L 11 KR 2335/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 5015/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2335/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.04.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Berechnung seiner Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Zeitraum vom 01.12.2009 bis zum 30.04.2011.

Der im Jahr 1943 geborene Kläger war vom 01.02.2007 bis zum 30.04.2011 freiwillig bei der Beklagten krankenversichert. Zu Beginn der Mitgliedschaft erfolgte eine teilweise vorläufige Beitragseinstufung bezogen auf die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen (Bescheid vom 25.09.2008). Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2007 setzte die Beklagte die Beiträge rückwirkend ab dem 01.02.2007 mit Bescheid vom 09.03.2009 endgültig fest. Rechtsbehelfe gegen diesen Bescheid wurden nicht eingelegt.

Mit Schreiben vom 03.08.2010 übersandte der Kläger den Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2008 vom 04.11.2009 in welchem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 11.097 EUR sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 7.213 EUR (nach Abzug der Werbungskosten in Höhe von 416 EUR) ausgewiesen sind. Der Kläger teilte zugleich mit, dass er im Jahr 2010 wegen einer Dachreparatur mit Kosten in Höhe von 22.000 EUR sowie eines Wohnungsleerstands seit November 2009 keine positiven Mieteinkünfte erzielen werde. Aus einem geschlossenen Immobilienfonds ergäben sich auch keine positiven Einnahmen, da für 2009 bereits ein Verlust von 5.500 EUR bescheinigt worden sei.

Mit Bescheid vom 12.08.2010 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - die Krankenversicherungsbeiträge ab dem 01.12.2009 in Höhe von 526,72 EUR monatlich und die Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 70,18 EUR monatlich fest. Da der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 bereits am 04.11.2009 vom Finanzamt erstellt worden sei, sei dieser seit dem 01.12.2009 für die Beitragsberechnung maßgebend. Es bestehe insofern für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis zum 30.06.2010 noch eine Beitragsnachforderung in Höhe von 1.113,78 EUR.

Auf den hiergegen am 13.08.2010 erhobenen Widerspruch des Klägers und nach Vorlage einer Steuerbescheinigung der Sparkasse V. für das Jahr 2009 über die Höhe der Kapitalerträge setzte die Beklagte zu 1) (wiederum auch im Namen der Beklagten zu 2) mit Bescheid vom 02.09.2010 ab dem 01.01.2010 einen monatlichen Krankenversicherungsbeitrag von 516 EUR und einen monatlichen Pflegeversicherungsbeitrag von 68,72 EUR fest. Für den Zeitraum vom 01.12.2009 bis zum 31.07.2010 bestehe noch eine Beitragsforderung in Höhe von 1.187,06 EUR.

Der Kläger teilte mit Schreiben vom 08.09.2010 und vom 16.09.2010 mit, dass er mit der Beitragsberechnung nach wie vor nicht einverstanden sei und die Handhabung der Berücksichtigung der Änderung vom Zeitpunkt der Änderung an bei den Kapitaleinkünften auch für Mieteinnahmen angewandt werden müsse.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2010 zurück und führte zur Begründung aus, dass die Beitragsbemessung durch den Einkommensteuerbescheid festgesetzt werde. Danach werde die zeitversetzte Berücksichtigung von Änderung der Einkommenssituation auf die Einnahmen von Vermietung und Verpachtung übertragen, weil auch diese Einnahmen nur über den aktuellen Einkommensteuerbescheid nach § 6 Abs 1 der Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder nachgewiesen werden könnten. Auch der Beitrag freiwillig versicherter Rentner sei nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu bemessen, wozu auch Einnahmen auf Vermietung und Verpachtung und Kapitaleinkünfte gehörten. Die Beitragsfestsetzung ab dem 01.12.2009 sei nicht zu beanstanden, geringere Mieteinkünfte könnten erst nach Vorlage des neuen Einkommensteuerbescheids für die Zukunft berücksichtigt werden.

