L 3 U 45/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 18 U 9/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 45/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 08. November 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch nicht für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung seiner Beschwerden am linken Schultergelenk als Folgen des Arbeitsunfalls vom 04. Mai 1979 sowie die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente.

Der 1952 geborene Kläger erlitt am 04. Mai 1979 während seiner Beschäftigung als Brückenbauer bei der Deutschen Reichsbahn, Brückenmeisterei P, einen Unfall, als er mit einem Dumper Mauersteine von W nach S transportierte. Beim Ausweichen von Schlaglöchern kam er von der Fahrbahn ab und fuhr auf der rechten Straßenseite gegen einen Feldstein und kippte um. Hierbei erlitt er eine Platzwunde über dem linken Auge sowie eine Nasenbeinfraktur (vgl. Unfallmeldung vom 07. Mai 1979). Gemäß den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis (SVA) bestand Arbeitsunfähigkeit vom 07. bis zum 21. Mai 1979 wegen "873" (= sonstige offene Wunde des Kopfes) und vom 09. Juni bis zum 27. Juni 1980 wegen "536" (= Störungen der Magenfunktion) sowie am 08. Juli 1980 Behandlungsbedürftigkeit wegen "724" (= sonstige nicht näher bezeichnete Affektionen des Rückens). Auf Veranlassung der damaligen Hausärztin des Klägers, der Allgemeinmedizinerin DM (später Dr.) H, erfolgte beim Kläger wegen Schmerzen im linken Schultergelenk am 12. Juni 1980 eine Röntgenuntersuchung, die keinen sicheren Anhalt für eine Fraktur oder Luxation ergab. Am 09. Juli 1980 wurde der Kläger von dem Facharzt für Orthopädie Dr. R untersucht, der eine "Lockerung des linken Schultergelenks als Unfallfolge" befundete und entsprechende Behandlungsmaßnahmen einleitete. Gemäß den weiteren Eintragungen im SVA bestand vom 10. August bis zum 01. Oktober 1981 Arbeitsunfähigkeit wegen "840" (= Verstauchung und Zerrung der Schulter und des Oberarmes). Der Kläger befand sich vom 10. August bis zum 11. September 1981 in stationärer Behandlung im Kreiskrankenhaus B F, wo am 12. August 1981 eine Operation (OP) an der linken Schulter erfolgte (Plastik des linken Schultereckgelenkes nach Weaver und Dunn nebst Resektion der lateralen Clavicula um 2 cm). Laut dem OP-Bericht vom 12. August 1981 zeigten sich intraoperativ die Bandverbindungen zwischen Clavicula und Acromion überdehnt und ließen eine deutliche Wackelbeweglichkeit der Clavicula zu. Die Pars trapezoides sowie auch die Pars conoides des Ligamentum coracoclaviculares ließen sich, da offenbar zerrissen, nicht mehr darstellen. Gemäß der vom Chefarzt der orthopädischen Abteilung MR Dr. H und dem Stationsarzt DM R verfassten Epikrise hatte der Kläger angegeben, bei einem Betriebsunfall am 04. Mai 1979 mit einem Dumper umgekippt und auf die linke Schulter gestürzt zu sein und seither Schmerzen beim Heben im linken Acromioclaviculargelenk sowie eine Kraftlosigkeit im linken Arm verspürt zu haben. Als Diagnose wurde "posttraumatische Subluxation im linken Schultergelenk" gestellt. In der Folge gelangte eine handschriftliche Abschrift einer fachärztlichen Bescheinigung von MR Dr. H vom Oktober 1981 zur Personalakte des Klägers, wonach es sich um einen unfallbedingten Schaden am linken Schultereckgelenk handele. Die Abschrift endete mit der Bemerkung "Diese Bescheinigung ist anzuerkennen! Folge Arbeitswegeunfall 1979!" und dem Datum "19. 10.1981 gez. Medizinalrat Dr. B R MDV Inspektion".

Am 18. September 1993 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall bei dem er sich u. a. beim Anheben eines Förderbandes eine Verletzung am Schultereckgelenk rechts "Subluxation Sternoclaviculagelenk rechts" zuzog (vgl. Unfallanzeige vom 21. September 1993).

Der Chirurg und Durchgangsarzt (DA) Dr. H wandte sich im Dezember 2003 an die Tiefbau-Berufsgenossenschaft (TBG), die Rechtsvorgängerin der Beklagten, und gab an, der Kläger sei ihm wegen Beschwerden im linken Schultergelenk, die auf einen Arbeitsunfall mit einem Dumper im Jahr 1978 zurückzuführen seien, von dem behandelten Orthopäden DM R vorgestellt worden. Seinerseits sei es zu einer Sprengung im linken Schultereckgelenk gekommen, die am 12. August 1981 operativ versorgt worden sei. Beigefügt war die Epikrise des Krankenhauses B F über die stationäre Behandlung im Jahr 1981, ein Bericht des behandelnden Orthopäden DM R vom 20. Oktober 2003 (Diagnose: posttraumatische AC-Arthrose links nach operativer Versorgung einer AC-Luxation 1978, leichtes Impingement plus Supraspinatus-Tendinose linkes Schultergelenk, Impingement-Symptomatik sowie Supraspinuatus-Tendionose und Tendinoses calcarea rechtes Schultergelenk, hier auch Zustand nach operativer Versorgung einer Ruptur der langen Bizepssehne ca. 2000) sowie ein Bericht über die am 17. September 2000 erfolgte Röntgenuntersuchung beider Schultergelenke durch DM R (Befund linkes Schultergelenk: am Schultergelenk selbst keine wesentlichen degenerativen Veränderungen, beginnende arthrotische Veränderungen am AC-Gelenk nach anamnestisch bekannter Sprengung des Schultereckgelenkes; Befund rechtes Schultergelenk: typische Tendinoses calcarea, Omarthrose I. Grades, die Kalkdepots sind auf den Voraufnahmen vom 07. August 1999 und 09. Februar 2000 noch nicht erkennbar).

