Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 9 AL 48/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 SF 208/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Sozialgericht Potsdam wird zum zuständigen Gericht bestimmt.
Gründe:
I.
In dem hier zu Grunde liegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin, die durch ihre Behörde in Cottbus vertreten wird, den Beklagten, der seinen Geschäftssitz und Wohnort im Zuständigkeitsbereich des Sozialgerichts Potsdam (SG Potsdam) hat, auf Zahlung von 676,99 EUR in Anspruch und beruft sich dazu auf einen Schadensersatzanspruch.
Die Klage ist am 20. Mai 2010 beim Arbeitsgericht Potsdam anhängig gemacht worden. Dieses Gericht hat mit Beschluss vom 23. September 2010 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht gegeben erklärt und den Rechtsstreit an das SG Potsdam verwiesen. Der Beschluss ist von den Beteiligten nicht angefochten worden.
Am 03. Februar 2011 verfügte die Vorsitzende der 18. Kammer des SG Potsdam die Fertigung eines Schreiben an die Klägerin: Es sei festgestellt worden, dass diese zur Zeit der Klageerhebung ihren Sitz in Cottbus habe. Für das Verfahren sei das Sozialgericht Cottbus (SG Cottbus) örtlich zuständig (§ 57 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Es sei beabsichtigt, die Streitsache an dieses Gericht zu verweisen. Weiter heißt es in der Verfügung: "Falls Sie zur Zeit der Klageerhebung im Bezirk des Sozialgerichts Potsdam beschäftigt waren, kann auch dieses Gericht zuständig sein. In diesem Fall ist das Beschäftigungsverhältnis unter Angabe des Beschäftigungsortes nachzuweisen."
Mit Beschluss vom 22. Februar 2011 erklärte sich das SG Potsdam für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das SG Cottbus. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG dasjenige Sozialgericht örtlich zuständig sei, in dessen Bezirk die Klägerin zur Zeit der Klageerhebung ihren Sitz oder Wohnsitz, in Ermangelung dessen, ihren Aufenthaltsort habe. Zur Zeit der Klageerhebung habe die Klägerin ihren Sitz in Cottbus gehabt.
Die Akte ging am 11. März 2011 beim SG Cottbus ein. Der Beklagte beantragte am 14. April 2011 eine Streitverkündung. Der Vorsitzende der 19. Kammer des Sozialgerichts Cottbus teilte ihm mit Verfügung vom 14. April 2011 mit, seiner Auffassung nach gebe es im SGG keine Streitverkündung. Der Beklagte hat daraufhin am 13. Mai 2011 die Beiladung der betreffenden Person beantragt. Der Vorsitzende hat dann am 10. August 2011 eine Wiedervorlagefrist von sechs Monaten verfügt sowie am 19. Februar 2012 die Lagerung der Akte im Fach der zur Hauptverhandlung anstehenden Rechtsstreitigkeiten ("VT").
Am 10. Oktober 2012 hat der Vorsitzende der 9. Kammer des SG Cottbus, auf die die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Rechtsstreit offenbar übergegangen ist, verfügt, den Beteiligten das neue Aktenzeichen zur Kenntnis zu geben. Mit Verfügung vom 17. Dezember 2012 (ausgeführt erst am 17. Januar 2013) hat er die Beteiligten zur beabsichtigten Anrufung des Landessozialgerichts angehört.
Mit Beschluss vom 04. Juni 2013 -von der Geschäftsstelle ausgefertigt am 11. Juli 2013- hat das SG das hiesige Gericht ersucht, das örtlich zuständige Sozialgericht zu bestimmen. Das SG Cottbus fühle sich an die Verweisung des SG Potsdam nicht gebunden, weil diese willkürlich gewesen sei.
II.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG liegen vor. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist als gemeinsames nächsthöheres Gericht in diesem negativen Kompetenzkonflikt zuständig.
Nach § 98 Satz 2 SGG i. V. m. § 17a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher Zuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend.
Das SG Potsdam ist auch grundsätzlich befugt gewesen, eine Weiterverweisung aus dem Gesichtspunkt der örtlichen Unzuständigkeit vorzunehmen. Der zuvor erfolgte Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Potsdam bindet nämlich nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG nur hinsichtlich des Rechtswegs (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Beschluss vom 02. April 2013 – L 1 AR 2/13 B – juris Rdnr. 2 mit weiteren Nachweisen).
