Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 3782/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2200/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. April 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) Nr. 2109, hilfsweise die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1967 geborene Kläger war vom 01.08.1982 bis 05.02.1990 bei der Firma M. in F. zunächst als Schreinerlehrling und anschließend als Schreiner beschäftigt. Während dieser Zeit montierte er Holzdecken sowie Wandverkleidungen und stellte Möbel her, wobei er die üblichen Schreinerarbeiten (Einlagern von Holzdielen, Spanplatten, Verarbeitung der fertigen Möbel, Türen, Theken usw.) verrichtete. Vom 05.02.1990 bis 30.11.1998 arbeitete der Kläger bei der Firma H. Spezialmöbel in Ö. als Schreiner in der Endmontage, wobei überwiegend Schreibtische und Lehrerpulte hergestellt wurden. In der Zeit vom 01.12.1998 bis 30.09.2000 war der Kläger bei der M. GmbH & Co. KG (Firma B.) in H. als Schreiner, Auslieferer und Endmonteur von Möbeln tätig. In seiner überwiegenden Arbeitszeit (80 %) montierte er Einbauküchen, wobei wöchentlich 5 bis 8 Küchen montiert wurden. Vom 01.10.2000 bis 31.12.2000 war der Kläger bei der Firma V. Küchen in K. in der Küchenmontage beschäftigt. In der Zeit vom 02.01.2001 bis 30.06.2007 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses) arbeitete der Kläger erneut bei der Firma B. Seit 05.02.2006 war der Kläger arbeitsunfähig. Vom 14.06.2006 bis 05.07.2006 befand er sich zu einem Heilverfahren in der R.klinik Bad R ... Vom 05.03.2007 bis 09.07.2009 absolvierte er eine Umschulung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Danach war er arbeitslos.
Mit Schreiben vom 17.03.2006 zeigte die A. H. der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel, der Rechtsvorgängerin der Beklagten (zukünftig einheitlich: Beklagte), den Verdacht auf eine BK (Wirbelsäulenerkrankung) an und machte wegen der von ihr erbrachten Leistungen (Krankengeld, Arztbehandlung, Physiotherapie) einen Erstattungsanspruch geltend.
Die Beklagte holte Auskünfte beim Kläger ein und beauftragte ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) mit Ermittlungen zu den beruflichen Belastungen des Klägers. Der TAD führte in seinen Stellungnahmen vom 08.06.2006 und 28.06.2006 aufgrund von Erhebungen bei der Firma B. aus, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Berufskrankheiten Nr. 2108 und Nr. 2109 lägen nicht vor. Bezüglich der BK Nr. 2109 gab er an, es seien zwar Gewichte von 50 kg und mehr getragen worden, allerdings nicht immer in der verantwortlichen Tragehaltung. Die tägliche Tragezeit in der verantwortlichen Tragehaltung mit den relevanten Gewichten von &8805; 50 kg liege unter 30 Minuten. Die Tragehäufigkeit sei durch die Annahme, dass immer 8 Küchen pro Woche montiert worden seien, im Bereich des schlimmst anzunehmenden Fall angesiedelt worden.
Mit Bescheid vom 24.08.2006 lehnte die Beklagte eine Entschädigung der Lendenwirbelsäulenbeschwerden (LWS-Beschwerden) als BK nach Nr. 2108 sowie der Halswirbelsäulenbeschwerden (HWS-Beschwerden) als BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV und vorbeugende Maßnahmen und Leistungen nach § 3 BKV ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe die für die BK Nr. 2109 geforderten Lastgewichte von wenigstens 50 kg während seiner beruflichen Tätigkeit nicht mit der geforderten Regelmäßigkeit und Häufigkeit auf den Schultern getragen. Hinsichtlich der BK Nr. 2108 habe sich lediglich eine Gesamtbelastungsdosis von 12,88 x 106 Nh ergeben, so dass die erforderliche Gesamtbelastungsdosis von 25 Nh nicht erreicht sei. Darüber hinaus seien auch keine vorbeugenden Leistungen gemäß § 3 BKV zu erbringen, da beim Kläger keine konkrete Gefahr bestehe, dass bei Fortsetzung der Tätigkeit eine BK entstehe, wiederauflebe oder sich verschlimmere.
Hiergegen legte der Kläger am 07.09.2006 Widerspruch ein, übersandte Lichtbilder, die verschiedene Tragevorgänge zeigten, und eine Dokumentation über getragene Gegenstände.
Die Beklagte zog eine weitere Stellungnahme ihres TAD vom 06.12.2006 bei und holte Auskünfte bei weiteren Arbeitgebern des Klägers, dem H. vom 18.01.2007, bei A. M. vom 28.02.2007 und der Firma V. Küchen vom 28.05.2007, ein. Außerdem forderte sie eine Stellungnahme der Holz-BG, die für die genannten Firmen zuständig war, an. Der Präventionsdienst der Holz-BG gelangte in der Stellungnahme vom 07.05.2007 zum Ergebnis, eine Belastung im Sinne der BK 2109 habe nicht vorgelegen. Berücksichtige man auch die LWS, obwohl der Kläger nur Beschwerden an der HWS geschildert habe, so sei für die Firma V. eine zusätzliche dreimonatige Belastung zu den bereits acht Jahren Belastung bei der Firma B. in Höhe der von der Beklagten errechneten Dosis hinzuzufügen. Für die Firma H. errechne sich keine Belastung. Bei der Firma M., einer typischen Schreinerei, sei erfahrungsgemäß die Menge an transportierten Gewichten zu gering, als dass der Tagesrichtwert von 5500 Nh überschritten werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Anerkennung der HWS-Beschwerden als BK scheide aus, da der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit ab 01.08.1982 Lastgewichte von mindestens 50 kg nicht mit der erforderlichen Regelmäßigkeit und Häufigkeit auf der Schulter getragen habe. Eine Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung im LWS-Bereich komme nicht in Betracht, da die Gesamtbelastungsdosis nicht erreicht sei.
Hiergegen hat der Kläger am 18.10.2007 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, eine BK Nr. 2109 der Anlage zur BKV seit dem 21.03.2006 anzuerkennen, Leistungen nach einer MdE um mindestens 20 v.H. sowie Leistungen gemäß § 3 BKV zu gewähren. Zur Begründung hat er vorgetragen, wegen der HWS-Beschwerden sei er vom 05.02.2006 bis 30.06.2007 arbeitsunfähig gewesen. Er habe unter anhaltenden Schmerzen vorwiegend im rechten Arm mit Pelzigkeit und Lähmungsgefühl bis in die Finger, unter Kopfschmerzen und Tinnitus gelitten. Derzeit leide er unter Schmerzen mit Ausstrahlungen in den linken Arm und Pelzigkeit der Finger 4 und 5. Die M. GmbH & Co. KG sei auf die L. GmbH übergegangen. Diese habe das Arbeitsverhältnis zum 27.02.2007 gekündigt. Vor dem Arbeitsgericht sei ein Vergleich dahingehend geschlossen worden, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2007 ende.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das SG hat den behandelnden Orthopäden des Klägers Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört und ein Sachverständigengutachten eingeholt.
