L 11 R 3991/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3171/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3991/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09.08.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.07.2010.

Die am 01.04.1957 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und übte zuletzt von 1989 bis 1992 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Küchenhelferin in einem Altenheim aus. Bis zum 31.12.2004 bezog sie Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Für die Jahre 2000 bis 2004 wurden durchgehend für jeden Monat Pflichtbeiträge aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet. Ab dem 01.01.2005 liegen keine Pflichtbeiträge mehr vor. Leistungen der Grundsicherung bezog die Klägerin nicht.

Vom 01.07.2006 bis zum 30.06.2010 bezog die Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Grundlage eines in einem vorangegangenen Klageverfahren S 10 R 2218/05 abgeschlossenen Vergleiches nach Einholung eines Gutachtens mit ambulanter Untersuchung am 19.12.2005 durch den Facharzt für Psychiatrie Dr. S ... Dieser diagnostizierte eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode, eine Somatisierungsstörung, einen Verdacht auf eine unreife Persönlichkeitsstörung, einen Verdacht auf rezidivierenden orthostatischen Schwindel sowie einen vasomotorischen Kopfschmerz und hielt ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden für leichte Tätigkeiten für gegeben.

Am 26.01.2010 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Rente über den 30.06.2010 hinaus. Die Beklagte holte einen schriftlichen Befundbericht des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K. ein. Dieser fügte seinem Bericht ua den Arztbrief der Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. W.-R. vom 28.01.2010 bei. Darin berichtet die Ärztin, dass sich die Klägerin bei ihr in regelmäßiger ambulant-psychiatrischer Behandlung befindet. Die Klägerin suche die psychiatrische Praxis 1 - 2 mal im Quartal zur Überprüfung der Befunde und zur Neuverschreibung der Medikamente auf. Verordnet wurden der Klägerin danach Peraxin und Doxepin 3 x 10 mg.

Die Beklagte veranlasste ferner eine psychiatrische Begutachtung der Klägerin mit einer ambulanten Untersuchung am 20.05.2010 durch die Fachärztin für Psychiatrie Dr. K ... Dr. K. diagnostizierte eine vorbeschriebene rezidivierende depressive Störung, ggfs leicht, differenzialdiagnostisch eine Dysthymie mit vorangegangenen Phasen von Double Depression, aktuell unzureichend behandelt, eine Migräne, differenzialdiagnostisch einen medikamentös induzierten Kopfschmerz, eine somatoforme Schmerzverarbeitungsstörung, vorbeschriebene degenerative Veränderung im Bereich HWS/LWS ohne funktionelles Defizit sowie eine vorbeschriebene Fascitis plantaris links und hielt die Klägerin noch für in der Lage, bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich und mehr zu verrichten. Die aktuelle Behandlung im Sinne einer antidepressiven Medikation sei unzureichend, die Klägerin nehme wechselweise Venlafaxin 37,5 mg ret oder 30 mg Doxepin ein. Der Medikamentenspiegel für beide Medikamente liege im nicht nachweisbaren Bereich. Hier stünden zahlreiche Therapieoptionen zur Optimierung der antidepressiv-medikamentösen Behandlung zur Verfügung. Die Beklagte lehnte die Weitergewährung der Rente mit Bescheid vom 02.06.2010 ab.

Der hiergegen am 11.06.2010 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2010 zurückgewiesen.

Die Klägerin hat am 02.09.2010 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Dr. S., Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, hat am 03.01.2011 mitgeteilt, dass die Klägerin seit Oktober 2009 nicht mehr in Behandlung gewesen sei. Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren Dr. K. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 17.01.2011 ausgeführt, dass eine mittel- bis schwergradige rezidivierende depressive Störung mit einer entsprechender Chronifizierung und ausgeprägter Somatisierungstendenz bestehe und die Klägerin nicht in der Lage sei, sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten zu verrichten. Der Orthopäde Dr. H. hat am 17.01.2011 mitgeteilt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden täglich zu verrichten. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W.-R. hat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 18.01.2011 ausgeführt, dass bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung bei histrionischer Persönlichkeit bestehe, was eine nicht mehr bestehende Erwerbsfähigkeit zur Folge habe.