Diese Weiterverweisung ist aber entgegen § 98 Satz 2 SGG nicht verbindlich:
Die Bindung nach § 98 Satz 2 SGG i. V. m. § 17a Abs. 2 GVG gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes aufgrund Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Es ist nicht Aufgabe des gemeinsamen übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG, den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrundeliegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen (so weitgehend wörtlich Bundessozialgericht – BSG – Beschluss vom 18. Juli 2012 – B 12 SF 5/12 S – Rdnr. 4). Allerdings kommt einem Verweisungsbeschluss ausnahmsweise keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichem Verhalten beruht. Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung in diesem Zusammenhang dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar ist, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht und deshalb auch Artikel 3 Abs. 1 GG verletzt (BSG, a. a. O. Rdnr. 6 m. w. N. der BSG-Rechtsprechung sowie Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht – BVerfG – Beschluss vom 19. Dezember 2001 – 1 BvR 814/01).
Der Beschluss des SG Potsdam vom 22. Februar 2011 ist in diesem Sinne willkürlich. Der angewendete § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG ist nicht einschlägig, weil hier die Voraussetzungen des spezielleren § 57 Abs. 1 Satz 2 SGG erfüllt sind.
Ein Gesichtspunkt, unter dem die Annahme eines Falles des Satz 1 in Betracht kommen könnte, ist nicht ersichtlich. Es gibt insbesondere keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das SG Potsdam aufgrund eines unvollständigen Sachverhaltes vom Vorliegen der Voraussetzungen des Satz 1 anstelle des Satz 2 ausgehen durfte (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 01. Juni 2005 – B 13 SF 4/05 S zur Unklarheit eines Wohnsitzes im Ausland). Dass das SG Potsdam nicht bewusst eine Abgrenzungsfrage zwischen der Regelung des Satz 1 und der des Satz 2 des § 57 Abs. 1 SGG im Ergebnis rechtswidrig gelöst hat, ergibt sich vielmehr bereits aus der sachwidrigen Verwendung des Formulars zur Anhörung der beabsichtigten Verweisung in der Verfügung vom 03. Februar 2011, die sich an natürliche Personen und nicht an Behörden richtet.
An der Willkürlichkeit im vorgenannten Sinne ändert sich auch nichts aus dem Umstand, dass die Unzuständigkeit beim SG Cottbus rund 1 ½ Jahre ungemerkt geblieben ist. Auch hieraus folgt kein Aspekt, unter welchem die Verweisung als vertretbar angesehen werden könnte.
Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass der Rechtsstreit durch die Rücksendung an das materiell rechtlich zuständige Gerichts verzögert werden könnte: Es ist bislang noch nicht einmal über den Beiladungsantrag entschieden worden.
Dieser Beschluss, mit dem der Verweisungsbeschluss des SG Potsdam gegenstandslos wird, kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
In dem hier zu Grunde liegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin, die durch ihre Behörde in Cottbus vertreten wird, den Beklagten, der seinen Geschäftssitz und Wohnort im Zuständigkeitsbereich des Sozialgerichts Potsdam (SG Potsdam) hat, auf Zahlung von 676,99 EUR in Anspruch und beruft sich dazu auf einen Schadensersatzanspruch.
Die Klage ist am 20. Mai 2010 beim Arbeitsgericht Potsdam anhängig gemacht worden. Dieses Gericht hat mit Beschluss vom 23. September 2010 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht gegeben erklärt und den Rechtsstreit an das SG Potsdam verwiesen. Der Beschluss ist von den Beteiligten nicht angefochten worden.
Am 03. Februar 2011 verfügte die Vorsitzende der 18. Kammer des SG Potsdam die Fertigung eines Schreiben an die Klägerin: Es sei festgestellt worden, dass diese zur Zeit der Klageerhebung ihren Sitz in Cottbus habe. Für das Verfahren sei das Sozialgericht Cottbus (SG Cottbus) örtlich zuständig (§ 57 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Es sei beabsichtigt, die Streitsache an dieses Gericht zu verweisen. Weiter heißt es in der Verfügung: "Falls Sie zur Zeit der Klageerhebung im Bezirk des Sozialgerichts Potsdam beschäftigt waren, kann auch dieses Gericht zuständig sein. In diesem Fall ist das Beschäftigungsverhältnis unter Angabe des Beschäftigungsortes nachzuweisen."
Mit Beschluss vom 22. Februar 2011 erklärte sich das SG Potsdam für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das SG Cottbus. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG dasjenige Sozialgericht örtlich zuständig sei, in dessen Bezirk die Klägerin zur Zeit der Klageerhebung ihren Sitz oder Wohnsitz, in Ermangelung dessen, ihren Aufenthaltsort habe. Zur Zeit der Klageerhebung habe die Klägerin ihren Sitz in Cottbus gehabt.
