L 6 U 5526/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1901/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 5526/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 16. November 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.

Der.1960 geborene Kläger absolvierte von September 1977 bis August 1980 eine Lehre zum Baufacharbeiter im Baugeschäft A. in R., war in diesem Betrieb anschließend bis Dezember 1986 als Geselle und seit Januar 1987 als Maurermeister angestellt und ist seit Januar 2001 im Baugeschäft F. in E. beschäftigt, zwei kleine mittelständische Bauunternehmen, die hauptsächlich Ein- und Mehrfamilienhäuser erstellen.

Der Kläger erlitt am 16.10.2007 bei der Arbeit eine Außenmeniskusläsion am linken Kniegelenk. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 29.10.2007 die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hatte und das sozialgerichtliche Verfahren nicht weiterbetrieben worden ist (Ruhensbeschluss LSG, L 8 U 1372/09 vom 11.06.2010), beantragte er im Juni 2010 die Feststellung einer Berufskrankheit. Er führte zur Begründung aus, er sei in den vergangenen Jahrzehnten ganz überwiegend in der Hocke und kniend tätig gewesen. Dementsprechend seien die Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenks auf seine Berufstätigkeit zurückzuführen. Er gab in einem von ihm ausgefüllten Formular an, er habe pro Arbeitsschicht 3 bis 5 Stunden in kniender oder hockender Körperhaltung gearbeitet. Es handele sich dabei um Tätigkeiten beim Erstellen von Fertigteilen, insbesondere dem Verfugen, beim Anfertigen des Glattstrichs und beim Dachdecken.

Der Technische Aufsichtsbeamte K. führte in seiner Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition aus, der Kläger habe sämtliche gewerkstypischen Arbeiten wie Grabarbeiten von Hand, Verlegen der Gebäudeentwässerung, Schal-, Bewehrungs- und Betonierarbeiten sowie Maurerarbeiten durchgeführt. Ab etwa 1984 seien vermehrt Fertigteilwände verwendet worden. Die Fugen der Fertigteilbetonwände zur Bodenplatte hätten in kniebelastender Haltung ausgefügt werden müssen. Weiterhin sei der Kläger teilweise bei Schal- und Bewehrungsarbeiten in bodennahen Bereichen, beim Anlegen der ersten Steinschicht bei Maurerarbeiten sowie beim Einbringen und Abziehen des Zementstrichs im Untergeschoss in kniebelastender Haltung tätig gewesen. Um kniebelastende Haltung handele es sich bei Arbeiten mit beiden Kniegelenken am Boden, den Oberkörper leicht nach vorne geneigt, teils seitlich verdreht beziehungsweise in gehockter Haltung, und bei Estricharbeiten auch im Vierfüßlergang. Schal-, Bewehrungs- und Betonierarbeiten, Anlegen der ersten Steinschicht bei Maurerarbeiten, Verfugen der Fertigteilbetonwände zur Bodenplatte sowie Einbringen und Abziehen des Zementestrichs im Untergeschoss hätten insgesamt etwa 40 % der gesamten Arbeitszeit ausgemacht. Der Anteil der Arbeiten in kniebelastender Haltung liege nach den vorliegenden Messdaten der Studie GonKatast IFA-Report 1/2010 etwa 25 % der vorbeschriebenen Teilarbeitszeit beziehungsweise 50 % bei den Estricharbeiten. Der darin enthaltene Arbeitsanteil in meniskusbelastender Haltung betrage nach den vorliegenden Messdaten der Studie GonKatast IFA-Report 1/2010 insgesamt etwa 10 % dieser Teilarbeitszeit. Die Arbeiten und damit auch die Kniebelastungen hätten sich als Meister nur unwesentlich geändert, denn dieser müsse bei allen anstehenden Arbeiten mitarbeiten. Ab Januar 2001 habe sich die Tätigkeit insoweit verändert, als Estricharbeiten grundsätzlich nicht ausgeführt worden seien. Bewehrungsarbeiten würden, zumindest bei größeren Projekten, häufig an Subunternehmer vergeben. Die Arbeiten, bei denen zeitweise in kniebelastender Haltung gearbeitet werde, machten deshalb nur noch etwa zwei Drittel derjenigen Arbeiten vor dem Januar 2001 aus, somit etwa 33 % der gesamten Arbeitszeit. Der Anteil der Arbeiten in kniebelastender Haltung liege nach den vorliegenden Messdaten der Studie GonKatast IFA-Report 1/2010 etwa bei 25 % der vorbeschriebenen Teilarbeitszeit. Der darin enthaltene Arbeitszeitanteil in meniskusbelastender Haltung betrage nach den vorliegenden Messdaten der Studie GonKatast IFA-Report 1/2010 insgesamt etwa 10 % der vorbeschriebenen Teilarbeitszeit.

