Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 3018/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1983/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur rückwirkenden Beendigung der Familienver-
sicherung nach § 10 SGB V bei der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
sicherung nach § 10 SGB V bei der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28.03.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung seiner Ehefrau, der Beigeladenen, in seiner freiwilligen Versicherung bei der Beklagten zum 01.01.2006.
Der Kläger ist bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied krankenversichert. Die 1961 geborene Beigeladene wird seit 27.11.1997 bei der Beklagten als familienversichertes Mitglied geführt. Ein Bescheid über das Bestehen und den Beginn der Familienversicherung ist nicht ergangen. Im Rahmen von Einkommensabfragen teilte der Kläger der Beklagten lediglich mit, dass seine Ehefrau Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung habe (zuletzt mit Fragebogen vom 21.12.2007 für das Jahr 2006: 400 EUR). Nach den Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2004 und 2005 vom 16.12.2005 bzw 17.10.2006 hatten die Eheleute negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Nach dem Einkommenssteuerbescheid für 2006 vom 04.09.2007 entfielen auf die Beigeladene Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.137 EUR. Die Einkommenssteuerbescheide hatte der Kläger zur Berechnung der Höhe seiner freiwilligen Beiträge vorgelegt.
Im Januar 2009 prüfte die Beklagte die Voraussetzungen für das Vorliegen der Familienversicherung und stellte fest, dass die Beigeladene im Jahr 2006 neben den Einkünften aus geringfügiger Beschäftigung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hatte.
Mit Schreiben vom 13.03.2009 teilte die Beklagte dem Kläger ua mit: "Die Voraussetzungen für die Familienversicherung müssen wir jährlich rückwirkend auf der Grundlage ihres Steuerbescheids überprüfen, entscheidend ist hierbei das veranlagte Jahr. Ihre Frau G. war bisher über die Familienversicherung beitragsfrei versichert - diesen Vorteil können wir Ihnen rückwirkend ab 01.01.2006 leider nicht mehr bieten, da das Einkommen Ihrer Frau aus Vermietung und Verpachtung und dem Minijob die Einkommensgrenze übersteigt, wie aus dem Steuerbescheid für 2006 hervorgeht. Ab diesem Tag muss Ihre Frau sich deshalb selbst versichern." Das Schreiben enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Mit seinem Widerspruch vom 02.04.2009 machte der Kläger geltend, im Rahmen der jährlich anzugebenden Einkommensverhältnisse habe er stets eine pflichtgemäße Schätzung der Einkommen auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses angenommen. Aufgrund der konkreten Ausgaben und Abschreibungssituation für das Mietobjekt sei davon auszugehen gewesen, dass auch weiterhin keine positiven Mieteinnahmen zufließen würden. Nach der vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Grundsatz der vorausschauenden Betrachtungsweise sei eine rückwirkende Beendigung der Familienversicherung nicht zulässig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2009 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Familienversicherung ende kraft Gesetzes mit dem Wegfall der Voraussetzungen. Es sei in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass das Fehlen der Voraussetzungen für die Familienversicherung auch rückwirkend festgestellt werden könne. Ab 2006 sei bei der Beigeladenen von einem monatlichen Einkommen von 494,75 EUR auszugehen, so dass das zulässige Gesamteinkommen aus geringfügiger Beschäftigung von 400 EUR überschritten worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 17.06.2009 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen macht die Klägerin geltend, dass das Schreiben vom 13.03.2009 schon keinen Verwaltungsakt darstelle, da es an einer Regelung fehle. Aus dem Wortlaut sei nicht erkennbar, was die Beklagte eigentlich bewirken wolle. Auch bei Bejahung eines Verwaltungsakts sei dieser unwirksam ua wegen fehlender Beachtung der Rücknahmevorschriften der §§ 45 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Zudem gelte bei Einschätzung der Familienversicherung eine vorausschauende Betrachtungsweise (unter Hinweis auf BSG 07.12.2000, B 10 KR 3/99 R, SozR 3-2500 § 10 Nr 19). Im Jahr 2006 hätten die Eheleute erstmals positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt; angesichts der negativen Einkünfte in den Vorjahren habe keine Veranlassung bestanden, Einnahmen in den vorab zu erklärenden jährlichen Schätzungen abzugeben. In Kenntnis des Steuerbescheids für 2006 habe die Beklagte sogar noch für 2008 die Familienversicherung der Beigeladenen festgestellt. Schließlich seien die Überschusseinkünfte iSv § 2 Abs 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) ohnehin nicht zum Gesamteinkommen iSv § 16 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) hinzuzurechnen, da es sich nicht um steuerrechtlichen Gewinn handele. Dies wäre nur der Fall, wenn die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gleichzeitig als gewerbliche bzw hauptberufliche Einkunftsquelle steuerrechtlich qualifiziert würden.
