche Ur-teil abzuändern. Der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2005 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 26. Mai 2005 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Soweit die Klägerin die Gewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsmin-derung bei Berufsunfähigkeit vor diesem Zeitpunkt und auf Dauer begehrt, ist die Berufung unbegründet.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Er-werbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelal-tersgrenze, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten nach denen ihre Erwerbsfähigkeit zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Be-rücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden kön-nen. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin erfüllt unstreitig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Ren-te wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Sie ist auch berufsunfähig im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI.
Die Definition der Berufsunfähigkeit in § 240 Abs. 2 SGB VI entspricht der in § 43 Abs. 2 SGB VI in der Fassung vor dem 1. Januar 2001 mit dem Unterschied, dass nunmehr auf ein Herabsinken auf weniger als sechs Stunden abgestellt wird. Die bisherige Auslegung und Rechtsprechung zur Berufsunfähigkeit gilt bei der Neuregelung weiter (vgl. u.a. Senatsurteil vom 26. Juli 2004 - Az.: L 6 RJ 301/03).
Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit wird grundsätzlich nach der Wertigkeit des bis-herigen Berufes festgestellt, wozu die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das so genannte Mehrstufenschema entwickelt hat. Die verschiedenen Stufen sind nach dem qualita-tiven Wert des bisherigen Berufes - dieser wird nach Dauer und Umfang der im Regelfall er-forderlichen Ausbildung, nicht anhand von Prestige oder Entlohnung bestimmt - hierarchisch geordnet (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 14. Mai 1996 – Az.: 4 RA 60/94 in BSGE 78, 207, 218 und vom 24. März 1998 – Az.: B 4 RA 44/96 R, nach juris). Die Arbei-terberufe werden durch das Mehrstufenschema in Gruppen untergliedert, die durch den Leit-beruf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. November 1994 - Az.: 13 RJ 77/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49). Im Rahmen der sozialen Zumutbarkeit kann auf eine Tätigkeit der jeweils nächst niedrigeren Gruppe verwiesen werden.
Die Einordnung des Berufes in eine bestimmte Stufe des Berufsschemas erfolgt nicht aus-schließlich nach der Dauer der förmlichen Berufsausbildung, sondern auch nach der Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt dem aus der Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnden Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 – Az.: 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt somit auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bishe-rigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird.
Die letzte 2003 ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit der Klägerin bei der G. Frischwa-ren- und Dienstleistungshof GmbH & Co. Bewirtschaftungs KG ist als Facharbeitertätigkeit einzustufen. Die Klägerin absolvierte in der DDR eine knapp zweijährige Berufsausbildung zur Köchin und schloss sie mit dem Facharbeiterbrief am 15. Juli 1978 ab. Nach Art. 37 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokrati-schen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31. August 1990 gelten in der Deutschen Demokratischen Republik erworbene oder staatlich an-erkannte schulische, berufliche und akademische Abschlüsse oder Befähigungsnachweise in dem in Art. 3 genannten Gebiet weiter (Satz 1). In dem in Art. 3 genannten Gebiet oder in den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) abgelegte Prü-fungen oder erworbene Befähigungsnachweise stehen einander gleich und verleihen die glei-chen Berechtigungen, wenn sie gleichwertig sind (Satz 2).