Auf Nachfrage der TBG zum Hergang des Arbeitsunfalls gab der Kläger an, beim Ausweichen der Schlaglöcher einen Baum leicht gestreift, durch den Straßengraben aufs Feld gefahren und einen dort liegenden Findling (großer Stein) voll gerammt zu haben. Hierbei sei er mit dem gesamten Oberkörper gegen die Windschutzscheibe geschleudert. Behandelt worden sei die Kopfwunde. In der weiteren Behandlung hätten sich dann auch Schmerzen im Schultergelenk eingestellt und bei einer Röntgenuntersuchung habe sich dort ein Spalt gezeigt. Der damals behandelnde Arzt sei verstorben. Die Schulterverletzung könne von keinem Zeugen bestätigt werden, da diese sie nicht gesehen hätten (vgl. ausgefüllter Fragebogen vom 16. Januar 2004, telefonische Auskunft vom 10. August 2004). Der Kläger legte Kopien seines SVA mit Eintragungen für die Zeit von 1977 bis 1986 sowie Erklärungen ehemaliger Arbeitskollegen vor, die das Unfallereignis und die Kopfverletzung bestätigten. Die Beklagte holte eine Auskunft von der Hausärztin des Klägers Dr. H vom 26. April 2004 ein, der u. a. eine Kopie des Röntgenbefundes vom 12. Juni 1980, von Ausschnitten ihrer Patientenkartei, des Untersuchungsberichtes von Dr. R vom Juli 1980, eines Berichtes von Dr. H vom 10. Oktober 2002 (OP einer partiellen Bizepssehnenruptur am rechten Oberarm im Jahr 2000, Diagnose eines totalen Ausrisses der langen Bizepssehne rechts am 09. Oktober 2002) beigefügt waren. Zudem berichtete Dr. H über einen weiteren Betriebsunfall vom 19. August 1999 (Abrutschen vom Dach und Festhalten mit rechtem Arm, danach Schmerzen in rechter Schulter). Auf Anforderung der Beklagten berichtete das W F Krankenhaus in E, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am 22. April 2004 über die am 11. Dezember 2003 erfolgte Untersuchung des Klägers wegen Beschwerden im Bereich der linken Schulter (Diagnosen: Impingement im Bereich der linken Schulter sowie eine Pathologie im Bereich des ehemaligen AC-Gelenkes) und die am 24. Februar 2004 erfolgte operative Versorgung. Weiter ist ausgeführt, nach den intraoperativ erhobenen Befunden könne dem Unfallereignis vom 04. Mai 1979 lediglich die endoskopisch-laterale Clavicula-(Nach-)Resektion zugeordnet werden, die anderen Diagnosen seien alters- und belastungsentsprechenden Veränderungen zuzuordnen.

Mit Bescheid vom 07. Oktober 2004 erkannte die Beklagte den Unfall vom 04. Mai 1979 als Arbeitsunfall an. Sie führte aus, die Schulterbeschwerden links seien nicht Folgen des Versicherungsfalls. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung würden nicht gewährt. Zur Begründung führte sie aus, ehemalige Arbeitskollegen hätten die Angaben des Klägers zum Unfall vom 04. Mai 1979 und ein Arbeitskollege habe zudem die Kopfverletzung bestätigt, jedoch könne keiner der Kollegen die Schulterverletzung bestätigen. Eine solche sei auch nicht den Eintragungen im SVA zu entnehmen. Medizinische Unterlagen zum Unfall lägen nicht vor. Die Krankenunterlagen des zuständigen Zentralarchivs seien verloren gegangen. Die Kopfverletzung sei folgenlos ausgeheilt. Für eine Verletzung der linken Schulter bei dem Unfall, die 1981 eine Operation erforderlich machte und heute zu Beschwerden führe, fehle es an Beweisen.