Mit Urteil vom 28.03.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Familienversicherung der Beigeladenen habe mit Ablauf des 31.12.2005 geendet, denn sie habe im Jahr 2006 ein monatliches Einkommen von 494,75 EUR erzielt. Dieses Gesamteinkommen übersteige die maßgebliche Einkommensgrenze von 400 EUR nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Gesamteinkommen sei nach § 16 SGB IV die Summe der Einkünfte iSd EStG. Umfasst sei mithin das Arbeitseinkommen aus geringfügiger Beschäftigung aber auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die nach § 2 Abs 1 EStG der Einkommenssteuer unterlägen. Wegen des Endes der Familienversicherung kraft Gesetzes komme es nicht darauf an, ob die Beklagte diese Feststellung nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheids für 2006 bereits früher hätte treffen können. Mit dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (14.02.2012, L 11 KR 4779/10) sei die Kammer der Auffassung, dass es genüge, wenn sich im Nachhinein herausstelle, dass das Gesamteinkommen die Einkommensgrenze des § 10 SGB V überschritten habe. Die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung führe auch zu keinen unzumutbaren Auswirkungen auf die Betroffenen, wenn - wie hier - als Ausgleich das Recht zum freiwilligen Beitritt bestehe. Davon abgesehen sei auch bei einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu Beginn des Jahres 2006 erkennbar gewesen, dass auf Grund der Mieteinnahmen und der durch Zeitablauf weggefallenen Abschreibungsmöglichkeiten positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt würden und damit angesichts des bereits vorhandenen Einkommens aus geringfügiger Beschäftigung die 400 EUR-Grenze überschritten werde.
Gegen dieses, seinem Bevollmächtigten am 02.05.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 11.05.2012 eingelegte Berufung des Klägers. Das SG habe sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, ob das Schreiben vom 13.03.2009 überhaupt ein Verwaltungsakt sei und die Rücknahmevorschriften der §§ 45 ff SGB X zu beachten seien. Hier sei die Frage aufzuwerfen, ob in den jährlichen Statusmitteilungen über die Anerkennung einer Familienversicherung ein Verwaltungsakt zu sehen sei. Zudem habe das SG den Begriff der "vorausschauenden Betrachtungsweise" verkannt. Als juristischer Laie habe der Kläger davon ausgehen können, dass er auch 2006 nur negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen würde. Dazu komme, dass die Beklagte Kenntnis über die Veränderung gehabt habe, denn der Kläger habe seine Steuerbescheide vorgelegt. Der Hinweis auf die behördeninterne Bearbeitung durch eine andere Stelle könne nicht ernsthaft als Exkulpation verstanden werden. Die Beklagte hätte die Familienversicherung dann ablehnen müssen und nicht den Versicherten "sehenden Auges" ins Verderben laufen lassen dürfen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28.03.2012 aufzuheben und festzustellen, dass das Schreiben der Beklagten vom 13.03.2009 den Status der Ehefrau des Klägers bei der Beklagten als familienversicherte Angehörige nach § 10 SGB V nicht rückwirkend verändert hat; hilfsweise, den Bescheid der Beklagte vom 13.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Bei dem Schreiben der Beklagten vom 13.03.2009 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, welcher in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2009 (§ 95 SGG) rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Die über den Kläger vermittelte Familienversicherung der Beigeladenen endete mit Ablauf des 31.12.2005.
Der Kläger ist vorliegend als Stammversicherter klagebefugt, wenn es - wie hier - um die Familienversicherung seiner Angehörigen geht (BSG 29.06.1993, 12 RK 48/91, SozR 3-2500 § 10 Nr 2).
Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Familienversicherung der Beigeladenen durch das Schreiben vom 13.03.2009 nicht beendet worden sei, ist die so verstandene Feststellungsklage iSv § 55 Abs 1 Nr 1 SGG subsidiär zur Anfechtungsklage. Denn entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei dem Schreiben vom 13.03.2009 um einen Verwaltungsakt mit der Regelung der Feststellung der rückwirkenden Beendigung der Familienversicherung zum 01.01.2006. Nach § 31 Satz 1 SGB X ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Nach diesen Kriterien ist das Schreiben vom 13.03.2009 ein Verwaltungsakt, denn es enthält insbesondere eine Regelung. Eine solche liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat. Dabei ist die Erklärung der Behörde unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen. Maßgebend ist daher der objektive Sinngehalt der Erklärung, wie der Empfänger sie bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste (BSG 29.10.1992, 10 RKg 4/92, SozR 3-1300 § 50 Nr 13; BSG 12.12.2001, B 6 KA 3/01 R, BSGE 89, 90 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3). Die hier verwendete Formulierung "diesen Vorteil (der beitragsfreien Familienversicherung der Beigeladenen) können wir Ihnen rückwirkend ab 01.01.2006 leider nicht mehr bieten. Ab diesem Tag muss Ihre Frau sich deshalb selbst versichern" macht hinreichend deutlich, dass die Familienversicherung der Beigeladenen ab dem 01.01.2006 beendet ist. Der Versuch, rechtstechnische Begriffe zu vermeiden und bürgernahe Formulierungen zu verwenden, steht einem Regelungswillen, der hier offensichtlich vorliegt, nicht entgegen. Eine Regelung mit Außenwirkung liegt damit vor. Entsprechend hat auch der Kläger das Schreiben tatsächlich verstanden, wie sich seinem Widerspruch entnehmen lässt. Zudem liegt ein Formalverwaltungsakt vor, denn die Beklagte hat sich der Rechtsform des Verwaltungsakts bedient, wie sich anhand der Rechtsbehelfsbelehrung erkennen lässt. Die Frage der Rechtmäßigkeit der getroffenen Regelung ist daher nicht im Wege der subsidiären Feststellungsklage, sondern der vom Kläger zumindest hilfsweise erhobenen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) zu prüfen.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Verwaltungsakts ist insoweit § 10 SGB V in der ab 30.03.2005 geltenden Fassung des Art 4 Nr 01 Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.03.2005 (BGBl I S 818). Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift sind in der gesetzlichen Krankenversicherung auch versichert der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern, wenn diese Familienangehörigen 1. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, 2. nicht nach § 5 Abs 1 Nr 1, 2, 3 bis 8, 11 oder 12 oder nicht freiwillig versichert sind, 3. nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht, 4. nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und 5. kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs 1 Nr 1, § 8a des Vierten Buches beträgt das zulässige Gesamteinkommen 400 EUR.
