L 8 SB 702/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 470/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 702/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.

Die 1948 geborene Klägerin beantragte am 17.11.2005 beim Landratsamt K. - Amt für Gesundheit und Versorgung - (LRA) erstmals die Feststellung des GdB. Sie legte hierzu verschiedene Arztberichte vor. Nach Auswertung dieser Unterlagen durch den Ärztlichen Dienst (gutachtliche Stellungnahme vom 04.02.2006) stellte das LRA mit Bescheid vom 10.02.2006 bei der Klägerin wegen Herzklappenfehler, Herzleistungsminderung, gering, Depression den GdB mit 20 seit dem 17.11.2005 fest.

Gegen den Bescheid vom 10.02.2006 legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, der Bescheid vom 10.02.2006 sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Nach ständiger aktueller Rechtsprechung sei nämlich in gleichgelagerten Fällen von einem Behinderungsgrad von 50 bis 70% ausgegangen worden. Mit den weiteren Krankheiten bei ihr sei daher eine Behinderung von 70% anzuerkennen.

Das LRA zog den ärztlichen Entlassungsbericht des Reha-Zentrums B. N., T., Abteilung Kardiologie vom 24.03.2006 bei, der mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.06.2006 ausgewertet wurde. Darin ist ausgeführt, aus dem Reha-Entlassungsbericht ergebe sich, dass eine Leistungsbeeinträchtigung des Herzens bei mittelschwerer Belastung bestehe. Im Belastungs-EKG sei die 75-Wattstufe erreicht worden ohne Auftreten von pathologischen Messdaten. Bei Reha-Abschluss sei es der Klägerin möglich gewesen, Spaziergänge für 30 bis 45 Minuten ohne Unterbrechung durchzuführen, die Teilnahme an einer Reha-Sportgruppe sei empfohlen worden. Für die Funktionsbeeinträchtigungen "Bluthochdruck, Herzleistungsminderung, Herzklappenfehler" wurde ein Teil-GdB von 40 und für "Depression" wurde ein Teil-GdB von 10 vorgeschlagen.

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 04.07.2006 stellte das LRA den GdB mit 40 seit 17.11.2005 fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2007 wurde der Widerspruch der Klägerin im Übrigen zurückgewiesen.

Dagegen erhob die Klägerin am 21.02.2007 Klage zum Sozialgericht Konstanz mit dem Begehren, einen GdB in Höhe von wenigstens 70 festzustellen. Zur Begründung machte der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, neben den kardiologischen Beeinträchtigungen bestünden bei der Klägerin auch psychische Beeinträchtigungen, Muskelbeschwerden, Konzentrationsschwäche, zu hohe Pulsfrequenzen, Kreislaufbeschwerden, Bluthochdruck, Atemnot, eine ACE-Hemmer-Unverträglichkeit, eine Betablockerunverträglichkeit, eine Penicilinallergie, Kontrastmittelunverträglichkeit, eine Unverträglichkeit von Blutgerinnungsmitteln und der Verlust eines großen Teiles des Dünndarmes. Hierzu legte die Klägerin verschiedene Arztberichte vor und entband die sie behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht.

Das SG holte den Befundbericht des Internisten Dr. K. vom 03.08.2007 ein, der vom Beklagten mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.02.2008 ausgewertet wurde. Hierbei wurde darauf hingewiesen, dass ein Verdacht auf proximale myotone Myopathie bei der Klägerin bestehe und dieser Verdacht könne nicht ohne weitere Abklärung in einer neurologischen Klinik, welche auf Muskelkrankheiten spezialisiert sei, näher eingestuft werden. Hierzu teilte der die Klägerin behandelnde Internist Dr. K. am 01.07.2008 mit, eine Abklärung des Myopathieverdachts sei nicht erfolgt, da die Klägerin aufgrund der vorausgegangenen häufigen Klinikbehandlungen eine ablehnende Haltung eingenommen habe.