Die Beklagte holte das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers ein und zog diverse medizinische Unterlagen bei. Danach erfolgten beim Kläger im Oktober 2007 wegen eines Außenmeniskuskorbhenkelrisses links im Rahmen einer Arthroskopie ein Auswaschen von blutigem Gelenkerguss, eine Reposition eines Außenmeniskuskorbhenkels und eine Außenmeniskus-Refixierung sowie im Dezember 2007 wegen eines Zustandes nach Außenmeniskusnaht links, einer Außenmeniskusläsion links und eines Knorpelschadens links im Rahmen einer Arthroskopie, eine Außenmeniskusteilresektion.

Der Staatliche Gewerbearzt G. schlug in seiner gewerbeärztlichen Feststellung eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zu BKV nicht zur Anerkennung vor, weil die haftungsbegründende Kausalität nicht habe wahrscheinlich gemacht werden können. Da der Kläger eine meniskusbelastende Tätigkeit von mehr als 30 Jahren an 0,8 Stunden täglich zwischen 22 und 66 Schichten pro Jahr durchgeführt habe, habe er nicht während eines wesentlichen Teils seiner täglichen Arbeitszeit in Zwangshaltungen gearbeitet.

Mit Bescheid vom 27.01.2011 lehnte die Beklagte eine Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV sowie Ansprüche auf Leistungen ab. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung sei der Kläger bei seiner Tätigkeit als Baufacharbeiter keiner überdurchschnittlichen Meniskusbelastung im Sinne dieser Berufskrankheit ausgesetzt gewesen.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er führte zur Begründung aus, dass meniskusbelastende Arbeiten bei der Firma A. circa 40 % der Gesamtarbeitszeit und bei der Firma F. circa 33 % der Gesamtarbeitszeit ausgemacht hätten. Es könne danach keinerlei Rede davon sein, dass damit nach der Studie GonKatast IFA-Report 1/2010 im Ergebnis lediglich eine Meniskusbelastung von 10 % täglich resultieren solle. Diese Annahme sei vollständig willkürlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine belastende berufliche Tätigkeit im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV ergebe sich nicht allein aus einer extremen Gelenkstellung, sondern aus einer dynamischen Belastung der Menisken durch unphysiologische Bewegungsabläufe. Dies sei dann der Fall, wenn die Menisken durch extreme, in der Regel endgradige Beugung und Drehung im Kniegelenk zwischen den Gelenkenden fixiert würden, dabei einer erheblichen Druck- und Zugbeanspruchung ausgesetzt seien und gleichzeitig eine starke oder schnelle aktive Gelenkarbeit erfolge. Die Beanspruchungen müssten mehrjährig, andauernd oder häufig wiederkehrend und die Kniegelenke überdurchschnittlich belastend sein. Eine andauernde Belastung sei bei einer Dauerzwangshaltung überwiegend im Fersensitz, Hocken und kniend bei gleichzeitiger Kraftaufwendung anzunehmen. Unter einer häufig wiederkehrenden Belastung sei eine erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere durch Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Dreh- oder Scherbewegungen auf grob unebener Unterlage, zu verstehen. Das alleinige Knien führe zu keinem Meniskusschaden. Diese Voraussetzungen seien beim Kläger nicht erfüllt.

