L 11 R 35/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 4450/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 35/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.11.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung.

Der im Jahr 1955 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er lebt seit dem 20.09.1970 in Deutschland. Zunächst übte er eine Tätigkeit als Montagearbeiter aus. Zwischen 1984 und 1987 nahm der Kläger wiederholt an Lehrgängen des Deutschen Verbandes für Schweißtechnik teil. Am 18.03.1987 bestand er eine Schweißerprüfung beim TÜV Baden e.V. In der Folgezeit arbeitete er - unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit - wiederholt als Schweißer. Zuletzt übte er vom 01.09.2004 bis zum 31.08.2006 eine Beschäftigung als Produktionsmitarbeiter aus. Danach war der Kläger arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld II. Vom 02.05.2011 bis zum 01.09.2011 war der Kläger wiederum als Produktionshelfer beschäftigt.

Im Jahr 2007 nahm er wegen einer rezidivierenden depressiven Störung an einem von der Beklagten bewilligten stationären Rehabilitationsverfahren in einer Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie teil. Aus diesem Heilverfahren wurde er als arbeitsfähig bezüglich seiner Tätigkeit als Schweißer sowie für körperlich schwere Arbeiten entlassen (Ärztlicher Entlassungsbericht der K.-Klinik vom 04.06.2007, Bl. 75 ff der Rentenakte).

Am 11.03.2010 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte veranlasste eine nervenärztliche Begutachtung des Klägers bei Dr. W ... In seinem aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 19.04.2010 erstellten Gutachten diagnostizierte Dr. W. eine Dysthymia, eine neurotische Depression, zervikale Bandscheibenschäden ohne medulläre oder radikuläre Symptome sowie eine mäßige psychogene Ausgestaltung im Rahmen des Verfahrens. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Schweißer sowie mittelschwere Tätigkeiten könnten sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10.06.2010 ab. Den hiergegen am 29.06.2010 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2010 zurück.

Der Kläger hat am 25.10.2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Internist und Kardiologe Dr. S. hat in seiner Aussage vom 09.02.2011 mitgeteilt, dass er den Kläger aufgrund einer schweren Depression für erwerbsgemindert halte. Der Facharzt für Orthopädie B. hat mit Schreiben vom 10.02.2011 ausgesagt, dass die von ihm erhobenen Befunde eine vollschichtige Verrichtung einer körperlich leichten Berufstätigkeit nicht ausschlössen. Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. V. hat am 28.03.2011 mitgeteilt, dass die Belastbarkeit des Klägers zwischen drei und sechs Stunden liege.

Das SG hat Prof. Dr. G., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem am 18.07.2011 erstellten Gutachten kommt Prof. Dr. G. zum Ergebnis, dass leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen noch sechs Stunden arbeitstäglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche zumutbar seien. Prof. Dr. G. diagnostiziert eine Dysthymia sowie eine somatoforme Schmerzstörung und ein leicht ausgeprägtes Carpaltunnelsyndrom links.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.11.2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach dem nachvollziehbaren Gutachten von Prof. Dr. G. der Kläger noch in der Lage sei, im zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Die Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. V. weiche hiervon nicht unbedingt ab, da er ein zeitliches Leistungsvermögen zwischen drei und sechs Stunden annehme und daher ausgehend von der Obergrenze keine Erwerbsminderung vorliege. Der Einschätzung des Zeugen Dr. S. sei nicht zu folgen. Zudem sei der Kläger vom 01.05. bis zum 31.08.2011 wieder vollschichtig erwerbstätig gewesen, sodass die tatsächliche Berufsausübung die Vermutung begründe, dass hierfür auch die erforderliche gesundheitliche Eignung bestehe. Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 42 Abs 1 SGB VI bestehe nicht, da der Kläger keine Ausbildung zum Schweißer absolviert habe und auch die wiederholten Lehrgänge den Status als Facharbeiter nicht vermitteln könnten.

