Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1854/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1984/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.04.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Zugunstenwege die Feststellung einer Schwerhörigkeit als Be-rufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 (im Folgenden: BK 2301) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der am 1954 geborene Kläger war nach seiner Ausbildung und der sich anschließenden Tätigkeit in einer Fräserei, der Ableistung seines Wehrdienstes sowie der Ausübung einer Montagetätigkeit bei der Firma B. Feintechnik GmbH von November 1981 bis Dezember 1982 in der Au-tomatendreherei beschäftigt. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der insoweit zu-ständigen Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik war der Kläger unter Zu-grundelegung der Erfahrungswerte an vergleichbaren Arbeitsplätzen nur bei der Firma B. Lärm-belastungen ausgesetzt [Beurteilungspegel von 85 bis 90 dB(A)]. Seit Januar 1983 ist der Kläger bei der L. Maschinenbau und Diamantwerkzeuge GmbH (Firma L. ) als Maschinenführer im Bereich der CNC-Maschinen tätig. Nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklag-ten war der Kläger bis Dezember 1992 unter Zugrundelegung des Berichtes über eine Messung vom 25.01.1991 an einem vergleichbaren Arbeitsplatz an seinem Arbeitsplatz einem Beurtei-lungspegel von 81 dB(A) ausgesetzt. Im Hinblick auf den Arbeitsplatz des Klägers in der ab Ja-nuar 1993 genutzten neuen Betriebsstätte, der seither unverändert geblieben war, führte der Prä-ventionsdienst der Beklagten am 17.07.2001 Schallpegelmessungen durch und ermittelte einen Beurteilungspegel von 85 dB(A). Für den Arbeitsplatz des Klägers, an dem er für 50 bis 60 Tage pro Jahr wegen Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung tätig ist, ermittelte sie einen Beurteilungspe-gel von 95 dB(A).
Im Januar 2001 ging bei der Beklagten die ärztliche Anzeige über eine BK des HNO-Arztes Dr. D. ein, der beim Kläger eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit diagnostizierte, die er auf Lärmeinwirkung zurückführte. Er legte das Tonaudiogramm der am 04.01.2001 durchgeführ-te Untersuchung sowie das Tonaudiogramm vom 12.03.1991 seines Praxisvorgängers vor. Nach Ermittlung der - oben dargelegten - lärmbelastenden Tätigkeiten veranlasste die Beklagte das Gutachten des HNO-Arztes Dr. K. , der auf Grund des von ihm am 05.03.2002 gefertigten Sprachaudiogramms einen prozentualen Hörverlust von rechts 80 % und links 60 % beschrieb und auf Grund der audiometrischen und überschwelligen Messungen eindeutige Hinweise für einen Cochlearschaden sah. Wegen der beruflichen Lärmbelastung von November 1981 bis De-zember 1982 und seit Januar 1993 ging er von einer lärmtraumatischen Ursache der festgestellten Hörminderung aus. Der von der Beklagten sodann hinzugezogene Beratungsarzt Dr. S. , HNO-Arzt, führte den überwiegenden Teil der Gesamtschwerhörigkeit mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf die Lärmbelastung zurück, nachdem bereits nach einjähriger Arbeit in Lärmbelastung eine Schwerhörigkeit dokumentiert sei und der audiologische Befund einen lärmuntypischen Schrägverlauf zeige. Untypisch für den Verlauf einer Lärmschwerhörigkeit sei zudem die dramatische Verschlechterung der Hörleistung zwischen September 2001 und der Begutachtung durch Dr. K. im März 2002. Untypisch für eine Lärmschwerhörigkeit sei zudem die Differenz des Hörverlustes, die sich aus dem Tonschwellenaudiogramm und dem Sprachaudiogramm er-gebe, die auf eine zentrale Komponente der Schwerhörigkeit hinweise. Ein möglicherweise be-ruflich bedingter Teil der erheblichen Gesamtschwerhörigkeit stelle kein wesentlicher Teil der Gesamtschwerhörigkeit dar.
Mit Bescheid vom 10.09.2002 und Widerspruchsbescheid vom 27.02.2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Schwerhörigkeit des Klägers als BK 2301 sodann ab.