Hiergegen hat der Kläger am 07.06.2011 Klage beim Sozialgericht Ulm erhoben und im Wesentlichen seine Einwände gegen die Berechnung des Präventionsdienstes wiederholt.

Die Beklagte hat dargelegt, dass die vom Kläger bei der Firma A. ausgeführten Schal-, Bewehrungs- und Betonierarbeiten, das Anlegen der ersten Steinschicht bei Maurerarbeiten, das Verfugen bei Fertigteilbetonwänden zur Bodenplatte und das Einbringen und Abziehen des Zementestrichs im Untergeschoss insgesamt etwa 40 % der Gesamtarbeitszeit ausgemacht hätten. Das bedeute aber nicht, dass 40 % der Gesamtarbeitszeit meniskusbelastende Tätigkeiten gewesen seien, sondern dass der darin enthaltene Arbeitszeitanteil in meniskusbelastender Haltung insgesamt etwa 10 % dieser Teilarbeitszeit betragen habe. Dasselbe gelte für die kniebelastenden Tätigkeiten bei der Firma F ...

Mit Gerichtsbescheid vom 16.11.2011 hat das Sozialgericht die Klage nach vorangegangener Anhörung abgewiesen. Es hat unter Hinweis auf die unfallmedizinische Fachliteratur ausgeführt, als belastende Tätigkeiten im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV seien solche zu sehen, die mit einer Dauerzwangshaltung einhergingen, vor allem durch Belastungen durch Fersensitz, Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder dynamische Belastung durch vielfach wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage, wobei kniende Positionen ebenso wenig meniskusbelastend seien, wie Einzeltätigkeiten und kurzfristige Arbeiten. Nach den Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten sei dies beim Kläger nicht der Fall.

Hiergegen hat der Kläger am 15.12.2011 Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, es sei überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die meniskusbelastende Gesamtarbeitszeit bei ihm lediglich bei circa 10 % der jeweiligen Arbeitszeiten gelegen haben solle. Er habe vielmehr mindestens 40 % bzw. 33 % knie- und meniskuslastend gearbeitet.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 16. November 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2011 aufzuheben und seine Erkrankung im Bereich des linken Kniegelenks als Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass zwischen kniender und meniskusbelastender Tätigkeit unterschieden werden müsse, da allein das Knien die Menisken nicht ständig schädige. Sie hat hierzu zwei Stellungnahmen von Dipl.-Ing. K. vorgelegt.

Dipl.-Ing. K. hat in seiner ersten ergänzenden Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition ausgeführt, für die Bewertung der Zeitanteile in knie- beziehungsweise meniskusbelastender Haltung sei die Studie GonKatast IFA-Report 1/2010 herangezogen worden. Maßgebend seien die dort enthaltenen Angaben über Arbeiten und Kniebelastungen des Beton- und Stahlbetonbauers sowie des Estrichlegers, die den Tätigkeiten des Klägers sehr nahe kämen. Unberücksichtigt geblieben sei die Aussage des Klägers, dass ab 1984 häufig Fertigteilwände mit dem Kran versetzt worden seien. Hierbei werde nur beim Schließen der Fugen in Bodennähe in kniebelastender Haltung gearbeitet. Dies bedeute, dass der Arbeitszeitanteil in knie- beziehungsweise meniskusbelastender Haltung beim Versetzen von Fertigteilwänden deutlich geringer ausfalle als bei herkömmlichen Schal-, Bewehrungs- und Betonierarbeiten. Meniskusbelastungen seien gemäß dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV - Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit, BArbBl. 2/1999, S. 135 - (Merkblatt zu Nr. 2102) nur bei Arbeiten im Hocken und bei Arbeiten im Fersensitz zu erwarten. Die Werte aus den entsprechenden Tabellen der Studie GonKatast IFA-Report 1/2010 lägen ausnahmslos bei maximal 10 % der täglichen Arbeitszeit, bezogen auf eine Acht-Stunden-Schicht. Der Stellungnahme beigefügt worden ist die Studie GonKatast IFA-Report 1/2010, die dem klägerischen Bevollmächtigten zur Kenntnis gebracht worden ist.