Auf den Widerspruch des Klägers vom 25. Oktober 2004 zog die Beklagte die in der Personalakte der Deutschen Reichsbahn bzw. der Deutschen Bahn AG enthaltenen Unterlagen (Unfallmeldung Teil 1 und Teil 2 vom 07. Mai 1979 sowie die Abschrift der fachärztlichen Bescheinigung vom 19. Oktober 1981) bei. Weitere Versuche der Beklagten, Behandlungsunterlagen zum Unfall vom 04. Mai 1979 zu ermitteln, blieben jedoch fruchtlos. Sodann erstellte der vom Kläger als Gutachter gewählte Chefarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie im W F Krankenhaus E Dr. H am 20. September 2005 ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Hierbei lagen dem Gutachter neben der Verwaltungsakte Röntgenaufnahmen des linken Schultergelenkes aus dem Jahr 2000 sowie die Krankenakte des Krankenhauses E vor. Dr. H führte aus, in den vorhandenen Behandlungsunterlagen fänden sich keine Hinweise auf eine Mitbeteiligung des linken Schultereckgelenkes bei dem Unfall vom 04. Mai 1979. Dem gegenüber stünden die Aussagen des Klägers, dass er sich hierbei auch eine Prellung im Bereich der linken Schulter zugezogen habe. Vom Unfallmechanismus als solchem sei das Zuziehen einer derartigen Verletzung durchaus denkbar. Im Hinblick auf den Bericht über die OP vom August 1981, wo eine posttraumatisches Subluxation im linken Schultereckgelenk diagnostiziert worden sei, müsse sich der Kläger - retrospektiv gesehen - eine partielle Zerreißung der Bandstrukturen des Acromioclaviculargelenkes im Vorfeld zugezogen haben, die im Zusammenhang mit dem Unfall vom 04. Mai 1979 zu stehen scheine. Im Rahmen des athroskopischen Eingriffes vom 24. Februar 2004 seien insgesamt schwere degenerative Veränderungen des linken Schultergelenkes beschrieben, die nicht mit der stattgehabten Verletzung des AC-Gelenkes im Zusammenhang gesehen werden könnten. So zeige die röntgenologische Untersuchung vom 22. Juni 2005 nun einen ausreichend weiten Gelenkspalt im Bereich des linken AC-Gelenkes bei insgesamt korrekter Stellung der Clavicula zum Schulterdach, sodass die ohne Zweifel bestehenden starken Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des linken Schultergelenkes nicht auf die stattgehabten OPen im Bereich des AC-Gelenkes sondern im Wesentlichen auf die allgemeinen degenerativen Veränderungen im linken Schultergelenk zurückgeführt werden müssten.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Kägers mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2005 zurück. Nach Überzeugung des medizinischen Sachverständigen würden die starken Beschwerden und Funktionseinschränkungen des Klägers, die nicht nur im Bereich des linken Schultergelenkes vorlägen, sondern auch auf der rechten Seite am 03. Mai 2000 operativ behandelt worden seien, auf anlagebedingte Verschleißerscheinungen zurückzuführen seien. Daher seien wegen des Unfalls vom 04. Mai 1979 weder besondere Behandlungsmaßnahmen erforderlich, noch bestünde ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Mit seiner vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat zuletzt beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2005 zu verurteilen, ihm vom 16. September 2003 bis zum 31. Dezember 2004 Verletztengeld zu zahlen und ab dem 01. Januar 2005 aufgrund des Arbeitsunfalls vom 04. Mai 1979 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 v.H. zu gewähren. Er hat seine SVA zur Gerichtsakte gereicht. Das SG hat Vorerkrankungsverzeichnisse der G BKK für den Zeitraum vom 01. Januar 2004 bis zum August 2006 und der AOK B für die Zeit vom Januar 1996 bis Oktober 2002 sowie das im Rentenrechtsstreit des Klägers zum Aktenzeichen S 22 R 257/07 eingeholte Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. R vom 18. Januar 2008 beigezogen. Dr. R hat nach Untersuchung des Klägers als im Bereich der Schultern bestehende Leiden festgestellt: 1. Schmerzhafte Funktionsminderung und Bewegungseinschränkung linkes Schultergelenk bei degenerativen Rotatorenmanschettenveränderungen, Impingementsyndrom und Zustand nach Entfernung des seitlichen Schlüssel-beinendes. 2. Schmerzhafte Funktions- und Bewegungsminderung rechtes Schultergelenk bei Riss der langen Bizepssehne und degenerativen Rotatorenmanschetten-veränderungen sowie funktionellem Impingementsyndrom.

Sodann hat im Auftrag des SG der Arzt für Orthopädie Dr. B am 21. August 2008 ein orthopädisches Gutachten nach Aktenlage erstellt. Ihm lagen u. a. die Röntgenaufnahmen des rechten Schultergelenkes vom 09. Februar 2000, beider Schultergelenke vom 17. Juli 2000, 17. August 2003, 22. Juni 2005 und 24. November 2005 sowie die Kernspintomografie des rechten Schultergelenkes vom 17. Februar 2000 vor. Dr. B kam zu dem Ergebnis, beim Kläger bestünden degenerative Veränderungen beider Schultergelenke, rechts etwas ausgeprägter als links mit weiteren Hinweisen auf Schäden im Schultergleitgewebe und Ansatzverkalkungen der Rotatorenmanschette, Schultereckgelenksarthrose rechts sowie Resektion des Schultereckgelenkes links ohne Hinweis auf eine radiologisch erkennbare Instabilität. Bei allen vorgefundenen Veränderungen handele es sich nicht um Unfallfolgen. Es lasse sich eine Verletzung des linken Schultereckgelenkes nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit nachweisen, zumal anhand der zuerst durchgeführten Röntgendiagnostik des linken Schultergelenkes im Juni 1980 keine relevanten Schäden beschrieben worden seien. Ein Hochstand des Schultereckgelenkes zumindest im Sinne der Tossy- bzw. Rockwood II-Veränderungen mit einem Schaden der Bandstrukturen des Schultereckgelenkes wäre radiologisch zweifellos aufgefallen. Es lasse sich daher nicht nachweisen, dass die bereits 1981 durchgeführte OP am linken Schultereckgelenk Folge eines Unfalls gewesen sei oder Folge einer sich entwickelnden degenerativ entzündlichen Erkrankung des Schultereckgelenkes, wie sie auch rechts radiologisch erkennbar geworden sei. Da letztlich nur eine Verletzung des Kopfes aktenkundig geworden sei, die ohne Folgen ausgeheilt sei, ließen sich keine Unfallfolgen mit daraus resultierenden Funktionseinschränkungen begründen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass es bei dem Unfall auch zu einer Lockerung oder "Subluxation" des linken Schultereckgelenkes gekommen sei, handele es sich hierbei um eine geringfügige Verletzung, die sich nicht relevant auf das Schulterhauptgelenk auswirken könne und keine Bewegungsstörung in hochgradigem Ausmaße zu bewirken vermöge.