Die Akte ging am 11. März 2011 beim SG Cottbus ein. Der Beklagte beantragte am 14. April 2011 eine Streitverkündung. Der Vorsitzende der 19. Kammer des Sozialgerichts Cottbus teilte ihm mit Verfügung vom 14. April 2011 mit, seiner Auffassung nach gebe es im SGG keine Streitverkündung. Der Beklagte hat daraufhin am 13. Mai 2011 die Beiladung der betreffenden Person beantragt. Der Vorsitzende hat dann am 10. August 2011 eine Wiedervorlagefrist von sechs Monaten verfügt sowie am 19. Februar 2012 die Lagerung der Akte im Fach der zur Hauptverhandlung anstehenden Rechtsstreitigkeiten ("VT").
Am 10. Oktober 2012 hat der Vorsitzende der 9. Kammer des SG Cottbus, auf die die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Rechtsstreit offenbar übergegangen ist, verfügt, den Beteiligten das neue Aktenzeichen zur Kenntnis zu geben. Mit Verfügung vom 17. Dezember 2012 (ausgeführt erst am 17. Januar 2013) hat er die Beteiligten zur beabsichtigten Anrufung des Landessozialgerichts angehört.
Mit Beschluss vom 04. Juni 2013 -von der Geschäftsstelle ausgefertigt am 11. Juli 2013- hat das SG das hiesige Gericht ersucht, das örtlich zuständige Sozialgericht zu bestimmen. Das SG Cottbus fühle sich an die Verweisung des SG Potsdam nicht gebunden, weil diese willkürlich gewesen sei.
II.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG liegen vor. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist als gemeinsames nächsthöheres Gericht in diesem negativen Kompetenzkonflikt zuständig.
Nach § 98 Satz 2 SGG i. V. m. § 17a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher Zuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend.
Das SG Potsdam ist auch grundsätzlich befugt gewesen, eine Weiterverweisung aus dem Gesichtspunkt der örtlichen Unzuständigkeit vorzunehmen. Der zuvor erfolgte Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Potsdam bindet nämlich nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG nur hinsichtlich des Rechtswegs (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Beschluss vom 02. April 2013 – L 1 AR 2/13 B – juris Rdnr. 2 mit weiteren Nachweisen).
Diese Weiterverweisung ist aber entgegen § 98 Satz 2 SGG nicht verbindlich:
Die Bindung nach § 98 Satz 2 SGG i. V. m. § 17a Abs. 2 GVG gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes aufgrund Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Es ist nicht Aufgabe des gemeinsamen übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG, den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrundeliegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen (so weitgehend wörtlich Bundessozialgericht – BSG – Beschluss vom 18. Juli 2012 – B 12 SF 5/12 S – Rdnr. 4). Allerdings kommt einem Verweisungsbeschluss ausnahmsweise keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichem Verhalten beruht. Willkürlich ist eine gerichtliche Entscheidung in diesem Zusammenhang dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar ist, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht und deshalb auch Artikel 3 Abs. 1 GG verletzt (BSG, a. a. O. Rdnr. 6 m. w. N. der BSG-Rechtsprechung sowie Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht – BVerfG – Beschluss vom 19. Dezember 2001 – 1 BvR 814/01).
Der Beschluss des SG Potsdam vom 22. Februar 2011 ist in diesem Sinne willkürlich. Der angewendete § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG ist nicht einschlägig, weil hier die Voraussetzungen des spezielleren § 57 Abs. 1 Satz 2 SGG erfüllt sind.
Ein Gesichtspunkt, unter dem die Annahme eines Falles des Satz 1 in Betracht kommen könnte, ist nicht ersichtlich. Es gibt insbesondere keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das SG Potsdam aufgrund eines unvollständigen Sachverhaltes vom Vorliegen der Voraussetzungen des Satz 1 anstelle des Satz 2 ausgehen durfte (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 01. Juni 2005 – B 13 SF 4/05 S zur Unklarheit eines Wohnsitzes im Ausland). Dass das SG Potsdam nicht bewusst eine Abgrenzungsfrage zwischen der Regelung des Satz 1 und der des Satz 2 des § 57 Abs. 1 SGG im Ergebnis rechtswidrig gelöst hat, ergibt sich vielmehr bereits aus der sachwidrigen Verwendung des Formulars zur Anhörung der beabsichtigten Verweisung in der Verfügung vom 03. Februar 2011, die sich an natürliche Personen und nicht an Behörden richtet.
An der Willkürlichkeit im vorgenannten Sinne ändert sich auch nichts aus dem Umstand, dass die Unzuständigkeit beim SG Cottbus rund 1 ½ Jahre ungemerkt geblieben ist. Auch hieraus folgt kein Aspekt, unter welchem die Verweisung als vertretbar angesehen werden könnte.
Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass der Rechtsstreit durch die Rücksendung an das materiell rechtlich zuständige Gerichts verzögert werden könnte: Es ist bislang noch nicht einmal über den Beiladungsantrag entschieden worden.
Dieser Beschluss, mit dem der Verweisungsbeschluss des SG Potsdam gegenstandslos wird, kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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