In seiner weiteren Stellungnahme hat Dipl.-Ing. K. erläutert, neben dem Hocken, Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung und Fersensitz seien extreme Gelenkstellungen zu berücksichtigen, welche in der Regel eine endgradige Beugung notwendig machten und außerdem durch zusätzliche Belastungen wie Kräfte, beispielsweise bei Drehungen, verstärkt würden. Dauerzwangshaltungen bei extremer Beugung und Drehung der Kniegelenke, wie diese beispielsweise beim Steinsetzen aufträten, lägen im vorliegenden Fall nicht im vergleichbaren Umfang vor. Ebenso könne eine Kniegelenksbelastung, wie sie beispielsweise bei Sportlern auftrete, in Form unphysiologischer Bewegungsabläufe durch Scher- und Drehbewegungen, ausgeschlossen werden.

Hierzu hat der Kläger vorgetragen, seine Tätigkeiten hätten durchaus die beschriebene Dauerzwangshaltung bedingt. Zumindest komme sein Tätigkeitsablauf demjenigen eines Fließenlegers oder Steinsetzers nahe. Denn er habe bei seiner Arbeit nicht nur gekniet, sondern gleichzeitig entsprechende Kaftaufwendungen und Bewegungsabläufe wie Drehungen durchführen müssen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG frist- sowie formgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung seiner Erkrankung im Bereich des linken Kniegelenks als Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV. Der diesen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 27.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2011 ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 7 und 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit der BKV. Danach sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII).

Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Unfallversicherungsträger haben darüber hinaus eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VII).

Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris) die folgenden Grundsätze entwickelt:

Für die Feststellung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist erforderlich, dass die Verrichtungen des Versicherten einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtungen zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und dass diese Einwirkungen eine Krankheit des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtungen, die Einwirkungen und die Krankheit müssen als rechtserhebliche Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.

Für die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist.

Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob die Einwirkungen wesentlich waren. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jede/s andere alltäglich vorkommende Ereignis oder Einwirkung zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 09.05.2005 - B 2 U 1/05 R - juris; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend auch zur Überzeugung des Senats die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben. Denn es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die bei den Verrichtungen des Klägers als Baufacharbeiter erfolgten Einwirkungen dessen Kniegelenkserkrankung wesentlich verursacht haben. Mithin fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Einwirkungen und Erkrankung.

Es sind bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben.

Als Berufskrankheit sind bezeichnet in Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV Meniskusbelastungen nach mehrjährigen andauernden oder häufig widerkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten.

Eine solche überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke ist biomechanisch gebunden an eine Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage (Merkblatt zu Nr. 2102, II. Pathophysiologie). Beispielhaft genannt für überdurchschnittliche Belastungen in diesem Sinne sind Arbeiten im Bergbau unter Tage, bei Ofenmaurern, bei Fliesen- oder Parkettlegern, bei Rangierarbeitern und bei Berufssportlern sowie Tätigkeiten unter besonders beengten Raumverhältnissen (Merkblatt zu Nr. 2102, I. Gefahrenquellen).

Der Kläger absolvierte von September 1977 bis August 1980 eine Lehre zum Baufacharbeiter und ist seither in diesem Beruf tätig. Er war damit im Rahmen seiner gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bei der Beklagten versicherten Tätigkeit im Zeitpunkt der ersten Meniskusoperation im Jahr 2007 "mehrjährig" im Sinne der Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV tätig.