Der Kläger hat am 26.11.2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung angeführt, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass im Gegensatz zu gesetzlich Pflichtversicherten bei der Beitragsberechnung freiwillig Versicherter auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Gewerbebetrieb und Kapitaleinkünfte herangezogen würden. Auch passe die Beklagte Veränderungen bei Kapitaleinkünften seit 2009 sofort an, wohingegen der Hinweis auf die Verluste aus Vermietung und Verpachtung aus 2010 und der Umstand, dass seit November 2009 eine Wohnung nicht vermietet sei, nicht berücksichtigt würde. Im ersten Quartal 2010 seien bei einer vermieteten Immobilie wegen eines Wasserschadens Kosten in Höhe von 2.500 EUR entstanden. Die Beklagte leiste Beihilfe zur Steuerverkürzung, da sie aus Mietverlusten Beiträge berechne, die dann vom zu versteuernden Einkommen abgesetzt würden. Er beantrage die Neuberechnung der teilweise vorläufigen Beiträge ab dem 01.02.2007 bis zum 30.04.2011, die Rückerstattung der rückwirkend erhöhten Beitragsdifferenzen, die Erklärung der Rechtsunwirksamkeit der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler", soweit sie Beitragsrückzahlungen ausschließen, die Anerkennung der verbindlichen Steuervorauszahlungsbescheide des zuständigen Finanzamtes und die Anwendung des § 24 SGB IV für die Rückerstattung der Beiträge.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20.04.2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte die Beiträge zutreffend festgesetzt habe. Soweit der Kläger mit seinem Schreiben vom 26.03.2012 zusätzlich eine Neuberechnung der teilweise vorläufigen Beiträge ab dem 01.02.2007 geltend gemacht habe, sei dieses Begehren nicht Streitgegenstand der anhängigen Klage und eine Einbeziehung nach § 99 SGG nicht zulässig. Über die endgültige Beitragsfestsetzung ab dem 01.02.2007 habe die Beklagte bestandskräftig entschieden, so dass über das Begehren der Beitragsneuberechnung vor dem 01.12.2009 zunächst ein Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren durchzuführen sei. Soweit der Kläger vortrage, dass die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler nicht verbindlich seien, vermöge das SG dieser rechtlichen Bewertung nicht zu folgen. Mögliche Wirksamkeitsmängel seien jedenfalls zwischenzeitlich dadurch geheilt worden, dass der Verwaltungsrat des GKV Spitzenverbandes in seiner Sitzung vom 30.11.2011 die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler rückwirkend bestätigt habe. Diesbezüglich werde auf das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25.01.2012 Az: L 1 KR 145/11 verwiesen. Auch seien die im Einkommensteuerbescheid vom 04.11.2009 für 2008 ausgewiesenen Einkünfte aus Vermietung ab dem 01.12.2009 zu berücksichtigen. Dies gelte selbst dann, wenn nicht auszuschließen sei, dass der Kläger 2010 aus Vermietung und Verpachtung keine Einkünfte zu verzeichnen habe. Nach § 7 Abs 7 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler blieben die über den letzten Einkommensteuerbescheid festgesetzten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung bis zur Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheides maßgebend. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur zeitversetzten Berücksichtigung des steuerrechtlichen Gewinns bei einem hauptberuflich Selbständigen seien auch bei der Beitragsfestsetzung des freiwillig Versicherten bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung anzuwenden. Auch soweit der Kläger vortrage, dass nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides des Kalenderjahres 2008 die veränderten Einnahmen zu Unrecht bereits ab dem 01.12.2009 berücksichtigt worden seien, sei der Bescheid nicht zu beanstanden. Die Beklagte könne sich auf § 6 Abs 1 iVm § 7 Abs 7 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler stützen. Ungeachtet der Wirksamkeit der Regelung sei vorliegend zusätzlich § 48 Abs 1 SGB X als Rechtsgrundlage heranzuziehen. Nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X solle der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Der Kläger sei gemäß § 206 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht erheblich seien und nicht durch Dritte gemeldet würden unverzüglich mitzuteilen. Auch könne der Kläger mit seinem Vorbringen, dass beitragsrechtlich zu berücksichtigen sei, dass im streitigen Zeitraum ein Vorauszahlungsbescheid zur Einkommensteuer vorliege, nicht durchdringen. Eine Berücksichtigung des Vorauszahlungsbescheides zur Einkommensteuer sei nach § 6 Abs 3a der Beitragsverfahrensgrundsätze nur bei der beitragsrechtlichen Beurteilung des Arbeitseinkommens, jedoch nicht hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorgesehen und zulässig.