Das SG holte von Dr. M. - Facharzt für Innere Medizin - das gerichtliche Sachverständigengutachten vom 15.12.2008 ein. Darin gelangte er zu dem Ergebnis, bei der Klägerin lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor: a) mittelschwere Herzleistungsminderung mit Mitralklappeninsuffizienz Grad II bis III, Trikuspidalklappeninsuffizienz Grad II, Bluthochdruck ohne Organbeteiligung (Teil-GdB 40), b) Muskelschwäche bei dystropher Myotonie (Einzel-GdB 40), c) Coxarthrose beidseits mit Einschränkung der Spreizfähigkeit, Skoliose und Osteochondrose der Lendenwirbelsäule (Teil-GdB 20), d) chronisch depressive Verstimmung (Teil-GdB 10). Die Leberzysten, die euthyreote Schilddrüsenvergrößerung und die hämodynamisch unwirksamen Herzrhythmusstörungen nach Katheteraplazio beinhalteten einen GdB von unter 10. Der Gesamt-GdB sei seit November 2005 mit 60 festzustellen.

Mit Schriftsatz vom 01.04.2009 erklärte sich der Beklagte im Wege des Vergleichs bereit, den GdB mit 60 ab 17.11.2005 festzustellen. Hierzu teilte der Bevollmächtigte der Klägerin dem Gericht mit, das Vergleichsangebot des Beklagten werde abgelehnt und stattdessen vorgeschlagen, den GdB mit 60 seit dem 01.06.1988 sowie das Merkzeichen "G" seit 1988 festzustellen. Hierzu teilte der Beklagte mit Schriftsatz vom 14.01.2010 mit, nach nochmaliger Überprüfung der vorliegenden Unterlagen komme eine rückwirkende Erhöhung des GdB auf 60 vor dem 17.11.2005 (erstmalige Antragstellung) nicht in Betracht. Die geltend gemachte Zuerkennung des Merkzeichens "G" sei nicht Streitgegenstand.

Mit Schriftsatz vom 14.06.2011 teilte der Beklagte mit, der Sohn der Klägerin habe vorgesprochen und u.a. darauf hingewiesen, dass seine Mutter den Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft für die Antragstellung beim Rentenversicherungsträger dringend benötige. Das LRA sei daher angewiesen worden, entsprechend dem Vergleichsangebot vom 01.04.2009 einen Bescheid zu erteilen, mit dem der GdB der Klägerin ab 17.11.2005 mit 60 festgestellt werde. Dieser Bescheid werde gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens.

Mit "Ausführungsbescheid" vom 24.05.2011 stellte das LRA den GdB mit 60 ab 17.11.2005 fest. Folgende Funktionsbeeinträchtigungen wurden der Bewertung des GdB zugrunde gelegt: Bluthochdruck, Herzleistungsminderung, Herzklappenfehler, Muskelkrankheit, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, Depression.

Das SG holte das orthopädische gerichtliche Sachverständigengutachten des Dr. B. vom 07.08.2011 ein. Der gerichtliche Sachverständige Dr. B. stellte bei der Klägerin folgende Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet fest: Chronisches ortsständiges generalisiertes degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Funktionsbehinderung der HWS, BWS und LWS und pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung bei altersadäquaten degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und mäßiger Fehlstatik der Wirbelsäule ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der oberen und unteren Extremitäten. Schmerzhafte Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke bei sehr fortgeschrittener Coxarthrose beidseits auf dem Boden einer geringen Residualdysplasie der Hüftgelenke und einer Coxa valga beidseits. Geringe mediale und deutliche femoropatellare Gonarthrose rechts ohne Funktionsbehinderung und ohne chronisch synoviale Reizerscheinungen des Kniegelenkes. Spreizfußdeformität beidseits ohne Funktionsbehinderung der Füße. Polyarthralgie und Polymyalgie. Dystrophische Myotonie Typ II. Das Wirbelsäulenleiden sei mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Die Hüfterkrankung sei mit einem Teil-GdB von 10 ab 17.11.2005 zu Recht anerkannt, unter Berücksichtigung der aktuellen Befunde sei der Teil-GdB hierfür aber künftig mit 20 anzusetzen. Der Gesamt-GdB sei künftig in einem Bereich von mindestens 70 bis 80 anzusiedeln. Ab November 2005 betrage der Gesamt-GdB 60. Eine rückwirkende Anerkennung eines Gesamt-GdB von 60 vor November 2005 sei nach Aktenlage nicht zu begründen.

