L 9 U 2606/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 625/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2606/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Mai 2011 werden zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch für das Berufungsverfahren 2/5 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Verletztengeld über den 24.09.2006 hinaus bis zum Ablauf der 78. Woche nach dem Unfall und im Anschluss daran die Gewährung von Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 vom Hundert (v. H.). Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Aufhebung des Bescheides vom 26.03.2010 durch das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe (SG) vom 19.05.2011, mit welchem sie ihren Bescheid vom 28.03.2008 abgeändert, die Anerkennung einer Teilschädigung des Nervus-Trigeminus-Asts 1 und Axillaris mit leichter Kraftminderung der linken Schulter als Unfallfolgen zurückgenommen und die Verletztenrente von einem Grad der MdE von 40 v. H. auf 20 v. H. ab dem 01.04.2010 herabgesetzt hat.

Der 1959 geborene Kläger wurde am 03.12.2005 bei seiner Tätigkeit als Straßenwalzenführer für das Unternehmen E. GmbH von einem Lkw erfasst. Nach Erstversorgung in der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses Herrenberg erfolgte noch am Unfalltag die Verlegung des Klägers zur weiteren Behandlung in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BG Unfallklinik) T. Im dortigen Befund- und Entlassbericht vom 13.01.2006 (Bl. 33 Verwaltungsakte der Beklagten - VA) wurden folgende Diagnosen genannt: Schädel-Hirn-Trauma dritten Grades mit Subarachnoidalblutung, bds. nicht dislozierte Frakturen der Frontobasis des Orbitadaches und der Siebbeinzellen, Liquorrhoe, zweitgradige offene Unterschenkelmehrfragment-Fraktur rechts, Schulterluxation mit Abriss des Tuberculum majus links, Crush-Niere. Die offene Unterschenkelfraktur wurde am 14.12.2005 mit einem Fixateur externe versorgt. Am 12.02.2005 erfolgte u. a. eine operative Frontobasisrevision und Plattenosteosynthese der Frontobasis mit Duradeckung, eine Reposition der Stirnhöhlenwände und der Nasenbeinfraktur (vgl. auch Befundbericht Prof. Dr. R. vom 27.01.2006, Bl. 46 VA). Die Schulterverletzung wurde konservativ behandelt.

Mit neurologischem Befundbericht vom 24.01.2006 (Bl. 35 VA) teilten Oberarzt PD Dr. H. und die Assistenzärztin Dr. H. ihre Einschätzung mit, wonach vom Kläger geschilderte insbesondere nächtlich auftretende Kopfschmerzen mit wechselnder Seitbetonung Folge der schweren Schädelbasis- und Gesichtsschädelverletzung seien. Da der Kläger von einer leichten Besserung der Beschwerden berichtet hatte, empfahlen sie ein abwartendes Verhalten. Sie erörterten die Möglichkeit einer teilweisen Verursachung der Kopfschmerzen durch einen ausgeprägten paravertebralen Muskelhartspann der Halswirbelsäule (HWS).

Nach ambulanter Untersuchung legte Prof. Dr. M., Oberarzt der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums T., im Bericht vom 10.04.2006 (Bl. 91 VA) dar, dass die vom Kläger geschilderten, klinisch im Vordergrund stehenden Cervikocephalgien nach wie vor Folge des schweren Schädel-Hirn-Traumas seien. Das schwere HWS-Distorsionstrauma trage zu den Beschwerden bei.

Prof. Dr. S. beschrieb in seinem neurologischen Befundbericht mit gutachtlicher Stellungnahme vom 17.05.2006 (Bl. 107 ff. VA) den klinisch-neurologischen Befund bis auf eine leichte Schwäche des linken Schulterkappenmuskels und eine Teilschädigung des linken Nervus axillaris als unauffällig. Für geklagte Gefühlsstörungen beider Hände habe sich kein elektrophysiologisches Korrelat gefunden. Der psychiatrische Befund sei bis auf ausgeprägte Ausgestaltungstendenzen unauffällig gewesen. Die Leistungen des Klägers im Rahmen der wegen geklagter kognitiver Beeinträchtigungen durchgeführten neuropsychologischen Diagnostik hätten, da eindeutig Ausgestaltungsversuche bestanden hätten, nicht weiter interpretiert werden können. Für sein Fachgebiet beschrieb er als Unfallfolgen eine folgenlos ausgeheilte Gehirnerschütterung, eine Teilschädigung des linken Nervus axillaris mit leichter Kraftminderung des linken Schulterkappenmuskels und reizlose ausgeprägte Narbenverhältnisse am rechten Unterschenkel mit subjektiven Beschwerden (Schmerzen, Gefühlsminderung).

Mit im Auftrag des Klägerbevollmächtigten erstattetem Bericht vom 04.10.2006 (Bl. 214 ff. VA), in welchem die Untersuchungen bis zum 06.06.2006 Berücksichtigung fanden, führte der damalige Ärztliche Direktor der BG Unfallklinik T., Prof. Dr. W., aus, am 09.05.2006 sei mit dem Kläger ausführlich darüber gesprochen worden, dass im Bereich des Unterschenkels jetzt die Vollbelastung zu erreichen sei und unfallchirurgisch keine Einwände gegen eine Arbeitsfähigkeit in seinem Beruf als Straßenwalzenführer bestünden, und deren Wiedererlangung im Vordergrund stehen müsse. Bei der letzten klinischen Untersuchung vom 06.06.2006 habe sich noch ein gestörtes Gangbild gezeigt; der Kläger habe Schmerzen des rechten Unterschenkels und Nachwirkungen des Schädel-Hirn-Traumas beklagt. Im Bereich des linken Unterschenkels habe sich eine zunehmende, aber noch zögerliche Durchbauung der ehemaligen Fraktur bei regelhafter Implantatlage und Gelenkstellung gezeigt. Er sei nochmals darauf hingewiesen worden, dass eine vollständige knöcherne Durchbauung nur unter Vollbelastung erreicht werden könne. Jetzt lägen ein folgenlos ausgeheiltes Schädel-Hirn-Trauma mit operativ versorgter Mittelgesichtsfraktur, eine konservativ behandelte Schulterluxation mit knöchern konsolidiertem Abriss des Tuberculum majus-Fragmentes und einer inkompletten Nervus axillaris-Läsion und eine operativ mittels UTN versorgte Unterschenkelfraktur mit verzögerter Knochenbruchheilung vor. Sowohl auf unfallchirurgischem als auch auf neurologischem Fachgebiet könne der Kläger wieder arbeitsfähig werden.

Vom 31.08.2006 bis zum 20.09.2006 führte der Kläger ein stationäres Heilverfahren in der BG-Unfallklinik T. durch. Ausweislich des Reha-Aufnahmebefundes vom 31.08.2006 (Bl. 153 VA) könne sich der Kläger derzeit nicht vorstellen, als Straßenbauarbeiter zu arbeiten. Aus einem vierwöchigen Urlaub in seinem Heimatland Portugal komme er etwas entspannter wieder zurück.

Ausweislich der Telefonvermerke vom 20.09.2006 des sachbearbeitenden Mitarbeiters der Berufshilfe der Beklagten (Bl. 154 f. VA) habe Dr. S. von der BG-Unfallklinik T. diesem gegenüber angegeben, der Kläger könne mit der Einsteckschiene gehen und auch Auto fahren. Eine vierwöchige Arbeits- und Belastungserprobung (ABE) als Walzenfahrer könne der Kläger durchaus durchführen. Ein nachfolgend geführtes Telefongespräch mit dem Niederlassungsleiter P. der Arbeitgeberin des Klägers habe ergeben, dass der Kläger ein guter und zuverlässiger Mitarbeiter sei, welcher überwiegend als Walzenfahrer tätig sei. Eine ABE werde man unterstützen und den Kläger auf heimatnahen Baustellen einsetzen. Hinsichtlich der vom Niederlassungsleiter als Problem aufgeworfenen vom Kläger geklagten lärmbedingten Kopfschmerzen (schließlich müsse der Kläger im teils öffentlichen Verkehrsraum konzentriert arbeiten) ergab eine nachträgliche Abklärung mit Dr. S., dass der Kläger lediglich über einen bedarfsweise medikamentös therapierten Spannungskopfschmerz klage, welcher bei der Arbeit keine Beeinträchtigung darstelle. Allerdings habe Dr. S. mit dem Kläger über die ABE gesprochen und dieser habe gesagt, er wolle erst wieder arbeiten, wenn er vollständig gesund sei und eine ABE nicht durchführen. Es sei ein Verharrungszustand eingetreten. Dr. S. habe dem Versicherten erklärt, dass somit unter Umständen die Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eintreten werde. Er werde hierauf im Entlassungsbericht hinweisen. Nachfolgend informierte der sachbearbeitende Mitarbeiter der Berufshilfe der Beklagten den Niederlassungsleiter P. der Arbeitgeberin des Klägers per E-Mail über sein letztes mit Dr. S. geführtes Gespräch (Bl. 156 VA).