Auf Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein weiteres Sachverständigengutachten von dem Facharzt für Orthopädie Dr. K vom 01. Dezember 2009 eingeholt. Dr. K hat nach Untersuchung des Klägers, als bei diesen bestehende Krankheiten festgestellt: 1. Impingementsyndrom der linken Schulter mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und Funktionsminderung bei Zustand nach posttraumatischer Subluxation des linken Schultereckgelenkes und nachfolgender Bandplastik nach Weaver und Dunn mit Kürzung der lateralen Clavikula. 2. Degeneratives Impingementsyndrom der rechten Schulter mit entsprechenden Rotatorenmanschettenveränderungen und Zustand nach Läsion der langen Bizepssehne (SLAP).

Für die unter Punkt 1 aufgeführte Gesundheitsstörung sei als wesentliche Ursache das Unfallereignis vom 04. Mai 1979 anzunehmen, da der Unfallhergang eine Schädigung der linken Schulter mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erkläre und der OP-Bericht vom 12. August 1981 eine Überdehnung der Bandverbindung zwischen Clavikula und Acromion der linken Schulter und eine Ruptur des Ligamentum coracoclavikulare links beschreibe. Der retardierte Verlauf der Ausbildung der Beschwerden im Bereich der linken Schulter erkläre sich aus der Art der Verletzung des linken Schultereckgelenkes wie sie sich im OP-Bericht darstelle. Der Bandapparat des linken Schultereckgelenkes sei nicht komplett zerrissen gewesen. Bedingt durch diese Schädigung baue sich das Beschwerdebild der linken Schulter nur langsam auf. Die unfallbedingte MdE betrage 20 v.H. Beigefügt waren dem Gutachten Kopien aus der Patientenakte des Kreiskrankenhauses F über die stationäre Behandlung vom 10. August bis zum 11. September 1981 nebst dem OP-Bericht vom 12. August 1981.

Die Beklagte ist dem Gutachten mit einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. W vom 07. April 2010 entgegen getreten. So spreche die Tatsache, dass der Unfall vom Mai 1979 nur eine zweiwöchige Arbeitsunfähigkeit bedingt habe, gegen eine relevante Verletzung im Bereich der linken Schulter mit einer Zerreißung von Bändern zwischen Schulterblatt und Schlüsselbein. Da der Kläger eine stark körperlich beanspruchende Tätigkeit ausgeübt habe, hätte ihm eine schmerzhafte und bewegungseingeschränkte Schulter eine Arbeitsaufnahme nach nur zwei Wochen nicht ermöglichen können. Der Befund der Röntgenuntersuchung vom 12. Juni 1980 weise nach, dass mehr als ein Jahr nach dem Unfallereignis keine wesentliche Fehlstellung im Bereich des linken Schulter- und Schultereckgelenkes bestanden habe. Der Operateur Dr. H habe 1981 ohne weitere Ursachenprüfung einen Zusammenhang zwischen dem vom Verletzten geschilderten Unfallereignis mit den Beschwerden im Bereich des linken Schultergelenkes angenommen. Ob die Bandstrukturen wirklich zwei Jahre zuvor traumatisch zerrissen oder im Rahmen eines degenerativen Lockerungsprozesses verändert seien, könne auch hier der Operateur nur mutmaßen. Auffällig sei, dass auf den ersten Röntgenaufnahmen der beiden Schultergelenke sich für die rechte Seite eine erhebliche Stufenbildung im AC-Gelenk zeige, wie dies auch vor dem operativen Eingriff 1981 für das linke Schultergelenk beschrieben werde.

Das SG hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. B vom 04./09. August 2010 eingeholt. Dr. B hat ausgeführt, bei einer strukturellen Verletzung des linken Schultereckgelenkes wäre eine Vorsymptomatik zu erwarten gewesen, die jedoch nicht aktenkundig sei. Aus dem OP-Bericht lasse sich eine eindeutige Zerreißung von Kapselbandverbindungen im Schultereckgelenk nicht ableiten, lediglich, dass einige Anteile der Bandverbindung nicht hätten nachgewiesen werden können und andere Anteile überdehnt seien. Dieser Befund lasse sich zwar mit einer früher eingetretenen Verletzung des Schultereckgelenkes in Übereinstimmung bringen. Allein die Möglichkeit einer eingetretenen Verletzung sei aber noch kein Nachweis, zumal eine Lockerung des Schultereckgelenkes auch durch degenerative Prozesse bewirkt werde. Es fehle nach wie vor an einem unfallbedingten Erstschadensbild im Bezug auf das linke Schultereckgelenk. Auch in Kenntnis des OP-Berichtes von 1981 sei nicht nachzuweisen, dass es sich hierbei um Folgen einer Verletzung vom 04. Mai 1979 handele. Hierfür fehle es auch an einer eindeutigen Brückensymptomatik.