Bei dem Beruf des Kochs/der Köchin handelt es sich in der Bundesrepublik Deutschland seit 1979 um einen anerkannten Ausbildungsberuf nach dem Berufsausbildungsgesetz mit einer Ausbildungsdauer von drei Jahren (vgl. http://berufenet.arbeitsagentur.de Stichwort: Koch/Köchin - Rückblick). Anhaltspunkte dafür, dass die Ausbildung der Klägerin zur Kö-chin dem Ausbildungsberuf Koch/Köchin nach dem Berufsausbildungsgesetz nicht gleich-wertig war, bestehen nicht. Die Kläger hat diese Tätigkeit auch überwiegend ausgeübt. Sie bereitete das Frühstück für die Besucher und das Essen für den Kindergarten zu. Ebenso ge-hörte die Vorbereitung des Essens für den Partyservice bzw. die Zubereitung des Mittages-sens und im geringeren Umfang des Abendessens nach Karte zu ihren Aufgaben. In der Gaststätte wurden kalte und warme Speisen, die als Hausmannskost qualifiziert werden kön-nen, mit Beilagen angeboten. Die Zeugin L. hat ausgesagt, dass die Kochtätigkeit bei einem Acht- Stunden-Tag ca. sechs Stunden umfasste. Damit überwog diese und nicht die übrigen Tätigkeiten als Reinigungskraft und Bedienung in der Gaststätte. Soweit die Klägerin nicht alle Aufgaben einer Köchin (z.B. Einkauf und Annahme der für die Küche benötigten Waren unter Beachtung von Preis, Qualität, Frische, fachgerechte Lagerung der Waren und Kontrolle der Lagerbestände, Speisekarten und Speisepläne erstellen, Herstellungs- und Verkaufspreise kalkulieren und errechnen - vgl. http://berufenet.arbeitsagentur.de Stichwort: Koch/Köchin) wahrnahm, die angebotenen Gerichte eher einfach waren und die Zeugin Leipold eine An-lernzeit von vier Wochen für Berufsfremde angegeben hat, steht dies aufgrund der Facharbei-terausbildung der Aufrechterhaltung des Berufsschutzes nicht entgegen.
Eine Tätigkeit als Köchin kann die Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkun-gen nicht mehr ausüben, weil sie nach den eingeholten medizinischen Gutachten des Dr. U. vom 20. Januar 2009, des Dr. Sch. vom 8. März 2011 und des Dr. St. vom 19. Juni 2012, de-ren Ausführungen sich der Senat insoweit anschließt, nur noch in der Lage ist leichte Tätig-keiten und allenfalls gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten (sechs Stunden täglich) unter Beachtung zusätzlicher Einschränkungen auszuüben. Dr. U. führt in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 20. Januar 2009 aus, die Klägerin könne noch vollschichtig eine leichte körperliche Erwerbstätigkeit an fünf Tagen in der Woche ausüben. Er hat die von Dipl.-Med. A. in ihrem Befundbericht vom 11. September 2008 genannte Diagnose eines schweren depressiven Syndroms mit Somatisierungsstörungen verneint. Die festgestellte be-handlungsbedürftige Dysthymie stellt keine die Erwerbsfähigkeit einschränkende Erkrankung dar. Das von Dipl.-Med. A. bescheinigte Restless-legs-Syndrom (RLS) wird nicht behandelt und kann zudem nur in Ausnahmefällen eine quantitative Leistungseinschränkung begründen (vgl. Senatsurteil vom 30. April 2013 - Az.: L 6 R 1039/09; Muhl/Timmann, "Extrapyramida-le Syndrome und Ataxien" in Widder/Gaidzig, Begutachtung in der Neurologie, 2. Auflage 2011, S. 354), z.B. bei eingeschränkter kognitiver Leistungsfähigkeit und Beeinträchtigung der Stimmung, des Gedächtnisses, der Geschicklichkeit, der Reaktionszeit, des Konzentrati-onsvermögens und der Ausdauer (vgl. Fietzke, "Schlafstörungen" in Sozialmedizinische Be-gutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, 7. Auflage 2011, S. 637, 640). Für den erforderlichen Vollbeweis gibt es unter Beachtung des erforderlichen strengen Maßstabes (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 1964 - 11/1 RA 158/61, nach juris) keine Anhaltspunkte. Ein Einfluss des Tinnitus auf die Tagesvigilanz war nicht zu verzeichnen und im organischen Be-reich ergab die Untersuchung keinerlei pathologische Befunde. Sowohl die körperliche Unter-suchung als auch die apparative Diagnostik waren unauffällig. Die vorgetragene Schwerhö-rigkeit hat keinen Einfluss auf die Gesprächsführung. Die peripherneurologische Diagnostik war weitgehend unauffällig, insbesondere zeigten sich keine radikulären Symptome. Als Ein-schränkungen sind zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfä-higkeit, ohne Zeitdruck und ohne Personalverantwortung ausgeübt werden soll.