Die Klägerin erfüllt - rückblickend - seit 01.01.2006 nicht mehr alle Voraussetzungen dieser Vorschrift, denn sie verfügte als geringfügig Beschäftigte über ein Gesamteinkommen von mehr als 400 EUR (§ 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V). Eine verbindliche Bestimmung des Gesamteinkommens enthält § 16 SGB IV (BSG 03.02.1994, 12 RK 5/92, SozR 3-2500 § 10 Nr 4). Danach ist das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts; es umfasst insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen. Im Einkommenssteuerrecht ist der Begriff der Summe der Einkünfte definiert: Nach § 2 Abs 1 Satz 1 EStG unterliegen sieben verschiedene Einkunftsarten der Einkommenssteuer, darunter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 6). Was als Einkünfte anzusehen ist, bestimmt § 2 Abs 2 EStG, nämlich bei drei Einkommensarten (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit) der Gewinn, bei den übrigen, darunter auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs 2 Nr 2 EStG). Aus den Einkünften ergibt sich die Summe der Einkünfte, die nach § 2 Abs 3 EStG um bestimmte Posten vermindert, den Gesamtbetrag der Einkünfte ergibt. § 16 Abs 1 SGB IV wollte insoweit zur Verwaltungsvereinfachung den fest umrissenen einkommenssteuerrechtlichen Begriff der Einkünfte übernehmen (st Rspr; BSG 22.06.1979, 3 RK 8/79, SozR 2200 § 205 Nr 23). Damit steht fest, dass auch die Einkünfte der Beigeladenen aus Vermietung und Verpachtung, die sich umgerechnet im Jahr 2006 auf monatlich 94,75 EUR belaufen, für das maßgebliche Gesamteinkommen zu berücksichtigen sind. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach der Rechtsprechung des BSG bei der Bemessung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit außer Betracht zu bleiben haben (BSG 30.03.2006, B 10 KR 2/04 R, SozR 4-5420 § 2 Nr 1; BSG 04.06.2009, B 12 KR 3/08 R, SozR 4-2500 § 10 Nr 9), denn die Beigeladene war nicht selbstständig tätig und hat auch kein Einkommen iSv § 15 SGB IV erzielt.
Auch auf der Grundlage der vom BSG im Urteil vom 07.12.2000 (B 10 KR 3/99 R, SozR 3-2500 § 10 Nr 19) für geboten erachteten nachträglichen Anwendung einer vorausschauenden Betrachtungsweise war bereits Ende 2005 absehbar, dass positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung selbst unter Berücksichtigung von Werbungskosten erzielt werden würden und damit die Einkommensgrenze für das Jahr 2006 überschritten werden wird. Angesichts der Ausschöpfung der Verdienstgrenze bereits durch die geringfügige Beschäftigung ist klar, dass schon bei ganz geringfügigen positiven Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Voraussetzungen für eine Familienversicherung nicht mehr gegeben sind. Die Beigeladene hatte in den Vorjahren zwar negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, anhand des bisherigen Verlaufs hätte sie aber feststellen können, dass die Einkünfte in der Zukunft positiv sein werden würden. Der Kläger und die Beigeladene wussten, zu welcher Miete die Immobilie vermietet war und wie viel Mieteinnahmen abzüglich der steuerrechtlich abzuziehenden Beträge ihnen ungefähr verbleiben würden. Auch mögliche Reparaturen an dem Haus oder am Grundstück sind vorhersehbar und planbar, daneben auftretende unvorhergesehene Reparaturen ändern an der Prognose für ein Jahr nichts. Insbesondere musste den Eheleuten auch das Auslaufen von Abschreibungsmöglichkeiten bekannt sein. Bestätigt wird dies durch die tatsächliche Entwicklung: Hatte die Beigeladene 2004 noch einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung von -3.041 EUR, belief sich dieser schon 2005 nur noch auf -389 EUR. Insoweit kann nicht nachvollzogen werden, dass Kläger und Beigeladene bei pflichtgemäßer Vorausschätzung Ende 2005 noch von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für 2006 hätten ausgehen können. Auch unter Anwendung der vom BSG geforderten nachträglichen vorausschauenden Betrachtung ist daher von einer Überschreitung der Einkommensgrenze von 400 EUR ab 01.01.2006 auszugehen. Da demnach materiell-rechtlich keine Familienversicherung bestanden hat, war die Beklagte berechtigt, dies auch rückwirkend festzustellen (BSG 07.12.2000, aaO).