Mit Befund- und Entlassbericht vom 22.09.2006 (Bl. 168 VA) über die stationäre Behandlung vom 31.08.2006 bis 20.09.2006 in der BG-Unfallklinik T. führten Assistenzarzt Dr. S., Oberarzt Dr. V. und Prof. Dr. W. aus, der Kläger sei bereits bei Aufnahme ohne Hilfsmittel mit diskretem Hinken gelaufen, habe allerdings noch multiple Beschwerden (Kopfschmerz, Schulterschmerz links, Unterschenkelschmerz beidseits, Kniebeschwerden beidseits) beklagt. Im Rahmen des Heilverfahrens hätten Kraft, Koordination, Ausdauer und die Beweglichkeit der Gelenke verbessert werden können. In einer am 01.09.2006 durchgeführten Computertomographie des rechten Unterschenkels hätte sich die Fibula gut durchbaut gezeigt, die Tibiafraktur um weniger als 180° Circumferenz durchbaut. Dem Kläger sei eine Unterschenkeleinsteckschiene rechts angefertigt und angepasst worden, ferner habe er einen Unterschenkelkompressionsstrumpf rechts und eine intensive Gangschulung in der Unterschenkeleinsteckschiene erhalten. Hierunter sei es zu einer mäßigen Besserung der Beschwerdesymptomatik gekommen. Der Kläger habe aufgrund der weiterhin bestehenden Beschwerdesymptomatik keine Möglichkeit gesehen, eine Belastungserprobung durchzuführen. Er habe sich motiviert gezeigt, seine Arbeit im bisherigen Umfang wieder aufzunehmen, sobald er wieder gesund sei. Aufgrund fehlender medizinischer Verbesserungsmöglichkeiten und der weiterhin bestehenden Beschwerden des Klägers trete der Verharrungszustand ein.

Mit Schreiben vom 21.09.2006 (Bl. 158 VA) teilte die Beklagte dem Kläger unter Berufung auf § 46 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) mit, dass sie die Krankenkasse beauftragen werde, Verletztengeld nur bis zum 24.09.2006 auszuzahlen, nachdem ein medizinischer Verharrungszustand eingetreten sei, eine ABE durchgeführt werden könne, dies aber vom Kläger abgelehnt worden sei. Sie gab ihm Gelegenheit zur Äußerung bis zum 10.10.2006 und informierte die Krankenkasse des Klägers und dessen behandelnden Durchgangsarzt Dr. K. mit Schreiben vom selben Tag.

Mit Schreiben vom 29.09.2006 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten mitteilen, ein offensichtlich nicht kompetenter Assistenzarzt habe anlässlich der stationären Behandlung geäußert, es sei an eine versuchsweise zeitlich sehr beschränkte Wiederaufnahme der Berufstätigkeit (Hilfsarbeiter im Bau mit ausschließlich körperlicher Tätigkeit) zu denken, "was völliger Unsinn ist." Der frühere Arbeitgeber habe auch sofort die BG-Klinik angerufen und dort allerdings eine "letztlich belämmernde" Erklärung erhalten, wonach der Arzt die "Praxis-Seite" nicht beurteilen könne. Unter dem 26.10.2006 (Bl. 200 VA) ließ der Kläger erklären, er sei arbeitsunfähig. In der Folge legte er Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Chirurgen Dr. K. vom 18.10.2006 (Auszahlschein für Krankengeld), des ihn behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. S. (Bl. 210 VA) vom 06.11.2006 und des praktischen Arztes Dr. S. vom 30.10.2006 (auf Rezeptvordruck, Bl. 233 VA) vor. Mit MAHB-Bericht vom 27.11.2006 (Bl. 238 VA) teilte der Durchgangsarzt Dr. K. der Beklagten mit, der Kläger sei seit dem 28.11.2006 arbeitsfähig. Dies wiederholte er mit Durchgangsarztbericht vom 12.12.2006 (Bl. 247 VA) und Nachschaubericht vom 04.01.2007 (Bl. 249 VA). Mit Schriftsatz vom 20.12.2006 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten nochmals mitteilen, er sei arbeitsunfähig. Gemäß Aktenvermerk des Sachbearbeiters der Beklagten vom 28.11.2006 (Bl. 237 VA) habe der Kläger am Vortag eine ABE durchgeführt, vermutlich auf eigenes Betreiben hin, welche er schmerzbedingt habe abbrechen müssen. Ausweislich eines Telefonvermerkes des Sachbearbeiters der Beklagten vom 19.12.2006 (Bl. 240 VA) sei von der Arbeitgeberin des Klägers telefonisch mitgeteilt worden, dass sich der Kläger dort mit dem Hinweis vorgestellt habe, immer noch nicht arbeiten zu können, aber weder von der Beklagten noch von seiner Krankenkasse Leistungen erhalte.

Zur Feststellung der Rente veranlasste die Beklagte eine Begutachtung bei Prof. Dr. W. Im Gutachten vom 29.12.2006 (Bl. 251 ff. VA) aufgrund einer Untersuchung vom 28.11.2006 benannte dieser als wesentliche Unfallfolgen: Nach zweitgradig offener Unterschenkelschaftfraktur rechts verbliebene dezente Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Kniegelenkes und des rechten oberen Sprunggelenkes, dezente Muskelminderung im Bereich des rechten Oberschenkels gegenüber links, geringgradige Varusabweichung des Unterschenkelschaftes unter 10 Grad, Zustand nach Schulterluxation links mit Tuberculum majus-Abriss und verbliebener Bewegungseinschränkung und fraglichem Painful arc (aufgrund der ausgeprägten Ausgestaltungstendenzen schwierig zu beurteilen). Die Unfallfolgen bewertete er ab dem 25.09.2006 mit einer MdE um 20 v. H. und führte aus, der Kläger sei in seinem Arbeitsfeld als Straßenwalzenfahrer vom unfallchirurgischen Fachgebiet aus arbeitsfähig.

Gestützt hierauf erkannte die Beklagte das Ereignis vom 03.12.2005 mit Bescheid vom 26.01.2007 (Bl. 266 VA) als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v. H. ab dem 25.09.2006. Als Folgen des Arbeitsunfalls stellte sie fest: Endgradige Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk, im rechten Knie- und rechten oberen Sprunggelenk, leichte Muskelminderung im Bereich der linken Schulter, Muskelminderung am rechten Oberschenkel und geringer ausgeprägt am rechten Unterschenkel sowie glaubhafte Beschwerden nach offenem Bruch des rechten Unterschenkels mit noch liegendem Metall, Verrenkung des linken Schultergelenkes mit knöchernem Sehnenabriss sowie Schädel-Hirn-Verletzung mit Gesichtsschädelbrüchen. Weitere Unfallfolgen auf neurologischem und kieferchirurgischem Fachgebiet würden ggf. nachträglich berücksichtigt. Das Verletztengeld stellte die Beklagte mit Ablauf des 24.09.2006 ein, nachdem Arbeitsfähigkeit im Tätigkeitsfeld als Straßenwalzenfahrer eingetreten sei. Die Heilbehandlung sei zu diesem Zeitpunkt gemäß § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VII soweit abgeschlossen gewesen, dass auch eine andere zumutbare und zur Verfügung stehende Tätigkeit hätte aufgenommen werden können. Mangels Berufsausbildung sei Verweisbarkeit auf dem gesamten Arbeitsmarkt gegeben.