Im Mai 2010 stellte der Kläger einen "Verschlimmerungsantrag", den er damit begründete, dass sich sein Gehör weiter verschlechtert habe und er auch an einem hochgradigen Tinnitus leide. Die Beklagte zog bei Dr. D. Audiogramme über die am 27.04.2007 und 23.12.2009 durchgeführten Untersuchungen bei. Eine Rückfrage bei der Firma L. ergab, dass der Arbeitsplatz des Klägers seit der erfolgten Messung im Juli 2001 unverändert geblieben war. Die Beklagte veranlasste sodann das Gutachten des HNO-Arztes Dr. M. , der bei der audiometrischen Untersuchung im Januar 2011 eine pantonale Hörstörung um 60 bis 70 dB rechts und zwischen 40 und 70 dB links beschrieb, mithin eine Hörverschlechterung im tiefen Frequenzbereich seit der Begutachtung 2002, insbesondere rechtsseitig. Der Tinnitus sei im tiefen Frequenzbereich angesiedelt, und zwar dem Ort der Hörschädigung, die sich nach 2001 in ausgeprägter Weise und kurzer Zeit entwickelt habe. Hierdurch sei eine Lärmbedingtheit der Hörschädigung als unwahrscheinlich anzusehen. Insgesamt sah er keine Hinweise darauf, dass die Hörstörung und der beklagte Tinni-tus ursächlich auf die Arbeitsplatzbedingungen zurückzuführen sein könnte. Innerhalb des fest-gestellten Hörschadens könne wegen des Hochtonabfalls im Audiogramm vom September 2001 zwar nicht ganz ausgeschlossen werden, dass dieser Schadensanteil beruflich verursacht wurde, jedoch trete dieser wegen der geringen beruflichen Lärmbelastung in der Gesamtentwicklung so weit zurück, dass eine wesentliche Teilursache zu verneinen sei.
Mit Bescheid vom 23.02.2011 lehnte es die Beklagte daraufhin ab, den Bescheid vom 10.09.2002 gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zurückzunehmen. Hinweise darauf, dass sie bei Erlass des damaligen Bescheides von einem falschen Sachverhalt ausgegangen oder das Recht falsch angewandt habe, ergäben sich nicht. Im Vergleich zu den Hörprüfungen 2001 bzw. 2002 sei zwischenzeitlich lediglich eine Verschlechterung in den tiefen Frequenzen, insbesondere des rechten Ohres, eingetreten und der Tinnitus habe sich in nur kurzer Zeit nach 2001 entwickelt. Dies sei für eine lärmbedingte Ursache untypisch. Messwerte, Anamnese und die rasche Progredienz des Hörverlustes seit 2001 sprächen gegen einen Zusam-menhang mit der beruflichen Tätigkeit. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15.06.2011).
Am 12.07.2011 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und unter Hinweis auf den zwischenzeitlich anerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 50 und die Anerkennung des Merkzeichens "RF" geltend gemacht, es sei klar erkennbar, dass sich seine Hörstörung weiter verschlechtert habe.
Das SG hat Dr. D. und Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. D. hat sich der Beurteilung des Dr. M. angeschlossen. Dr. K. hat eine berufliche Verursachung der Schwerhörigkeit nicht ausschließen wollen. Das SG hat darüber hinaus das hno-ärztliche Gut-achten des Prof. Dr. M. eingeholt, der die Schwerhörigkeit des Klägers nur zu einem sehr gerin-gen Teil, und zwar lediglich den Hochtonanteil, auf die berufliche Lärmexposition zurückgeführt hat. Überwiegend handele es sich um eine lärmuntypische Schwerhörigkeit. Es bestehe eine an-nähernd pancochleäre Hörminderung von 50 bis 70 dB, was am ehesten auf eine hereditäre (er-bliche) Schwerhörigkeit schließen lasse und somit keinen Bezug zu stattgehabten beruflichen Lärmexposition habe. Auch der Tinnitus sei nicht lärmbedingt, da er sich nicht im punctum ma-ximum der Hörminderung verdecken lassen und die Verdeckungskurve einem Distanztyp ent-spreche.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte das Vorliegen einer BK 2301 in Form einer geringfügigen Innenohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beidseits mit einer MdE um weniger als 10 von Hundert (v.H.) anerkannt. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenom-men. Die im Übrigen fortgeführte Klage hat das SG mit Urteil vom 17.04.2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Gutachten des Dr. M. , des Dr. S. und des Prof. Dr. M. verwiesen, die die Hörstörung des Klägers - soweit diese noch im Streits stehe - übereinstimmend nicht durch Lärmbelastung verursacht gesehen haben. Soweit Dr. K. in Abweisung zu seinem früheren Gutachten nunmehr eine berufliche Ursache lediglich nicht ausschließen wollte, lasse sich hieraus mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kein Ursachenzusammenhang herleiten.