Abgesehen davon hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, wonach es auf eine vorausschauende Betrachtungsweise in der vorliegenden Fallkonstellation nicht ankommt und ausreicht, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass das Gesamteinkommen der Beigeladenen die hier maßgebliche Grenze bei geringfügiger Beschäftigung von 400 EUR überschritten hat. Der Senat hat im Urteil vom 14.02.2012 (L 11 KR 4779/10, juris) hierzu ausgeführt, dass eine vorausschauende Betrachtungsweise vor allem bei der Berücksichtigung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf besondere Schwierigkeiten stößt, weil sich die Höhe der in Abzug zu bringenden Werbungskosten nur schwer vorhersagen lässt. Zwar lassen sich größere Instandsetzungsmaßnahmen idR gut planen. Dies gilt aber nicht für unvorhergesehene Reparaturaufwendungen. Außerdem kann aus steuerrechtlicher Sicht umstritten sein, ob Modernisierungsaufwendungen als Herstellungskosten - dann nicht als Werbungskosten nach § 9 Abs 1 Satz EStG sofort abziehbar, sondern nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung nach § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 7 iVm § 7 EStG - oder Erhaltungsaufwendungen zu berücksichtigen sind (dazu Bundesfinanzhof 22.09.2009, IX R 21/08, BFH/NV 2010, 846 = juris). Die bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit einer Prognose verbundenen Unsicherheiten sind unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Versicherten nur schwer zu rechtfertigen. Hinzu kommt, dass die Familienversicherung trotz ihrer Eigenständigkeit von der Mitgliedschaft des Stammversicherten abhängt (Baier in Krauskopf, SozKV, § 10 SGB V RdNr 10), und darauf hat der Familienversicherte ohnedies keinen Einfluss. Zudem führt die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung zu keinen unzumutbaren Auswirkungen für den Betroffenen, wenn als Ausgleich hierfür das Recht zum freiwilligen Beitritt so ausgestaltet wird, wie dies das BSG in der erwähnten Entscheidung (BSG 07.12.2000, aaO) angeregt hat. Für die Zeit ab 01.04.2007 kommt hinzu, dass mit dem Wegfall der Familienversicherung eine Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V in Betracht kommt.
Entgegen der Auffassung des Kläger steht der rückwirkenden Feststellung der Beendigung der Familienversicherung der Beigeladenen im Jahr 2009 nicht entgegen, dass die Beklagte möglicherweise früher die Überschreitung der Einkommensgrenze hätte erkennen können im Hinblick auf die vorgelegten Einkommenssteuerbescheide. Allein die kraft Gesetzes eingetretene materiell-rechtliche Beendigung der Familienversicherung berechtigt auch zur nachträglichen Feststellung durch die Beklagte (BSG 07.12.2000, aaO). Abgesehen davon hat der Kläger noch im Fragebogen vom 21.12.2007 unzutreffend angegeben, die Beigeladene erziele nur Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Einkommenssteuerbescheids vom 04.09.2007 bereits definitiv bekannt war, das auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden. Letztlich kommt es jedoch nicht darauf an, ob die Beklagte gleichwohl die Einkommensüberschreitung hätte erkennen müssen, da allein die materiell-rechtliche Beendigung der Familienversicherung entscheidend ist.
Schließlich hatte die Beklagte bei der rückwirkenden Feststellung der Beendigung der Familienversicherung nicht die Einschränkungen der §§ 45 ff SGB X zu beachten. Ein Verwaltungsakt der Beklagten über das Bestehen der Familienversicherung ist zu Beginn der Versicherung nicht ergangen, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Auch in der Aushändigung der Krankenversichertenkarte (§ 291 SGB V) liegt keine konkludente Entscheidung über das Versicherungsverhältnis (BSG 07.12.2000, aaO). "Jährliche Statusmitteilungen", die einen Verwaltungsakt darstellen könnten, sind nicht ersichtlich. Die bloße Weiterführung der Familienversicherung enthält keine Regelung des Versicherungsverhältnisses. Auch aus der jährlichen Abfrage in den Fragebögen zur Datenpflege zur Familienversicherung ist nichts ersichtlich, was auf eine Regelung zur Familienversicherung schließen lassen könnte. Ebenso wenig stellt ein Begrüßungsschreiben einer Krankenkasse (dazu BSG SozR 3-2200 § 306 Nr 2) oder eine Mitgliedsbescheinigung nach § 175 SGB V (BSG 27.06.2012, B 12 KR 11/10 R, SozR 4-2500 § 175 Nr 4) eine Regelung dar. Die Vorschriften der §§ 45 ff SGB X sind daher nicht anwendbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen. Hierfür besteht kein Anlass, da die Berufung der Klägerin vom Senat auch unter Zugrundelegung der vom BSG im Urteil vom 07.12.2000 (aaO) vertretenen Rechtsauffassung unbegründet ist.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung seiner Ehefrau, der Beigeladenen, in seiner freiwilligen Versicherung bei der Beklagten zum 01.01.2006.