Auf den hiergegen am 26.02.2007 eingelegten Widerspruch hin wurden weitere Gutachten erstellt, und zwar von Prof. Dr. V. vom 15.03.2007 (neurologisch), von Prof. Dr. Dr. R. vom 24.04.2007 (mund-kiefer-gesichtschirurgisch), von Prof. Dr. Z. vom 04.07.2007 (HNO-ärztlich) sowie von Dr. R. vom 23.02.2008 (olfaktometrisch). Mit Gutachten vom 20.02.2007 (Bl. 283 VA) kam der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. S. zu dem Schluss, dass als weitere Unfallfolgen noch eine Teilschädigung des Nervus-Trigeminus-Astes 1 und des Axillaris mit leichter Kraftminderung der linken Schulter, eine geringe äußere Verformung der Nase sowie ein Verlust des Geruchssinns vorlägen. Er bewertete die unfallbedingte MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet mit 20 v. H. Für das mund-kiefer-gesichtschirurgische Fachgebiet schlug Prof. Dr. Dr. R. in seinem Gutachten vom 24.04.2007 (Bl. 319 VA) eine MdE von unter 5 v. H. vor. In seinem Gutachten wurde das auf seine Veranlassung angefertigte neuroradiologische Gutachten des Prof. Dr. V. vom 15.03.2007 (Bl. 289 VA) mitberücksichtigt, welches eingeholt worden war, nachdem der Kläger im Rahmen der mund-kiefer-gesichtschirurgischen Begutachtung angegeben hatte, keine Geruchswahrnehmung mehr zu haben (Anosmie). Prof. Dr. Z. diagnostizierte im Gutachten vom 04.07.2007 (Bl. 334 VA) eine beidseitige Hyposmie und äußerte den Verdacht einer dezenten Hypogeusie (Beeinträchtigung des Geschmackssinnes). Er empfahl eine olfaktrometrische Untersuchung. Im Übrigen empfahl er, die Fotodokumentation des Klägers mit Voraufnahmen zu vergleichen und bei Bestätigung einer traumatisch kosmetisch nur wenig störenden Formveränderung der Nase diese mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten. Dr. R. kam nach olfaktrometischer Untersuchung mit Gutachten vom 23.02.2008 (Bl. 408 ff. VA) zu dem Ergebnis, ein Schmeckverlust sei vom Kläger weder angegeben noch gefunden worden. Unfallbedingt bestünden eine funktionelle Anosmie ohne Restfunktion beidseits und eine Normogeusie (Parageusie für Sauer). Unter Auswertung dieser Gutachten wurde beratungsärztlich am 27.02.2008 (Bl. 419 VA) vorgeschlagen, eine Gesamt-MdE um 40 v. H. anzunehmen.

Gestützt hierauf half die Beklagte mit Bescheid vom 28.03.2008 dem klägerischen Widerspruch teilweise insoweit ab, als dem Kläger Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 40 v. H. gewährt wurde. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden festgestellt: Endgradige Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk, im rechten Knie- und rechten oberen Sprunggelenk, leichte Muskelminderung im Bereich der linken Schulter, Muskelminderung am rechten Oberschenkel und geringer ausgeprägt am rechten Unterschenkel, Teilschädigung des Nervus-Trigeminus-Ast 1 und Axillaris mit leichter Kraftminderung der linken Schulter, geringe äußere Verformung der Nase sowie Verlust des Geruchssinnes nach offenem Bruch des rechten Unterschenkels mit noch liegendem Metall, Verrenkung des linken Schultergelenkes mit knöchernem Sehnenabriss sowie Schädel-Hirn-Verletzungen mit Gesichtsschädelbrüchen.

Eine weitere fachchirurgische Begutachtung erfolgte durch den Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Klinikums P., Prof. Dr. A. (Gutachten vom 28.04.2008, Bl. 445 VA). Dieser bewertete die Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet weiterhin mit einer MdE um 20 v. H., kam jedoch abweichend zur Einschätzung von Prof. Dr. W. zu dem Ergebnis, dass der Kläger eine Arbeit als Straßenwalzenfahrer nicht durchführen könne.

Ein neurologisches Zusatzgutachten erstellte Dr. S., Oberarzt der Neurologischen Klinik des Klinikums P., am 13.08.2008 (Bl. 467 VA). Dieser beschrieb als Folgen des Arbeitsunfalls einen chronischen posttraumatischen Kopfschmerz mit posttraumatischer Anosmie und Geschmacksstörung, des Weiteren eine leichtgradige Schwäche des linken Musculus deltoideus nach traumatischer Teilläsion des Nervus axillaris und ein neuropathisches Schmerzsyndrom am rechten Unterschenkel bei Zustand nach offener Fraktur mit anschließender operativer Versorgung. Hierfür schlug er eine MdE um 30 v. H. vor. Prof. Dr. A. schlug hierauf mit Schreiben vom 18.09.2008 (Bl. 481 VA) unter Annahme einer Teil-MdE von unter 5 v. H. für das mund-kiefer-gesichtschirurgische Fachgebiet eine Gesamt-MdE von weiterhin 40 v. H. vor.

Gestützt darauf gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 07.11.2008 (Bl. 497 VA) statt der bislang gewährten vorläufigen Entschädigung eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 40 v. H. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden nunmehr festgestellt: Deutliche Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk mit leichter Kraftminderung, endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Knie- und rechten oberen und unteren Sprunggelenk, leichte Muskelminderung im Bereich der linken Schulter und des Armes, sowie am rechten Oberschenkel und Unterschenkel, Verlust des Geruchssinnes sowie Geschmacksstörungen, chronischer Kopfschmerz.

Mit dem hiergegen wiederum erhobenen Widerspruch vom 12.11.2008 trug der Kläger vor, dass nur ein geringer Teil der Folgen des Arbeitsunfalls anerkannt sei und berief sich auf das Gutachten von Prof. Dr. E., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Schwerpunkt forensische Psychiatrie, welches er bereits vor Erlass des Bescheides vom 07.11.2008 (am 13.10.2008) vorgelegt hatte. Erstellt worden war das Gutachten am 15.09.2008 für das Landgericht (LG) Stuttgart im Verfahren 8 U 120/08. Prof. Dr. E. gelangte darin zu der Auffassung, dass die Symptome einer posttraumatischen organischen psychischen Störung erfüllt seien. Diese Symptomatik sei gekennzeichnet durch Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfbarkeit, Reizbarkeit, Störungen der Konzentration, des geistigen Leistungsvermögens, des Gedächtnisses (z.T. nur im Subjektiven, z. T. auch als diskrete Störung testpsychologisch nachweisbar), des Schlafs, eine verminderte Belastungsfähigkeit bei Stress, emotionalen Reizen oder Alkoholunverträglichkeit. Diese Symptomatik werde auch als Pseudoneurasthenie bezeichnet, weil sie neurasthenischen Bildern ähnele, aber durch eine organische Erkrankung verursacht sei. Ursache sei vorliegend ein Schädel-Hirn-Trauma mit Substanzschädigung, wie es nach Aktenlage mit einem Schädel-Hirn-Trauma dritten Grades, einer in der Bildgebung nachgewiesenen Hirnschwellung und einer Hirnblutung der Fall gewesen sei. Die Symptomatik sei typisch, wobei auch Versuche von Patienten, die Symptome ausgeprägter darzustellen, nicht als Ausdruck von Simulation gewertet werden müssten, sondern durchaus auch Bestandteil der posttraumatischen organischen psychischen Störung sein könnten, bei der solche vermehrten Klagen, eine vermehrte Darstellung von Symptomen und ein ausgeprägtes Leiden unter Symptomen durchaus typisch seien. Zusätzlich könne nach dem Tod der Ehefrau eine depressive Reaktion angenommen werden. Diese sei v. a. durch Deprimiertheit, vermehrte Antriebsstörungen, vermehrtes Leiden unter den Symptomen der organischen psychischen Störung gekennzeichnet. Die Vermischung und Durchdringung der beiden Syndrome, auch die Überschneidung einzelner Symptome, habe dazu geführt, dass sich die ursprüngliche posttraumatische organische psychische Störung bzgl. mancher Symptome durch den Tod der Ehefrau weiter verschlimmert habe. Eine Aussage, ob der Tod der Ehefrau mit den Folgen des Unfalls zu tun habe, könne nicht getroffen werden.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den klägerischen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2009 zurück und führte zur Begründung zusätzlich an, dass das Gutachten von Prof. Dr. E. für die MdE-Bewertung nicht berücksichtigungsfähig sei, weil es sich nicht an den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Bewertungs- und Kausalitätsgrundsätzen orientiere. Unabhängig davon habe ausweislich der Beurteilung von Prof. Dr. S. ein Schädel-Hirn-Trauma dritten Grades nicht vorgelegen. Prof. Dr. E. habe sich auf die Auswertung der Schichtaufnahmen des Schädels bezogen, die nur eine äußerst gering ausgeprägte Subarachnoidalblutung ohne Kompressionswirkung auf das Gehirn hätten erkennen lassen. Eine psychische Komponente lasse sich daher dem Arbeitsunfall vom 03.12.2005 nicht zuordnen.