Der Kläger hat gegen den am 29.11.2911 zugestellten Gerichtsbescheid am 21.12.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass zu den bereits im Verfahren festgestellten Erkrankungen eine massive psychische Belastung aufgrund der sehr lang andauernden Arbeitslosigkeit hinzugekommen sei. Es habe sich eine massive Depression entwickelt. Das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten von Prof. Dr. G. sowie die sachverständigen Zeugenaussagen und das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. W. berücksichtigten seinen Gesundheitszustand nicht ausreichend. Die Einholung eines weiteren fachärztlichen Gutachtens sei zwingend geboten, da der sachverständige Zeuge Dr. V. von einem zeitlichen Leistungsvermögen beim Kläger zwischen drei und sechs Stunden ausgehe. Bereits dieses Ergebnis stehe im Widerspruch zu den Ausführungen der Gutachter Dr. W. und Prof. Dr. G ... Auch komme der sachverständige Zeuge Dr. S. zum Ergebnis, dass der Kläger selbst zu einer leichten Berufstätigkeit unfähig sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.11.2011 sowie den Bescheid vom 10.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen.

Der Senat hat Dr. V. nochmals als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dr. V. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 15.05.2012 mitgeteilt, dass der Kläger unter einer Dysthymie mit episodischer Verschlechterung und einer Reduzierung der emotionalen und konzentrativen Belastbarkeit sowie des Durchhaltevermögens und der Konfliktfähigkeit leide (vgl Bl 37/38 der Berufungsakte).

Am 11.06.2012 hat der Kläger einen sog Nicht-ST-Hebungsinfarkt erlitten. Im Anschluss an die stationäre Krankenhausbehandlung hat er vom 03.07. bis 24.07.2012 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in B. W. durchgeführt (sog Anschlussheilbehandlung). Im Entlassungsbericht vom 26.07.2012 hat die Klinik ua ausgeführt, es sei stufenweise ein Herz-Kreislauftraining durchgeführt worden, wobei der Kläger im Ergometertraining abschließend 110 Watt mit einem durchschnittlichen Trainingspuls um 112/min absolviert habe. Sie seien der Meinung, dass der Kläger noch leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten könne, es sollten aber kardiologische Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden.

Der Senat hat des Weiteren sachverständige Zeugenaussagen, welche in einem Verfahren mit dem Az S 12 R 5224/11 vor dem SG Karlsruhe betreffend der Gewährung einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation eingeholt wurden, beigezogen. Bezüglich der sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. V., Dr. B. und Dr. S., einschließlich der beigefügten Befundberichte, wird auf Bl 59/67 der Berufungsakte verwiesen.

Auf Anforderung des Senats hat der Kläger Unterlagen über die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Produktionshelfer im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses bei der A. GmbH sowie bei der Firma D. C. AG im Werk G. übersandt (vgl Bl 83/89 der Berufungsakte).

Auf Anfrage des Senats hat die D. AG mit Schreiben vom 14.03.2013 mitgeteilt, dass der Kläger vom 01.09.2004 bis 31.08.2006 als Angelernter im unteren Bereich tätig gewesen sei. Zu seinen Aufgaben habe das Montieren von Gehäusen und Messen von Getrieben im Bereich Produktionszentrum schwere Baureihe gehört. Die A. GmbH hat am 07.03.2013 mitgeteilt, dass der Kläger vom 02.05.2011 bis 01.09.2011 als Produktionshelfer und somit im Rahmen einer ungelernten Tätigkeit eingesetzt worden sei (vgl Bl 96/97 der Berufungsakte).