Nach dem orthopädischen Gutachten des Dr. Sch. vom 8. März 2011 ist die Klägerin auf die-sem Fachgebiet nicht gehindert, leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr pro Arbeitstag an fünf Tagen in der Woche ohne Gefährdung ihrer gesundheitlichen Verhältnisse auszuüben. Dies stimmt mit der Leistungseinschätzung des Dr. R. im Gutachten vom 9. Mai 2006 über-ein. Im Bereich der Lendenwirbelsäule hat der Sachverständige nur lebensalterstypische Ver-schleißveränderungen, jedoch mit Bandscheibenvorwölbungen ohne neurogene Raumforde-rungen festgestellt und deshalb eine erhebliche Relativierung der Bildbefunde konstatiert. Hieraus folgt lediglich, dass die Klägerin keine schweren körperlichen Arbeiten mehr verrich-ten sollte. Die Adipositas per magna führt zu Befindlichkeitsstörungen und myostatischen Beschwerden. Eine Verbesserung kann nur durch eine durchgreifende Gewichtsreduktion erreicht werden. Insofern sollte eine berufliche Tätigkeit auch nur mit leichteren, allenfalls gelegentlich mittelschweren Belastungen einhergehen. Funktionelle Einschränkungen hat Dr. Sch. bei der Klägerin nicht festgestellt. Bedingt durch die Adipositas besteht eine eingeengte Mobilität, so dass zum Beispiel Montagetätigkeiten nicht mehr bewältigt werden könnten. Ansonsten kommen alle Tätigkeiten im Sitzen, Stehen und Gehen, auch in wechselnder Kör-perhaltung etc. in Betracht. Wegen der Verschleißveränderung der unteren Lendenwirbelsäule sind keine andauernden oder gehäuften Bückbelastungen sowie das Heben und Tragen von schweren Lasten zumutbar. Auch nach dem Gutachten des Dr. St. vom 19. Juni 2012 und sei-ner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Dezember 2012 ist die Klägerin aus orthopädischer Sicht in der Lage leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Die Ein-schränkungen beschränken die Arbeiten auf solche in wechselnder Körperhaltung, ohne Zwangshaltungen, ohne Hebe- und Bückarbeit, unter Beachtung der durch das Karpaltunnel-syndrom eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit der Hände, ohne Absturzgefahr, nicht auf Lei-tern und Gerüsten, ohne Schicht- und Akkordarbeit, nur in geschlossenen warmen Räumen, ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft, ohne Gefährdung durch Reizstoffe wie Staub, Rauch, Gas und Dampf, ohne besondere Anforderungen an das Hörvermögen, ohne besonde-re Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, ohne besondere nervliche Belastung z.B. besonderen Zeitdruck, Publikumsverkehr und besondere soziale Verantwor-tung.
Dieses Leistungsvermögen der Klägerin steht mit den Arbeitsbedingungen einer Köchin nicht im Einklang, denn diese umfassen u.a. Arbeit im Gehen und Stehen, Handarbeit (z.B. Fleisch bzw. Fisch zerlegen und filettieren), schweres Heben und Tragen (z.B. schwere Gefäße be-sonders in Großküchen heben und bewegen), Arbeiten in der Küche, Arbeit bei Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit, Zugluft (z.B. bei der Arbeit am Herd), Arbeit bei Rauch, Staub, Gasen, Dämpfen (z.B. Dämpfe beim Braten oder Dünsten) (vgl. http://berufenet.arbeitsagentur.de Stichwort: Koch/Köchin). Eine zumutbare Verweisungstätigkeit hat die Beklagte nicht be-nannt und ist für den Senat nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat ab dem 1. Juli 2005 jeweils für drei Jahre befristet Anspruch auf Gewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Sachverständigen bestätigen das Vorliegen der genannten Einschränkungen des Restleistungsvermögens der Klägerin seit der Rentenantragstellung am 23. Dezember 2004. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden u.a. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet und zwar nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbs-fähigkeit (§ 101 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Die Befristung folgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn und kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Ren-tenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfä-higkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Ein Dauerzustand ist hier nicht anzunehmen, denn er liegt erst dann vor, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch danach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Hier führen alle Sachverständigen aus, dass durch eine psycho-therapeutische Behandlung und Gewichtsabnahme eine Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin jedenfalls möglich ist. Ob sie diese Behandlungsoptionen in Anspruch nehmen wird, ändert an der grundsätzlichen Möglichkeit nichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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