Hiergegen hat der Kläger am 16.12.2009 Klage zum SG erhoben und sich zu deren Begründung wiederum auf das von Prof. Dr. E. erstellte Gutachten gestützt. Die Beklagte habe sich im Widerspruchsbescheid vom 22.01.2009 ohne jede nähere Auseinandersetzung mit der klaren Gutachtensaussage mit dem lapidaren und pauschalen Hinweis auf eine vermeintliche Missachtung der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Bewertungs- und Kausalitätsgrundsätzen der Beurteilung von Prof. E. nicht angeschlossen. Infolge der völligen Persönlichkeitsveränderung des Klägers nach dem Arbeitsunfall und der damit verbundenen Belastung für ihn in allen Bereichen habe die Ehefrau besonders durch die starke Veränderung des Klägers gelitten, so dass sie durch Suizid aus dem Leben geschieden sei. Seitdem habe sich jedoch der Zustand des Klägers gravierend verschlechtert. Auch der Bericht der R. GmbH vom 17.03.2008, erstellt im beim LG Stuttgart anhängigen Verfahren, belege das Beschwerdebild einer äußerst schweren Verletzung. Ein Arbeitsversuch des Klägers beim früheren Arbeitgeber sei nach ca. 1 Stunde aufgrund völliger Aussichtslosigkeit abgebrochen worden.

Die Beklagte ist der Klage unter Berufung auf den Inhalt der Akten und die angefochtenen Bescheide entgegen getreten.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes durch Prof. Dr. F., Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, am 21.12.2009 ein Gutachten erstellen lassen (Bl. 96-127 SG-Akte). Prof. Dr. F. ist mit dem Assistenzarzt Dr. S. zu dem Ergebnis gelangt, dass sich auf psychiatrischem Fachgebiet keine Gesundheitsstörungen feststellen lassen hätten. Vielmehr handele es sich um den Versuch der Darstellung einer psychiatrischen Erkrankung. Dafür spreche, dass der Proband zu seinen psychischen Beschwerden befragt spontan nur von seiner Antriebsstörung und seit dem Tod seiner Ehefrau wiederholt auftretenden Todeswünschen berichtet habe. Die Symptome seien undifferenziert und stereotyp beschrieben worden. Erst nachdem pathologische Symptome wie Halluzinationen im einzelnen abgefragt worden seien, habe er diese bejaht und an Beispielen konkretisiert, wie sie in der klinisch-psychiatrischen Praxis nicht zu beobachten seien. Beispielsweise habe er geschildert, Stimmen zu hören, und zwar nicht im Kopf, sondern in den Ohren; dabei habe er nicht angeben können, ob diese portugiesisch oder deutsch sprechen und welche Qualität sie haben. Auch die geschilderten Alpträume mit Krieg und Toten hätten offensichtlich Anlass geben sollen, ein posttraumatisches Belastungssyndrom zu vermuten. Die vom Kläger beschriebene Antriebsstörung und die nach dem Tode seiner Ehefrau wiederholt aufgetretenen Todeswünsche stellten am ehesten eine vermehrte Trauerreaktion dar. Soweit Prof. Dr. E. die Kriterien einer posttraumatischen organischen psychischen Störung als erfüllt ansehe, komme die als hirnorganisch schädigend beschriebene Subarachnoidalblutung als ursächlicher Faktor überhaupt nicht in Frage, da sie sich, wie bei einem gründlichen Studium der neurologischen Befunde erkennbar, in der Cysterna interpeduncularis und damit im Bereich des Hirnstammes gelegen habe und in diesem Liqourkompartment keinerlei raumfordernde Wirkung habe ausüben können.

Hierzu hat Prof. Dr. E. auf Veranlassung des SG ergänzend am 05.05.2010 Stellung genommen. Er hat zur Bestätigung seiner früheren Beurteilung dargelegt, die Symptome des Klägers seien in einer frontalen Schädigung begründet und eine solche sei nachweisbar. Zwar sei eine nur gering ausgeprägte Subarachnoidalblutung erwähnt, am 05.12.2005 seien allerdings Blutansammlungen links frontal sowie im Sulcus frontalis inferior links gefunden worden. Am 13.12. hätten sich (postoperativ) ausgeprägte Hirnveränderungen und bei der Untersuchung im Jahr 2007 computertomographisch fronto-polar sowie parafalxial bulbusnah glatt abgrenzbare hypodense postkontusionelle Defekte rechts bis 1,8 x 1 cm im maximalen Durchmesser und links bis 1 x 0,5 cm durchmessend gezeigt. Auch links tempo-polar finde sich ein diskret angedeuteter Kontusionsdefekt. Verwiesen werde im Zusammenhang damit auch auf die nach dem Unfall nachgewiesene Hirnschwellung als Zeichen einer ausgeprägten Störung. Es handele sich um typische postkontusionelle Veränderungen, die im Gutachten von Prof. Dr. S. schlicht ignoriert worden seien, was besonders schwer wiege, da in dem von Prof. Dr. F. angefertigten EEG auch ein in der Lokalisation dazu passender Herdbefund nachgewiesen worden sei, der allerdings mit unerklärlichen Argumenten wegdiskutiert werde. Die Subarachnoidalblutung sei Ausdruck einer schweren Hirnverletzung an dem der Subarachnoidalblutung gegenüberliegenden Pol (fronto-polar). Es handele sich um einen bekannten Mechanismus bei Schädel-Hirn-Traumata. Zu suchen sei in solchen Fällen nach der Läsion an der gegenüberliegenden Stelle, wo auch tatsächlich eine Läsion zu finden gewesen und noch zu finden sei. Des Weiteren seien Symptome, vor allem Frontalhirnsymptome, unspezifisch. Bezüglich des Simulationsvorwurfes sei darauf zu verweisen, dass aus Feststellungen, dass ein Patient aggraviere oder simuliere, nicht folge, dass er keine Beschwerden habe. In diesem Falle müsse der Gutachter prüfen, ob die Aggravation und Simulation bereits krankheitsbedingt sei und ob vor allem vorhandene Beschwerden verdeutlicht würden. Allerdings sei eine unfallunabhängige Verschlimmerung eingetreten. Pseudohysterische Verhaltensweisen mit Übertreibung der Symptome seien bereits in der ersten Begutachtung berücksichtigt. Es könne allerdings nicht sicher entschieden werden, ob es sich um eine persönlichkeitsnahe Aggravation handele oder eine krankheitsbedingte Aggravation beim Prägnanztyp der organischen Wesensänderung. Unabhängig davon bleibe aber der organische Kern als Folge des Schädel-Hirn-Traumas erhalten. Die MdE durch die hirnorganische Persönlichkeitsveränderung werde auf 50 v. H. eingeschätzt.

Hierauf hat auf Veranlassung des SG Prof. Dr. F. ergänzend gutachtlich am 06.09.2010 Stellung genommen. Auf den Inhalt dieser ergänzenden Stellungnahme wird Bezug genommen.

Auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. F. und Dr. S. hat die Beklagte nach mit Schreiben vom 24.02.2010 erfolgter Anhörung mit Bescheid vom 26.03.2010 die Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 28.03.2008 und 07.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2009 mit Wirkung für die Zukunft festgestellt, soweit darin eine Teilschädigung des Nervus-Trigeminus-Astes 1 und Axillaris mit leichter Kraftminderung der linken Schulter als Unfallfolgen anerkannt und diese separat mit einer MdE von 20 v. H. bewertet worden seien. Ab 01.04.2010 gelange daher anstatt der bisher gewährten Rente nach einer MdE von 40 v. H. nur noch eine Rente nach einer MdE von 20 v. H. zur Auszahlung.