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Arbeiten mit Anforderungen an die Feinmotorik, ohne Akkord- oder Fließbandarbeit, ohne Nachtarbeit, ohne Arbeiten mit Publikumsverkehr, ohne Arbeiten mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen und ohne Arbeiten, die ein hohes Konzentrationsvermögen und eine nervliche Belastung abverlangen, sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche verrichten kann. Der Kläger ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Der Kläger leidet an einer Dysthymia, einer somatoformen Schmerzstörung, zervikalen Bandscheibenschäden ohne medulläre oder radikuläre Symptome sowie einem leicht ausgeprägten Carpaltunnelsyndrom links. Diese Erkrankungen führen jedoch nach Überzeugung des Senats nicht zu einem Absinken des Leistungsvermögens des Klägers auf unter sechs Stunden arbeitstäglich bezogen auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das neurologisch - psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. G. vom 18.07.2011. Die von Prof. Dr. G. erhobenen Befunde und die anamnestischen Angaben des Klägers ergeben noch keine Anhaltspunkte für eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Der Kläger leidet im Wesentlichen an Nervosität und Schlafstörungen, Ellen-, Nacken- und Knieschmerzen. Der Kläger hat jedoch des Weiteren angegeben, dass er 2 bis 3 Mal pro Woche für jeweils zwei Stunden im Wald spazieren gehe und 1 bis 2 Mal pro Woche für 3 Stunden Fahrrad fahre. Den Haushalt, die Einkäufe sowie notwendige Wohnungsreparaturen erledigt der Kläger selbst. Diese Angaben belegen, dass dem Kläger in seinem Alltag und seiner Freizeit noch leichte bis sogar mittelschwere Tätigkeiten möglich sind. Der Kläger war sogar in der Lage, wieder eine Vollzeit - Berufstätigkeit auszuüben, auch wenn diese ihn nach seinen Angaben nervlich belastet habe. Prof. Dr. G. konnte auch bei der Untersuchung keine schwerwiegenden Befunde auf seinem Fachgebiet erheben. So waren die neurologische Untersuchung, die Konzentration und Aufmerksamkeit unauffällig. Es lag eine leicht dysphorische Grundstimmung vor. Folgerichtig diagnostiziert der Gutachter eine Dysthymia. Diese stellt jedoch eine leichtgradige depressive Verstimmung dar, welche für die Annahme einer Erwerbsminderung jedoch nicht ausreicht und zudem therapeutisch gut behandelbar ist. Der Senat hält das Gutachten von Prof. Dr. G. für schlüssig und widerspruchsfrei. Der Gutachter nimmt insbesondere auch die erforderliche Konsistenzprüfung vor und weist darauf hin, dass Inkonsistenzen zwischen der bisher gestellten Diagnose einer schweren Depression und den jetzigen Befunden, zwischen dem angegeben Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und dem tatsächlichen Verhalten des Klägers sowie den angegebenen Schmerzen und dem fehlenden Schmerz- und Entlastungsverhalten während der Begutachtung zu verzeichnen sind.

Die Leistungseinschätzung des Senats wird durch das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. W. bestätigt. Im Befund führt Dr. W. eine eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule auf, welche jedoch im weiteren Verlauf der Untersuchung nicht mehr zu bemerken war. Dr. W. führt dies auf demonstrative Tendenzen insbesondere bei der Kopfbeweglichkeit zurück. Der internistische und neurologische Befund sei unauffällig. Der Kläger sei noch in der Lage, mittelschwere Tätigkeiten sowie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Eine schwerwiegende orthopädische oder internistische Leistungsbeeinträchtigung ist den Befunden von Dr. W. somit nicht zu entnehmen. Radikuläre oder melluläre Symptome lagen nicht vor. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule war nicht wesentlich eingeschränkt. Entsprechend hält auch der behandelnde Orthopäde Dr. B. den Kläger in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 16.02.2011 noch für sechs Stunden arbeitstäglich leistungsfähig für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Im Entlassungsbericht über die Rehabilitationsmaßnahme vom 26.07.2012 wurde eine altersentsprechende Beweglichkeit der Wirbelsäule vermerkt. Wesentliche Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet sind daher nicht gegeben.

Die koronare Herzerkrankung hat nach dem Reha - Entlassungsbericht vom 26.07.2012 nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens geführt. Der Kläger war im Belastungs - EKG für 1 Minute mit 150 Watt belastbar. Danach traten zwar EKG - Veränderungen auf, diese waren jedoch nicht sicher einer belastungsinduzierten Ischämie zuzuordnen. Beim Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme wurde vom Kläger angegeben, dass keine Dyspnoe oder Angina - Pectoris - Symptomatik mehr bestehe und sich die Belastbarkeit gebessert habe. Der Kläger ist laut der sozialmedizinischen Beurteilung noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter der Beachtung eines wirbelsäulengerechten Verhaltens vollschichtig zu verrichten. Der Senat schließt aus dem Entlassungsbericht, dass sich der Zustand des Klägers nach den Stent - Implantationen wieder stabilisiert hat und eine zeitlichen Leistungseinschränkung nicht vorliegt.