Das SG hat Dr. S., Chefarzt der Abteilung für Allgemeine Psychiatrie I, Zentrum für Psychiatrie N. in W., mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem aufgrund von ambulanten Untersuchungen am 27.04. und 29.04.2011 erstellten Gutachten hat Dr. S. eine dysthyme Störung, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine nicht krankheitswerte Persönlichkeitakzentuierung mit selbstunsicheren und histrionischen Zügen auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet diagnostiziert und noch ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten im zeitlichen Umfang von bis zu acht Stunden arbeitstäglich als zumutbar erachtet.

Das SG hat des Weiteren Dr. H., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachten nach § 109 SGG beauftragt. Dr. H. hat in ihrem, aufgrund von ambulanten Untersuchungen am 23.01. und 15.03.2012 erstellten Gutachten eine rezidivierende depressive Episode, aktuell remittiert, eine Dysthymia, eine anhaltende, somatoforme Schmerzstörung sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit überwiegend histrionischen, jedoch auch selbstunsicheren dependenten Anteilen diagnostiziert und ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten im zeitlichen Umfang von drei bis unter sechs Stunden für möglich gehalten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.08.2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es sich nicht davon überzeugen konnte, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen derart zu kompensieren, als dass auch eine leichte Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden täglich nicht mehr möglich sei. Die bei der Klägerin bei den Begutachtungen zu beobachtende Aggravationstendenz beruhe entsprechend der Ansicht des Gutachters Dr. S. allein auf dem histrionischen Anteil der Persönlichkeitsakzentuierung und sei von der Klägerin durchaus steuerbar. Der Ansicht der Gutachterin Dr. H., dass das Verhalten auf einem Anteil der Persönlichkeitsstörungen mit fehlender Steuerbarkeit beruhe, sei nicht nachvollziehbar. Die Leistungseinschätzung der Gutachterin Dr. H. sei in sich nicht konsistent und beruhe ausschließlich darauf, dass sie der Simulation und Aggravation der Klägerin einen Krankheitswert beimesse.

Die Klägerin hat am 30.08.2012 gegen das in der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2013 verkündete Urteil beim SG Berufung eingelegt. Das schriftliche Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18.10.2012 zugestellt. Die Klägerin hat zur Begründung der Berufung angeführt, dass dem Gutachten von Dr. S. nicht gefolgt werden könne, da dieser überhaupt keine Stellung dazu genommen habe, weshalb die Klägerin in der Zeit zwischen dem Jahr 2006 und 2010 voll erwerbsgemindert gewesen sei. Es sei offensichtlich, dass die ärztlichen Unterlagen bzw Gutachten aus dem vorangegangenen Klageverfahren S 10 R 2218/05 dem Sachverständigen nicht vorgelegen hätten. Die Leistungseinschätzung der Gutachterin Dr. H. sei überzeugend und decke sich im Übrigen auch mit dem Gutachten von Dr. S. aus dem Klageverfahren S 10 R 2218/05, welches zum Vergleich vom 17.07.2007 geführt habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09.08.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 02.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin über den 30.06.2010 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

Der Senat hat Dr. S., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. Dr. S. hat in seinem, aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 05.04.2013 erstellten Gutachten das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden bezüglich leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes angesetzt und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelschwere Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei chronischem Wirbelsäulensyndrom und chronischem Gelenkleiden, einen chronischen Spannungskopfschmerz sowie einen diffusen Schwindel diagnostiziert.

Die Beklagte hat auf Anforderung des Senats mitgeteilt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nur bei Eintreten eines Leistungsfalls bis zum 31.07.2012 erfüllt seien.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verfahrensakte S 10 R 2218/05 sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 02.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 01.07.2010.

Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass diese bereits am 30.08.2012 nach der mündlichen Urteilsverkündung in der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2012 aber vor Zustellung des schriftlichen Urteils am 18.10.2012 eingelegt wurde. Die Berufung ist zulässig, wenn die anzufechtende Entscheidung ergangen ist, das Urteil des SG somit durch Verkündung oder Zustellung an mindestens einen Beteiligten erlassen ist (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 143 Rdnr 2b).

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck und psychovegetativen Belastungen, ohne erhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeitsleistung und ohne unmittelbaren Kundenkontakt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche verrichten kann. Die Klägerin ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Die Klägerin leidet auf psychiatrischem Fachgebiet an einer Dysthymia, einer rezidivierenden depressiven Störung, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer nicht krankheitswerten Persönlichkeitsakzentuierung mit selbstunsicheren und histrionischen Zügen. Diese Erkrankungen haben jedoch nach Überzeugung des Senats noch nicht zu einer Einschränkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden arbeitstäglich bezüglich leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes geführt. Der Senat schließt dies aus den von Dr. S. in seinem Gutachten erhobenen Befunden. Bei der Untersuchung durch Dr. S. am 27. und am 29.04.2011 bestand noch ein durchschnittliches Auffassungs- und Konzentrationsvermögen ohne Funktionsstörungen im Gedächtnisbereich. Die Stimmungslage war zwar etwas gedrückt und die emotionale Schwingungsfähigkeit eingeengt, jedoch konnte klinisch keine relevante depressive Symptomatik auch unter Einbeziehung der angesichts der Kindheitserlebnisse und psychosozialen Belastungen durch die Ehekonflikte festgestellt werden. Die Diagnose einer leichtgradigen Störung in Form einer Dysthymia ist danach schlüssig und nachvollziehbar. Eine solche führt jedoch nach ihrem Ausmaß nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der Verwertbarkeit des Gutachtens von Dr. S. nicht entgegen, dass diesem bei der Begutachtung nicht die Prozessakte des vorangegangenen Klageverfahrens S 10 R 2218/05 mit dem Gutachten von Dr. S. vorlag. Streitgegenständlicher Zeitraum für die Beurteilung der Erwerbsminderung war der Zeitraum ab dem 01.07.2010, so dass der Gutachter seine Leistungsbeurteilung ab diesem Zeitpunkt zu treffen hatte.

Die von Dr. S. gestellten Diagnosen werden auch durch die Gutachterin Dr. H. bestätigt. Nicht überzeugend ist jedoch, weshalb Dr. H. dennoch eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens auf drei bis unter sechs Stunden für gegeben ansieht. Eine Dysthymia als leichtgradige psychiatrische Störung ist einer Behandlung grundsätzlich zugänglich und nach dem hieraus folgenden Leistungseinschränkungen nicht für die Annahme einer Erwerbsminderung ausreichend. Die Annahme von Dr. H., dass die bei der Klägerin vorliegende Symptomatik einer bewussten Steuerung und Kontrolle nicht zugänglich sei und deshalb eine krankheitswertige Störung mit erheblichen Defiziten im Konfliktbewältigungsverhalten vorliege und aus diesem Grund das Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden abgesunken sei, überzeugt den Senat nicht. So gibt die Gutachterin selbst zu, dass Alltagskompetenzen noch vorhanden sind und sowohl bei der Begutachtung bei ihr als auch bei Dr. S. keine Einschränkungen des Durchhaltevermögens zu verzeichnen waren. Insofern ist die Annahme, dass es der Klägerin unter zumutbarer Willensanspannung nicht möglich sei, die Beeinträchtigung zu überwinden, nicht nachvollziehbar. Diesbezüglich hat Dr. S. in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin zwar in Zeiten vermehrter Depressivität qualitativ als auch quantitativ stärker beeinträchtigt sein kann, jedoch zum einen keine anhaltende depressive Störung vorliegt und zum anderen phasenweise auftretende mittelgradige oder sogar schwergradige depressive Störungen bis zur Arbeitsunfähigkeit führen können, jedoch die Erwerbsfähigkeit nicht langfristig einschränken. Auch ist nach der gebotenen Überprüfung der Angaben der Klägerin auf Konsistenz festzuhalten, dass eine Divergenz zwischen den objektiven Befunden und dem subjektiven Beschwerdevortrag mit starker Aggravationstendenz vorlag. Selbst Dr. H. erkennt einen nicht unerheblichen sekundären Krankheitsgewinn durch die verstärkte familiäre Zuwendung an. Dieser Aspekt wurde auch von Dr. K. in ihrem Gutachten angeführt und lediglich eine leichtgradige Symptomatik bei grundsätzlich gegebener psychosozialer Belastung nach den Befunden angenommen. Insofern ist für den Senat eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens trotz entsprechender Motivation und Willensanspannung seitens der Klägerin nicht schlüssig dargetan.