Das SG hat durch Urteil vom 08. November 2010 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Verletztenrente, noch auf Verletztengeld, denn ein Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 04. Mai 1979 und den beim Kläger am linken Schultergelenk bestehenden Gesundheitsschäden sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Ein Gesundheitserstschaden an der linken Schulter des Klägers in Folge des Unfalls vom 04. Mai 1979 sei nicht bewiesen. Dagegen sprächen die Eintragungen im SVA und die Tatsache, dass der Unfall nur zu einer zweiwöchigen Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Auch seien in der Unfallmeldung vom 07. Mai 1979 weitere Verletzungen als die dort benannte Platzwunde über dem linken Auge und Nasenbeinfraktur nicht aufgeführt worden. In einem Röntgenbefund der linken Schulter vom 12. Juni 1980 heiße es, dass die Röntgenaufnahme in zwei Ebenen keinen sicheren Anhalt für eine Fraktur der Luxation zeige, was einen sicheren Nachweis dafür darstelle, dass mehr als ein Jahr nach dem Unfall keine wesentliche Fehlstellung im Bereich des linken Schultergelenks bestanden habe. Soweit im SVA unter dem Datum 10. August 1981 der Diagnoseschlüssel 840 aufgeführt sei, der eine Verstauchung und Zerrung von Schulter und Oberarm bedeute, sei dadurch eine Verletzung des linken Schultergelenkes am 04. Mai 1979 nicht bewiesen. Soweit sich bei der am linken Schultergelenk vorgenommenen OP laxe Bandstrukturen fanden, könne hieraus nicht geschlussfolgert werden, ob die Bandstrukturen zwei Jahre zuvor traumatisch zerrissen oder im Rahmen eines degenerativen Lockungsprozesses verändert gewesen seien. Allein die Möglichkeit einer Verletzung führe noch nicht zu einem, mit an Sicherheit grenzenden Nachweis, dass es bei dem Unfall zu einem Gesundheitserstschaden an der linken Schulter gekommen sei. Es fehle bereits an einem zeitlichen Zusammenhang. Zudem habe zwischen dem Unfallereignis und der OP im Oktober 1981 keine Brückensymptomatik bestanden, die die Annahme eines kausalen Zusammenhanges nahelegen würden. Für eine degenerative und damit gegen eine unfallbedingte Lockerung der Bandstrukturen der linken Schulter spreche, dass eine Röntgenaufnahme der rechten Schulter ebenfalls eine erhebliche Stufenbildung im Gelenk zeige. Da sich der Sachverständige Dr. K bei seiner Einschätzung des Kausalzusammenhanges auf die Ausführung des Operateurs Dr. Ha verlasse, denen aus den zuvor genannte Gründen nicht gefolgt werden könne, habe auch das Gutachten von Dr. K nicht zu überzeugen vermocht. Der Unfallhergang und die Frage, ob bei dem Unfall ein Gesundheitserstschaden am linken Schultergelenk eingetreten sei, sei nicht weiter aufklärbar, da der Kläger für den Unfallhergang und den Eintritt einer Schulterverletzung keine Zeugen benennen könne und auch keine weiteren Unterlagen vorgelegt worden seien bzw. von der Kammer hätten beigezogen werden können. Das SG hat weiter ausgeführt, der Kausalzusammenhang bzw. der Nachweis eines Gesundheitserstschadens an der linken Schulter könne auch nicht dadurch ersetzt werden, dass die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid ausgeführt habe, dass nach den Ausführungen der den Kläger behandelnden Ärzte im Bericht vom 19. Oktober 1981 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass dieser am 04. Mai 1979 eine Schultereckgelenksverletzung links erlitten habe. Diese Ausführungen der Beklagten nähmen nicht an der Wirkung der materiellen Bestandkraft teil. Durch das Gericht werde die Rechtmäßigkeit des Entscheidungssatzes geprüft, wobei von der in einen Bescheid enthaltenen Begründung abgewichen werden könne. Ob es sich bei den in einem Bescheid enthaltenen Ausführungen um einen Entscheidungssatz oder eine Begründung handele, sei durch Auslegung zu ermitteln. Bei den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid handele es sich nicht um einen Entscheidungssatz, sondern um eine Begründung, die die Kammer nicht teile, die die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes jedoch nicht berühre. Dass es sich um ein Begründungselement handele, ergäbe sich in der Verortung unter der Überschrift "Gründe" und die klare räumliche Abtrennung vom Entscheidungssatz, in dem der Widerspruch gegen den Bescheid vom 07. Oktober 2004 zurückgewiesen werde. Zudem werde aus dem Sinnzusammenhang deutlich, dass die Beklagte keine bindende Feststellung von Unfallfolgen treffen wollte, sondern lediglich den Verfahrensablauf nach Einlegung des Widerspruches dargelegt habe und sodann die Ausführungen in den beigezogenen Unterlagen der Ärzte, die von einem Unfallzusammenhang ausgingen, wiedergegeben habe, um schließlich darzustellen, dass aufgrund der Ausführungen der Ärzte die Einholung eines Zusammenhangsgutachtens notwendig geworden sei.