Dr. H. hat am 26.11.2006 und 28.05.2009 unter Vorlage von Befundberichten vom 27.03.2006 und 26.11.2008 sowie Arztbriefen der Radiologischen Gemeinschaftspraxis D. vom 14.02.2006 und 30.04.2008 sowie des Entlassungsberichts der R.klinik Bad R. vom 10.07.2006 erklärt, er behandle den Kläger seit dem 09.02.2006. Die Frage, ob beim Kläger eine BK Nr. 2109 vorliege, bedürfe einer genauen Überprüfung unter Berücksichtigung des gesamten Berufslebens. Seine Einschätzung, dass eine solche Erkrankung in Betracht komme, beruhe auf den anamnestischen Angaben des Klägers hinsichtlich seines Einsatzes als Möbelschreiner (häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten bis zu 90 kg, häufige Überkopfarbeiten).
Der Orthopäde Dr. H. hat beim Kläger im Gutachten vom 28.09.2009 eine schmerzhafte Funktionsstörung der HWS bei diskreten degenerativen Veränderungen in den mittleren HWS-Abschnitten ohne Bandscheibenvorfall und ohne ausgeprägte monosegmentale Bandscheibendegeneration festgestellt. Er ist zum Ergebnis gekommen, dass weder das radiologische Bild noch die klinische Symptomatik und auch nicht der klinische Untersuchungsbefund auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung hindeute. Die vorgelegten kernspintomographischen Bilder von April 2008 zeigten eine leichte Enge des zentralen Wirbelkanals in den mittleren HWS-Segmenten. In diesem Bereich fänden sich auch diskrete Bandscheibenprotrusionen, aber keine eigentlichen Bandscheibenvorfälle. Darüber hinaus fänden sich beginnende degenerative Veränderungen an den Grund- und Deckplatten C4/5 rechts betont mit diskreter Einengung des Nervenwurzelkanals C4/5 rechts. Konventionelle Röntgenaufnahmen der HWS aus den Jahren 2006 und 2008 zeigten keinen eindeutigen pathologischen Befund. Es ließen sich weder klinisch noch radiologisch schwerwiegende strukturelle Schäden im Bereich der HWS feststellen. Die diskreten radiologischen Veränderungen seien, bezogen auf das Lebensalter des Klägers, nicht untypisch. Sie erklärten die chronische therapieresistente Schmerzsymptomatik nicht. Die angegebenen Gefühlstörungen in den Fingern 4 und 5 beider Hände, die theoretisch auf einen Nervenwurzelschaden C8 hinweisen könnten, ließen sich keinem definierten organischen Krankheitsbild zuordnen. Durch die diskreten Einengungen des Nervenwurzelkanals C4/5 lasse sich eine Nervenwurzelirritation C8 beidseits nicht erklären.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.04.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 2109 der Anlage zur BKV und auch nicht auf vorbeugende Leistungen nach § 3 BKV. Es lägen weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2109 der Anlage zur BKV vor. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 19.04.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.05.2010 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt und vorgetragen, das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorliegen würden, da er keine schweren Lasten auf den Schultern getragen habe und wenn, dann überwiegend mit Hilfe eines Tragegurtes. Dass Tragetätigkeiten von mindestens 50 kg verlangt würden, lasse sich dem Merkblatt nicht entnehmen. Die von ihm vorgelegte Bilddokumentation zeige, dass auch Arbeitsplatten von ca. 50 kg und mehr bei Verdrehung der HWS getragen worden seien. Die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen seien ebenfalls gegeben. Die Erklärung von Dr. H., dass das bei ihm festgestellte Schadensbild alterstypisch sei, entspreche nicht dem medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Im Übrigen leide er auch unter Beschwerden der LWS. Für den Anspruch auf Übergangsleistungen sei es nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) ausreichend, dass der Versicherte aufgrund von Tätigkeiten Einwirkungen auf seine Gesundheit ausgesetzt sei, die aktuell eine konkrete individuelle Gefahr des Entstehens einer BK begründeten und wegen der fortbestehenden Gefahr die gefährdete Tätigkeit eingestellt worden sei und es dadurch zu einer konkreten Verdienstminderung oder einem wirtschaftlichen Nachteil gekommen sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. April 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine BK Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV seit dem 21. März 2006 anzuerkennen, hilfsweise Übergangsleistungen gemäß § 3 BKV seit dem 21. März 2006 zu gewähren, hilfsweise ein arbeitsmedizinisches Gutachten einzuholen zu der Frage, ob im Jahr 2006 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS vorlag und ob konkurrierende Ursachen gesichert sind sowie ob das Risiko, an einer Berufskrankheit Nr. 2109 zu erkranken, erhöht war im Vergleich zu anderen Versicherten, hilfsweise ein arbeitstechnisches Gutachten zur Feststellung der gesamten halswirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten durchzuführen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, es seien weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2109 nachgewiesen. Auch eine konkrete individuelle Gefahr nach § 3 BKV sei nicht beweisbar. Das Tätigkeitsbild des Klägers unterscheide sich insgesamt deutlich von den im Merkblatt genannten Referenzberufen eines Fleischträgers im Schlachthof. Die Beklagte hat einen Aufsatz von Schäfer u.a. "Vergleich der Belastungen von Fleisch- und Kohleträgern beim Tragen von Lasten auf den Schultern" aus Zbl. Arbeitsmedizin 58 (2008) S. 82 - 93 vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Eine BK Nr. 2109 der Anl. 1 zur BKV liegt nicht vor, und der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen gemäß § 3 BKV.
Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wobei sie auch bestimmen kann, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Erlass der Anl. 1 zur BKV, die eine Liste der Berufskrankheiten enthält, Gebrauch gemacht.
Unter Berücksichtigung dessen ergeben sich bei einer in der Anl. 1 zur BKV aufgeführten Erkrankung (Listen-BK) in der Regel folgende tatbestandliche Voraussetzungen, die ggf. bei einzelnen Listen-BK einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale versicherte Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für den nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhang genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges (vgl. BSG, Urteile vom 9.5.2006, B 2 U 1/05 R, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, und vom 27.6.2006, B 2 U 20/04 R, in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 m.w.N.). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O.).