Am 11.05.2012 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und gestützt auf das Gutachten des Dr. K. geltend gemacht, der Gutachter habe eindeutig eine lärm-traumatische Hörschädigung bestätigt. Da er nachweisbar in der Regel bei einem Lärmpegel von 95 dB(A) gearbeitet habe, sei eindeutig, dass die Schwerhörigkeit auf die jahrelange Lärmbelas-tung am Arbeitsplatz zurückzuführen sei. Dass sich eine solche entwickeln könne, sei durch Stu-dien festgestellt, so dass es vorliegend lediglich noch darum gehe, wie hoch die MdE sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.04.2012 aufzuheben sowie die Be-klagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 23.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2011 zu verurteilen, unter weiterer Rücknahme des Bescheides vom 10.09.2002 auch die Innenohrschwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich als BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genom-men.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG eine geringfügige Innenohr-schwerhörigkeit beidseits im Hochtonbereich als BK 2301 mit einer MdE von weniger als 10 v.H. und damit in nicht rentenberechtigendem Ausmaß anerkannt hat, ist mit der Annahme dieses Teilanerkenntnisses - vom SG zutreffend dargelegt - der Rechtsstreit insoweit erledigt (§ 101 Abs. 2 SGG). Gegenstand des Berufungsverfahrens ist daher alleine noch die Frage, ob die darüber hinaus vorliegende Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich (einschließlich des Tinnitus) auf berufliche Lärmeinwirkungen zurückzuführen ist und sich damit gleichermaßen als BK darstellt, es sich mithin bei der Gesamthörstörung des Klägers um eine BK nach Nr. 2301 handelt.
Soweit das SG die Klage diesbezüglich abgewiesen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Denn die über den anerkannten Anteil hinausgehende Hörstörung ist nicht mit hinreichender Wahrschein-lichkeit auf den arbeitsplatzbedingten Lärm zurückzuführen und damit auch keine Lärmschwer-hörigkeit im Sinne der BK 2301. Insoweit lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 23.02.2011 daher zu Recht ab, den Bescheid vom 10.09.2002 zurückzunehmen und eine BK 2301 festzustel-len. Denn dieser Bescheid ist insoweit nicht rechtswidrig und war auf den sinngemäß gestellten Zugunstenantrag des Klägers auch nicht zurückzunehmen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Prüfung des Anspruchs der Klägerin auf eine Rück-nahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung nach § 44 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X zu rich-ten hat. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass vom einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde und soweit des-halb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar ge-worden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Da im bestandskräftig gewor-denen Bescheid vom 10.09.2002 hinsichtlich der jetzt von der Klägerin zur Überprüfung gestell-ten Frage des Vorliegens einer BK auch hinsichtlich der Innenohrschwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich an sich nicht über Leistungen entschieden wurde, könnten Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gesehen werden. Für die Anwendung dieser Regelung (so auch ohne weitere Problematisierung für die streitige Feststellung eines Arbeitsunfalls: BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R in SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 18) spricht jedoch, dass es bei der Feststellung einer BK letztendlich in der Regel doch (indirekt) um Leistungsansprüche geht. Zudem erscheint der die Feststellung einer BK begehrende potentielle Leistungsempfänger insoweit, als ihn § 44 Abs. 1 SGB X gegenüber dem alternativ in Betracht kommenden § 44 Abs. 2 SGB X privilegiert, schutzwürdig. Denn im Anwendungsbereich des Abs. 1 ist eine gebundene Entscheidung über die Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen, während der Behörde im Anwendungsbereich des Abs. 2 ein Ermessensspielraum gewährt wird. Letztlich kann die Frage, ob Abs. 1 oder Abs. 2 des § 44 SGB X anzuwenden ist, offen bleiben, da auch nach § 44 Abs. 2 SGB X Voraussetzung wäre, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war.
Das kann hier indes nicht festgestellt werden. Denn soweit die Beklagte es der Sache nach mit Bescheid vom 10.09.2002 ablehnte, die Schwerhörigkeit des Klägers im Mittel- und Tieftonbe-reich als BK 2301 anzuerkennen, wandte sie das Recht weder unrichtig an noch ging sie von einem Sachverhalt aus, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat. Vielmehr erkannte sie den in Rede stehenden Anteil der Schwerhörigkeit zu Recht nicht als Lärmschwerhörigkeit, mit-hin als BK, an.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechts-verordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in-folge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätig-keit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch beson-dere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV eine Lärm-schwerhörigkeit.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeits-unfall bzw. BK) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hin-sichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädi-genden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller we-sentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammen-hang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Ver-fahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des je-weiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt sich die Gesamthörstörung des Klägers, d.h. insbeson-dere die im Streit stehende Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich nicht als Lärm-schwerhörigkeit dar.