An dieser Beurteilung vermag auch das Gutachten von Dr. S. nichts zu ändern. Sofern dieser eine deutliche Verminderung der Vitalität, der Aufmerksamkeit sowie Konzentration und eine geminderte körperliche und psychische Belastbarkeit diagnostiziert und in der Folge das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden arbeitstäglich ansetzt, reichen hierfür nach Auffassung des Senats die von Dr. S. mitgeteilten Befunde nicht aus. Dr. S. bestätigt zwar auch leichte Verdeutlichungstendenzen, hält diese jedoch in der Situation der Klägerin für nachvollziehbar. Das Verständnis für die Situation der Klägerin ersetzt jedoch nicht die erforderliche Prüfung, ob tatsächlich die Einschränkungen in der dargebotenen Form nachvollziehbar und konsistent sind. Dies ist im vorliegenden Fall auch deshalb von Bedeutung, weil die Klägerin trotz der von ihr geltend gemachten Beschwerden lange Zeit keine ausreichende fachärztliche Behandlung in Anspruch nahm. Obwohl sie angibt, seit Jahren an einer depressive Erkrankung zu leiden suchte sie ihre Psychiaterin Dr. W.-R. lediglich 1 bis 2 mal pro Quartal auf, um sich Medikamente verordnen zu lassen. Dabei zeigte der von Dr. K. angefertigte Medikamentenspiegel, dass sie diese Medikamente jedenfalls damals nicht in ausreichendem Maß nahm. Keines der verordneten Medikamente war nachweisbar. Dies bestätigt die Einschätzung von Dr. S., dass bei der Klägerin lediglich eine depressive Verstimmung aber keine wenigstens mittelschwere Depression vorliegt. Bezüglich der angegeben Schmerzen auf orthopädischem Fachgebiet werden diese zudem lediglich mitgeteilt, ohne diese Einschätzung durch entsprechende Befunde als Beleg der Leistungsbeeinträchtigung zu untermauern. Dies gilt umso mehr, als der behandelnde Orthopäde in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG noch ein Leistungsvermögen von sechs Stunden bestätigt hat. Das Gutachten des Dr. S. vermag aufgrund der nur unzureichend Konsistenzprüfung nicht zu überzeugen. Dabei hätte durchaus Anlass bestanden, die Beschwerdeangaben der Klägerin kritisch zu würdigen. Selbst Dr. H. hat in ihrem Gutachten der Klägerin insoweit ein manipulatives Verhalten bescheinigt, als diese durch die Ausbildung von Krankheitssymptome die Aufmerksamkeit der Familie verstärkt auf sich lenken konnte mit dem Resultat der vermehrten Zuwendung und Abgabe der Haushaltsführung an Familienmitglieder.