Bei der BK Nr. 2109 der Anl. 1 zur BKV handelt es sich um bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Der Tatbestand der BK Nr. 2109 der Anl. 1 zur BKV bezeichnet die Voraussetzungen für die erforderlichen beruflichen Einwirkungen nicht anhand exakt definierter Wirkgrößen, sondern mittels unbestimmter Rechtsbegriffe. Deswegen ist es Aufgabe der Verwaltung und der Gerichte, solche unbestimmten Rechtsbegriffe unter Berücksichtigung der Gesetzes- bzw. Verordnungsmaterialien sowie anhand der Vorgaben der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Merkblätter zu den einzelnen BKen näher zu konkretisieren. Ausgehend hiervon beinhaltet der Tatbestand der BK Nr. 2109 der Anl. 1 zur BKV für das Vorliegen der beruflichen Einwirkungen, die im Vollbeweis vorliegen müssen, folgende Voraussetzungen:
1. Das Tragen von schweren Lasten auf der Schulter von Lastgewichten von 50 kg und mehr.
2. Langjähriges Tragen schwerer Lasten. Für ein langjähriges Tragen stellen 10 Berufsjahre im Durchschnitt die untere Grenze für die Ausübung der belastenden Tätigkeit dar. Insoweit bezeichnet das Merkmal "langjährig" nur einen aus Erfahrungswissen gewonnenen Wert für die Dauer der Belastung. Bei solchen Orientierungswerten schließen geringe Unterschreitungen von bis zu 20 v.H. die Erfüllung des BK-Tatbestands nicht von vornherein aus; dies gilt besonders in den Fällen, in denen Versicherte Lasten mit höheren Gewichten bewegten.
3. Erforderlich ist weiter, dass während dieser etwa 10 Berufsjahre regelmäßig schwere Lasten auf der Schulter getragen wurden. Dabei reicht ein Tragen schwerer Lasten "in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten" aus. Eine Zeitgrenze pro Arbeitsschicht, z.B. eine Stunde täglich, kann daher nicht gefordert werden. Es können geringe oder fehlende Einwirkungen in einer Arbeitsschicht durch Belastungen in anderen Schichten ausgeglichen werden. Die Zahl belastender Arbeitsschichten muss allerdings überwiegen.
4. Das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter muss mit einer nach vorn- und seitwärts erzwungenen Kopfhaltung (Zwangshaltung) einhergehen. Tätigkeiten mit vergleichbarem Belastungsprofil sind allerdings ebenfalls in Betracht zu ziehen.
5. Die Einwirkungen müssen zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit geführt haben (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2013 – B 2 U 11/12 R – im Terminsbericht Nr. 33/13 Nr. 3).
Typisches Beispiel für einen Anwendungsfall der BK Nr. 2109 ist die Tätigkeit der Fleischträger, die Tierhälften auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel tragen. Nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung und gleichzeitiges Anspannen der Nackenmuskulatur stellen die maßgeblichen schädigenden Faktoren dar. Nicht erfasst werden Tätigkeiten, bei denen die Last nicht auf der Schulter aufliegt, sondern über Kopf und Schulter hochgehalten bzw. gestützt wird (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 494 f.).
Die oben genannten Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der Stellungnahmen des TAD der Beklagten vom 08.06.2006, 28.06.2006 und 06.12.2006 sowie des Präventionsdienstes der Holz-BG vom 07.05.2007.
Bei den Tätigkeiten des Klägers bei der Firma M. und dem H. kam ein regelmäßiges Tragen von Gegenständen auf der Schulter nicht vor; auch lagen die auf der Schulter getragenen Gewichte nicht über 50 kg, wie der Präventionsdienst der Holz-BG nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat. Bei der Firma B. hat der Kläger zwar Gewichte über 50 kg und mehr getragen, allerdings nicht immer auf der Schulter. Außerdem lag die tägliche Tragezeit von Gewichten von mindestens 50 kg auf der Schulter unter 30 Minuten täglich. Die Tätigkeit bei dieser Firma bestand auch nicht überwiegend im Tragen von Gegenständen auf der Schulter, sondern im Beladen des LKWs mit Geschirrspülmaschinen, Kühlschränken, Waschmaschinen, Hängeschränken, Arbeitsplatten, Polstermöbel usw., wobei auch Tragegurte benutzt wurden, der Anfahrt zum Kunden, dem Ausladen beim Kunden und schließlich der Montage der Möbel bzw. der Küchen beim Kunden. Das Belastungsprofil des Klägers, der als Schreiner, Auslieferer und Endmonteur von Möbeln und insbesondere Küchen, tätig war, unterscheidet sich daher wesentlich vom Belastungsprofil eines Fleischträgers.
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich sehr wohl aus dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (Bek. des BMA, BArBl 3/93 S. 53), dass das Tragen von Lastgewichten mit 50 kg oder mehr auf der Schulter erforderlich ist, um die Tatbestandsvoraussetzungen der BK Nr. 2109 zu erfüllen. Darüber hinaus hat das BSG im oben genannten Urteil vom 04.07.2013 dies nochmals bestätigt. Der Umstand, dass der Kläger gegebenenfalls vereinzelt Arbeitsplatten von ca. 50 kg getragen und dabei die HWS verdreht hat, reicht nicht aus, um die Voraussetzungen der BK Nr. 2109 zu erfüllen und ist mit der Tätigkeit eines Fleischträgers des nicht vergleichbar.
Die medizinischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2109 liegen ebenfalls nicht vor.
Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS vermochte der Sachverständige Dr. H. beim Kläger nicht festzustellen. Er hat vielmehr für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass weder das radiologische Bild noch die klinische Symptomatik und auch nicht der klinische Untersuchungsbefund auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung hinweisen. Schwerwiegende strukturelle Schäden im Bereich der HWS vermochte er nicht festzustellen. Die diskreten radiologischen Veränderungen sind, bezogen auf das Lebensalter des Klägers, nicht untypisch und erklären die chronische therapieresistente Schmerzsymptomatik nicht. So ergaben die Röntgenaufnahmen der HWS vom 09.02.2006 in der Aufsicht einen senkrechten Aufbau der HWS und eine unauffällige Darstellung der unteren Kopfgelenke. Gravierende Verschleißerscheinungen in den unteren zervikalen Segmenten lagen nicht vor. In der seitlichen Projektion zeigte sich eine physiologische Lordosierung der HWS ohne Gefügesstörungen. Offenkundige Verschmälerung ein der Zwischenwirbelräume und offenkundige Spondylosen waren nicht vorhanden. Angesichts dessen ist die Beurteilung von Dr. H. nachvollziehbar und überzeugend, dass kein sicherer pathologischer Befund im Bereich der HWS vorlag. Aus den Röntgenaufnahmen vom 21.04.2008 ergibt sich keine wesentliche Befundänderung. Die Kernspintomographie der HWS vom 29.04.2008 zeigte in der T-2-Wichtung eine distale Abflachung der Bandscheiben C3/4 und C4/5 in Verbindung mit minimalen Bandscheibenvorwölbungen in dieser Etage. Diese Vorwölbungen führten zu keiner Kompromittierung des Wirbelkanals und des Rückenmarks. In der transversalen Schichtaufnahme zeigte sich eine leichte Enge des zentralen Wirbelkanals zwischen dem 3. und 6. Halswirbel. Die Bandscheibenvorwölbungen in diesem Bereich waren diskret, ohne feststellbare Kompromittierung neuraler Strukturen. Die leichten Bandscheibenvorwölbungen haben nach dem derzeitigen Stand ärztlichen Wissens keine pathologische Bedeutung, wie Dr. H. für den Senat nachvollziehbar dargelegt hat. Auch sind die chronischen diffusen therapieresistenten Beschwerden des Klägers im Bereich der Nackenregion mit Ausstrahlung in den Hinterkopf und die Schulterblätter sowie die seit ca. September 2008 (ca. ein Jahr vor dem Gutachten von Dr. H.) vorliegenden Taubheitsgefühle in den beiden Kleinfingern nicht typisch für eine bandscheibenbedingte Erkrankung. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung von Dr. H. fanden sich keine objektiven Zeichen einer gravierenden Funktionsstörung der HWS. Die angegebenen Gefühlstörungen in den Kleinfingern könnten theoretisch auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung, die zu einer Nervenwurzelläsion C8 beidseits führt, hinweisen. Radiologisch findet sich in diesem Bereich jedoch kein pathologischer Befund. Dementsprechend hat Dr. H. beim Kläger keine bandscheibenbedingte Erkrankung diagnostiziert, sondern eine schmerzhafte Funktionsstörung der HWS bei diskreten degenerativen Veränderungen in den mittleren HWS-Abschnitten ohne Bandscheibenvorfall und ohne ausgeprägte monosegmentale Bandscheibendegeneration. Ärztliche Äußerungen, die das Begehren des Klägers stützen könnten, liegen – abgesehen davon, dass schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht zu bejahen sind – nicht vor. Die Angaben des behandelnden Orthopäden Dr. H. belegen ebenfalls keine BK Nr. 2109.
Auch unter Berücksichtigung der vom Kläger gestellten Beweisanträge hat sich der Senat nicht gedrängt gesehen, weitere Ermittlungen von Amts wegen in Gestalt der Einholung eines arbeitsmedizinischen und eines arbeitstechnischen Gutachtens durchzuführen. Es handelt sich dabei bereits nicht um prozessordnungsgemäße Beweisanträge, da es an der Bezeichnung konkreter Beweistatsachen fehlt, die durch Einholung der Gutachten belegt werden sollen, was aber Voraussetzung für einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag ist (vgl. Beschlüsse des BSG vom 11.12.2008 – B 5 R 136/08 B – Rn. 14 und vom 20.12.2012 – B 5 R 38/12 BH – Rn. 9 [nicht veröffentlicht], jeweils unter Verweis auf BSG SozR 4-1500 § 160a Nr. 3 Rn. 6 m.w.N.). Aber selbst wenn man den Antrag des Klägers auf Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens dahingehend verstehen sollte, dass dadurch belegt werden soll, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS vorliegt, vermag der Senat die Notwendigkeit eines weiteren medizinischen Gutachtens nicht zu erkennen. Denn der Umstand, dass der Kläger bzw. sein Bevollmächtigte das Gutachten von Dr. H. nicht für überzeugend hält, weil es den Anspruch des Klägers nicht stützt, begründet keinen Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen. Im Übrigen übersieht der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter, dass ein bildgebender Nachweis eines Bandscheibenschadens (Höhenminderung und/oder Vorfall) für den Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankungen nicht ausreichend ist. Vielmehr muss eine damit korrelierende klinische Symptomatik hinzukommen. Durch die Angaben des Klägers, die Auskünfte der Arbeitgeber des Klägers sowie die Stellungnahmen des Präventionsdienstes der Beklagten sowie der Holz-BG sind die halswirbelsäulenbelastenden Umstände, unter denen der Kläger tätig war, umfassend aufgeklärt. Die Frage, ob diese Umstände ausreichen, das Vorliegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zu bejahen, ist dagegen eine Rechtsfrage, wobei das BSG in dem oben genannten Urteil vom 04.07.2013 diese noch einmal zusammengefasst dargestellt hat. Angesichts dessen besteht keine Notwendigkeit, ein arbeitstechnisches Gutachten einzuholen. Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, zum Beweis welcher Tatsachen der Kläger ein solches Gutachten begehrt.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen gemäß § 3 BKV liegen ebenfalls nicht vor.
Nach § 3 Abs. 2 S. 1 in Verbindung mit Abs. 1 S. 1 und 2 BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten, der die gefährdende Tätigkeit unterlässt, weil die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht ein Anspruch auf Gewährung einer Übergangsleistung, deren Höhe, Dauer und Zahlungsart allerdings im Ermessen des Unfallversicherungsträger steht. Als Übergangsleistung wird gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 BKV ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftens der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt.
§ 3 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 und 2 BKV regelt einen eigenständigen ("kleinen") Versicherungsfall, der nicht den Eintritt des ("großen") Versicherungsfalls einer BK voraussetzt. Auf der anderen Seite genügt weder eine arbeitsbedingte Gesundheitsgefahr noch ein Arbeitsunfall, denn die Übergangsleistungen sind immer auf mindestens eine bestimmte BK bezogen. Für den Anspruch auf Übergangsleistung ist es daher ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Versicherte aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen auf seine Gesundheit ausgesetzt ist, die aktuell eine konkrete individuelle Gefahr des Entstehens einer BK begründen, wegen der fortbestehenden Gefahr die gefährdende Tätigkeit eingestellt wird, und es dadurch zu einer konkreten Verdienstminderung und/oder sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen kommt (vgl. BSG, Urteil vom 12.01.2010 – B 2 U 33/08 R – in Juris).