Zwar war der Kläger - wie die Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten ergaben - während seiner beruflichen Tätigkeit Lärmexpositionen ausgesetzt, die zur Entwicklung einer Schwerhörigkeit führen können, jedoch reicht alleine der Umstand, dass der Kläger berufsbe-dingten Lärmbelastungen ausgesetzt war - entgegen der von ihm vertretenen Ansicht - für die Anerkennung der Hörstörung als Lärmschwerhörigkeit nicht aus. Zutreffend geht der Kläger zwar davon aus, dass seine jahrelange Lärmbelastung zu einer Lärmschwerhörigkeit führen kann, jedoch verkennt er, dass das zeitliche Zusammenfallen einer Lärmeinwirkung mit dem Entstehen einer Schwerhörigkeit alleine nicht ausreicht, um von einer Lärmschwerhörigkeit auszugehen. Schließlich führt das Innehaben eines Lärmarbeitsplatzes nicht zwangsläufig zu einer Lärmschwerhörigkeit. Vielmehr ist eine Lärmschwerhörigkeit eine vergleichsweise selten auftre-tende Erkrankung, wobei nur 5 % der Lärmarbeiter (100.000 von ca. 2 Millionen) eine Lärm-schwerhörigkeit aufweisen (vgl. Senatsurteil vom 19.01.2012, L U 10 4615/09). Eine Lärm-schwerhörigkeit setzt nicht nur eine Lärmeinwirkung, sondern regelmäßig auch das Vorliegen eines typischen audiologischen Befundes und Krankheitsverlaufs voraus.
Im Hinblick auf die Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten geht der Senat davon aus, dass der Kläger relevanten beruflichen Lärmbelastungen für die Entwicklung einer Lärm-schwerhörigkeit von November 1981 bis Dezember 1982 mit einem Beurteilungspegel von 85 bis 90 dB(A) ausgesetzt war und seit Januar 1983 Lärmbelastungen mit einem Beurteilungspegel von 85 dB(A), allerdings für 50 bis 60 Tage pro Jahr einem Beurteilungspegel von 95 dB(A).
Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung daher geltend gemacht hat, bei einem Lärm-pegel von 95 dB(A) gearbeitet zu haben, trifft dies zwar für die oben genannte Zeitspanne zu, nicht aber für das gesamte Berufsleben des Klägers. Die Richtigkeit der oben dargelegten Ermitt-lungsergebnisse des Präventionsdienstes der Beklagten, die der Senat seiner Beurteilung zugrun-de legt, hat der Kläger im Übrigen auch zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens in Zweifel gezogen.
Das SG hat im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend auf der Grundlage der von der Beklagten und im Klageverfahren durchgeführten Sachaufklärung dargelegt, dass und aus wel-chen Gründen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Lärmbelastung und jenen Gesundheitsstörungen, die nicht von der Beklagten anerkannt worden sind, also die Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich einschließlich des im Tieftonbereich angesiedelten Tinnitus, nicht wahrscheinlich ist. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Das Vorbringen des Klägers gibt Anlass zu dem ausdrücklichen Hinweis, dass keiner der am Verfahren beteiligten Fachärzte den von ihm behaupteten Zusammenhang seiner Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich mit den beruflichen Einwirkungen bestätigt hat. Auch der den Kläger behandelnde HNO-Arzt Dr. D. hat einen solchen Zusammenhang nicht gesehen und sich vielmehr der Einschätzung des Gutachters Dr. M. angeschlossen. Auch Dr. K. - auf dessen Gutachten sich der Kläger stützt - hat eine lärmbedingte Ursache für die in Rede stehende Hörstörung nicht bejaht. Während er im Rahmen seines Gutachtens vom März 2002 die lärmtraumatische Ursache der Hörstörung noch alleine aus der Lärmexposition abgeleitet hat, ist er im Rahmen seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge hiervon nunmehr abgerückt und hat eine lärmbedingte Ursache der Schwerhörigkeit nun lediglich nicht mehr aus-schließen wollen. Damit hat er zwar noch die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs gesehen, jedoch die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nach den obigen Darlegungen erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit ebenso wenig wie Dr. S. , Dr. M. , Dr. D. und der Sachverständige Prof. Dr. M. bejaht. Ohnehin bezieht sich diese Beurteilung in seiner Auskunft ausschließlich auf die gar nicht mehr streitige Hochtonschwerhörigkeit. Für die Defizite im Tief-tonbereich hat auch Dr. K. andere Ursachen angeführt (chronische Halswirbelsäulendegenerati-onen).