Der Kläger hat gegen das am 27.04.2012 zugestellte Urteil am 29.05.2012 beim SG Berufung eingelegt (Eingang beim LSG am 01.06.2012) und zur Begründung ausgeführt, dass die Verluste aus Vermietung und Verpachtung für das gesamte Jahr 2010 für die Beitragsbemessung zu berücksichtigen und für die entstandenen sowohl durch Einkommensteuervorauszahlungsbescheide als auch durch Einkommensteuerbescheide nachgewiesenen Verluste keine monatlichen Beiträge zu berechnen seien. Hilfsweise seien keine Beiträge aus den nachgewiesenen Verlusten für die Monate Dezember 2010 bis Mai 2011 nach Vorlage des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides zu berechnen. Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler seien von mehreren Sozialgerichten als unwirksam bezeichnet worden und entfalteten daher keine Gesetzeskraft. Bezüglich der rückwirkenden Bestätigung durch den Vorstand des GKV Spitzenverbandes stelle sich das Problem der echten Rückwirkung. Er berufe sich ausdrücklich auf den Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes. Das Urteil des SG sei daher wegen Nichtberücksichtigung der Unwirksamkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler aufzuheben und die Bescheide der Beklagten seien rechtsfehlerhaft.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.04.2012 sowie die Bescheide der Beklagten vom 12.08.2010 und 02.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2010 abzuändern und die monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung unter Berücksichtigung der Verluste aus Vermietung und Verpachtung für das Jahr 2010, hilfsweise keine Beiträge aus den nachgewiesenen Verlusten für die Monate Dezember 2010 bis Mai 2011 zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung angeführt, dass es sich bei der rückwirkenden Bestätigung der Beitragsverfahrensgrundsätze um eine zulässige Rückwirkung gehandelt habe, da die Mitglieder nicht hätten darauf vertrauen können, von einer Regelung der Bemessungsgrundlagen durch den GKV Spitzenverband verschont zu werden. Auch sei bezüglich der Maßgeblichkeit des Vorauszahlungsbescheides zwischen Einkünften aus Arbeitseinkommen und weiteren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu differenzieren. § 6 Abs 3a Beitragsverfahrensgrundsätze billige einem Vorauszahlungsbescheid nur für Arbeitseinkommen den erforderlichen Nachweischarakter für die aktuelle Beitragsbemessung zu. Dies gelte nicht für andere Einkünfte wie etwa aus Vermietung und Verpachtung. Hier verbleibe es bei den Regelungen des § 6 Abs 3 Satz 3 Nr 1 und Abs 6 iVm § 7 Abs 7 Beitragsverfahrensgrundsätze. Diese sähen einen Nachweis durch den Einkommenssteuerbescheid vor; für den Beitragspflichtigen günstige Veränderungen würden ab dem ersten auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheides folgenden Monats für die Zukunft berücksichtigt. Auch liege keine sogenannte "Steuerverkürzung" vor.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verfahrensakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet.

Das Passivrubrum war dahin zu berichtigen, dass nicht nur die Beklagte zu 1), sondern auch die Beklagte zu 2) Beteiligte des Rechtsstreits ist (§ 69 Nr 2 SGG), denn der Kläger hat sich sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren gegen die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gewandt.

Streitgegenstand sind nur die Bescheide der Beklagten vom 12.08.2010 und 02.09.2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.10.2010, soweit darin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.12.2009 bis zum 30.04.2011 festgesetzt werden. Der Zeitraum vom 01.02.2007 bis 30.11.2009 ist aus den vom SG angeführten Gründen nicht zulässiger Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Seit dem 01.05.2011 ist der Kläger nach seinem eigenen Vortrag nicht mehr bei der Beklagten versichert.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 12.08.2010 und 02.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuberechnung der Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.12.2009 bis zum 30.04.2011 unter Berücksichtigung der Verluste aus Vermietung und Verpachtung ab dem Zeitpunkt der Änderung an.

Rechtsgrundlage für die Änderung der Beitragshöhe durch die streitbefangenen Bescheide ist § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Ein Beitragsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, denn er erschöpft sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage, sondern begründet oder verändert inhaltlich ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis (vgl zB BSG 26.09.1991, 4 RK 5/91, juris). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG 19.02.1986, 7 RAr 55/84, juris). Die Beklagte zu 1) hat in den angefochtenen Bescheiden die Änderung bereits ergangener Beitragsbescheide hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Bereits ergangene Bescheide werden zwar nicht explizit aufgehoben oder abgeändert. Sie hat jedoch im Bescheid vom 12.08.2010 eine rückwirkende Anpassung der Beiträge ab dem 01.12.2009 vorgenommen und damit die mit dem Bescheid vom 09.03.2009 vorgenommene Beitragseinstufung konkludent geändert und dadurch zu erkennen gegeben, dass der zuvor ergangene Beitragsbescheid in Bezug auf die Beitragshöhe ab 01.12.2009 keine Geltung mehr beanspruchen soll. Die wesentliche Änderung, die zur Festsetzung höherer Beiträge führte, ist der Ansatz höherer Einnahmen.