Der Kläger war jedoch bei seiner beruflichen Tätigkeit bei der Firma B. keinen Belastungen ausgesetzt, die eine Gefahr darstellten, dass eine BK Nr. 2109 entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert. Denn er hatte nicht regelmäßig schwere Lasten (mindestens 50 kg) auf den Schultern zu tragen, die geeignet gewesen wären, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS zu verursachen.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) Nr. 2109, hilfsweise die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1967 geborene Kläger war vom 01.08.1982 bis 05.02.1990 bei der Firma M. in F. zunächst als Schreinerlehrling und anschließend als Schreiner beschäftigt. Während dieser Zeit montierte er Holzdecken sowie Wandverkleidungen und stellte Möbel her, wobei er die üblichen Schreinerarbeiten (Einlagern von Holzdielen, Spanplatten, Verarbeitung der fertigen Möbel, Türen, Theken usw.) verrichtete. Vom 05.02.1990 bis 30.11.1998 arbeitete der Kläger bei der Firma H. Spezialmöbel in Ö. als Schreiner in der Endmontage, wobei überwiegend Schreibtische und Lehrerpulte hergestellt wurden. In der Zeit vom 01.12.1998 bis 30.09.2000 war der Kläger bei der M. GmbH & Co. KG (Firma B.) in H. als Schreiner, Auslieferer und Endmonteur von Möbeln tätig. In seiner überwiegenden Arbeitszeit (80 %) montierte er Einbauküchen, wobei wöchentlich 5 bis 8 Küchen montiert wurden. Vom 01.10.2000 bis 31.12.2000 war der Kläger bei der Firma V. Küchen in K. in der Küchenmontage beschäftigt. In der Zeit vom 02.01.2001 bis 30.06.2007 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses) arbeitete der Kläger erneut bei der Firma B. Seit 05.02.2006 war der Kläger arbeitsunfähig. Vom 14.06.2006 bis 05.07.2006 befand er sich zu einem Heilverfahren in der R.klinik Bad R ... Vom 05.03.2007 bis 09.07.2009 absolvierte er eine Umschulung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Danach war er arbeitslos.
Mit Schreiben vom 17.03.2006 zeigte die A. H. der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel, der Rechtsvorgängerin der Beklagten (zukünftig einheitlich: Beklagte), den Verdacht auf eine BK (Wirbelsäulenerkrankung) an und machte wegen der von ihr erbrachten Leistungen (Krankengeld, Arztbehandlung, Physiotherapie) einen Erstattungsanspruch geltend.
Die Beklagte holte Auskünfte beim Kläger ein und beauftragte ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) mit Ermittlungen zu den beruflichen Belastungen des Klägers. Der TAD führte in seinen Stellungnahmen vom 08.06.2006 und 28.06.2006 aufgrund von Erhebungen bei der Firma B. aus, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Berufskrankheiten Nr. 2108 und Nr. 2109 lägen nicht vor. Bezüglich der BK Nr. 2109 gab er an, es seien zwar Gewichte von 50 kg und mehr getragen worden, allerdings nicht immer in der verantwortlichen Tragehaltung. Die tägliche Tragezeit in der verantwortlichen Tragehaltung mit den relevanten Gewichten von &8805; 50 kg liege unter 30 Minuten. Die Tragehäufigkeit sei durch die Annahme, dass immer 8 Küchen pro Woche montiert worden seien, im Bereich des schlimmst anzunehmenden Fall angesiedelt worden.
Mit Bescheid vom 24.08.2006 lehnte die Beklagte eine Entschädigung der Lendenwirbelsäulenbeschwerden (LWS-Beschwerden) als BK nach Nr. 2108 sowie der Halswirbelsäulenbeschwerden (HWS-Beschwerden) als BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV und vorbeugende Maßnahmen und Leistungen nach § 3 BKV ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe die für die BK Nr. 2109 geforderten Lastgewichte von wenigstens 50 kg während seiner beruflichen Tätigkeit nicht mit der geforderten Regelmäßigkeit und Häufigkeit auf den Schultern getragen. Hinsichtlich der BK Nr. 2108 habe sich lediglich eine Gesamtbelastungsdosis von 12,88 x 106 Nh ergeben, so dass die erforderliche Gesamtbelastungsdosis von 25 Nh nicht erreicht sei. Darüber hinaus seien auch keine vorbeugenden Leistungen gemäß § 3 BKV zu erbringen, da beim Kläger keine konkrete Gefahr bestehe, dass bei Fortsetzung der Tätigkeit eine BK entstehe, wiederauflebe oder sich verschlimmere.
Hiergegen legte der Kläger am 07.09.2006 Widerspruch ein, übersandte Lichtbilder, die verschiedene Tragevorgänge zeigten, und eine Dokumentation über getragene Gegenstände.
Die Beklagte zog eine weitere Stellungnahme ihres TAD vom 06.12.2006 bei und holte Auskünfte bei weiteren Arbeitgebern des Klägers, dem H. vom 18.01.2007, bei A. M. vom 28.02.2007 und der Firma V. Küchen vom 28.05.2007, ein. Außerdem forderte sie eine Stellungnahme der Holz-BG, die für die genannten Firmen zuständig war, an. Der Präventionsdienst der Holz-BG gelangte in der Stellungnahme vom 07.05.2007 zum Ergebnis, eine Belastung im Sinne der BK 2109 habe nicht vorgelegen. Berücksichtige man auch die LWS, obwohl der Kläger nur Beschwerden an der HWS geschildert habe, so sei für die Firma V. eine zusätzliche dreimonatige Belastung zu den bereits acht Jahren Belastung bei der Firma B. in Höhe der von der Beklagten errechneten Dosis hinzuzufügen. Für die Firma H. errechne sich keine Belastung. Bei der Firma M., einer typischen Schreinerei, sei erfahrungsgemäß die Menge an transportierten Gewichten zu gering, als dass der Tagesrichtwert von 5500 Nh überschritten werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Anerkennung der HWS-Beschwerden als BK scheide aus, da der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit ab 01.08.1982 Lastgewichte von mindestens 50 kg nicht mit der erforderlichen Regelmäßigkeit und Häufigkeit auf der Schulter getragen habe. Eine Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung im LWS-Bereich komme nicht in Betracht, da die Gesamtbelastungsdosis nicht erreicht sei.
Hiergegen hat der Kläger am 18.10.2007 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, eine BK Nr. 2109 der Anlage zur BKV seit dem 21.03.2006 anzuerkennen, Leistungen nach einer MdE um mindestens 20 v.H. sowie Leistungen gemäß § 3 BKV zu gewähren. Zur Begründung hat er vorgetragen, wegen der HWS-Beschwerden sei er vom 05.02.2006 bis 30.06.2007 arbeitsunfähig gewesen. Er habe unter anhaltenden Schmerzen vorwiegend im rechten Arm mit Pelzigkeit und Lähmungsgefühl bis in die Finger, unter Kopfschmerzen und Tinnitus gelitten. Derzeit leide er unter Schmerzen mit Ausstrahlungen in den linken Arm und Pelzigkeit der Finger 4 und 5. Die M. GmbH & Co. KG sei auf die L. GmbH übergegangen. Diese habe das Arbeitsverhältnis zum 27.02.2007 gekündigt. Vor dem Arbeitsgericht sei ein Vergleich dahingehend geschlossen worden, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2007 ende.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das SG hat den behandelnden Orthopäden des Klägers Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört und ein Sachverständigengutachten eingeholt.