Gegen das ihm am 11. Januar 2011 zugestellte Urteil richtet sich der Kläger mit seiner am 11. Februar 2011 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegten Berufung. Er vertritt die Ansicht, weil die Behandlungsunterlagen über die erfolgte Krankenhausbehandlung verloren gegangen seien, müsse wie im Arzthaftungsrecht eine Beweislastumkehr zu seinen Gunsten greifen. Nicht nachvollziehbar sei die Auffassung des SG, dass den Ausführungen des Operateurs Dr. H in seiner ärztlichen Bescheinigung vom Oktober 1981 nicht gefolgt werden könne. Schließlich habe Dr. H den Kläger in den dem Unfall am nächsten liegenden Zeitraum behandelt, die Sachverständigen sich erst 30 Jahre nach dem Unfallereignis und Dr. B allein nach Aktenlage damit beschäftigt. Auch habe die Beklagte im angegriffenen Widerspruchsbescheid festgestellt, dass nach den Ausführungen der den Kläger behandelnden Ärzte im Bericht vom 19. Oktober 1981 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass der Kläger am 04. Mai 1979 eine Schultereckgelenksverletzung erlitten habe. Diese Ausführungen würden auch der Bindungswirkung des Bescheides unterliegen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2005 zu verurteilen, ihm vom 16. September 2003 bis zum 31. Dezember 2004 Verletztengeld zu zahlen und ab dem 01. Januar 2005 aufgrund des Arbeitsunfalls vom 04. Mai 1979 eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Orignial-Personalunterlagen des Klägers aus der Zeit der Beschäftigung bei der Deutschen Reichsbahn beigezogen. Der Praxisnachfolger von Dr. H, DM G hat auf die Anfrage des Senats unter dem 22. März 2012 mitgeteilt, dass die ihm noch vorliegenden ältesten Befunde aus dem Jahr 1997 stammen würden und ältere Unterlagen in der Praxis nicht mehr vorhanden seien. Diese könnten sich eventuell beim Archiv des Gesundheitsamtes in S befinden. Beigefügt hat er Kopien von das linke Schultergelenk des Klägers betreffenden medizinischen Unterlagen aus den Jahren 2003 bis 2008. Der Landkreis M O, Gesundheitsamt S hat unter dem 15. Februar 2012 mitgeteilt, dass sich im Archiv keinerlei Patientenakten betreffend den Kläger befänden, da vor einigen Jahren u. a. die Akten mit dem Buchstaben "M" durch einen Wasserschaden vernichtet worden seien.

Mit Schreiben vom 10. Januar 2012 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die von ihm erhobene erstinstanzliche Leistungsklage, gerichtet auf die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente, unzulässig sei, und eine allgemeine Beweiserleichterung oder Beweislastumkehr für den Fall des Beweisnotstandes im sozialgerichtlichen Verfahren nicht gegeben sei.

Mit Schreiben vom 20. März 2013 sind die Beteiligten zur Absicht des Senats, durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden, angehört worden.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreites wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte, die bei Entscheidungsfindung vorlagen, Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten und die Beteiligten hierzu angehört worden sind.

Das SG Frankfurt (Oder) hat durch Urteil vom 08. November 2010 im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.

So erweist sich die vom Kläger erstinstanzlich erhobene und im Berufungsverfahren weiterverfolgte Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) auf Gewährung von Verletztengeld für den Zeitraum vom 16. September 2003 bis zum 31. Dezember 2004 und von Verletztenrente ab dem 01. Januar 2005 bereits als unzulässig. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid vom 07. Oktober 2004 keine konkrete Entscheidung über einen Anspruch auf Verletztengeld oder Verletztenrente getroffen. Vielmehr handelt es sich bei dem Satz des Bescheides vom 07. Oktober 2004 "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung werden nicht gewährt" um eine Leerformel, jedoch nicht um eine konkrete Regelung zu einer konkreten Leistung (welcher?) im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteile vom 16. November 2005 – B 2 U 28/04 R – und 21. September 2010 – B 2 U 25/09 R –, siehe auch Urteile vom 30. Januar 2007 – B 2 U 6/06 R –, vom 18. März 2008 – B 2 U 2/07 R –, vom 17. Februar 2009 – B 2 U 26/07 R – sowie vom 02. April 2009 – B 2 U 30/07 R –, alle zitiert nach juris). Die Leistungsklage ist daher im Hinblick auf das zu den begehrten Leistungen fehlende Vorverfahren (§ 78 SGG) als unzulässig abzuweisen.

Soweit der Kläger sich mit seinem Klage- und Berufungsbegehren auch gegen die im Verfügungssatz des Bescheides vom 07. Oktober 2004 enthaltene Ablehnung der bei ihm bestehenden Erkrankungen bzw. Beschwerden seitens des linken Schultergelenkes als Folgen des (anerkannten) Arbeitsunfalls vom 04. Mai 1979 wendet, ist darin eine insoweit zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) zu sehen. Diese Klage, gerichtet auf die Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 07. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2005 und auf die Feststellung, dass die beim Kläger bestehende Erkrankung des linken Schultergelenkes Folge des Arbeitsunfalls vom 04. Mai 1979 ist, ist jedoch unbegründet, denn die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, a.a.O., Rn. 16). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Soweit das Gesetz in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII eine äußere Ursache für den Gesundheitsschaden fordert, lösen im Umkehrschluss solche Gesundheitsschäden keinen Anspruch aus, welche auf so genannten inneren Ursachen beruhen. Dies sind körpereigene Ursachen infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des Betroffenen (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Kap. 1.6.2, S. 28).

Vorliegend hat der Kläger zwar am 04. Mai 1979 den von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall erlitten, als er bei Ausführung seiner versicherten Tätigkeit als Brückenbauer bei der Fahrt mit einem Dumper beim Ausweichen von Schlaglöchern von der Fahrbahn abkam und zuletzt auf einen Feldstein bzw. Findling aufprallte und umkippte und sich dabei eine Platzwunde am Kopf nebst Nasenbeinfraktur zuzog. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) aus der in den Original-Personalakten der Deutschen Reichsbahn enthaltenen Unfallmeldung vom 07. Mai 1979, den Eintragungen im SVA und den vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten schriftlichen Erklärungen ehemaliger Arbeitskollegen. Die Verletzungen am Kopf haben danach eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 21. Mai 1979 bedingt und sind folgenlos ausgeheilt. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere im Hinblick auf die zeitnah zum Unfallgeschehen dokumentierten Gegebenheiten und ärztlichen Befunde und die den Senat überzeugenden Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. B in seinem Gutachten vom 21. August 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 04. August 2010 lässt sich jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass sich der Kläger bei dem Unfall vom 04. Mai 1979 auch einen Gesundheitserstschaden an der linken Schulter in Form einer Subluxation bzw. einer Bänderzerreißung zugezogen hat, die geeignet war, das im OP-Bericht vom 12. August 1981 beschriebene Erkrankungsbild hervorzurufen.