Der Kläger ist bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied krankenversichert. Die 1961 geborene Beigeladene wird seit 27.11.1997 bei der Beklagten als familienversichertes Mitglied geführt. Ein Bescheid über das Bestehen und den Beginn der Familienversicherung ist nicht ergangen. Im Rahmen von Einkommensabfragen teilte der Kläger der Beklagten lediglich mit, dass seine Ehefrau Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung habe (zuletzt mit Fragebogen vom 21.12.2007 für das Jahr 2006: 400 EUR). Nach den Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2004 und 2005 vom 16.12.2005 bzw 17.10.2006 hatten die Eheleute negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Nach dem Einkommenssteuerbescheid für 2006 vom 04.09.2007 entfielen auf die Beigeladene Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.137 EUR. Die Einkommenssteuerbescheide hatte der Kläger zur Berechnung der Höhe seiner freiwilligen Beiträge vorgelegt.
Im Januar 2009 prüfte die Beklagte die Voraussetzungen für das Vorliegen der Familienversicherung und stellte fest, dass die Beigeladene im Jahr 2006 neben den Einkünften aus geringfügiger Beschäftigung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hatte.
Mit Schreiben vom 13.03.2009 teilte die Beklagte dem Kläger ua mit: "Die Voraussetzungen für die Familienversicherung müssen wir jährlich rückwirkend auf der Grundlage ihres Steuerbescheids überprüfen, entscheidend ist hierbei das veranlagte Jahr. Ihre Frau G. war bisher über die Familienversicherung beitragsfrei versichert - diesen Vorteil können wir Ihnen rückwirkend ab 01.01.2006 leider nicht mehr bieten, da das Einkommen Ihrer Frau aus Vermietung und Verpachtung und dem Minijob die Einkommensgrenze übersteigt, wie aus dem Steuerbescheid für 2006 hervorgeht. Ab diesem Tag muss Ihre Frau sich deshalb selbst versichern." Das Schreiben enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Mit seinem Widerspruch vom 02.04.2009 machte der Kläger geltend, im Rahmen der jährlich anzugebenden Einkommensverhältnisse habe er stets eine pflichtgemäße Schätzung der Einkommen auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses angenommen. Aufgrund der konkreten Ausgaben und Abschreibungssituation für das Mietobjekt sei davon auszugehen gewesen, dass auch weiterhin keine positiven Mieteinnahmen zufließen würden. Nach der vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Grundsatz der vorausschauenden Betrachtungsweise sei eine rückwirkende Beendigung der Familienversicherung nicht zulässig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2009 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Familienversicherung ende kraft Gesetzes mit dem Wegfall der Voraussetzungen. Es sei in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass das Fehlen der Voraussetzungen für die Familienversicherung auch rückwirkend festgestellt werden könne. Ab 2006 sei bei der Beigeladenen von einem monatlichen Einkommen von 494,75 EUR auszugehen, so dass das zulässige Gesamteinkommen aus geringfügiger Beschäftigung von 400 EUR überschritten worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 17.06.2009 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen macht die Klägerin geltend, dass das Schreiben vom 13.03.2009 schon keinen Verwaltungsakt darstelle, da es an einer Regelung fehle. Aus dem Wortlaut sei nicht erkennbar, was die Beklagte eigentlich bewirken wolle. Auch bei Bejahung eines Verwaltungsakts sei dieser unwirksam ua wegen fehlender Beachtung der Rücknahmevorschriften der §§ 45 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Zudem gelte bei Einschätzung der Familienversicherung eine vorausschauende Betrachtungsweise (unter Hinweis auf BSG 07.12.2000, B 10 KR 3/99 R, SozR 3-2500 § 10 Nr 19). Im Jahr 2006 hätten die Eheleute erstmals positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt; angesichts der negativen Einkünfte in den Vorjahren habe keine Veranlassung bestanden, Einnahmen in den vorab zu erklärenden jährlichen Schätzungen abzugeben. In Kenntnis des Steuerbescheids für 2006 habe die Beklagte sogar noch für 2008 die Familienversicherung der Beigeladenen festgestellt. Schließlich seien die Überschusseinkünfte iSv § 2 Abs 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) ohnehin nicht zum Gesamteinkommen iSv § 16 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) hinzuzurechnen, da es sich nicht um steuerrechtlichen Gewinn handele. Dies wäre nur der Fall, wenn die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gleichzeitig als gewerbliche bzw hauptberufliche Einkunftsquelle steuerrechtlich qualifiziert würden.