Nach alledem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Zugunstenwege die Feststellung einer Schwerhörigkeit als Be-rufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 (im Folgenden: BK 2301) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der am 1954 geborene Kläger war nach seiner Ausbildung und der sich anschließenden Tätigkeit in einer Fräserei, der Ableistung seines Wehrdienstes sowie der Ausübung einer Montagetätigkeit bei der Firma B. Feintechnik GmbH von November 1981 bis Dezember 1982 in der Au-tomatendreherei beschäftigt. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der insoweit zu-ständigen Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik war der Kläger unter Zu-grundelegung der Erfahrungswerte an vergleichbaren Arbeitsplätzen nur bei der Firma B. Lärm-belastungen ausgesetzt [Beurteilungspegel von 85 bis 90 dB(A)]. Seit Januar 1983 ist der Kläger bei der L. Maschinenbau und Diamantwerkzeuge GmbH (Firma L. ) als Maschinenführer im Bereich der CNC-Maschinen tätig. Nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklag-ten war der Kläger bis Dezember 1992 unter Zugrundelegung des Berichtes über eine Messung vom 25.01.1991 an einem vergleichbaren Arbeitsplatz an seinem Arbeitsplatz einem Beurtei-lungspegel von 81 dB(A) ausgesetzt. Im Hinblick auf den Arbeitsplatz des Klägers in der ab Ja-nuar 1993 genutzten neuen Betriebsstätte, der seither unverändert geblieben war, führte der Prä-ventionsdienst der Beklagten am 17.07.2001 Schallpegelmessungen durch und ermittelte einen Beurteilungspegel von 85 dB(A). Für den Arbeitsplatz des Klägers, an dem er für 50 bis 60 Tage pro Jahr wegen Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung tätig ist, ermittelte sie einen Beurteilungspe-gel von 95 dB(A).
Im Januar 2001 ging bei der Beklagten die ärztliche Anzeige über eine BK des HNO-Arztes Dr. D. ein, der beim Kläger eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit diagnostizierte, die er auf Lärmeinwirkung zurückführte. Er legte das Tonaudiogramm der am 04.01.2001 durchgeführ-te Untersuchung sowie das Tonaudiogramm vom 12.03.1991 seines Praxisvorgängers vor. Nach Ermittlung der - oben dargelegten - lärmbelastenden Tätigkeiten veranlasste die Beklagte das Gutachten des HNO-Arztes Dr. K. , der auf Grund des von ihm am 05.03.2002 gefertigten Sprachaudiogramms einen prozentualen Hörverlust von rechts 80 % und links 60 % beschrieb und auf Grund der audiometrischen und überschwelligen Messungen eindeutige Hinweise für einen Cochlearschaden sah. Wegen der beruflichen Lärmbelastung von November 1981 bis De-zember 1982 und seit Januar 1993 ging er von einer lärmtraumatischen Ursache der festgestellten Hörminderung aus. Der von der Beklagten sodann hinzugezogene Beratungsarzt Dr. S. , HNO-Arzt, führte den überwiegenden Teil der Gesamtschwerhörigkeit mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf die Lärmbelastung zurück, nachdem bereits nach einjähriger Arbeit in Lärmbelastung eine Schwerhörigkeit dokumentiert sei und der audiologische Befund einen lärmuntypischen Schrägverlauf zeige. Untypisch für den Verlauf einer Lärmschwerhörigkeit sei zudem die dramatische Verschlechterung der Hörleistung zwischen September 2001 und der Begutachtung durch Dr. K. im März 2002. Untypisch für eine Lärmschwerhörigkeit sei zudem die Differenz des Hörverlustes, die sich aus dem Tonschwellenaudiogramm und dem Sprachaudiogramm er-gebe, die auf eine zentrale Komponente der Schwerhörigkeit hinweise. Ein möglicherweise be-ruflich bedingter Teil der erheblichen Gesamtschwerhörigkeit stelle kein wesentlicher Teil der Gesamtschwerhörigkeit dar.
Mit Bescheid vom 10.09.2002 und Widerspruchsbescheid vom 27.02.2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Schwerhörigkeit des Klägers als BK 2301 sodann ab.