Für eine Verletzung der linken Schulter des Klägers am 04. Mai 1979 fehlt es an jeglichem Nachweis. Zwar war das vom Kläger im Verwaltungsverfahren beschriebene Unfallgeschehen, welches in seiner Ausgestaltung von dem in der vom Kläger unterzeichneten Unfallmeldung Teil I vom 07. Mai 1979 geschilderten Sachverhalt abweicht, nach Auffassung aller gehörten Gutachter und Sachverständigen geeignet, eine Schulterverletzung zu bewirken. Eine solche ist ebenso wie eine Behandlungsbedürftigkeit wegen Schulterbeschwerden in zeitlicher Nähe zu dem Unfallgeschehen jedoch nicht erwiesen. So ist in der Unfallmeldung Teil I ausdrücklich als Verletzung nur "Platzwunde über linkes Auge, Nasenbeinfraktur" aufgeführt und in Teil II (statistischer Teil) bei der Frage nach dem verletzten Körperteil lediglich die Nr. 1 (Kopf) verschlüsselt worden und nicht auch die Nr. 4 (Schulter, Arme, Hände). Der SVA enthält für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit nur den Eintrag "873" (= sonstige offene Wunde des Kopfes). Behandlungsbedürftige Schulterbeschwerden, die der Kläger für die Zeit unmittelbar nach dem Unfallgeschehen geltend macht, sind dem SVA erstmals für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 10. August bis zum 01. Oktober 1981 wegen "840" (= Verstauchung und Zerrung der Schulter und des Oberarmes) zu entnehmen. Obwohl der Kläger im Sommer 1980 gegenüber seiner Hausärztin DM H über Schmerzen im linken Schultergelenk klagte, sodass am 12. Juni 1980 eine Röntgenuntersuchung durchgeführt und er am 09. Juli 1980 dem Facharzt für Orthopädie Dr. R vorgestellt wurde, ist von ihr eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 09. Juni bis zum 27. Juni 1980 wegen "536" (= Störungen der Magenfunktion) und von Dr. R am 08. Juli 1980 Behandlungsbedürftigkeit wegen "724" (= sonstige nicht näher bezeichnete Affektionen des Rückens) im SVA eingetragen worden. Im Übrigen fanden laut den Eintragungen von Dr. R im SVA des Klägers auch in der Folgezeit (vgl. 15. Januar 1981 und 09. April 1981) nur Behandlungen wegen "724" (= sonstige nicht näher bezeichnete Affektionen des Rückens) statt. Zwar hat der Orthopäde Dr. R am 09. Juli 1980 eine "Lockerung des linken Schultergelenks als Unfallfolge" befundet, jedoch ist nicht ersichtlich, auf welches Unfallgeschehen er sich dabei bezieht und auf welche ärztlich dokumentierte Schulterverletzung. Den von der damaligen Hausärztin des Klägers DM H im Verwaltungsverfahren vorgelegten Patientenunterlagen nebst Auskunft vom 26. April 2004 lässt sich eine Vorstellung des Klägers wegen Beschwerden am linken Schultergelenk vor dem 09. Juni 1980 nicht entnehmen. Eine Vorstellung des Klägers wegen Schulterbeschwerden vor dem 09. Juni 1980 wird von DM H auch nicht behauptet. Soweit sie die vom Kläger im Juni 1980 geklagten Beschwerden als Folge des Unfalls vom 04. Mai 1979 bezeichnet hat, konnte sie mangels eigener Befunderhebung zeitnah zum Unfallgeschehen dies nur aus den – unbewiesenen – Angaben des Klägers folgern. Zudem weist der beratende Arzt der Beklagten Prof. Dr. W in seiner Stellungnahme vom 07. April 2010 zu Recht darauf hin, dass eine, wie vom Kläger behauptete, zunehmend schmerzhafte Schulterverletzung durch den Arbeitsunfall eine Arbeitsaufnahme nach nur zwei Wochen nicht hätte ermöglichen können, da der Kläger eine körperlich stark beanspruchende Tätigkeit ausübte. Der Beweis eines Gesundheitserstschadens an der linken Schulter am 04. Mai 1979 lässt sich auch nicht mit dem intraoperativen Befund vom 12. August 1981 und den darauf und auf den anamnestischen Angaben des Klägers aufbauenden Schlussfolgerungen des Operateurs Dr. H (vgl. Epikrise des Kreiskrankenhauses B F über die stationäre Behandlung vom 10. August bis zum 11. September 1981; handschriftliche Abschrift der ärztlichen Bescheinigung vom 19. Oktober 1981 in der Personalakte) führen. Wie der erstinstanzlich gehörte Sachverständige Dr. B in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 04./09. August 2010 für den Senat überzeugend dargelegt hat, lässt sich aus dem OP-Bericht vom 12. August 1981 eine eindeutige Zerreißung von Kapselbandverbindungen im Schultereckgelenk nicht ableiten, lediglich, dass einige Anteile der Bandverbindung nicht nachgewiesen werden konnten und andere Anteile überdehnt waren. Dieser Befund lässt sich zwar mit einer früher eingetretenen Verletzung des Schultereckgelenkes in Übereinstimmung bringen. Allein die Möglichkeit einer eingetretenen Verletzung ist aber noch kein Nachweis, zumal eine Lockerung des Schultereckgelenkes auch durch degenerative Prozesse bewirkt wird. Bereits der beratende Arzt der Beklagten Prof. Dr. W hat in seiner Stellungnahme vom 07. April 2010 darauf hingewiesen, dass der Operateur nur habe mutmaßen können, ob die Bandstrukturen wirklich zwei Jahre zuvor traumatisch zerrissen oder im Rahmen eines degenerativen Lockerungsprozesses verändert sind. Abgesehen davon fehlt es, wie der Sachverständige Dr. B als auch der beratende Arzt der Beklagten Prof. Dr. W nachvollziehbar dargelegt haben, an einer spezifischen Brückensymptomatik. So sind anhand der zuerst durchgeführten Röntgendiagnostik im Juni 1980 keine relevanten Schäden oder Fehlstellungen im Bereich des linken Schulter- und Schultereckgelenkes beschrieben worden. Ein Hochstand des Schultereckgelenkes zumindest im Sinne der Tossy- bzw. Rockwood II-Veränderungen mit einem Schaden der Bandstrukturen des Schultereckgelenkes wäre nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B radiologisch zweifellos aufgefallen.