Anschließend holte das SG das nervenärztlich-sozialmedizinische Gutachten des Dr. H. - Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - vom 28.09.2011 ein. Dr. H. gelangte zu dem Ergebnis, auf seinem Fachgebiet läge bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode mit somatischem Syndrom vor, die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sei. Bemerkenswert sei aber, dass überhaupt keine adäquate Behandlung durchgeführt werde, keine nervenärztliche Behandlung, keine Psychopharmaka, keine Psychotherapie. Die Herzleistungsminderung mit Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz und Bluthochdruck sei mit einem Einzel-GdB von 40, die Coxarthrose beidseits mit Funktionseinschränkung mit einem Einzel-GdB von 20 und die Neigung zu Wirbelsäulenbeschwerden mit leichter Funktionseinschränkung ohne radikuläre Symptomatik mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Den Gesamt-GdB schätze er seit November 2005 mit 60 ein.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.01.2012 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, nach Überzeugung des SG sei der GdB mit 60 ab der Antragstellung am 17.11.2005 bei der Klägerin zutreffend festgestellt worden. Für Bluthochdruck, Herzleistungsminderung und Herzklappenfehler sei ein Teil-GdB von 40 zu vergeben. Wegen Coxarthrose beidseits mit Einschränkung der Spreizfähigkeit sei noch ein Teil-GdB-Wert von 20 zu bewerten. Wegen Wirbelsäulenbeschwerden habe Dr. H. einen Teil-GdB von 10 vorgeschlagen, während Dr. B. insoweit einen Teil-GdB von 20 angenommen habe. Die rezidivierenden depressiven Störungen seien mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten.

Gegen den Gerichtsbescheid - der Klägerin gegen Zustellungsurkunde am 17.01.2012 zugestellt - hat die Klägerin am 17.02.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung beruft sich die Klägerin auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. B., wonach voraussichtlich ein Gesamt-GdB von mindestens 70 bis 80 in Ansatz gebracht werden müsse, vorbehaltlich eines noch einzuholenden psychiatrisch-psychotherapeutischen Gutachtens.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. Januar 2012 aufzuheben, den Bescheid vom 10. Februar 2006 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 4. Juli 2006 abzuändern, den Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2007 aufzuheben, den Teil-Anerkenntnisbescheid vom 24. Mai 2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den GdB in Höhe von wenigstens 70 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zum Erörterungstermin vom 05.03.2013 ist die Klägerin nicht erschienen. Mit Schriftsatz vom 02.03.2013 hat die Klägerin mitgeteilt, sie sei verhindert, zum Erörterungstermin vom 05.03.2013 zu erscheinen, da ihr mit Schreiben vom 20.02.2013 bestätigt worden sei, dass sie ab 03.03.2013 ärztlich behandelt werde.

In der mündlichen Verhandlung am 20.09.2013 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, wegen einer Myopathie träten im Oberschenkel bei längerem Gehen und Sitzen Schmerzen auf. Außerdem komme es bei ihr zu Herzrasen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Konstanz und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Konstanz mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 13.01.2012 festgestellt, dass die Funktionsbeeinträchtigungen bei der Klägerin zutreffend mit einem Gesamt-GdB von 60 festgestellt worden sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 60.

Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner Entscheidung den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin bleibt auszuführen:

Neue Gesichtspunkte, aus denen sich eine Verschlimmerung bei der Klägerin ableiten ließen, haben sich nicht ergeben. Aus dem vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. beschriebenen Umstand, dass keine nervenärztliche Behandlung und keine Psychotherapie durchgeführt wird und auch Psychopharmaka nicht eingenommen werden, ist eher abzuleiten, dass keine adäquate Behandlung der depressiven Störung durchgeführt wird, weshalb unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats (vgl. u. a. Urteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 -) allenfalls ein Teil-GdB von 20, nicht aber von 30, gerechtfertigt ist. Letztendlich kann dies dahinstehen, jedenfalls sind Gesichtspunkte für einen höheren Gesamt-GdB als 60 für den Senat nicht ersichtlich.

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) soweit vorliegend relevant inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).

Hiervon ausgehend begründen nach den Angaben der schriftlich als sachverständige Zeugen vom SG gehörten behandelnden Ärzte der Klägerin, die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte sowie die in den Gutachten von Dr. M. vom 15.12.2008, des Dr. B. vom 07.08.2011 und des Dr. H. vom 28.09.2011 nachgewiesenen Funktionsstörungen zur Überzeugung des Senats bei der Klägerin keinen höheren GdB als 60.