Im Mai 2010 stellte der Kläger einen "Verschlimmerungsantrag", den er damit begründete, dass sich sein Gehör weiter verschlechtert habe und er auch an einem hochgradigen Tinnitus leide. Die Beklagte zog bei Dr. D. Audiogramme über die am 27.04.2007 und 23.12.2009 durchgeführten Untersuchungen bei. Eine Rückfrage bei der Firma L. ergab, dass der Arbeitsplatz des Klägers seit der erfolgten Messung im Juli 2001 unverändert geblieben war. Die Beklagte veranlasste sodann das Gutachten des HNO-Arztes Dr. M. , der bei der audiometrischen Untersuchung im Januar 2011 eine pantonale Hörstörung um 60 bis 70 dB rechts und zwischen 40 und 70 dB links beschrieb, mithin eine Hörverschlechterung im tiefen Frequenzbereich seit der Begutachtung 2002, insbesondere rechtsseitig. Der Tinnitus sei im tiefen Frequenzbereich angesiedelt, und zwar dem Ort der Hörschädigung, die sich nach 2001 in ausgeprägter Weise und kurzer Zeit entwickelt habe. Hierdurch sei eine Lärmbedingtheit der Hörschädigung als unwahrscheinlich anzusehen. Insgesamt sah er keine Hinweise darauf, dass die Hörstörung und der beklagte Tinni-tus ursächlich auf die Arbeitsplatzbedingungen zurückzuführen sein könnte. Innerhalb des fest-gestellten Hörschadens könne wegen des Hochtonabfalls im Audiogramm vom September 2001 zwar nicht ganz ausgeschlossen werden, dass dieser Schadensanteil beruflich verursacht wurde, jedoch trete dieser wegen der geringen beruflichen Lärmbelastung in der Gesamtentwicklung so weit zurück, dass eine wesentliche Teilursache zu verneinen sei.
Mit Bescheid vom 23.02.2011 lehnte es die Beklagte daraufhin ab, den Bescheid vom 10.09.2002 gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zurückzunehmen. Hinweise darauf, dass sie bei Erlass des damaligen Bescheides von einem falschen Sachverhalt ausgegangen oder das Recht falsch angewandt habe, ergäben sich nicht. Im Vergleich zu den Hörprüfungen 2001 bzw. 2002 sei zwischenzeitlich lediglich eine Verschlechterung in den tiefen Frequenzen, insbesondere des rechten Ohres, eingetreten und der Tinnitus habe sich in nur kurzer Zeit nach 2001 entwickelt. Dies sei für eine lärmbedingte Ursache untypisch. Messwerte, Anamnese und die rasche Progredienz des Hörverlustes seit 2001 sprächen gegen einen Zusam-menhang mit der beruflichen Tätigkeit. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15.06.2011).
Am 12.07.2011 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und unter Hinweis auf den zwischenzeitlich anerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 50 und die Anerkennung des Merkzeichens "RF" geltend gemacht, es sei klar erkennbar, dass sich seine Hörstörung weiter verschlechtert habe.
Das SG hat Dr. D. und Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. D. hat sich der Beurteilung des Dr. M. angeschlossen. Dr. K. hat eine berufliche Verursachung der Schwerhörigkeit nicht ausschließen wollen. Das SG hat darüber hinaus das hno-ärztliche Gut-achten des Prof. Dr. M. eingeholt, der die Schwerhörigkeit des Klägers nur zu einem sehr gerin-gen Teil, und zwar lediglich den Hochtonanteil, auf die berufliche Lärmexposition zurückgeführt hat. Überwiegend handele es sich um eine lärmuntypische Schwerhörigkeit. Es bestehe eine an-nähernd pancochleäre Hörminderung von 50 bis 70 dB, was am ehesten auf eine hereditäre (er-bliche) Schwerhörigkeit schließen lasse und somit keinen Bezug zu stattgehabten beruflichen Lärmexposition habe. Auch der Tinnitus sei nicht lärmbedingt, da er sich nicht im punctum ma-ximum der Hörminderung verdecken lassen und die Verdeckungskurve einem Distanztyp ent-spreche.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte das Vorliegen einer BK 2301 in Form einer geringfügigen Innenohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beidseits mit einer MdE um weniger als 10 von Hundert (v.H.) anerkannt. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenom-men. Die im Übrigen fortgeführte Klage hat das SG mit Urteil vom 17.04.2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Gutachten des Dr. M. , des Dr. S. und des Prof. Dr. M. verwiesen, die die Hörstörung des Klägers - soweit diese noch im Streits stehe - übereinstimmend nicht durch Lärmbelastung verursacht gesehen haben. Soweit Dr. K. in Abweisung zu seinem früheren Gutachten nunmehr eine berufliche Ursache lediglich nicht ausschließen wollte, lasse sich hieraus mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kein Ursachenzusammenhang herleiten.