Die Tätigkeit des Klägers war auch meniskusbelastend im Sinne der Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV. Zu berücksichtigen sind nach den Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsbeamten K. die Tätigkeiten beim Verfugen der Fertigteilbetonwände zur Bodenplatte, teilweise bei Schal- und Bewehrungsarbeiten in bodennahen Bereichen, beim Anlegen der ersten Steinschicht bei Maurerarbeiten sowie beim Einbringen und Abziehen des Zementstrichs im Untergeschoss.

Der Kläger übte diese meniskusbelastenden Tätigkeiten aber nicht "andauernd oder häufig wiederkehrend" im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV aus.

Die Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV setzt zwar "nur" Meniskusschäden nach mehrjährig andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten voraus, fordert also ihrem Wortlaut nach keine prozentuale Mindestbelastung. Im Merkblatt zu Nr. 2102 ist, in Übereinstimmung mit der medizinischen Wissenschaft (vergleiche Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Nr. 8.10.5.5.2.1, S. 634 und 635), als "belastende Tätigkeit" im Sinne einer statischen Belastung eine Tätigkeit im Hocken und Knien bei gleichzeitiger Kraftanwendung und damit auch im Fersensitz beschrieben. Diese meniskusbelastenden Tätigkeiten sind aber, wie der Präventionsdienst der Beklagten unter Hinweis auf entsprechende in der Studie GonKatast IFA-Report 1/2010 (dort bezogen auf die Tätigkeit des Beton- und Stahlbauers auf S. 45 und 46 sowie Estrichlegers auf S. 59 bis 63) niedergelegte Erfahrungswerte dargelegt hat, für die Tätigkeit des Klägers als Baufacharbeiter nicht kennzeichnend.

Der Senat hat seiner Beurteilung die Studie GonKatast IFA-Report 1/2010 zu Grunde gelegt, da es sich dabei um eine von verschiedenen Unfallversicherungsträgern unter Federführung des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung initiiertes Forschungsprojekt zur messtechnischen Untersuchung kniebelastender Tätigkeiten handelt. Das Kataster wurde auf der Grundlage von insgesamt 530 Messstunden entwickelt und enthält Daten zu 16 Berufen mit insgesamt 242 Arbeitsschichtaufnahmen und bietet damit eine wichtige Hilfe für die Ermittlungen im Zusammenhang mit Fällen von Berufskrankheiten (Kurzfassung vor S. 11 der Studie GonKatast IFA-Report 1/2010). Substantiierte Einwände des Klägers gegen diese Studie sind nicht erhoben worden.

Nach den Angaben des Klägers und deren Auswertung durch den Technischen Aufsichtsbeamten K. führte der Kläger sämtliche gewerkstypischen Arbeiten wie Grabarbeiten von Hand, Verlegen der Gebäudeentwässerung, Schal-, Bewehrungs- und Betonierarbeiten, Maurerarbeiten sowie Aufstellen von Fertigteilbetonwänden durch. Hiervon waren kniebelastend teilweise die Schal- und Bewehrungsarbeiten in bodennahen Bereichen, das Anlegen der ersten Steinschicht bei Maurerarbeiten, das Einbringen und Abziehen des Zementstrichs im Untergeschoss und das Verfugen der Fertigteilbetonwände zur Bodenplatte. Der Anteil dieser kniebelastenden Arbeiten betrug nach den schlüssigen Darlegungen des Technischen Aufsichtsbeamten K. bei der Firma A. etwa 40 % und liegt bei der Firma F., da dort Estricharbeiten grundsätzlich nicht mehr ausgeführt und Bewehrungsarbeiten zumindest bei größeren Projekten häufig an Subunternehmer vergeben wurden, bei etwa 33 % der gesamten Arbeitszeit als Baufacharbeiter aus. Der Anteil der Arbeiten in meniskusbelastender Haltung an den Arbeiten in kniebelastender Haltung beträgt nach den vorliegenden Messdaten der Studie GonKatast IFA-Report 1/2010 etwa 10 %. Dieser Wert setzt sich zusammen aus dem Mittelwert von 8,3 % für Hocken und 0,5 % für Fersensitz beim Bewehren und 5,1 % für Hocken und 0,5 % für Fersensitz bei Schalungsarbeiten (Studie GonKatast IFA-Report 1/2010, S. 46), mithin rund 7 % für Schal- und Bewehrungsarbeiten in bodennahen Bereichen, zuzüglich des Mittelwertes von 0,4 % für Hocken und 2,1 % für Fersensitz beim Einbauen des Zementestrichs und 1,0 % für Hocken und 2,7 % für Fersensitz beim Glätten des Zementestrichs (Studie GonKatast IFA-Report 1/2010, S. 63), somit rund 3 % für Estricharbeiten, also insgesamt 7 % + 3 % = 10 %. Dass nur das Hocken und der Fersensitz meniskusbelastend sind, ergibt sich aus dem Merkblatt zu Nr. 2102, nach dem nur diese beim Baufacharbeiter vorkommenden Körperhaltungen BK-relevant sind. Knien bei gleichzeitiger Kraftanwendung kommt bei den vom Kläger durchgeführten Tätigkeiten nicht zum Tragen.