Dr. H. hat am 26.11.2006 und 28.05.2009 unter Vorlage von Befundberichten vom 27.03.2006 und 26.11.2008 sowie Arztbriefen der Radiologischen Gemeinschaftspraxis D. vom 14.02.2006 und 30.04.2008 sowie des Entlassungsberichts der R.klinik Bad R. vom 10.07.2006 erklärt, er behandle den Kläger seit dem 09.02.2006. Die Frage, ob beim Kläger eine BK Nr. 2109 vorliege, bedürfe einer genauen Überprüfung unter Berücksichtigung des gesamten Berufslebens. Seine Einschätzung, dass eine solche Erkrankung in Betracht komme, beruhe auf den anamnestischen Angaben des Klägers hinsichtlich seines Einsatzes als Möbelschreiner (häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten bis zu 90 kg, häufige Überkopfarbeiten).
Der Orthopäde Dr. H. hat beim Kläger im Gutachten vom 28.09.2009 eine schmerzhafte Funktionsstörung der HWS bei diskreten degenerativen Veränderungen in den mittleren HWS-Abschnitten ohne Bandscheibenvorfall und ohne ausgeprägte monosegmentale Bandscheibendegeneration festgestellt. Er ist zum Ergebnis gekommen, dass weder das radiologische Bild noch die klinische Symptomatik und auch nicht der klinische Untersuchungsbefund auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung hindeute. Die vorgelegten kernspintomographischen Bilder von April 2008 zeigten eine leichte Enge des zentralen Wirbelkanals in den mittleren HWS-Segmenten. In diesem Bereich fänden sich auch diskrete Bandscheibenprotrusionen, aber keine eigentlichen Bandscheibenvorfälle. Darüber hinaus fänden sich beginnende degenerative Veränderungen an den Grund- und Deckplatten C4/5 rechts betont mit diskreter Einengung des Nervenwurzelkanals C4/5 rechts. Konventionelle Röntgenaufnahmen der HWS aus den Jahren 2006 und 2008 zeigten keinen eindeutigen pathologischen Befund. Es ließen sich weder klinisch noch radiologisch schwerwiegende strukturelle Schäden im Bereich der HWS feststellen. Die diskreten radiologischen Veränderungen seien, bezogen auf das Lebensalter des Klägers, nicht untypisch. Sie erklärten die chronische therapieresistente Schmerzsymptomatik nicht. Die angegebenen Gefühlstörungen in den Fingern 4 und 5 beider Hände, die theoretisch auf einen Nervenwurzelschaden C8 hinweisen könnten, ließen sich keinem definierten organischen Krankheitsbild zuordnen. Durch die diskreten Einengungen des Nervenwurzelkanals C4/5 lasse sich eine Nervenwurzelirritation C8 beidseits nicht erklären.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.04.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 2109 der Anlage zur BKV und auch nicht auf vorbeugende Leistungen nach § 3 BKV. Es lägen weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2109 der Anlage zur BKV vor. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen den am 19.04.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.05.2010 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt und vorgetragen, das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorliegen würden, da er keine schweren Lasten auf den Schultern getragen habe und wenn, dann überwiegend mit Hilfe eines Tragegurtes. Dass Tragetätigkeiten von mindestens 50 kg verlangt würden, lasse sich dem Merkblatt nicht entnehmen. Die von ihm vorgelegte Bilddokumentation zeige, dass auch Arbeitsplatten von ca. 50 kg und mehr bei Verdrehung der HWS getragen worden seien. Die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen seien ebenfalls gegeben. Die Erklärung von Dr. H., dass das bei ihm festgestellte Schadensbild alterstypisch sei, entspreche nicht dem medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Im Übrigen leide er auch unter Beschwerden der LWS. Für den Anspruch auf Übergangsleistungen sei es nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) ausreichend, dass der Versicherte aufgrund von Tätigkeiten Einwirkungen auf seine Gesundheit ausgesetzt sei, die aktuell eine konkrete individuelle Gefahr des Entstehens einer BK begründeten und wegen der fortbestehenden Gefahr die gefährdete Tätigkeit eingestellt worden sei und es dadurch zu einer konkreten Verdienstminderung oder einem wirtschaftlichen Nachteil gekommen sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 13. April 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine BK Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV seit dem 21. März 2006 anzuerkennen, hilfsweise Übergangsleistungen gemäß § 3 BKV seit dem 21. März 2006 zu gewähren, hilfsweise ein arbeitsmedizinisches Gutachten einzuholen zu der Frage, ob im Jahr 2006 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS vorlag und ob konkurrierende Ursachen gesichert sind sowie ob das Risiko, an einer Berufskrankheit Nr. 2109 zu erkranken, erhöht war im Vergleich zu anderen Versicherten, hilfsweise ein arbeitstechnisches Gutachten zur Feststellung der gesamten halswirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten durchzuführen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, es seien weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2109 nachgewiesen. Auch eine konkrete individuelle Gefahr nach § 3 BKV sei nicht beweisbar. Das Tätigkeitsbild des Klägers unterscheide sich insgesamt deutlich von den im Merkblatt genannten Referenzberufen eines Fleischträgers im Schlachthof. Die Beklagte hat einen Aufsatz von Schäfer u.a. "Vergleich der Belastungen von Fleisch- und Kohleträgern beim Tragen von Lasten auf den Schultern" aus Zbl. Arbeitsmedizin 58 (2008) S. 82 - 93 vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Eine BK Nr. 2109 der Anl. 1 zur BKV liegt nicht vor, und der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen gemäß § 3 BKV.
Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wobei sie auch bestimmen kann, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Erlass der Anl. 1 zur BKV, die eine Liste der Berufskrankheiten enthält, Gebrauch gemacht.
Unter Berücksichtigung dessen ergeben sich bei einer in der Anl. 1 zur BKV aufgeführten Erkrankung (Listen-BK) in der Regel folgende tatbestandliche Voraussetzungen, die ggf. bei einzelnen Listen-BK einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale versicherte Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für den nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhang genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges (vgl. BSG, Urteile vom 9.5.2006, B 2 U 1/05 R, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, und vom 27.6.2006, B 2 U 20/04 R, in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 m.w.N.). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O.).