Der Kläger ist als freiwilliges Mitglied der Beklagten beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 223 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, (SGB V)). Aus der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (KV) folgt die versicherungspflichtige Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, (SGB XI)) sowie die Pflicht, Beiträge zur Pflegeversicherung (PV) zu entrichten (§ 54 Abs 2 SGB XI). Die Höhe der Beiträge richtet sich bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten nach § 240 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I 378 und vom 17.07.2009, BGBl I 1990 mit Wirkung vom 01.01.2009). Nach § 240 Abs 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt (im Folgenden nur: Spitzenverband). Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrundezulegen sind (§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB V). Nach § 240 Abs 4 SGB V gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße.

Der GKV Spitzenverband hat in seinen "einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" mit Wirkung zum 01.01.2009 (sog Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27.10.2008, zuletzt geändert am 30.05.2011) in § 3 Abs 1 b bestimmt, dass Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Einnahmen aus Kapitalvermögen den beitragspflichtigen Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten zuzurechnen sind. Mit der Einbeziehung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in die beitragspflichtigen Einnahmen folgt der GKV Spitzenverband der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach zu der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwillig versicherten Mitgliedes auch dessen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehören (vgl BSG 23.09.1999, B 12 KR 12/98 R, SozR 3-2500 § 240 Nr 31; zuletzt zur Einbeziehung der Kapitalzahlung aus einem Rentenversicherungsvertrag in die beitragspflichtigen Einnahmen: BSG 27.01.2010, B 12 KR 28/08 R, SozR 4 - 2500 § 240 Nr 13).

Soweit bei der Beitragsbemessung von freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden bestehen dagegen nach der Rechtsprechung des Senats (vgl Senatsurteil vom 18.06.2013, L 11 KR 300/12) keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei Versicherungspflichtigen, die als besonders schutzbedürftig angesehen werden, hat der Gesetzgeber die das jeweilige Pflichtversicherungsverhältnis typischerweise prägenden Einnahmearten der Beitragspflicht unterworfen, wogegen bei freiwilligen Mitgliedern die Beiträge nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bemessen werden. Zwar verfügen unter Umständen auch Pflichtversicherte über Nebeneinkünfte, die dem Lebensunterhalt dienen, im Allgemeinen stehen jedoch eher der finanzstärkeren Gruppe der freiwillig Versicherten über das Arbeitseinkommen hinaus weitere Einkünfte zum Lebensunterhalt zur Verfügung. Hinzu kommt, dass innerhalb der einzelnen Einkunftsarten ein sogenannter horizontaler Verlustausgleich zulässig ist, was bedeutet, dass die jeweilige Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen durch Verluste in diesem Bereich beeinflusst werden kann. Diese Möglichkeit steht Pflichtversicherten in diesem Umfang nicht zu. Es entspricht insoweit ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung in die Beitragsbemessung freiwillig Versicherter einzubeziehen sind (ständige Rechtsprechung des BSG vgl 09.08.2006, B 12 KR 8/06 R, SozR 4-2500 § 40 Nr 8). Dies ist auch vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden (03.02.1993, 1 BvR 1920/92, SozR 3-2500 § 240 Nr 11).

Der Kläger hat den Einkommensteuerbescheid vom 04.11.2009 für das Jahr 2008 am 03.08.2010 vorgelegt. Die Beklagte hat zu Recht die darin ausgewiesenen Einkünfte aus Vermietung bereits ab dem 01.12.2009 bei der Beitragsberechnung berücksichtigt.