Dieser Anteil meniskusbelastender Tätigkeiten reicht nicht aus, um eine ausreichende Belastung des Klägers im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV und damit die haftungsbegründende Kausalität anzunehmen. Insoweit ist nämlich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft davon auszugehen, dass etwa ein Zeitanteil von einem Drittel der Arbeitsschicht (neben der hier zu bejahenden mehrjährigen Belastung) zu fordern ist, da die Menisken bei einem geringeren Zeitanteil belastender Tätigkeit Zeit haben, sich zu erholen (vergleiche Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, 2010, Nr. 8.10.5.5.2.2, S. 636; ebenso Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 5. Auflage 2009, S. 565; siehe auch SG Hamburg, Urteil vom 04.04.2008 - S 40 U 75/07 - juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.06.2000 - L 2 KN 96/97 U - sozialgerichtsbarkeit.de). Dies stimmt auch mit dem Wortlaut der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV, der eine "andauernde" Belastung der Menisken durch die versicherte Tätigkeit fordert, überein.

Soweit in der Rechtsprechung ausgeführt wird, eine prozentuale Mindestbelastung sei für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV nicht zu fordern (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.01.2010 - L 2 U 272/07 - juris; LSG Sachsen, Urteil vom 18.09.2008 - L 2 U 148/97 - juris), folgt dem der Senat insoweit, als es nicht um einen wissenschaftlich definierbaren Dosis-Wirkungs-Zusammenhang geht. Allerdings erfordert sowohl das Tatbestandsmerkmal "andauernd" als auch die bereits erwähnte medizinische Erkenntnis, dass sich Menisken "erholen" können, dass ein gewisser Zeitanteil mehrjährig kniebelastend gearbeitet wurde. Es kann dahinstehen, ob dieser Zeitanteil ein Drittel betragen muss oder ob auch ein geringerer Zeitanteil (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.01.2010 - L 2 U 272/07 - juris: 25 %; LSG Sachsen, Urteil vom 18.09.2008 - L 2 U 148/97 - juris: 20 - 25 %; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.09.2001 - L 17 U 26/01 - juris: ca. 30 %) ausreicht, da der Kläger diese Werte bei weitem nicht erreicht. Ein Anteil von insgesamt 10 % - und dieser auch nur bezogen auf rund 40 % beziehungsweise 33 % der Gesamtarbeitszeit - ist jedenfalls nicht ausreichend, die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV zu bejahen (Bayerisches LSG, Urteil vom 13.09.2012 - L 18 U 349/09 - juris).

Nach alledem liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV nicht vor. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Rechtskraft
Aus
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