Das SG hat mit Urteil vom 19.05.2011 den Bescheid vom 26.03.2010 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung des stattgebenden Teils der Entscheidung hat es ausgeführt, die mit Bescheid vom 28.03.2008 erfolgte Anerkennung einer Teilschädigung des Nervus-Trigeminus-Astes 1 und einer Teilschädigung des Nervus axillaris mit leichter Kraftminderung sei nicht zu Unrecht erfolgt. Bei einer erneuten Kausalitätsbeurteilung im Rahmen einer Überprüfung nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dürften neuere Erkenntnisse, etwa über Folgen bestimmter Unfallmechanismen, nicht herangezogen werden. Zudem müsse zwar der Unfallversicherungsträger nicht den Beweis führen, dass die Annahme des Kausalzusammenhangs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unrichtig gewesen sei, er trage aber bei der erneuten Kausalitätsbeurteilung die Beweislast, dass die für die Annahme des Zusammenhangs sprechenden Umstände den Grad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht erreichten. Prof. Dr. S. habe mit Gutachten vom 17.06.2006 sowohl eine verzögerte distale Überleitung im Bereich des Nervus axillaris und klinisch-neurologisch eine leichte Schwäche des Schulterkappenmuskels nachweisen können, als auch habe er im Hinblick auf die im Versorgungsgebiet des Nervus trigeminus festgehaltene Gefühlsminderung mit vermehrter Schmerzwahrnehmung die Schlussfolgerung geäußert, dass diese "durch die Narbenbildung zwanglos erklärbar" sei. Das Gutachten von Prof. Dr. F., auf welches die Beklagte sich stütze, trage eine abweichende Entscheidung nicht. Die Herabsetzung der MdE von 40 v. H. auf 20 v. H. stehe im Gegensatz zu dem Umstand, dass mit Bescheid vom 07.11.2008 weiterhin eine "deutliche Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk" als Unfallfolge anerkannt sei und die Teilschädigung des Nervus-Trigeminus-Astes 1 und Teilschädigung des Nervus axillaris mit leichter Kraftminderung funktionell eher unbedeutend seien. Zur Begründung der Klageabweisung im Übrigen hat das SG ausgeführt, dass nach dem Arbeitsunfall zunächst keine aussagekräftigen Befunde dokumentiert seien, welche auf eine posttraumatisch-organisch bedingte psychische Störung hindeuteten. Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. S. hätte in seinen Berichten aus 2006 und 2007 ebenso wie Dr. S. den Kläger im Wesentlichen durch erhebliche Schmerzen in seiner Lebensqualität und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt beschrieben; Hinweise auf sonstige posttraumatisch bedingte Störungen seien nicht beschrieben worden. Indem Prof. Dr. E. erstmals Symptome beschrieben habe, die er einer posttraumatisch-organischen psychischen Störung zuordne, habe er nicht überzeugend darzustellen vermocht, welche Befunde in welchem Ausmaß dem von ihm angenommenen organischen Kern als Folge eines Schädelhirntraumas zuzuordnen seien. Im Übrigen habe er diese Auswirkungen mit den Auswirkungen einer durch den Suizid der Ehefrau des Klägers im September 2007 hervorgerufenen depressiven Reaktion, durch welche seiner Auffassung nach eine Verstärkung der Symptomatik durch eine depressive Reaktion eingetreten sei, vermischt. Der chronische posttraumatische Kopfschmerz sei zutreffend mit einer MdE von 30 v. H. bewertet worden, die Teil-MdE für die auf fachchirurgischem Gebiet verbliebenen Unfallfolgen betrage 20 v. H. Daraus sei unter Berücksichtigung der übrigen Beeinträchtigungen einschließlich Geruchsstörung integrierend eine Gesamt-MdE von 40 v. H. zu bilden. Schließlich hat sich das SG den Darlegungen von Prof. Dr. W. im Gutachten vom 29.12.2006 hinsichtlich des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit im Beruf des ungelernten Walzenfahrers angeschlossen, weshalb es den ebenfalls mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Weitergewährung von Verletztengeld über den 24.09.2006 hinaus als nicht gegeben angesehen hat.

Gegen das dem Kläger am 06.06.2011 und der Beklagten am 03.06.2011 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil haben sowohl der Kläger (am 04.07.2011) als auch die Beklagte (am 22.06.2011) Berufung eingelegt. Der Kläger verfolgt sein Begehren unter Berufung auf das Gutachten von Prof. Dr. E. weiter. Dieser habe ein Schädel-Hirn-Trauma mit Substanzschädigung bejaht und dies eingehend begründet. Ebenfalls habe er ausgeführt, dass der organische Kern als Folge des Schädelhirntraumas erhalten bleibe mit den in den Diagnosekriterien benannten Symptomen einer posttraumatischen organischen psychischen Störung. Bei der Aggravation handele es sich um eine Folge des Schädel-Hirn-Traumas. Der Kläger sei darüber hinaus auch nicht in der Lage gewesen, ab dem 25.09.2006 eine Tätigkeit als Straßenwalzenführer auszuüben. Die diesbezügliche Einschätzung von Prof. Dr. W. habe dieser nicht begründet. Demgegenüber habe Prof. Dr. E. bestätigt, dass der Kläger wegen seiner Hirnverletzungen und deren Folgen eine derartige Tätigkeit nicht mehr ausüben könne. Dies habe auch der erfahrene Sachbearbeiter der Firma R., F., bestätigt. Der Aktenvermerk des Berufshelfers vom 20.09.2006 beschränke sich auf den Vortrag, dass der Kläger, was verständlich, nachvollziehbar und richtig sei, [eine Arbeitsaufnahme] abgelehnt habe. Nachfolgend habe der Kläger einen "Arbeitsaufnahmeversuch" begonnen und diesen wegen völliger Aussichtslosigkeit wieder abgebrochen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Mai 2011 abzuändern, die Bescheide vom 28. März 2008 und 7. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2009 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Verletztengeld über den 24. September 2006 hinaus bis zum Ablauf der 78. Woche, gerechnet ab dem 3. Dezember 2005, unter Berücksichtigung hierauf monatlich bezahlter Beträge bei Zugrundelegung einer Gesamt-MdE von 40 vom Hundert zu bezahlen, dem Kläger anschließend Verletztenrente nach einer MdE um 100 vom Hundert zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Mai 2011 insoweit aufzuheben, als der Bescheid vom 26. März 2010 aufgehoben worden ist, und die Klage insgesamt abzuweisen, sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide für rechtsfehlerfrei. Die in dem Bescheid vom 28.03.2008 und im Bescheid über Rente auf bestimmte (richtig: unbestimmte) Zeit vom 07.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2009 festgesetzte MdE von 40 v. H. habe sich wesentlich (mit einer Teil-MdE von 20 v. H.) auf das Vorliegen einer unfallbedingten Teilschädigung des Nervus trigeminus-Astes und des Nervus axillaris gestützt. Nachdem sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. F. und Dr. S. vom 21.12.2009 ergebe, dass auf neurologischem Fachgebiet außer Sensibilitätsstörungen im Bereich der linken Schulterkappe und des rechten Unterschenkels keine weiteren Unfallfolgen feststellbar gewesen seien, woraus eine MdE von unter 20 v. H. resultiere, und darauf hingewiesen worden sei, dass die Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Schultergelenks nicht auf eine Schädigung des Nervus axillaris zurückgeführt werden könne, sei die Anerkennung einer Teilschädigung des Nervus-Trigeminus-Astes und des Nervus Axillaris mit einer daraus resultierenden Einzel-MdE von Anfang an rechtswidrig gewesen. Zur Frage der Arbeitsunfähigkeit ab dem 25.09.2006 hat die Beklagte sich auf das Gutachten des Prof. Dr. W. und die Äußerungen von Prof. Dr. F. und Dr. S. bezogen.

Dem Gericht haben - anstelle der in Verstoß geratenen Originalakten - eine Kopie der Rechtsmittelhandakten der Beklagten (auszugsweise Kopie der wesentlichen Teile der Beklagtenakten) vorgelegen, ebenso die SG-Akten und die Senatsakte. Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf deren Inhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte vorliegend im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden. Die vom Kläger und der Beklagten form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhobenen Berufungen sind jeweils zulässig. Berufungsausschließungsgründe (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die auf längeren Verletztengeldbezug und höhere Verletztenrente gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Die beim Kläger nachgewiesenen Gesundheitsstörungen, deren wesentliche Ursache mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Arbeitsunfall vom 03.12.2005 ist, begründen weder einen Anspruch auf Verletztengeld über den 24.09.2006 hinaus noch einen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente nach einem höheren Grad der MdE als 40 v. H.

Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Das SG hat auf die Anfechtungsklage des Klägers den Bescheid vom 26.03.2010 zu Recht aufgehoben, da es am Nachweis der Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 28.03.2008 und 07.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2009 fehlt, nachdem der Senat auch in Kenntnis des Gutachtens von Prof. Dr. F. vom 21.12.2009 als nachgewiesen ansieht, dass beim Kläger eine Teilschädigung des linken Nervus axillaris mit leichter Kraftminderung des linken Schulterkappenmuskels und eine Teilschädigung des Nervus trigeminus Astes 1 beidseits mit der Folge einer Gefühlsminderung mit vermehrter Schmerzwahrnehmung im Versorgungsbereich dieses Nervenasts erlitten hat und diese nach Auffassung des Senats mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch Unfallfolgen sind.

Der Senat geht dabei vorliegend von folgenden rechtlichen Grundsätzen aus:

Gemäß § 45 Abs. 1 SGB VII wird Verletztengeld erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder Mutterschaftsgeld hatten. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VII wird Verletztengeld von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (BSGE, Urteil vom 2.4.2009 – B 2 U 29/07 R –, juris m.w.N.).

Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung bzw. Funktionseinschränkung als Unfallfolge bei der Prüfung eines Anspruchs auf Verletztengeld und bei der Bemessung der MdE ist grundsätzlich u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209, juris).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 (a.a.O. Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Der Kläger ist am 03.12.2005 bei der Arbeit auf einer Baustelle von einem vorbeifahrenden Lkw erfasst worden und hat sich infolge dessen eine zweitgradig offene Unterschenkelschaftfraktur rechts und in der Folge mehrfache Thrombosen im Unterschenkel rechts und links, eine Schulterluxation links mit Tuberculum-majus-Abriss sowie erhebliche Kopf- und Gesichtsverletzungen zugezogen, im Einzelnen eine Stirnhöhlenvorder- und -hinterwandfraktur, Schädelbasisfraktur mit Rhinoliquorrhoe bei Duraruptur, eine (reponierte) Nasenskelettfraktur, eine Orbitadachfraktur links und Fraktur der medialen Orbitawand links und eine Riss-Quetschwunde frontal median. Letztere sind, wie Prof. Dr. Dr. R. in seinem Gutachten vom 24.04.2007 überzeugend dargelegt hat, gut verheilt, so dass außer einer geringen Deviation der Nase nach rechts sowie ästhetisch unauffälligen Narben sowie einer asymptomatischen chronischen Sinusitis maxillaris links keine weiteren Unfallfolgen mehr auf mund-, kiefer- und gesichtschirurgischem Fachgebiet verblieben sind. Darüber hinaus bestehen als weitere Unfallfolgen eine posttraumatische Anosmie (Verlust des Geruchssinnes) mit partieller Geschmacksstörung (betreffend den Teilbereich Sauer), wie von Dr. R. im Gutachten vom 23.01.2008 und Dr. S. im Gutachten vom 13.08.2008 ausgeführt.

Dauerhaft verblieben sind als Folgen der zweitgradig offenen Unterschenkelschaftfraktur rechts nach Abheilung mit Varusabweichung des Unterschenkelschaftes von unter 10° rechts jeweils eine leichte Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Kniegelenks und des rechten oberen und unteren Sprunggelenks und eine leichte Muskelminderung im Bereich von rechtem Ober- und Unterschenkel, wie von Prof. Dr. W. (Gutachten vom 29.12.2006) und Prof. Dr. A. (Gutachten vom 28.04.2008) im Einzelnen dargelegt und überzeugend begründet.

Die im Bereich der Schulter von Prof. Dr. W. dokumentierte geringfügige Bewegungseinschränkung der linken Schulter (Arm seitwärts/körperwärts links 0-0-160° im Vergleich zu rechts 0-0-170°) bei dezenter Atrophie der Schulterkappenmuskulatur ist ebenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Folge des Unfalls vom 03.12.2005, nicht aber die im weiteren Verlauf ab 2007 dokumentierte Verschlechterung der Bewegungsausmaße, welche im Rahmen der unfallchirurgischen Untersuchung vom 16.04.2008 (Dr. S., Prof. Dr. A., Gutachten vom 28.04.2008) nur noch mit 90/0/20° links gegenüber 180/0/20° rechts (seitwärts körperwärts) angegeben worden sind. Es handelt sich dabei um eine Aggravation bestehender Beschwerden durch den Kläger, wofür die von Prof. Dr. S. (gutachterliche Untersuchung vom 09.02.2007; Gutachten vom 20.02.2007, Bl. 283 ff. [284 Rücks.] VA), Prof. Dr. A. (Untersuchung vom 16.04.2008, Bl. 445 ff. [449] VA) und Prof. Dr. F. (Untersuchung vom September und November 2009, Bl. 96 ff. [114 f.] SG-Akte) jeweils beschriebene im Wesentlichen seitengleich kräftige Schulterbemuskelung als Indiz heranzuziehen ist. Im Übrigen ist aus sämtlichen mitgeteilten Befunden nicht ableitbar, warum sich die Beweglichkeit der linken Schulter zunächst stetig verbessert hat (am 09.05.2006 Abduktion/Elevation 110°, Außenrotation 10°; am 06.06.2006 Elevation bis 110°, Extension/Flexion 30-0-110°, vgl. Ärztlicher Bericht Prof. Dr. W. vom 04.10.2006, Bl. 214 [217 f.] VA, bei Entlassung am 20.09.2006 ist das Anheben bis 150° möglich gewesen, ein Abduzieren bis 90°, vgl. Entlassungsbericht vom 22.09.2006, Bl. 168 VA; im Rahmen der Untersuchung vom 28.11.2006 ist schließlich für das Anheben ein Wert bis 160° vermerkt), dann aber wieder auf maximal 90° abgesunken sein soll.

Auf neurologischem Fachgebiet sieht der Senat es gestützt auf die beiden im Verwaltungsverfahren von Prof. Dr. S. erstatteten Gutachten sowie - insbesondere - das von Dr. S. im Widerspruchsverfahren vorgelegte Gutachten als nachgewiesen an, dass der Kläger an posttraumatischen chronischen Kopfschmerzen leidet, deren wesentliche Ursache das hier streitige Unfallereignis ist (dazu eingehend weiter unten). Nachgewiesen ist für den Senat ebenfalls, dass der Kläger eine Teilschädigung des linken Nervus axillaris mit leichter Kraftminderung des linken Schulterkappenmuskels und eine Teilschädigung des Nervus trigeminus Astes 1 beidseits mit der Folge einer Gefühlsminderung mit vermehrter Schmerzwahrnehmung im Versorgungsbereich dieses Nervenasts erlitten hat. Diese sind mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Folge des Unfalls vom 03.12.2005, weshalb das SG den im Klageverfahren erlassenen Bescheid der Beklagten vom 26.03.2010, welcher als die Bescheide vom 28.03.2008 und 07.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2009 teilabändernder Bescheid nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, zu Recht wieder aufgehoben hat.

Als Ermächtigungsgrundlage für die teilweise Aufhebung der genannten Verwaltungsakte kommt § 45 Abs. 1 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die dabei erforderliche Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 SGB X ist vorliegend durchgeführt worden. Es fehlt jedoch am Nachweis der Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 28.03.2008 und 07.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2009. Anwendbarkeits- und Tatbestandsvoraussetzung für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte für die Zukunft ist, dass diese im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig sind. Ein Verwaltungsakt ist im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X auch dann rechtswidrig, wenn die in dem Bescheid eingeräumte begünstigende Rechtsposition erst auf der Grundlage später zu Tage getretener Erkenntnisse bereits aus damaliger Sicht rechtsfehlerhaft war. Die Rechtswidrigkeit der begünstigenden Entscheidung muss feststehen; bloße Zweifel am Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen genügen nicht. Die Voraussetzungen sind nur dann erfüllt, wenn die genannten Bescheide aus damaliger Sicht nicht hätten ergehen dürfen (vgl. Urteil des BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 25/07 R -, juris, Rn. 17 f.). Dabei muss die Beklagte zwar nicht den Beweis führen, dass die Annahme des Kausalzusammenhangs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unrichtig war (vgl. Urteil des BSG vom 02.11.1999 - B 2 U 47/98 R -, juris, Rn. 15), vielmehr ist auch bei einer Rücknahme nach § 45 SGB X der Beurteilung des medizinischen Ursachenzusammenhangs der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (BSG-Urteil vom 20.03.2007, a.a.O., Leitsatz und Rn. 20 f.). Die Beklagte trägt aber die Beweislast dafür, dass die für die Annahme des Zusammenhangs sprechenden Umstände den Grad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht erreichen. Dieser Beweis ist vorliegend nicht geführt.

Prof. Dr. S. hat eine Teilschädigung des linken Nervus axillaris im Rahmen seiner ersten Begutachtung (Gutachten vom 17.05.2006, Bl. 107 ff. [121]) wenige Monate nach dem Unfall eindeutig elektrophysiologisch nachgewiesen und unter Mitberücksichtigung einer klinisch-neurologisch festgestellten leichten Schwäche des Schulterkappenmuskels (Kraftgrad 4) - für den Senat nachvollziehbar - als Unfallfolge eingeordnet. Bereits bei der zweiten Begutachtung (Gutachten vom 20.02.2007, Bl. 283 ff. [286 Rücks.]) ist die Teilschädigung elektrophysiologisch nicht mehr nachweisbar gewesen, ohne dass Prof. Dr. S. aber daraus die Schlussfolgerung gezogen hat, dass diese von Anfang an nicht bestanden haben soll. Vielmehr hat er gleichwohl weiterhin eine Teilschädigung des linken Nervus axillaris mit leichter Kraftminderung des linken Schulterkappenmuskels als Unfallfolge benannt.