Am 11.05.2012 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und gestützt auf das Gutachten des Dr. K. geltend gemacht, der Gutachter habe eindeutig eine lärm-traumatische Hörschädigung bestätigt. Da er nachweisbar in der Regel bei einem Lärmpegel von 95 dB(A) gearbeitet habe, sei eindeutig, dass die Schwerhörigkeit auf die jahrelange Lärmbelas-tung am Arbeitsplatz zurückzuführen sei. Dass sich eine solche entwickeln könne, sei durch Stu-dien festgestellt, so dass es vorliegend lediglich noch darum gehe, wie hoch die MdE sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.04.2012 aufzuheben sowie die Be-klagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 23.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2011 zu verurteilen, unter weiterer Rücknahme des Bescheides vom 10.09.2002 auch die Innenohrschwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich als BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genom-men.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG eine geringfügige Innenohr-schwerhörigkeit beidseits im Hochtonbereich als BK 2301 mit einer MdE von weniger als 10 v.H. und damit in nicht rentenberechtigendem Ausmaß anerkannt hat, ist mit der Annahme dieses Teilanerkenntnisses - vom SG zutreffend dargelegt - der Rechtsstreit insoweit erledigt (§ 101 Abs. 2 SGG). Gegenstand des Berufungsverfahrens ist daher alleine noch die Frage, ob die darüber hinaus vorliegende Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich (einschließlich des Tinnitus) auf berufliche Lärmeinwirkungen zurückzuführen ist und sich damit gleichermaßen als BK darstellt, es sich mithin bei der Gesamthörstörung des Klägers um eine BK nach Nr. 2301 handelt.
Soweit das SG die Klage diesbezüglich abgewiesen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Denn die über den anerkannten Anteil hinausgehende Hörstörung ist nicht mit hinreichender Wahrschein-lichkeit auf den arbeitsplatzbedingten Lärm zurückzuführen und damit auch keine Lärmschwer-hörigkeit im Sinne der BK 2301. Insoweit lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 23.02.2011 daher zu Recht ab, den Bescheid vom 10.09.2002 zurückzunehmen und eine BK 2301 festzustel-len. Denn dieser Bescheid ist insoweit nicht rechtswidrig und war auf den sinngemäß gestellten Zugunstenantrag des Klägers auch nicht zurückzunehmen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Prüfung des Anspruchs der Klägerin auf eine Rück-nahme der bestandskräftig gewordenen Ablehnung nach § 44 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X zu rich-ten hat. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass vom einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde und soweit des-halb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar ge-worden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Da im bestandskräftig gewor-denen Bescheid vom 10.09.2002 hinsichtlich der jetzt von der Klägerin zur Überprüfung gestell-ten Frage des Vorliegens einer BK auch hinsichtlich der Innenohrschwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich an sich nicht über Leistungen entschieden wurde, könnten Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gesehen werden. Für die Anwendung dieser Regelung (so auch ohne weitere Problematisierung für die streitige Feststellung eines Arbeitsunfalls: BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R in SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 18) spricht jedoch, dass es bei der Feststellung einer BK letztendlich in der Regel doch (indirekt) um Leistungsansprüche geht. Zudem erscheint der die Feststellung einer BK begehrende potentielle Leistungsempfänger insoweit, als ihn § 44 Abs. 1 SGB X gegenüber dem alternativ in Betracht kommenden § 44 Abs. 2 SGB X privilegiert, schutzwürdig. Denn im Anwendungsbereich des Abs. 1 ist eine gebundene Entscheidung über die Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen, während der Behörde im Anwendungsbereich des Abs. 2 ein Ermessensspielraum gewährt wird. Letztlich kann die Frage, ob Abs. 1 oder Abs. 2 des § 44 SGB X anzuwenden ist, offen bleiben, da auch nach § 44 Abs. 2 SGB X Voraussetzung wäre, dass die Beklagte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war.
Das kann hier indes nicht festgestellt werden. Denn soweit die Beklagte es der Sache nach mit Bescheid vom 10.09.2002 ablehnte, die Schwerhörigkeit des Klägers im Mittel- und Tieftonbe-reich als BK 2301 anzuerkennen, wandte sie das Recht weder unrichtig an noch ging sie von einem Sachverhalt aus, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat. Vielmehr erkannte sie den in Rede stehenden Anteil der Schwerhörigkeit zu Recht nicht als Lärmschwerhörigkeit, mit-hin als BK, an.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechts-verordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in-folge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätig-keit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch beson-dere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV eine Lärm-schwerhörigkeit.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeits-unfall bzw. BK) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hin-sichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädi-genden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller we-sentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammen-hang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Ver-fahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des je-weiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt sich die Gesamthörstörung des Klägers, d.h. insbeson-dere die im Streit stehende Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich nicht als Lärm-schwerhörigkeit dar.