Mit Urteil vom 28.03.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Familienversicherung der Beigeladenen habe mit Ablauf des 31.12.2005 geendet, denn sie habe im Jahr 2006 ein monatliches Einkommen von 494,75 EUR erzielt. Dieses Gesamteinkommen übersteige die maßgebliche Einkommensgrenze von 400 EUR nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Gesamteinkommen sei nach § 16 SGB IV die Summe der Einkünfte iSd EStG. Umfasst sei mithin das Arbeitseinkommen aus geringfügiger Beschäftigung aber auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die nach § 2 Abs 1 EStG der Einkommenssteuer unterlägen. Wegen des Endes der Familienversicherung kraft Gesetzes komme es nicht darauf an, ob die Beklagte diese Feststellung nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheids für 2006 bereits früher hätte treffen können. Mit dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (14.02.2012, L 11 KR 4779/10) sei die Kammer der Auffassung, dass es genüge, wenn sich im Nachhinein herausstelle, dass das Gesamteinkommen die Einkommensgrenze des § 10 SGB V überschritten habe. Die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung führe auch zu keinen unzumutbaren Auswirkungen auf die Betroffenen, wenn - wie hier - als Ausgleich das Recht zum freiwilligen Beitritt bestehe. Davon abgesehen sei auch bei einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu Beginn des Jahres 2006 erkennbar gewesen, dass auf Grund der Mieteinnahmen und der durch Zeitablauf weggefallenen Abschreibungsmöglichkeiten positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt würden und damit angesichts des bereits vorhandenen Einkommens aus geringfügiger Beschäftigung die 400 EUR-Grenze überschritten werde.
Gegen dieses, seinem Bevollmächtigten am 02.05.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 11.05.2012 eingelegte Berufung des Klägers. Das SG habe sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, ob das Schreiben vom 13.03.2009 überhaupt ein Verwaltungsakt sei und die Rücknahmevorschriften der §§ 45 ff SGB X zu beachten seien. Hier sei die Frage aufzuwerfen, ob in den jährlichen Statusmitteilungen über die Anerkennung einer Familienversicherung ein Verwaltungsakt zu sehen sei. Zudem habe das SG den Begriff der "vorausschauenden Betrachtungsweise" verkannt. Als juristischer Laie habe der Kläger davon ausgehen können, dass er auch 2006 nur negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen würde. Dazu komme, dass die Beklagte Kenntnis über die Veränderung gehabt habe, denn der Kläger habe seine Steuerbescheide vorgelegt. Der Hinweis auf die behördeninterne Bearbeitung durch eine andere Stelle könne nicht ernsthaft als Exkulpation verstanden werden. Die Beklagte hätte die Familienversicherung dann ablehnen müssen und nicht den Versicherten "sehenden Auges" ins Verderben laufen lassen dürfen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28.03.2012 aufzuheben und festzustellen, dass das Schreiben der Beklagten vom 13.03.2009 den Status der Ehefrau des Klägers bei der Beklagten als familienversicherte Angehörige nach § 10 SGB V nicht rückwirkend verändert hat; hilfsweise, den Bescheid der Beklagte vom 13.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Bei dem Schreiben der Beklagten vom 13.03.2009 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, welcher in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2009 (§ 95 SGG) rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Die über den Kläger vermittelte Familienversicherung der Beigeladenen endete mit Ablauf des 31.12.2005.
Der Kläger ist vorliegend als Stammversicherter klagebefugt, wenn es - wie hier - um die Familienversicherung seiner Angehörigen geht (BSG 29.06.1993, 12 RK 48/91, SozR 3-2500 § 10 Nr 2).
Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Familienversicherung der Beigeladenen durch das Schreiben vom 13.03.2009 nicht beendet worden sei, ist die so verstandene Feststellungsklage iSv § 55 Abs 1 Nr 1 SGG subsidiär zur Anfechtungsklage. Denn entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei dem Schreiben vom 13.03.2009 um einen Verwaltungsakt mit der Regelung der Feststellung der rückwirkenden Beendigung der Familienversicherung zum 01.01.2006. Nach § 31 Satz 1 SGB X ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Nach diesen Kriterien ist das Schreiben vom 13.03.2009 ein Verwaltungsakt, denn es enthält insbesondere eine Regelung. Eine solche liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat. Dabei ist die Erklärung der Behörde unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen. Maßgebend ist daher der objektive Sinngehalt der Erklärung, wie der Empfänger sie bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste (BSG 29.10.1992, 10 RKg 4/92, SozR 3-1300 § 50 Nr 13; BSG 12.12.2001, B 6 KA 3/01 R, BSGE 89, 90 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3). Die hier verwendete Formulierung "diesen Vorteil (der beitragsfreien Familienversicherung der Beigeladenen) können wir Ihnen rückwirkend ab 01.01.2006 leider nicht mehr bieten. Ab diesem Tag muss Ihre Frau sich deshalb selbst versichern" macht hinreichend deutlich, dass die Familienversicherung der Beigeladenen ab dem 01.01.2006 beendet ist. Der Versuch, rechtstechnische Begriffe zu vermeiden und bürgernahe Formulierungen zu verwenden, steht einem Regelungswillen, der hier offensichtlich vorliegt, nicht entgegen. Eine Regelung mit Außenwirkung liegt damit vor. Entsprechend hat auch der Kläger das Schreiben tatsächlich verstanden, wie sich seinem Widerspruch entnehmen lässt. Zudem liegt ein Formalverwaltungsakt vor, denn die Beklagte hat sich der Rechtsform des Verwaltungsakts bedient, wie sich anhand der Rechtsbehelfsbelehrung erkennen lässt. Die Frage der Rechtmäßigkeit der getroffenen Regelung ist daher nicht im Wege der subsidiären Feststellungsklage, sondern der vom Kläger zumindest hilfsweise erhobenen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) zu prüfen.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Verwaltungsakts ist insoweit § 10 SGB V in der ab 30.03.2005 geltenden Fassung des Art 4 Nr 01 Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.03.2005 (BGBl I S 818). Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift sind in der gesetzlichen Krankenversicherung auch versichert der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern, wenn diese Familienangehörigen 1. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, 2. nicht nach § 5 Abs 1 Nr 1, 2, 3 bis 8, 11 oder 12 oder nicht freiwillig versichert sind, 3. nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht, 4. nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und 5. kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs 1 Nr 1, § 8a des Vierten Buches beträgt das zulässige Gesamteinkommen 400 EUR.