Aus dem Gutachten von Prof. Dr. F. ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dieser hat nicht in Abrede gestellt, dass es zu einer Teilschädigung des Nervus axillaris und in diesem Zusammenhang zu einer leichten Atrophie mit Kraftminderung des linken Schulterkappenmuskels - letztere klinisch-neurologisch belegt im Rahmen der erstmaligen Untersuchung durch Prof. Dr. S. am 18.04.2006 (Gutachten vom 17.05.2006, Bl. 107 ff. [121] VA) und (als Indizien) gestützt durch die fortlaufende Beschreibung einer leichten Atrophie des Schulterkappenmuskels in den nachfolgenden Gutachten - gekommen ist, sondern nur klargestellt, dass eine solche die vom Kläger demonstrierte Bewegungseinschränkung der linken Schulter auf 90° nicht begründen kann, nachdem der Nervus axillaris die Muskeln versorgt, welche für das Abspreizen der Schulter bis 90° (und nicht darüber hinaus) verantwortlich sind. Anhaltspunkte dafür, dass es von Anfang an unzutreffend gewesen ist, eine Teilschädigung des Nervus axillaris mit leichter Kraftminderung des linken Schulterkappenmuskels als Unfallfolge zu bezeichnen, ergeben sich aus seinen Ausführungen nicht. Prof. Dr. F. behauptet auch nicht, dass die - bereits am 09.02.2007 (Bl. 283 ff. VA) elektrophysiologisch nicht mehr nachweisbare - Teilschädigung des Nervus axillaris mit leichter Kraftminderung des Schulterkappenmuskels nicht mehr besteht, etwa weil der Nervendefekt vollständig abgeheilt ist. Er beschränkt sich ausschließlich darauf nachzuweisen, dass eine derartige Schädigung nicht ursächlich für die nun demonstrierte Bewegungseinschränkung der linken Schulter auf 90° sein kann.

Darüber hinaus hat Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 20.02.2007 eine Teilschädigung des Nervus trigeminus Astes 1 beidseits mit der Folge einer Gefühlsminderung mit vermehrter Schmerzwahrnehmung im Versorgungsbereich dieses Nervenasts auf der Grundlage folgender Befundangaben als Unfallfolge zur Anerkennung vorgeschlagen: "Im Versorgungsgebiet des Nervus trigeminus bds. reproduzierbar eine Gefühlsminderung in Verbindung mit vermehrter Schmerzwahrnehmung (Hypästhesie und Hypalgesie), innerhalb der anatomischen Grenzen und so von einem Laien nicht ohne weiteres zu erfinden"; weiter hat er die vom Kläger hinter der über den Kopf ziehenden Narbe im Versorgungsgebiet des Nervus trigeminus angegebene Gefühlsminderung bei vermehrter Schmerzwahrnehmung als "durch den Narbenverlauf zwanglos erklärbar" bezeichnet. Prof. Dr. F. hat diesen erhobenen Befund bestätigt (Hypästhesie und Hypalgesie im Versorgungsgebiet des 1. Astes des N. trigeminus, vgl. Gutachten v. 21.12.2009, Bl. 96 ff. [114] SG-Akte), er hat sich mithin als reproduzierbar erwiesen. Dass Prof. Dr. F. diesen Befund später bei den Unfallfolgen nicht mehr ausdrücklich aufgeführt hat, vermag keine Indizwirkung dahingehend zu entfalten, dass er diesen nicht für eine Unfallfolge gehalten hat; hierfür findet sich an keiner Stelle des Gutachtens ein Anhaltspunkt. So hat er etwa den Verlust der Riechfähigkeit ebenfalls bei den Unfallfolgen nicht aufgeführt, obwohl er diese ausdrücklich als durch die postkontusionellen Defekte fronto-basal erklärbar bezeichnet hat (Bl. 125 SG-Akte).

Nach alledem hat das SG den Bescheid vom 26.03.2010 zu Recht aufgehoben, mit welchem die Beklagte die Anerkennung einer Teilschädigung des linken Nervus axillaris mit leichter Kraftminderung des linken Schulterkappenmuskels und eine Teilschädigung des Nervus trigeminus Astes 1 beidseits mit der Folge einer Gefühlsminderung mit vermehrter Schmerzwahrnehmung im Versorgungsbereich dieses Nervenasts als Unfallfolgen von Anfang an zurückgenommen und aufgrund dessen den Grad der MdE von 40 v. H. auf 20 v. H. herabgesetzt hat.

Der Senat sieht die MdE für die Gesundheitsstörungen, welche mit Wahrscheinlichkeit Unfallfolgen sind, mit 40 v. H. als zutreffend, aber auch ausreichend bemessen an. Die auf Verletztenrente nach einem höheren Grad der MdE als 40 v. H. gerichtete Berufung des Klägers ist mithin unbegründet.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004 - B 2 U 14/03 R -, SozR 4-2700 § 56 Nr. 1, juris): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Die dem unfallchirurgischen Fachgebiet zuzuordnenden Unfallfolgen bedingen eine Teil-MdE von 20 v. H., wie von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. A. und Dr. S. im wesentlichen übereinstimmend und überzeugend dargelegt.

Die daneben auf neurologischem Fachgebiet bestehenden Unfallfolgen bedingen unter Mitberücksichtigung der Anosmie (Geruchsverlust) und der partiellen Geschmacksstörung eine Teil-MdE von 30 v. H. Der Senat stützt sich dabei, ebenso wie das SG, auf das Gutachten von Dr. S. Das SG hat in seinem Urteil mit zutreffenden Erwägungen (in den Gründen unter Ziff. 2) herausgearbeitet, dass auch bei Berücksichtigung des Gutachtens und der ergänzenden gutachterlichen Äußerung von Prof. Dr. E. das Bestehen einer posttraumatischen organischen psychischen Störung beim Kläger nicht nachgewiesen ist. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG nach eigener Prüfung an und nimmt hierauf nach § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Auch für den Senat ist insoweit wesentlich, dass sowohl im Bericht der Universitätsklinik T. vom 24.01.2006 als auch den nachfolgend regelmäßig erstellten Berichten des ambulant behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. S. jedenfalls bis zum Suizid der Ehefrau im September 2007 keine Befunde beschrieben worden sind, die auf das Bestehen einer posttraumatisch-organischen psychischen Störung hindeuten. Zwar hat der Kläger schon gegenüber Prof. Dr. M. am 06.04.2006 (vgl. Bericht vom 10.04.2006, Bl. 91 VA) und dann auch wieder gegenüber Prof. Dr. S. am 18.04.2006 (Bericht mit gutachterlicher Stellungnahme vom 17.05.2006, Bl. 107 VA) über Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen geklagt, dies hat als Befundtatsache jedoch nicht objektiviert werden können. Vielmehr hat Prof. Dr. S. nach der Untersuchung des Klägers im April 2006 das Vorliegen kognitiver Beeinträchtigungen ausdrücklich ausgeschlossen. Erstmals mit Bericht vom 11.10.2007 (Bl. 388 VA), mithin nach dem im September 2007 stattgehabten Suizid der Ehefrau, hat Dr. S. eine Herabstimmung beschrieben und eine Anpassungsstörung diagnostiziert, ansonsten aber einen gegenüber den Vorberichten im Wesentlichen identischen Befund mitgeteilt. Indem Prof. Dr. E. dann erstmals in seinem Gutachten vom 15.09.2008 Befunde beschrieben hat, aus denen er auf das Vorliegen einer posttraumatisch-organisch bedingten psychischen Störung geschlossen hat, und als Ursache hierfür neben dem hier streitgegenständlichen Unfall den Suizid der Ehefrau des Klägers benannt hat, ohne die Verursachungsanteile nachvollziehbar abzugrenzen, überzeugt dies den Senat insbesondere auch vor dem Hintergrund der von Anfang an gutachterlich immer wieder beschriebenen deutlichen Aggravationstendenzen des Klägers nicht. Prof. Dr. E. hat auch nicht überzeugend zu begründen vermocht, dass es sich dabei um Ausprägungen der von ihm angenommenen posttraumatisch-organisch bedingten psychischen Störung handelt - diese Schlussfolgerung stellt letztlich einen Zirkelschluss dar, nachdem der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. S. bereits in seinem Bericht vom 26.10.2006 (Bl. 211 VA) die Festlegung des Klägers, nur wieder arbeiten zu wollen, wenn er wieder voll genesen sei - was Dr. S. als nicht erreichbar bezeichnet hat - als das "zentrale Problem in diesem Kasus" bezeichnet hat. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der immer wieder beschriebenen Aggravation des Klägers um ein krankheitswertiges Geschehen gehandelt hat, ergeben sich aus den Berichten von Dr. S. ebenso wenig wie aus sämtlichen eingeholten Gutachten (bis auf dasjenige von Prof. Dr. E.).