Die Beklagte zu 1) durfte rückwirkend die Beiträge ab dem 01.12.2009 erhöhen. Nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Nach § 206 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V haben Versicherte Änderungen in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht erheblich sind und nicht durch Dritte gemeldet werden, unverzüglich mitzuteilen. Hierauf hat die Beklagte den Kläger in den Beitragsbescheiden hingewiesen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Beiträge ab dem Monatsersten des Monats nach Erlass des Einkommenssteuerbescheides erhöht und damit Beiträge für die Vergangenheit nachfordert. Eine atypische Fallsituation, in der ausnahmsweise die Ausübung von Ermessen erforderlich wäre, liegt nicht vor. Der Vorgehensweise der Beklagten steht auch nicht § 240 Abs 4 Satz 6 SGB V entgegen. Danach können Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V (Nachweis niedrigerer Einnahmen) nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Damit führt der Nachweis geringerer Einkünfte zur Beitragsänderung nur mit Wirkung für die Zukunft und wirken sich insbesondere Einkommensänderungen sowohl positiv als auch negativ nur zeitverzögert auf die Beitragshöhe aus (BSG 11.03.2009, B 12 KR 30/07 R, juris-RdNr 18; BSG 22.3.2006, B 12 KR 14/05 R, BSGE 96, 119). Beitragskorrekturen für die Vergangenheit aufgrund der Vorlage eines Steuerbescheides sollten durch diese Regelung vermieden werden (vgl BT-Drucks 12/3937 S 17). Hiervon bleiben jedoch rückwirkende Änderungen aufgrund von höheren Einnahmen ab Erlass des Einkommenssteuerbescheids unberührt. Auf den Zeitpunkt der Vorlage des Bescheids kann es in diesen Fällen nicht ankommen, denn andernfalls hätte der Beitragspflichtige den Zeitpunkt der Beitragserhöhung in der Hand. Dies galt bereits vor Inkrafttreten der Beitragsverfahrenensgrundsätze Selbstzahler (vgl hierzu Urteil des Senats vom 13.11.2012, L 11 KR 5353/11, juris Rz 32 zu § 240 Abs 1 SGB V in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung), so dass es hier nicht entscheidend darauf ankommt, ob diese Grundsätze verbindlich sind.

Im Übrigen schließt sich der Senat der vom BSG im Urteil vom 19.12.2012 (B 12 KR 20/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 17) vertretenen Auffassung an. Danach sind die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler für sich genommen ab 01.01.2009 eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung. Gemäß § 6 Abs 6 Halbsatz 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler gilt für die Berücksichtigung von Änderungen bei sonstigem Arbeitseinkommen sowie bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung § 7 Abs 7 entsprechend. Gemäß § 7 Abs 7 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind die Voraussetzungen für die Beitragsbemessung nach Abs 3 Satz 2, Abs 4 oder Abs 5 vom Mitglied nachzuweisen. Das über den letzten Einkommenssteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bleibt bis zur Erteilung des nächsten Einkommenssteuerbescheides maßgebend. Der neue Einkommenssteuerbescheid ist für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen. Legt das Mitglied den Einkommenssteuerbescheid später vor und ergäbe sich eine günstigere Beitragsbemessung, sind die Verhältnisse erst ab Beginn des auf die Vorlage des Einkommenssteuerbescheides folgenden Monats zu berücksichtigen.

Für die vom Kläger gewünschte beitragsrechtliche Berücksichtigung der Vorauszahlungsbescheide zur Einkommenssteuer fehlt es für Einkommen aus Vermietung und Verpachtung an einer rechtlichen Grundlage. Zwar sieht § 6 Abs 3a Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler eine Berücksichtigung und Nachweis des Arbeitseinkommens durch Vorlage eines Vorauszahlungsbescheides zur Einkommensteuer gemäß § 37 Abs 3 Einkommensteuergesetz (EStG), gegebenenfalls ergänzt um die dem Vorauszahlungsbescheid zugrunde liegenden, den voraussichtlichen Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit ausweisenden Unterlagen vor, wenn die Beitragsbemessung aus dem Arbeitseinkommen auf der Grundlage des aktuellen Einkommenssteuerbescheides eine unverhältnismäßige Belastung darstellt. Eine unverhältnismäßige Belastung liegt gemäß § 6 Abs 3a Satz 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vor, wenn das angenommene Arbeitseinkommen um mehr als ein Viertel des über den Einkommensteuerbescheid zuletzt festgestellten Arbeitseinkommens reduziert ist. Jedoch ist auch für Arbeitseinkommen der Nachweis durch Vorlage eines Vorauszahlungsbescheides nur ausnahmsweise unter der Voraussetzungen des Bestehens einer unverhältnismäßigen Belastung gemäß § 6 Abs 3a Satz 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler möglich. In diesem Fall besteht ein rechtfertigender Grund, vom Grundsatz des Nachweises durch Einkommensteuerbescheid gemäß § 6 Abs 3 Satz 3 Nr 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler abzuweichen. Mit dieser Konstellation ist jedoch das Einkommen aus Vermietung und Verpachtung nicht vergleichbar, so dass eine Übertragung der Ausnahmeregelung nicht geboten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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