Durch das Gutachten von Dr. S. ist die Leistungseinschätzung der behandelnde Ärzte Dr. K. und Dr. W. - R. wiederlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st Rspr des Senats (vgl Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Die häufig auch an die behandelnden Ärzte gerichtete Frage nach der Erwerbsfähigkeit eines Versicherten dient in erster Linie dazu, dem Gericht die Entscheidung über weitere Beweiserhebungen von Amts wegen zu erleichtern. Ist selbst nach Meinung der behandelnden Ärzte eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit ausgeschlossen, kann häufig auf die (nochmalige) Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet werden. Auch soweit Dr. W. - R. von einer Therapieresistenz der Beschwerden ausgeht, folgt ihm der Senat nicht. Diesbezüglich hat Dr. S. nach Auffassung des Senats schlüssig dargelegt, dass die pharmakotherapeutischen und psychotherapeutischen Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft sind. Der Bericht der Psychotherapeutin und Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. vom 10.01.2011 wurde am Anfang der Psychotherapie erstellt und vermag angesichts der Tatsache, dass selbst die Gutachterin Dr. H. in ihrem zeitlich danach erstellten Gutachten nur von einer Dysthymia ausgeht, keine anderweitige Beurteilung des Sachverhalts rechtfertigen. Psychotische Symptome konnten zudem weder von Dr. H. noch von Dr. S. bestätigt werden. Dem Entlassungsbericht über die teilstationäre Behandlung vom 20.09.2011 bis zum 18.11.2011 ist überdies zu entnehmen, dass die Klägerin in gebessertem Zustand entlassen wurde, was letztlich durch die von Dr. H. erhobenen Befunde und die gestellten Diagnosen bestätigt wird.

Der Senat konnte sich somit davon überzeugen, dass die von Dr. S. und Dr. K. genannten Gesundheitsstörungen vorliegen. Diese Gesundheitsstörungen führen aber nicht zu einem in zeitlicher Hinsicht eingeschränkten Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen und Einschätzungen der Gutachten von Dr. S. und Dr. K. an. Die Klägerin ist mithin in der Lage, unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen leichte Tätigkeiten auf dem allgemeine Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche auszuüben.

Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Klägerin - leichte Arbeiten mindestens 6-stündig - muss der Klägerin eine konkrete Tätigkeit, die sie noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (BSG Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 55/96 - und vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 49/97). Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.

Die Klägerin kann zwar nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen. Diese sog qualitativen Einschränkungen, wie zB ohne erhöhten Zeitdruck und ohne psychovegetative Belastungen, ohne erhöhte Anforderungen an die Aufmerksamkeitsleistung gehen aber nicht über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Arbeiten erfasst wird. Die bei der Klägerin bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass diese noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Die Klägerin ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus den Gutachten von Dr. S. und Dr. K. hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht. Insbesondere waren die gezeigten Gehbeeinträchtigungen nach ermutigendem Zuspruch überwindbar, so dass keine grundsätzliche, bei hinreichender Motivation nicht überwindbare Einschränkung der Gehfähigkeit vorlag.

Die Klägerin ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit dem 01.07.2010 und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); sie hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung. Selbst wenn aufgrund der von Dr. S. getroffenen Feststellungen davon ausgegangen müsste, dass die Klägerin inzwischen erwerbsgemindert ist, wäre ein tägliches Leistungsvermögen der Klägerin von weniger als sechs Stunden erst aufgrund der Untersuchung der Klägerin durch Dr. S. am 05.04.2013 nachgewiesen. zu diesem Zeitpunkt lagen aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht mehr vor.

Die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem § 240 SGB VI sind nicht erfüllt, da die Klägerin nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Küchenhilfe auf sämtliche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Derartige leichte Tätigkeiten kann die Klägerin, wie bereits ausgeführt, sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Das Gutachten von Dr. S. in Verbindung mit dem Verwaltungsgutachten von Dr. K. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbare inhaltliche Widersprüche und geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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