Zwar war der Kläger - wie die Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten ergaben - während seiner beruflichen Tätigkeit Lärmexpositionen ausgesetzt, die zur Entwicklung einer Schwerhörigkeit führen können, jedoch reicht alleine der Umstand, dass der Kläger berufsbe-dingten Lärmbelastungen ausgesetzt war - entgegen der von ihm vertretenen Ansicht - für die Anerkennung der Hörstörung als Lärmschwerhörigkeit nicht aus. Zutreffend geht der Kläger zwar davon aus, dass seine jahrelange Lärmbelastung zu einer Lärmschwerhörigkeit führen kann, jedoch verkennt er, dass das zeitliche Zusammenfallen einer Lärmeinwirkung mit dem Entstehen einer Schwerhörigkeit alleine nicht ausreicht, um von einer Lärmschwerhörigkeit auszugehen. Schließlich führt das Innehaben eines Lärmarbeitsplatzes nicht zwangsläufig zu einer Lärmschwerhörigkeit. Vielmehr ist eine Lärmschwerhörigkeit eine vergleichsweise selten auftre-tende Erkrankung, wobei nur 5 % der Lärmarbeiter (100.000 von ca. 2 Millionen) eine Lärm-schwerhörigkeit aufweisen (vgl. Senatsurteil vom 19.01.2012, L U 10 4615/09). Eine Lärm-schwerhörigkeit setzt nicht nur eine Lärmeinwirkung, sondern regelmäßig auch das Vorliegen eines typischen audiologischen Befundes und Krankheitsverlaufs voraus.
Im Hinblick auf die Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten geht der Senat davon aus, dass der Kläger relevanten beruflichen Lärmbelastungen für die Entwicklung einer Lärm-schwerhörigkeit von November 1981 bis Dezember 1982 mit einem Beurteilungspegel von 85 bis 90 dB(A) ausgesetzt war und seit Januar 1983 Lärmbelastungen mit einem Beurteilungspegel von 85 dB(A), allerdings für 50 bis 60 Tage pro Jahr einem Beurteilungspegel von 95 dB(A).
Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung daher geltend gemacht hat, bei einem Lärm-pegel von 95 dB(A) gearbeitet zu haben, trifft dies zwar für die oben genannte Zeitspanne zu, nicht aber für das gesamte Berufsleben des Klägers. Die Richtigkeit der oben dargelegten Ermitt-lungsergebnisse des Präventionsdienstes der Beklagten, die der Senat seiner Beurteilung zugrun-de legt, hat der Kläger im Übrigen auch zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens in Zweifel gezogen.
Das SG hat im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend auf der Grundlage der von der Beklagten und im Klageverfahren durchgeführten Sachaufklärung dargelegt, dass und aus wel-chen Gründen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Lärmbelastung und jenen Gesundheitsstörungen, die nicht von der Beklagten anerkannt worden sind, also die Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich einschließlich des im Tieftonbereich angesiedelten Tinnitus, nicht wahrscheinlich ist. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Das Vorbringen des Klägers gibt Anlass zu dem ausdrücklichen Hinweis, dass keiner der am Verfahren beteiligten Fachärzte den von ihm behaupteten Zusammenhang seiner Schwerhörigkeit im Mittel- und Tieftonbereich mit den beruflichen Einwirkungen bestätigt hat. Auch der den Kläger behandelnde HNO-Arzt Dr. D. hat einen solchen Zusammenhang nicht gesehen und sich vielmehr der Einschätzung des Gutachters Dr. M. angeschlossen. Auch Dr. K. - auf dessen Gutachten sich der Kläger stützt - hat eine lärmbedingte Ursache für die in Rede stehende Hörstörung nicht bejaht. Während er im Rahmen seines Gutachtens vom März 2002 die lärmtraumatische Ursache der Hörstörung noch alleine aus der Lärmexposition abgeleitet hat, ist er im Rahmen seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge hiervon nunmehr abgerückt und hat eine lärmbedingte Ursache der Schwerhörigkeit nun lediglich nicht mehr aus-schließen wollen. Damit hat er zwar noch die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs gesehen, jedoch die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nach den obigen Darlegungen erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit ebenso wenig wie Dr. S. , Dr. M. , Dr. D. und der Sachverständige Prof. Dr. M. bejaht. Ohnehin bezieht sich diese Beurteilung in seiner Auskunft ausschließlich auf die gar nicht mehr streitige Hochtonschwerhörigkeit. Für die Defizite im Tief-tonbereich hat auch Dr. K. andere Ursachen angeführt (chronische Halswirbelsäulendegenerati-onen).
Nach alledem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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