Die Klägerin erfüllt - rückblickend - seit 01.01.2006 nicht mehr alle Voraussetzungen dieser Vorschrift, denn sie verfügte als geringfügig Beschäftigte über ein Gesamteinkommen von mehr als 400 EUR (§ 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V). Eine verbindliche Bestimmung des Gesamteinkommens enthält § 16 SGB IV (BSG 03.02.1994, 12 RK 5/92, SozR 3-2500 § 10 Nr 4). Danach ist das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuerrechts; es umfasst insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen. Im Einkommenssteuerrecht ist der Begriff der Summe der Einkünfte definiert: Nach § 2 Abs 1 Satz 1 EStG unterliegen sieben verschiedene Einkunftsarten der Einkommenssteuer, darunter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 6). Was als Einkünfte anzusehen ist, bestimmt § 2 Abs 2 EStG, nämlich bei drei Einkommensarten (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit) der Gewinn, bei den übrigen, darunter auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs 2 Nr 2 EStG). Aus den Einkünften ergibt sich die Summe der Einkünfte, die nach § 2 Abs 3 EStG um bestimmte Posten vermindert, den Gesamtbetrag der Einkünfte ergibt. § 16 Abs 1 SGB IV wollte insoweit zur Verwaltungsvereinfachung den fest umrissenen einkommenssteuerrechtlichen Begriff der Einkünfte übernehmen (st Rspr; BSG 22.06.1979, 3 RK 8/79, SozR 2200 § 205 Nr 23). Damit steht fest, dass auch die Einkünfte der Beigeladenen aus Vermietung und Verpachtung, die sich umgerechnet im Jahr 2006 auf monatlich 94,75 EUR belaufen, für das maßgebliche Gesamteinkommen zu berücksichtigen sind. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach der Rechtsprechung des BSG bei der Bemessung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit außer Betracht zu bleiben haben (BSG 30.03.2006, B 10 KR 2/04 R, SozR 4-5420 § 2 Nr 1; BSG 04.06.2009, B 12 KR 3/08 R, SozR 4-2500 § 10 Nr 9), denn die Beigeladene war nicht selbstständig tätig und hat auch kein Einkommen iSv § 15 SGB IV erzielt.
Auch auf der Grundlage der vom BSG im Urteil vom 07.12.2000 (B 10 KR 3/99 R, SozR 3-2500 § 10 Nr 19) für geboten erachteten nachträglichen Anwendung einer vorausschauenden Betrachtungsweise war bereits Ende 2005 absehbar, dass positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung selbst unter Berücksichtigung von Werbungskosten erzielt werden würden und damit die Einkommensgrenze für das Jahr 2006 überschritten werden wird. Angesichts der Ausschöpfung der Verdienstgrenze bereits durch die geringfügige Beschäftigung ist klar, dass schon bei ganz geringfügigen positiven Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Voraussetzungen für eine Familienversicherung nicht mehr gegeben sind. Die Beigeladene hatte in den Vorjahren zwar negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, anhand des bisherigen Verlaufs hätte sie aber feststellen können, dass die Einkünfte in der Zukunft positiv sein werden würden. Der Kläger und die Beigeladene wussten, zu welcher Miete die Immobilie vermietet war und wie viel Mieteinnahmen abzüglich der steuerrechtlich abzuziehenden Beträge ihnen ungefähr verbleiben würden. Auch mögliche Reparaturen an dem Haus oder am Grundstück sind vorhersehbar und planbar, daneben auftretende unvorhergesehene Reparaturen ändern an der Prognose für ein Jahr nichts. Insbesondere musste den Eheleuten auch das Auslaufen von Abschreibungsmöglichkeiten bekannt sein. Bestätigt wird dies durch die tatsächliche Entwicklung: Hatte die Beigeladene 2004 noch einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung von -3.041 EUR, belief sich dieser schon 2005 nur noch auf -389 EUR. Insoweit kann nicht nachvollzogen werden, dass Kläger und Beigeladene bei pflichtgemäßer Vorausschätzung Ende 2005 noch von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für 2006 hätten ausgehen können. Auch unter Anwendung der vom BSG geforderten nachträglichen vorausschauenden Betrachtung ist daher von einer Überschreitung der Einkommensgrenze von 400 EUR ab 01.01.2006 auszugehen. Da demnach materiell-rechtlich keine Familienversicherung bestanden hat, war die Beklagte berechtigt, dies auch rückwirkend festzustellen (BSG 07.12.2000, aaO).