Das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 20.09.2013, dass die durch eine proximale Myopathie ausgelösten Behinderungen (Schmerzen beim längeren Gehen und Sitzen im Oberschenkel) nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, rechtfertigt keinen höheren GdB als 60.

Das Vorliegen einer solchen Erkrankung ist nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen und dem Ergebnis der im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend gesichert. Der Neurologe und Psychiater Dr. Dr. Z. hat bei der Klägerin lediglich die Verdachtsdiagnose einer (proximalen myotonen) Myopathie gestellt (Befundbericht vom 20.02.2006), die vom Reha-Zentrum B. N. im Reha-Entlassungsbericht vom 24.03.2006 übernommen worden ist. Zwar hat der Internist Dr. M. in seinem vom SG eingeholten Gutachten vom 15.12.2008 - aufgrund der Klinik und der elektromyographischen Befunde - eine bloße Verdachtsdiagnose verneint und das Vorliegen einer "Myotonie" bei der Klägerin (dystophe Myotonie Typ 2) für gesichert erachtet. Dr. B. hat in seinem orthopädischen Gutachten vom 07.08.2011 im Hinblick auf das Gutachten des Dr. M. das Vorliegen einer Muskelerkrankung der Klägerin als belegt unterstellt. Demgegenüber hat Dr. H. in seinem nervenärztlich-sozialmedizinischen Gutachten vom 28.09.2011 dargelegt, dass sich die Verdachtsdiagnose des Dr. Dr. Z. vom 20.02.2006 nicht hat bestätigen lassen, da sich bei der Untersuchung der Klägerin überhaupt kein Hinweis für das Vorliegen einer proximalen myotonen Myopathie ergeben hat. Damit steht zur Überzeugung des Senats nicht fest, dass die Klägerin (dauerhaft) an einer Myopathie (Muskelerkrankung) leidet.

Hierauf kommt es auch nicht entscheidend an. Denn selbst wenn vom Vorliegen einer Myopathie (Muskelerkrankung) der Klägerin zu ihren Gunsten ausgegangen wird, rechtfertigt dies keinen GdB von 70 (oder mehr). Allein das Vorliegen einer Gesundheitsstörung ist grundsätzlich nicht Gradmesser der Behinderung. Maßgeblich für die Bewertung des Teil-GdB sind vielmehr die durch eine Gesundheitsstörung hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen. Dass die Myopathie Funktionsbeeinträchtigungen auslöst, die eine Bewertung des GdB mit 70 (oder mehr) rechtfertigt, trifft bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht zu. Nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Befundbeschreibungen in den Gutachten des Dr. B. vom 07.08.2011 und des Dr. H. vom 28.09.2011 bestehen bei der Klägerin seitengleich weitgehend regelgerechte Muskel- und Gelenkkonturen bei seitengleich kräftig ausgeprägter Fußsohlenbeschwielung. Auch sonst bestehen bei der Klägerin, bis auf ein diskretes Ödem, keine Auffälligkeiten der unteren Gliedmaßen. Es bestehen eine seitengleich ungestörte Sensibilität, Motorik und grobe Kraft der Beine. Ein Hinweis auf das Vorliegen von latenten Paresen oder isolierten Muskelatrophien besteht nicht. Damit liegen durch eine - zu Gunsten der Klägerin unterstellten - Myopathie keine zusätzlich zu berücksichtigenden Funktionsbehinderungen vor. Vielmehr ist - allenfalls - von leichten Funktionsbehinderungen auszugehen, die in dem zuerkannten GdB von 60 erfasst sind. Dies gilt auch für das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung außerdem geltend gemachte Auftreten von Herzrasen. Auch Dr. M. und Dr. B. gehen (u.a.) unter Einbeziehung einer Myopathie/Myotonie und einer Herzleistungsminderung in ihren Gutachten übereinstimmend von einem Gesamt-GdB von 60 aus. Dem entspricht auch die Bewertung des Gesamt-GdB mit 60 durch Dr. H. in seinem Gutachten.

Anlass für weitere Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungserheblichen Sachverhalt durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und aufgrund der drei gerichtlichen Sachverständigengutachten, die das SG eingeholt hat, für geklärt. Vom Antragsrecht nach § 109 SGG, worauf die Klägerin im Berufungsverfahren hingewiesen worden ist, hat diese keinen Gebrauch gemacht.

Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Von der Verhängung von Mutwillenskosten nach § 192 SGG hat der Senat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens abgesehen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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