Durch die vom SG durchgeführte Beweiserhebung ist die Leistungseinschätzung des behandelnden Arztes Dr. S. wiederlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st Rspr des Senats (vgl Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Die häufig auch an die behandelnden Ärzte gerichtete Frage nach der Erwerbsfähigkeit eines Versicherten dient in erster Linie dazu, dem Gericht die Entscheidung über weitere Beweiserhebungen von Amts wegen zu erleichtern. Ist selbst nach Meinung der behandelnden Ärzte eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit ausgeschlossen, kann häufig auf die (nochmalige) Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet werden. Soweit Dr. S. von einer schweren Depression ausgeht, folgt ihm der Senat nicht. Diesbezüglich hat Prof. Dr. G. nach Auffassung des Senats schlüssig dargelegt, dass die Befunde auf nervenärztlichem Fachgebiet lediglich die Diagnose einer Dysthmia und somit einer leichtgradigen depressiven Verstimmung rechtfertigen. Soweit der behandelnde Nervenarzt Dr. V. das Leistungsvermögen auf 3 bis 6 Stunden beziffert, ist diese Einschätzung ebenfalls durch die von Prof. Dr. G. erhobenen Befunde widerlegt. Zudem hat Dr. V. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 28.03.2011 diese Einschätzung nach seiner eigenen Aussage auf der Basis von lediglich kurzen Kontakten abgegeben. In seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat am 15.05.2013 stellt er ebenso wie Prof. Dr. G. die Diagnose einer Dysthymia, ohne wesentliche neue Befunde mitzuteilen. Dessen Einschätzung wird bestätigt durch das Gutachten der Agentur für Arbeit vom 29.09.2011 von Dr. B. - K., welches von einem Leistungsvermögen von täglich sechs Stunden und mehr ausgeht.

Der Senat konnte sich somit davon überzeugen, dass die von Dr. W. und Prof. Dr. G. genannten Gesundheitsstörungen vorliegen. Diese Gesundheitsstörungen führen aber nicht zu einem in zeitlicher Hinsicht eingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen und Einschätzungen der Gutachten von Dr. W. und Prof. Dr. G. an. Der Kläger ist mithin in der Lage, unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen leichte Tätigkeiten auf dem allgemeine Arbeitsmarkt im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche auszuüben.

Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit des Klägers - leichte Arbeiten mindestens 6-stündig - muss dem Kläger eine konkrete Tätigkeit, die er noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (BSG Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 55/96 - und vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 49/97). Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.

Der Kläger kann zwar nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen. Diese sog qualitativen Einschränkungen gehen aber nicht über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Arbeiten erfasst wird. Tätigkeiten in Zwangshaltungen (Gutachten Prof. Dr. G.) sind bereits nicht mehr als leicht zu bezeichnen. Der Ausschluss von Arbeiten mit Anforderungen an die Feinmotorik, Akkord- oder Fließbandarbeit, Nachtarbeit, Arbeiten mit Publikumsverkehr, Arbeiten mit besonderer Verantwortung für Menschen und Maschinen und Arbeiten, die ein hohes Konzentrationsvermögen und eine nervliche Belastung beinhalten, versperrt den Zugang zu typischen Arbeitsplätzen für leichte körperliche Arbeiten nicht in nennenswerter Weise. Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Der Kläger ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus den Gutachten von Dr. W. und Prof. Dr. G. hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.

Der Kläger ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit dem 11.03.2010 und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); er hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1955 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit iSd § 240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar sind, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten jeweils nächstniedrigeren Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN). Der Kläger kann nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Produktionshelfer auf sämtliche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommende Tätigkeiten verwiesen werden. Der Senat nimmt hierzu auf die Angaben der Arbeitgeber D. AG und A. GmbH auf Blatt 93 und 96 bis 97 der Berufungsakte Bezug. Danach hat der Kläger bei der D. AG eine angelernte Tätigkeit im unteren Bereich als Produktionsmitarbeiter und bei der A. eine ungelernte Tätigkeit als Produktionshelfer ausgeübt. Der Kläger ist daher auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar. Derartige leichte Tätigkeiten kann der Kläger, wie bereits ausgeführt, sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Das vorliegende Gutachten von Prof. Dr. G. sowie der Entlassungsbericht aus der Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in Verbindung mit den vorliegenden Auskünften der als sachverständige Zeugen befragten behandelnden Ärzte und dem Verwaltungsgutachten von Dr. W. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbare inhaltliche Widersprüche und geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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