Bei der BK Nr. 2109 der Anl. 1 zur BKV handelt es sich um bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Der Tatbestand der BK Nr. 2109 der Anl. 1 zur BKV bezeichnet die Voraussetzungen für die erforderlichen beruflichen Einwirkungen nicht anhand exakt definierter Wirkgrößen, sondern mittels unbestimmter Rechtsbegriffe. Deswegen ist es Aufgabe der Verwaltung und der Gerichte, solche unbestimmten Rechtsbegriffe unter Berücksichtigung der Gesetzes- bzw. Verordnungsmaterialien sowie anhand der Vorgaben der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Merkblätter zu den einzelnen BKen näher zu konkretisieren. Ausgehend hiervon beinhaltet der Tatbestand der BK Nr. 2109 der Anl. 1 zur BKV für das Vorliegen der beruflichen Einwirkungen, die im Vollbeweis vorliegen müssen, folgende Voraussetzungen:
1. Das Tragen von schweren Lasten auf der Schulter von Lastgewichten von 50 kg und mehr.
2. Langjähriges Tragen schwerer Lasten. Für ein langjähriges Tragen stellen 10 Berufsjahre im Durchschnitt die untere Grenze für die Ausübung der belastenden Tätigkeit dar. Insoweit bezeichnet das Merkmal "langjährig" nur einen aus Erfahrungswissen gewonnenen Wert für die Dauer der Belastung. Bei solchen Orientierungswerten schließen geringe Unterschreitungen von bis zu 20 v.H. die Erfüllung des BK-Tatbestands nicht von vornherein aus; dies gilt besonders in den Fällen, in denen Versicherte Lasten mit höheren Gewichten bewegten.
3. Erforderlich ist weiter, dass während dieser etwa 10 Berufsjahre regelmäßig schwere Lasten auf der Schulter getragen wurden. Dabei reicht ein Tragen schwerer Lasten "in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten" aus. Eine Zeitgrenze pro Arbeitsschicht, z.B. eine Stunde täglich, kann daher nicht gefordert werden. Es können geringe oder fehlende Einwirkungen in einer Arbeitsschicht durch Belastungen in anderen Schichten ausgeglichen werden. Die Zahl belastender Arbeitsschichten muss allerdings überwiegen.
4. Das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter muss mit einer nach vorn- und seitwärts erzwungenen Kopfhaltung (Zwangshaltung) einhergehen. Tätigkeiten mit vergleichbarem Belastungsprofil sind allerdings ebenfalls in Betracht zu ziehen.
5. Die Einwirkungen müssen zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit geführt haben (vgl. BSG, Urteil vom 04.07.2013 – B 2 U 11/12 R – im Terminsbericht Nr. 33/13 Nr. 3).
Typisches Beispiel für einen Anwendungsfall der BK Nr. 2109 ist die Tätigkeit der Fleischträger, die Tierhälften auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel tragen. Nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung und gleichzeitiges Anspannen der Nackenmuskulatur stellen die maßgeblichen schädigenden Faktoren dar. Nicht erfasst werden Tätigkeiten, bei denen die Last nicht auf der Schulter aufliegt, sondern über Kopf und Schulter hochgehalten bzw. gestützt wird (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 494 f.).
Die oben genannten Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der Stellungnahmen des TAD der Beklagten vom 08.06.2006, 28.06.2006 und 06.12.2006 sowie des Präventionsdienstes der Holz-BG vom 07.05.2007.
Bei den Tätigkeiten des Klägers bei der Firma M. und dem H. kam ein regelmäßiges Tragen von Gegenständen auf der Schulter nicht vor; auch lagen die auf der Schulter getragenen Gewichte nicht über 50 kg, wie der Präventionsdienst der Holz-BG nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat. Bei der Firma B. hat der Kläger zwar Gewichte über 50 kg und mehr getragen, allerdings nicht immer auf der Schulter. Außerdem lag die tägliche Tragezeit von Gewichten von mindestens 50 kg auf der Schulter unter 30 Minuten täglich. Die Tätigkeit bei dieser Firma bestand auch nicht überwiegend im Tragen von Gegenständen auf der Schulter, sondern im Beladen des LKWs mit Geschirrspülmaschinen, Kühlschränken, Waschmaschinen, Hängeschränken, Arbeitsplatten, Polstermöbel usw., wobei auch Tragegurte benutzt wurden, der Anfahrt zum Kunden, dem Ausladen beim Kunden und schließlich der Montage der Möbel bzw. der Küchen beim Kunden. Das Belastungsprofil des Klägers, der als Schreiner, Auslieferer und Endmonteur von Möbeln und insbesondere Küchen, tätig war, unterscheidet sich daher wesentlich vom Belastungsprofil eines Fleischträgers.
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich sehr wohl aus dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (Bek. des BMA, BArBl 3/93 S. 53), dass das Tragen von Lastgewichten mit 50 kg oder mehr auf der Schulter erforderlich ist, um die Tatbestandsvoraussetzungen der BK Nr. 2109 zu erfüllen. Darüber hinaus hat das BSG im oben genannten Urteil vom 04.07.2013 dies nochmals bestätigt. Der Umstand, dass der Kläger gegebenenfalls vereinzelt Arbeitsplatten von ca. 50 kg getragen und dabei die HWS verdreht hat, reicht nicht aus, um die Voraussetzungen der BK Nr. 2109 zu erfüllen und ist mit der Tätigkeit eines Fleischträgers des nicht vergleichbar.
Die medizinischen Voraussetzungen für die BK Nr. 2109 liegen ebenfalls nicht vor.
Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS vermochte der Sachverständige Dr. H. beim Kläger nicht festzustellen. Er hat vielmehr für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass weder das radiologische Bild noch die klinische Symptomatik und auch nicht der klinische Untersuchungsbefund auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung hinweisen. Schwerwiegende strukturelle Schäden im Bereich der HWS vermochte er nicht festzustellen. Die diskreten radiologischen Veränderungen sind, bezogen auf das Lebensalter des Klägers, nicht untypisch und erklären die chronische therapieresistente Schmerzsymptomatik nicht. So ergaben die Röntgenaufnahmen der HWS vom 09.02.2006 in der Aufsicht einen senkrechten Aufbau der HWS und eine unauffällige Darstellung der unteren Kopfgelenke. Gravierende Verschleißerscheinungen in den unteren zervikalen Segmenten lagen nicht vor. In der seitlichen Projektion zeigte sich eine physiologische Lordosierung der HWS ohne Gefügesstörungen. Offenkundige Verschmälerung ein der Zwischenwirbelräume und offenkundige Spondylosen waren nicht vorhanden. Angesichts dessen ist die Beurteilung von Dr. H. nachvollziehbar und überzeugend, dass kein sicherer pathologischer Befund im Bereich der HWS vorlag. Aus den Röntgenaufnahmen vom 21.04.2008 ergibt sich keine wesentliche Befundänderung. Die Kernspintomographie der HWS vom 29.04.2008 zeigte in der T-2-Wichtung eine distale Abflachung der Bandscheiben C3/4 und C4/5 in Verbindung mit minimalen Bandscheibenvorwölbungen in dieser Etage. Diese Vorwölbungen führten zu keiner Kompromittierung des Wirbelkanals und des Rückenmarks. In der transversalen Schichtaufnahme zeigte sich eine leichte Enge des zentralen Wirbelkanals zwischen dem 3. und 6. Halswirbel. Die Bandscheibenvorwölbungen in diesem Bereich waren diskret, ohne feststellbare Kompromittierung neuraler Strukturen. Die leichten Bandscheibenvorwölbungen haben nach dem derzeitigen Stand ärztlichen Wissens keine pathologische Bedeutung, wie Dr. H. für den Senat nachvollziehbar dargelegt hat. Auch sind die chronischen diffusen therapieresistenten Beschwerden des Klägers im Bereich der Nackenregion mit Ausstrahlung in den Hinterkopf und die Schulterblätter sowie die seit ca. September 2008 (ca. ein Jahr vor dem Gutachten von Dr. H.) vorliegenden Taubheitsgefühle in den beiden Kleinfingern nicht typisch für eine bandscheibenbedingte Erkrankung. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung von Dr. H. fanden sich keine objektiven Zeichen einer gravierenden Funktionsstörung der HWS. Die angegebenen Gefühlstörungen in den Kleinfingern könnten theoretisch auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung, die zu einer Nervenwurzelläsion C8 beidseits führt, hinweisen. Radiologisch findet sich in diesem Bereich jedoch kein pathologischer Befund. Dementsprechend hat Dr. H. beim Kläger keine bandscheibenbedingte Erkrankung diagnostiziert, sondern eine schmerzhafte Funktionsstörung der HWS bei diskreten degenerativen Veränderungen in den mittleren HWS-Abschnitten ohne Bandscheibenvorfall und ohne ausgeprägte monosegmentale Bandscheibendegeneration. Ärztliche Äußerungen, die das Begehren des Klägers stützen könnten, liegen – abgesehen davon, dass schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht zu bejahen sind – nicht vor. Die Angaben des behandelnden Orthopäden Dr. H. belegen ebenfalls keine BK Nr. 2109.
Auch unter Berücksichtigung der vom Kläger gestellten Beweisanträge hat sich der Senat nicht gedrängt gesehen, weitere Ermittlungen von Amts wegen in Gestalt der Einholung eines arbeitsmedizinischen und eines arbeitstechnischen Gutachtens durchzuführen. Es handelt sich dabei bereits nicht um prozessordnungsgemäße Beweisanträge, da es an der Bezeichnung konkreter Beweistatsachen fehlt, die durch Einholung der Gutachten belegt werden sollen, was aber Voraussetzung für einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag ist (vgl. Beschlüsse des BSG vom 11.12.2008 – B 5 R 136/08 B – Rn. 14 und vom 20.12.2012 – B 5 R 38/12 BH – Rn. 9 [nicht veröffentlicht], jeweils unter Verweis auf BSG SozR 4-1500 § 160a Nr. 3 Rn. 6 m.w.N.). Aber selbst wenn man den Antrag des Klägers auf Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens dahingehend verstehen sollte, dass dadurch belegt werden soll, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS vorliegt, vermag der Senat die Notwendigkeit eines weiteren medizinischen Gutachtens nicht zu erkennen. Denn der Umstand, dass der Kläger bzw. sein Bevollmächtigte das Gutachten von Dr. H. nicht für überzeugend hält, weil es den Anspruch des Klägers nicht stützt, begründet keinen Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen. Im Übrigen übersieht der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter, dass ein bildgebender Nachweis eines Bandscheibenschadens (Höhenminderung und/oder Vorfall) für den Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankungen nicht ausreichend ist. Vielmehr muss eine damit korrelierende klinische Symptomatik hinzukommen. Durch die Angaben des Klägers, die Auskünfte der Arbeitgeber des Klägers sowie die Stellungnahmen des Präventionsdienstes der Beklagten sowie der Holz-BG sind die halswirbelsäulenbelastenden Umstände, unter denen der Kläger tätig war, umfassend aufgeklärt. Die Frage, ob diese Umstände ausreichen, das Vorliegen der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen zu bejahen, ist dagegen eine Rechtsfrage, wobei das BSG in dem oben genannten Urteil vom 04.07.2013 diese noch einmal zusammengefasst dargestellt hat. Angesichts dessen besteht keine Notwendigkeit, ein arbeitstechnisches Gutachten einzuholen. Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, zum Beweis welcher Tatsachen der Kläger ein solches Gutachten begehrt.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen gemäß § 3 BKV liegen ebenfalls nicht vor.
Nach § 3 Abs. 2 S. 1 in Verbindung mit Abs. 1 S. 1 und 2 BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten, der die gefährdende Tätigkeit unterlässt, weil die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht ein Anspruch auf Gewährung einer Übergangsleistung, deren Höhe, Dauer und Zahlungsart allerdings im Ermessen des Unfallversicherungsträger steht. Als Übergangsleistung wird gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 BKV ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftens der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt.
§ 3 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 und 2 BKV regelt einen eigenständigen ("kleinen") Versicherungsfall, der nicht den Eintritt des ("großen") Versicherungsfalls einer BK voraussetzt. Auf der anderen Seite genügt weder eine arbeitsbedingte Gesundheitsgefahr noch ein Arbeitsunfall, denn die Übergangsleistungen sind immer auf mindestens eine bestimmte BK bezogen. Für den Anspruch auf Übergangsleistung ist es daher ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Versicherte aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen auf seine Gesundheit ausgesetzt ist, die aktuell eine konkrete individuelle Gefahr des Entstehens einer BK begründen, wegen der fortbestehenden Gefahr die gefährdende Tätigkeit eingestellt wird, und es dadurch zu einer konkreten Verdienstminderung und/oder sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen kommt (vgl. BSG, Urteil vom 12.01.2010 – B 2 U 33/08 R – in Juris).
Der Kläger war jedoch bei seiner beruflichen Tätigkeit bei der Firma B. keinen Belastungen ausgesetzt, die eine Gefahr darstellten, dass eine BK Nr. 2109 entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert. Denn er hatte nicht regelmäßig schwere Lasten (mindestens 50 kg) auf den Schultern zu tragen, die geeignet gewesen wären, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS zu verursachen.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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