Abgesehen davon hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, wonach es auf eine vorausschauende Betrachtungsweise in der vorliegenden Fallkonstellation nicht ankommt und ausreicht, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass das Gesamteinkommen der Beigeladenen die hier maßgebliche Grenze bei geringfügiger Beschäftigung von 400 EUR überschritten hat. Der Senat hat im Urteil vom 14.02.2012 (L 11 KR 4779/10, juris) hierzu ausgeführt, dass eine vorausschauende Betrachtungsweise vor allem bei der Berücksichtigung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf besondere Schwierigkeiten stößt, weil sich die Höhe der in Abzug zu bringenden Werbungskosten nur schwer vorhersagen lässt. Zwar lassen sich größere Instandsetzungsmaßnahmen idR gut planen. Dies gilt aber nicht für unvorhergesehene Reparaturaufwendungen. Außerdem kann aus steuerrechtlicher Sicht umstritten sein, ob Modernisierungsaufwendungen als Herstellungskosten - dann nicht als Werbungskosten nach § 9 Abs 1 Satz EStG sofort abziehbar, sondern nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung nach § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 7 iVm § 7 EStG - oder Erhaltungsaufwendungen zu berücksichtigen sind (dazu Bundesfinanzhof 22.09.2009, IX R 21/08, BFH/NV 2010, 846 = juris). Die bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit einer Prognose verbundenen Unsicherheiten sind unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Versicherten nur schwer zu rechtfertigen. Hinzu kommt, dass die Familienversicherung trotz ihrer Eigenständigkeit von der Mitgliedschaft des Stammversicherten abhängt (Baier in Krauskopf, SozKV, § 10 SGB V RdNr 10), und darauf hat der Familienversicherte ohnedies keinen Einfluss. Zudem führt die rückwirkende Beendigung der Familienversicherung zu keinen unzumutbaren Auswirkungen für den Betroffenen, wenn als Ausgleich hierfür das Recht zum freiwilligen Beitritt so ausgestaltet wird, wie dies das BSG in der erwähnten Entscheidung (BSG 07.12.2000, aaO) angeregt hat. Für die Zeit ab 01.04.2007 kommt hinzu, dass mit dem Wegfall der Familienversicherung eine Versicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V in Betracht kommt.
Entgegen der Auffassung des Kläger steht der rückwirkenden Feststellung der Beendigung der Familienversicherung der Beigeladenen im Jahr 2009 nicht entgegen, dass die Beklagte möglicherweise früher die Überschreitung der Einkommensgrenze hätte erkennen können im Hinblick auf die vorgelegten Einkommenssteuerbescheide. Allein die kraft Gesetzes eingetretene materiell-rechtliche Beendigung der Familienversicherung berechtigt auch zur nachträglichen Feststellung durch die Beklagte (BSG 07.12.2000, aaO). Abgesehen davon hat der Kläger noch im Fragebogen vom 21.12.2007 unzutreffend angegeben, die Beigeladene erziele nur Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt aufgrund des Einkommenssteuerbescheids vom 04.09.2007 bereits definitiv bekannt war, das auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden. Letztlich kommt es jedoch nicht darauf an, ob die Beklagte gleichwohl die Einkommensüberschreitung hätte erkennen müssen, da allein die materiell-rechtliche Beendigung der Familienversicherung entscheidend ist.
Schließlich hatte die Beklagte bei der rückwirkenden Feststellung der Beendigung der Familienversicherung nicht die Einschränkungen der §§ 45 ff SGB X zu beachten. Ein Verwaltungsakt der Beklagten über das Bestehen der Familienversicherung ist zu Beginn der Versicherung nicht ergangen, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Auch in der Aushändigung der Krankenversichertenkarte (§ 291 SGB V) liegt keine konkludente Entscheidung über das Versicherungsverhältnis (BSG 07.12.2000, aaO). "Jährliche Statusmitteilungen", die einen Verwaltungsakt darstellen könnten, sind nicht ersichtlich. Die bloße Weiterführung der Familienversicherung enthält keine Regelung des Versicherungsverhältnisses. Auch aus der jährlichen Abfrage in den Fragebögen zur Datenpflege zur Familienversicherung ist nichts ersichtlich, was auf eine Regelung zur Familienversicherung schließen lassen könnte. Ebenso wenig stellt ein Begrüßungsschreiben einer Krankenkasse (dazu BSG SozR 3-2200 § 306 Nr 2) oder eine Mitgliedsbescheinigung nach § 175 SGB V (BSG 27.06.2012, B 12 KR 11/10 R, SozR 4-2500 § 175 Nr 4) eine Regelung dar. Die Vorschriften der §§ 45 ff SGB X sind daher nicht anwendbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen. Hierfür besteht kein Anlass, da die Berufung der Klägerin vom Senat auch unter Zugrundelegung der vom BSG im Urteil vom 07.12.2000 (aaO) vertretenen Rechtsauffassung unbegründet ist.
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