Das SG hat ebenfalls überzeugend herausgearbeitet, dass die vom Kläger durchgängig von Anfang an angegebenen Kopfschmerzen, welche Prof. Dr. S. durch die knöcherne Schädelverletzung mit Narbenbildung verursacht erklärt und deren Anerkennung als Unfallfolge nicht nur er, sondern auch Dr. S. vorgeschlagen hat, und welche zudem von Anfang an medikamentös behandelt worden sind, in ihren Auswirkungen so erheblich sind, dass für die auf neurologischem Fachgebiet anzuerkennenden Gesundheitsstörungen einschließlich des Geruchsverlusts und der partiellen Geschmacksstörung mit 30 v. H. zu bemessen sind. Auch diesen Ausführungen des SG schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und nimmt hierauf nach § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Soweit Prof. Dr. F. die Kopfschmerzen nur als möglicherweise auf den Unfall zurückzuführen angesehen hat und gegen eine Anerkennung als Unfallfolge und Mitberücksichtigung bei der MdE-Bemessung die Aggravationstendenzen des Klägers angeführt hat, ist dem entgegen zu halten, dass gegen eine Simulation von Kopfschmerzen der Umstand spricht, dass der Kläger diese von Anfang an (vgl. Bericht PD Dr. H./Dr. H. vom 24.01.2006, ebenfalls Bericht Prof. Dr. M. v. 10.04.2006) und im weiteren Verlauf durchgängig angegeben hat und sämtliche behandelnden Ärzte und Vorgutachter deren tatsächliches Vorliegen auch in Kenntnis des Hangs des Klägers zur Aggravation nicht angezweifelt haben. Auch der Umstand, dass der Kläger deswegen jahrelang medikamentös behandelt worden ist, stellt ein Indiz für das tatsächliche Vorliegen der Kopfschmerzen dar. Der Umstand, dass der Kläger infolge erheblicher Schädel- und Gesichtsverletzungen eine Vielzahl von Narben im Kopfbereich aufweist, lässt eine unfallbedingte Verursachung - und insoweit stützt sich der Senat auf die Einschätzung von Prof. Dr. S. - wahrscheinlich erscheinen. Die Gesamt-MdE sieht auch der Senat als mit 40 v. H. als zutreffend, aber auch ausreichend bemessen an; auch insoweit nimmt er nach eigener Prüfung auf das Urteil des SG Bezug.

Die mit Wahrscheinlichkeit unfallbedingt entstandenen Funktionsbeeinträchtigungen haben schließlich der Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit als angelernter Straßenwalzenfahrer durch den Kläger ab dem 25.09.2006 nicht entgegengestanden. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger ab dem 25.09.2006 wieder arbeitsfähig gewesen ist, weshalb die Berufung des Klägers auch unbegründet ist, als sie auf die Verlängerung des Zeitraumes des Verletztengeldbezuges über den 24.09.2006 hinaus gerichtet gewesen ist.

Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl. etwa Urteil des BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 31/06 R -, juris, Rn. 12 m.w.N.). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn und solange der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist unerheblich. Zugrunde zu legen ist vorliegend die Tätigkeit eines angelernten Straßenwalzenführers. In welcher Weise sich der rechtliche Maßstab nach Aufgabe der zuletzt konkret ausgeübten Tätigkeit ändert, kann hier offen bleiben, denn der Kläger hat jedenfalls bis zum Beginn der Bewilligung von Arbeitslosengeld (ab dem 06.07.2007, vgl. Bescheid der Agentur für Arbeit P. vom 03.08.2007, Bl. 359 VA), welcher bereits außerhalb des 78-Wochen-Zeitraumes liegt (welcher sich vorliegend bis Freitag, den 01.06.2007, erstreckt), für den vorliegend Verletztengeld geltend gemacht worden ist, an seiner zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit als Straßenwalzenführer festgehalten. Der Senat stützt seine Überzeugung auf den Umstand, dass zunächst zwischen der Beklagten und der bisherigen Arbeitgeberin am 20.09.2006 eine Wiedereingliederungsmaßnahme geplant (allerdings nicht realisiert) worden ist, dass der Kläger sich am Ende des Heilverfahrens motiviert geäußert hat, seine bisherige Tätigkeit wieder aufzunehmen, sobald er gesund sei, und er zu Jahresende 2006 bei seinem Arbeitgeber auch wieder vorstellig geworden ist. Anhaltpunkte für eine Aufgabe der Tätigkeit oder eine Kündigung bis zum Beginn des Arbeitslosengeld- und nachfolgenden Erwerbsminderungsrentenbezuges (ab 01.08.2007, Bescheid v. 20.02.2008, Bl. 430 VA) bestehen nicht. Als Straßenwalzenführer hat der Kläger überwiegend Straßenwalzen zu bewegen gehabt (vgl. Vermerk d. Besuchsdienstes vom 06.04.2006, Bl. 77 VA, Vermerk vom 20.09.2006, Bl. 154 VA). Die Arbeitgeberin hatte dabei ihre Bereitschaft signalisiert, den Kläger zunächst auf heimatnahen Baustellen einzusetzen.

Der Senat stützt seine Überzeugung, dass der Kläger ab dem 25.09.2006 wieder in der Lage gewesen ist, eine Tätigkeit als Straßenwalzenführer vollschichtig zu verrichten, auf den Befundbericht des Prof. Dr. S. vom 17.05.2006, in welchem er den Kläger explizit als fahrtüchtig und aus neurologischer Sicht für eine Tätigkeit als Straßenwalzenfahrer arbeitsfähig bezeichnet hat, auf den Entlassungsbericht der BG Unfallklinik T. vom 22.09.2006 und auf das Gutachten des Prof. Dr. W. vom 29.12.2006. Am 20.09.2006 ist der Kläger mit gut durchbauter Fibula und noch um weniger als 180° Circumferenz durchbauter Tibiafraktur, versorgt mit einer Unterschenkeleinsteckschiene und Unterschenkelkompressionsstrumpf, aus der stationären Rehabilitationsmaßnahme entlassen worden. Bis auf eine eingeschränkte Beweglichkeit des rechten oberen Sprunggelenks (0-0-40° gegenüber rechts 20-0-40°) und eine eingeschränkte Schultergelenksbeweglichkeit links (Anheben bis 150°, Abduzieren bis 90°) bei freier HWS-Beweglichkeit ist der Kläger in seiner Beweglichkeit im Wesentlichen unbeeinträchtigt gewesen; das Gangbild ist bei Entlassung am 20.09.2006 als nur noch diskret hinkend beschrieben worden. Durch intensive mehrwöchige Physiotherapie, balneologische Therapie, manuelle Therapie, Ergotherapie und Gruppengymnastik sind im Rahmen des bis zum 20.09.2006 durchgeführten Heilverfahrens Verbesserungen bei Kraft, Koordination, Ausdauer und Gelenksbeweglichkeit des Klägers erreicht worden, weshalb der Senat keine Anhaltspunkte zu erkennen vermag, welche einer vollschichtigen Ausübung einer Tätigkeit als Straßenwalzenführer ab dem 25.09.2006 entgegen gestanden hätten. Im Gutachten vom 29.12.2006 hat Prof. Dr. W. dann sogar noch eine weitere Verbesserung der Bewegungsmaße dokumentiert (Schulter links: Beweglichkeit seitwärts/körperwärts 0-0-160°, rückwärts/vorwärts 30-0-160°; oberes Sprunggelenk rechts 15-0-30°) bei vollständiger knöcherner Konsolidierung auch der Tibiafraktur, weshalb er die bestehende Arbeitsfähigkeit im Beruf als Straßenwalzenführer in diesem Gutachten – für den Senat nachvollziehbar – nochmals bestätigt hat. Demgegenüber ist nicht nachvollziehbar, warum Prof. Dr. A./Dr. S. den Kläger zwar in der Lage gesehen haben, "fahrerische Arbeiten zu erledigen", jedoch aufgrund ihrer am 16.04.2008 erhobenen Befunde zu der Einschätzung fortbestehender Arbeitsunfähigkeit im Beruf des Straßenwalzenführers gelangt sind, ohne dies näher zu begründen. Ebenfalls nicht überzeugend sind – wie bereits dargelegt – die Ausführungen des Prof. Dr. E., weshalb der Senat seine Einschätzung (dauerhafte Arbeitsunfähigkeit) der vorliegenden Entscheidung ebenfalls nicht zugrunde gelegt hat.

Hiernach waren sowohl die Berufung des Klägers als auch die Berufung der Beklagten insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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