Der Nachweis einer Verletzung der linken Schulter als Erstschaden durch das Unfallereignis vom 04. Mai 1979 ist nicht gelungen. Hierfür trägt der Kläger die Beweislast. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweis- oder Feststellungslast geht die Unerweislichkeit einer Tatsache grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten der aus ihr ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten will. Während denjenigen, der einen Anspruch erhebt, die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen trifft, ist derjenige, der das geltend gemachte Recht bestreitet, für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Tatsachen beweispflichtig (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 02. Dezember 2008 – B 2 U 26/06 R –, zitiert nach juris). Zwar können Eigentümlichkeiten eines Sachverhaltes in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen, z. B. können sich der Unfallversicherungsträger oder das Gericht schon aufgrund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugen (vgl. BSG, Urteil vom 07. September 2004 – B 2 U 25/03 R –, zitiert nach juris, m.w.N.). Eine allgemeingültige Beweiserleichterung – oder Beweislastumkehr – für den Fall des Beweisnotstandes würde jedoch dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) widersprechen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteile vom 02. Dezember 2008 – B 2 U 26/06 R – und vom 07. September 2004 – B 2 U 25/03 R – zitiert nach juris, jeweils m.w.N.).

Die beim Kläger seit 2003 vermehrt behandlungsbedürftigen Beschwerden am linken Schultergelenk in Form eines Impingementsyndroms mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und Funktionsminderung bei Zustand nach Bandplastik nach Weaver und Dunn mit Kürzung der lateralen Clavikula sind daher zur Überzeugung des Senats nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch den Arbeitsunfall vom 04. Mai 1979 verursacht. Abgesehen vom fehlenden Nachweis eines Gesundheitserstschadens an der linken Schulter, können – sofern eine Bänderverletzung nebst Subluxation als Erstschaden unterstellt wird - nach erfolgter Bandplastik und Resektion der lateralen Clavikula die beim Kläger bestehenden degenerativen Veränderungen des linken Schultergelenkes nicht mehr auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden. So hat bereits der im Verwaltungsverfahren gehörte Gutachter Dr. H nachvollziehbar dargelegt, dass die beim athroskopischen Eingriff vom 24. Februar 2004 beschriebenen schweren Veränderungen des linken Schultergelenkes alle degenerativer Genese seien und nicht mit einer stattgehabten Verletzung des AC-Gelenkes im Zusammenhang gesehen werden können. So habe die röntgenologische Untersuchung vom 22. Juni 2005 nun einen ausreichend weiten Gelenkspalt im Bereich des linken AC-Gelenkes bei insgesamt korrekter Stellung der Clavicula zum Schulterdach gezeigt, sodass die ohne Zweifel bestehenden starken Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des linken Schultergelenkes nicht auf die stattgehabten OPen im Bereich des AC-Gelenkes sondern im Wesentlichen auf die allgemeinen degenerativen Veränderungen im linken Schultergelenk zurückgeführt werden müssen.

Vor diesem Hintergrund vermochte der Senat nicht der Beurteilung des auf Antrag des Klägers gehörten Sachverständigen Dr. K im Gutachten vom 01. Dezember 2009 zu folgen. Zum einen legt Dr. K seiner Beurteilung die Angaben des Klägers, wonach eine Woche nach dem Unfall die Schulterbeschwerden aufgetreten seien und er sich in die Behandlung von Dr. R begeben habe, zugrunde, ohne diese auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und mit dem in den Akten und den SVA dokumentierten tatsächlichen Behandlungsverlauf abzugleichen. Zum anderen setzt er sich nicht mit der Tatsache auseinander, dass eine Erstverletzung der Schulter nicht zeitnah zum Unfall durch ärztliche Befunde belegt ist, und übernimmt kritiklos die Einschätzung des Operateurs Dr. H aus dem Jahre 1981, der auch nur Mutmaßungen zu Genese anstellen konnte.

Eine in Bestandskraft (§ 77 SGG) erwachsene Feststellung (§ 31 SGB X) der Erkrankung des linken Schultergelenkes des Klägers als Folge des Arbeitsunfalls vom 04.Mai 1979 vermag der Senat ebenso wenig wie das erstinstanzliche Gericht den Ausführungen der Beklagten unter "Gründe" im Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2005 zu entnehmen. Der Senat verweist diesbezüglich auf die überzeugenden Darlegungen des SG im Urteil vom 08. November 2010 (Seite 7) und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, sie folgt der Entscheidung der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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